Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 5
»Ja.«
»Wer hat recht, er oder Napoleon?«
»Juarez.«
»Mein Bruder denkt grad so wie ich. Ich bitte dich, mich nicht zu fragen, was ich hier in Matagorda tue! Ich muß es selbst gegen dich verschweigen, denn ich habe das Juarez versprochen, den ich in EI Paso del Norte traf. Du wirst, obgleich du mich hier getroffen hast, den beiden Bleichgesichtern folgen, welche du suchst?«
»Ich bin dazu gezwungen. Wie würde ich mich freuen, wenn du mich begleiten könntest! Ist dir das nicht möglich?«
»Nein. Ich habe eine Pflicht zu erfüllen, welche ebenso groß ist wie die deinige. Heut muß ich noch bleiben; aber morgen fahre ich mit dem Schiffe nach La Grange, von wo aus ich über Fort Inge nach dein Rio Grande del Norte muß.«
»Wir fahren mit demselben Schiffe, nur weiß ich nicht, wie weit. Wir werden also morgen noch beieinander sein.«
»Nein.«
»Nicht? Warum nicht?«
»Weil ich meinen Bruder nicht in meine Sache verwickeln möchte; darum habe ich vorhin getan, als ob ich dich nicht kenne. Auch wegen Old Death habe ich nicht mit dir gesprochen.«
»Warum wegen ihm?«
»Weiß er, daß du Old Shatterhand bist?«
»Nein. Dieser Name ist zwischen uns gar nicht gefallen.«
»Er kennt ihn dennoch ganz gewiß. Du bist bisher im Osten gewesen und weißt also nicht, wie oft im Westen von dir gesprochen wird. Old Death hat sicher auch von Old Shatterhand gehört; dich aber scheint er für ein Greenhorn zu halten?«
»Das ist allerdings der Fall.«
»So wird es später eine große Überraschung geben, wenn er hört, wer dieses Greenhorn ist; die möchte ich meinem Bruder nicht verderben. Wir werden also auf dem Schiffe nicht miteinander sprechen. Wenn du Ohlert und seinen Entführer gefunden hast, dann werden wir um so länger beisammen sein, denn du wirst doch zu uns kommen?«
»Ganz gewiß!«
»So wollen wir jetzt scheiden, Scharlieh. Es gibt hier Bleichgesichter, welche auf mich warten.«
Er stand auf. Ich mußte sein Geheimnis achten und nahm Abschied von ihm, hoffentlich nur für kurze Zeit.
Am andern Morgen mieteten wir zwei Maultiere, auf denen wir hinaus nach der Raft ritten, wo der Dampfer auf die Passagiere wartete. Die Tiere erhielten unsere Sättel aufgelegt, wodurch es glücklicherweise vermieden wurde, daß wir dieselben tragen mußten.
Der Steamer war ein sehr flachgehendes Boot und ganz nach amerikanischer Manier gebaut. Es befanden sich bereits zahlreiche Passagiere auf demselben. Als wir, nun allerdings die Sättel tragend, über die Planke schritten und an Deck kamen, rief eine laute Stimme:
»Bei Jove! Da kommen ein paar zweibeinige, gesattelte Maulesel! Hat man schon so etwas gesehen? Macht Platz, Leute! Laßt sie hinab in den Raum! Solch Viehzeug darf doch nicht unter Gentlemen verweilen!«
Wir kannten diese Stimme. Die besten Plätze des mit einem Glasdache versehenen ersten Platzes waren von den Rowdies eingenommen, welche wir gestern kennen gelernt hatten. Der laute Schreier von gestern, welcher überhaupt ihren Anführer zu machen schien, hatte uns mit dieser neuen Beleidigung empfangen. Ich richtete mich nach Old Death. Da er die Worte ruhig über sich ergehen ließ, tat auch ich so, als ob ich sie gar nicht vernommen hätte. Wir nahmen den Kerlen gegenüber Platz und schoben die Sättel unter unsere Sitze.
Der Alte machte es sich bequem, zog seinen Revolver hervor, spannte ihn und legte ihn neben sich hin; ich folgte seinem Beispiele und legte den meinen auch bereit. Die Kerls steckten die Köpfe zusammen und zischelten unter sich, wagten es aber nicht, wieder eine laute Beleidigung hören zu lassen. Ihre Hunde, von denen nun freilich einer fehlte, hatten sie auch heute bei sich. Der Sprecher betrachtete uns mit ganz besonders feindseligen Blicken. Seine Haltung war gebeugt, jedenfalls infolge des Fluges durch das Fenster und der nachfolgenden nicht eben sanften Behandlung durch Winnetou. Sein Gesicht zeigte die noch frischen Spuren der Fensterscheiben.
Als der Conductor kam, uns zu fragen, wie weit wir mitfahren wollten, gab Old Death den Ort Kolumbus an, bis wohin wir bezahlten. Wir konnten ja dort weitere Passage nehmen. Er war der Ansicht, daß Gibson nicht ganz bis Austin gefahren sei.
Die Glocke hatte bereits das zweite Zeichen gegeben, als ein neuer Passagier kam —Winnetou. Er ritt einen auf indianische Weise gezäumten Rapphengst, ein prachtvolles Tier, stieg erst an Bord aus dem Sattel und führte sein Pferd nach dem Vorderteile des Deckes, wo für etwa mitzunehmende Pferde ein schulterhoher Bretterverschlag angebracht worden war. Dann setzte er, scheinbar ohne jemand zu beachten, sich daneben auf die Brüstung des Schiffgeländers. Die Rowdies nahmen ihn scharf in die Augen. Sie räusperten sich und husteten laut, um seine Blicke auf sich zu lenken, doch vergebens. Er saß, sich auf die Mündung seiner Silberbüchse stützend, halb abgewendet von ihnen und schien kein Ohr für sie zu haben.
Jetzt läutete es zum letzenmal; noch einige Augenblicke des Wartens, ob vielleicht noch ein Reisender kommen werde; dann drehten sich die Räder, und das Schiff begann die Fahrt.
Unsere Reise schien ganz gut verlaufen zu wollen. Es herrschte vollständige Ruhe an Bord bis Wharton, wo ein einziger Mann ausstieg, dafür aber zahlreiche Passagiere an Bord kamen. Old Death ging für einige Minuten an das Ufer, wo der Commissioner stand, um sich bei demselben nach Gibson zu erkundigen. Er erfuhr, daß zwei Männer, auf welche seine Beschreibung paßte, hier nicht ausgestiegen seien. Dasselbe negative Resultat hatte seine Erkundigung auch in Kolumbus, weshalb wir dort bis La Grange weiter bezahlten. Von Matagorda bis Kolumbus hat das Schiff einen Weg von vielleicht fünfzig Gehstunden zurückzulegen. Es war also nicht mehr zeitig am Nachmittage, als wir uns am letzteren Orte befanden. Während dieser langen Zeit hatte Winnetou seinen Platz nur ein einziges Mal verlassen, um seinem Pferde Wasser zu schöpfen und ihm Maiskörner zu geben.
Die Rowdies schienen ihren gegen ihn und uns gerichteten Ärger vergessen zu haben. Sie hatten sich, sobald neue Passagiere anlangten, mit diesen beschäftigt, waren aber meist abweisend behandelt worden. Sie brüsteten sich mit ihrer antiabolitionistischen Gesinnung, fragten einen jeden nach der seinigen und schimpften auf alle, die nicht ihrer Meinung waren. Ausdrücke wie »verdammter Republikaner«, »Niggeronkel«, »Yankeediener« und andere noch schlimmere flossen nur so von ihren Lippen, und so kam es, daß man sich von ihnen zurückzog und nichts von ihnen wissen wollte. Das war jedenfalls auch der Grund, daß sie es unterließen, mit uns anzubinden. Sie durften nicht hoffen, von andern gegen uns unterstützt zu werden. Hätten sich jedoch mehr Sezessionisten an Bord befunden, so wäre es ganz gewiß um den Schiffsfrieden geschehen gewesen.
In Kolumbus nun stiegen viele von den friedlich gesinnten Leuten aus, und es kamen dafür andere an Bord, welche das gerade Gegenteil zu denken schienen. Unter anderen taumelte eine Bande von vielleicht fünfzehn bis zwanzig Betrunkenen über die Planke, welche nichts Gutes ahnen ließen und von den Rowdies mit stürmischer Freude bewillkommnet wurden. Andere der neu Eingestiegenen schlossen sich ihnen an, und bald konnte man sehen, daß das unruhige Element sich jetzt in der Übermacht befand. Die Unholde flegelten sich auf die Sitze, ohne zu fragen, ob sie andern unbequem wurden oder nicht, stießen sich zwischen den ruhigen Passagieren hin und her und taten alles, um zu zeigen, daß sie sich als Herren des Platzes fühlten. Der Kapitän ließ sie ruhig rumoren; er mochte meinen, daß es das Beste sei, sie nicht zu beachten. So lange sie ihn nicht in der Leitung des Schiffes störten, überließ er es den Reisenden, sich gegen Übergriffe selbst zu schützen. Er hatte keinen einzigen Yankeezug im Gesichte. Seine Gestalt war voll, wie man es beim Amerikaner selten sieht, und über sein rotwangiges Gesicht breitete sich ein immerwährendes gutmütiges Lächeln, welches, ich hätte darauf wetten wollen, echt germanischer Abstammung sein mußte.
Die meisten Sezessionisten waren nach der Schiffsrestauration gegangen. Von dort her erscholl wüstes Gejohle. Flaschen wurden in Scherben geschlagen, und dann kam ein Neger schreiend gerannt, jedenfalls der Kellner, kletterte zum Kapitän hinauf und jammerte ihm seine uns fast unverständlichen Klagen vor. Nur so viel hörte ich, daß er mit der Peitsche geschlagen worden sei und später am Rauchschlot aufgehangen werden solle.
Jetzt machte der Kapitän ein bedenklicheres Gesicht. Er schaute aus, ob das Schiff den richtigen Kurs habe, und stieg dann herab, um sich nach der Restauration zu begeben. Da kam der Conductor ihm entgegen. Ganz in unserer Nähe trafen die beiden zusammen. Wir hörten, was sie sprachen.
»Capt‘n,« meldete der Conductor, »wir dürfen nicht länger ruhig zusehen. Die Leute planen Arges. Laßt den Indianer dort an das Land! Sie wollen ihn aufhängen. Er hat sich gestern an einem von ihnen vergriffen. Außerdem sind zwei Weiße hier, ich weiß nur nicht, welche, die auch gelyncht werden sollen, weil sie gestern dabei waren. Sie sollen Spione von Juarez sein.«
»Alle Teufel! Das wird Ernst. Welche beiden Männer werden das sein!« Sein Auge schweifte forschend umher.
»Wir sind es, Sir,« antwortete ich, indem ich aufstand und zu ihnen trat.
»Ihr? Na, wenn ihr Spione von Juarez seid, so will ich mein Steamboot als Frühstück verzehren!« meinte er, indem er mich musterte.
»Fällt mir nicht ein! Ich bin ein Deutscher und bekümmere mich nicht im mindesten um eure Politik.«
»Ein Deutscher? Da sind wir ja Landsleute! Ich habe mein erstes fließendes Wasser im Neckar gesehen. Euch darf ich nichts tun lassen. Ich werde sofort am Ufer anlegen, damit Ihr Euch in Sicherheit bringen könnt.«
»Da mache ich nicht mit. Ich muß unbedingt mit diesem Boote weiter und habe keine Zeit zu verlieren.«
»Wirklich! Das ist unangenehm. Wartet einmal!«
Er ging zu Winnetou und sagte ihm etwas. Der Apache hörte ihn an, schüttelte verächtlich mit dem Kopfe und wendete sich ab. Der Kapitän kehrte zu uns zurück und meldete mit verdrießlicher Miene:
»Dachte es mir! Die Roten haben eiserne Köpfe. Er will auch nicht ans Land gesetzt werden.«
»Dann ist er mit diesen beiden Herren verloren, denn die Kerle werden Ernst machen,« meinte der Conductor besorgt. »Und wir paar Mann vom Steamer können gegen eine solche Übermacht nichts tun.«
Der Kapitän blickte sinnend vor sich nieder. Dann zuckte es lustig über sein gutmütiges Gesicht, als ob er einen vortrefflichen Einfall habe, und er wendete sich zu uns:
»Ich werde diesen Sezessionisten einen Streich spielen, an den sie noch lange denken sollen. Ihr müßt euch aber genau so verhalten, wie ich es von euch verlange. Macht vor allen Dingen keinen Gebrauch von der Waffe. Steckt eure Büchsen da unter die Bank zu den Sätteln. Gegenwehr würde die Sache verschlimmern.«
»All devils! Sollen wir uns ruhig lynchen lassen, Master?« rief Old Death verdrießlich.
»Nein. Haltet euch an passive Gegenwehr! Im richtigen Augenblicke wird mein Mittel wirken. Wir wollen diese Halunken durch ein Bad abkühlen. Verlaßt euch auf mich! Habe keine Zeit zur Explikation. Die Kerle nahen schon.«
Wirklich kam grad jetzt die Rotte aus der Restauration gestiegen. Der Kapitän wendete sich schnell von uns ab und erteilte dem Conductor einige leise Befehle. Dieser eilte zum Steuermanne, bei welchem die zwei zum Boote gehörigen Deckhands standen. Kurze Zeit später sah ich ihn beschäftigt, den ruhigeren Passagieren heimliche Weisungen zuzuflüstern, konnte aber nicht weiter auf ihn achten, da ich mit Old Death von den Sezessionisten in Anspruch genommen wurde. Nur so viel bemerkte ich im Verlaufe der nächsten zehn Minuten, daß die erwähnten friedlichen Reisenden sich möglichst eng am Vorderdeck zusammenzogen.
Kaum hatten die betrunkenen Sezessionisten die Restauration verlassen, so waren wir beide von ihnen umringt. Wir hatten nach der Weisung des Kapitäns die Gewehre weggelegt.
»Das ist er!« rief der Sprecher von gestern, indem er auf mich deutete. »Ein Spion der Nordstaaten, die es mit Juarez halten. Gestern noch ging er als feiner Gentleman gekleidet; heute hat er einen Trapperanzug angelegt. Warum verkleidet er sich? Meinen Hund hat er mir getötet, und beide haben uns mit ihren Revolvern bedroht.«
»Ein Spion ist er, ja, ein Spion!« riefen die andern wirr durcheinander. »Das beweist die Verkleidung. Und er ist ein Deutscher. Bildet eine Jury! Er muß am Halse baumeln! Nieder mit den Nordstaaten, mit den Yankees und ihren Geschöpfen!«
»Was treibt ihr da unten, Gentlemen?« rief in diesem Augenblicke der Kapitän von oben herab. »Ich will Ruhe und auch Ordnung an Bord. Laßt die Passagiere ungeschoren!«
»Schweigt, Sir!« brüllte einer aus der Rotte hinauf. »Auch wir wollen Ordnung, und wir werden sie uns jetzt verschaffen. Gehört es zu Euren Obliegenheiten, Spione an Bord zu nehmen?«
»Es gehört zu meinen Obliegenheiten, Leute zu befördern, welche die Passage bezahlen. Kommen Führer der Sezessionisten zu mir, so sollen sie mitfahren dürfen, vorausgesetzt, daß sie zahlen und anständig sind. Das ist meine Loyalität. Und wenn ihr mir mit der eurigen das Geschäft verderbt, so setze ich euch ans Ufer und ihr mögt zu Lande nach Austin schwimmen.«
Ein höhnisches, wieherndes Gelächter antwortete ihm. Man drängte Old Death und mich so eng zusammen, daß wir uns nicht rühren konnten. Wir protestierten natürlich, doch wurden unsere Worte durch das fast tierische Geschrei dieser rohen Bande verschlungen. Man stieß uns vom ersten Platze fort, hinaus, bis an die rauchende Esse, an welcher wir aufgeknüpft werden sollten. Dieselbe war oben mit eisernen Ösen versehen, durch welche Taue liefen, also eine wunderbar schöne und praktische Vorrichtung, um jemanden aufzuhängen. Man brauchte die Taue nur schlaff zu lassen und uns mit der empfindlichen Gegend des Halses an dieselben zu befestigen, um uns dann gemächlich emporzuhissen. Hier also wurde ein Kreis um und ein Gerichtshof über uns gebildet. Das letztere war eine reine Lächerlichkeit. Ich glaube, die Schufte sind gar nicht dazu gekommen, sich zu fragen, warum wir gar nicht Miene machten, uns zur Wehr zu setzen; sie sahen doch, daß wir im Besitz von Messern und Revolvern waren, uns derselben aber nicht bedienten. Das mußte doch einen Grund haben.
Old Death mußte sich gewaltige Mühe geben, ruhig zu erscheinen. Seine Hand zuckte öfters nach dem Gürtel; aber sobald dann sein Blick nach dem Kapitän flog, winkte dieser verstohlen ab.
»Na,« meinte er zu mir, und zwar deutsch, um nicht verstanden zu werden, »ich will mich noch fügen. Aber wenn sie mir es zu toll treiben, so haben sie in einer einzigen Minute unsere vierundzwanzig Kugeln im Leibe. Schießt nur gleich, wenn ich anfange!«
»Hört ihr es!« rief der ofterwähnte Rowdy. »Sie reden deutsch. Es ist also erwiesen, daß sie verdammte Dutchmen sind und zu den Schuften gehören, welche den Südstaaten am meisten zusetzen. Was wollen sie hier in Texas? Sie sind Spione und Verräter. Machen wir es kurz mit ihnen!«
Seinem Vorschlage wurde brüllend beigestimmt. Der Kapitän rief ihnen eine strenge Mahnung zu, wurde aber wieder ausgelacht. Dann warf man die Frage auf, ob man nun den Indianer prozessieren oder uns vorher hängen solle, und man entschied sich für das erstere. Der Vorsitzende schickte zwei Männer ab, den Roten herbeizuholen.
Da wir rundum von Menschen umgeben waren, konnten wir Winnetou nicht sehen. Wir hörten einen lauten Schrei. Winnetou hatte einen der Abgesandten niedergeschlagen und den andern über Bord geschleudert. Dann war er in die aus Eisenblech gefertigte Kabine des Conductors geschlüpft, welche sich am Radkasten befand. Diese hatte ein kleines Fensterchen, durch welches jetzt die Mündung seiner Doppelbüchse schaute. Natürlich erregte der Vorfall einen fürchterlichen Lärm. Alles rannte an die Schiffsbrüstung, und man schrie dem Kapitän zu, einen Mann ins Boot zu senden, um den in das Wasser Expedierten aufzufischen. Er kam diesem Rufe nach und gab einem der Deckhands einen Wink. Der Mann sprang in das am Hinterteile befestigte Boot, löste das Tau, an welchem es gehalten wurde, und ruderte nach dem Betreffenden, welcher glücklicherweise ein wenig schwimmen konnte und sich alle Mühe gab, über Wasser zu bleiben.
Ich stand mit Old Death allein. Von Hängen war einstweilen keine Rede mehr. Wir sahen die Augen des Steuermanns und der übrigen Schiffsleute auf den Kapitän gerichtet, welcher uns näher winkte und mit unterdrückter Stimme sagte:
»Paßt auf, Mesch‘schurs! jetzt geh ich ihnen das Bad. Bleibt nur ruhig an Bord, es mag geschehen, was da wolle. Macht aber so viel Lärm wie möglich!«
Er hatte stoppen lassen, und das Schiff wurde langsam abwärts getrieben, dem rechten Ufer zu. Dort gab es eine Stelle, über welche sich das Wasser brach, eine seichte Bank. Der Fluß war von da bis zum Ufer überhaupt nicht tief. Ein Wink vom Kapitän – der Steuermann nickte lächelnd und ließ das Boot gerade gegen die Bank treiben. Ein kurzes Knirschen unter uns, ein Stoß, daß alle taumelten, viele aber niederstürzten -wir saßen fest. Das lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit vom Kahne auf das Schiff. Die ruhigen Passagiere waren alle vom Conductor unterrichtet worden, schrieen aber laut Verabredung, als ob sie die höchste Todesangst auszustehen hätten. Die andern, welche an einen wirklichen Unfall glaubten, stimmten natürlich mit ein. Da tauchte einer der Deckhands hinten auf, kam scheinbar voller Entsetzen zum Kapitän gerannt und schrie:
»Wasser im Raume, Capt‘n! Das Riff hat den Kiel mitten entzwei geschnitten. In zwei Minuten sinkt das Schiff.«
»Dann sind wir verloren!« rief der Kapitän. »Rette sich, wer kann! Das Wasser ist seicht bis zum Ufer. Schnell hinein!«
Er eilte von seinem Platze herab, warf den Rock, die Weste und die Mütze von sich, zog in höchster Eile die Stiefel aus und sprang über Bord. Das Wasser ging ihm nur bis an den Hals.
»Herunter, herunter!« schrie er. »Jetzt ist es noch Zeit. Wenn das Schiff sinkt, begräbt es in seinem Strudel alle, die sich noch an Bord befinden!«
Daß der Kapitän der erste war, der sich rettete, daß er sich vorher halb entkleidete, darüber dachte keiner der Sezessionisten nach. Das Entsetzen hatte sie ergriffen. Sie sprangen über Bord und arbeiteten sich schleunigst nach dem Ufer, ohne darauf zu achten, daß der Kapitän nach der andern, dem Ufer abgekehrten Seite des Schiffes schwamm und dort am schnell niedergelassenen Fallreep an Bord stieg. Das Schiff war nun gesäubert, und wo eine Minute vorher der bleiche Schrecken geherrscht hatte, ertönte jetzt ein lautes lustiges Lachen.
Eben als die ersten der sich Rettenden an das Land stiegen, gab der Kapitän den Befehl, vorwärts zu dampfen. Das seicht gehende, unten breit und sehr stark gebaute Fahrzeug hatte nicht den mindesten Schaden gelitten, und gehorchte willig dem Drucke der Räder. Seinen Rock wie ein Flagge schwenkend, rief der Kapitän zum Ufer hinüber:
»Farewell, Gentlemen! Habt ihr wieder einmal Lust, eine Jury zu bilden, so hängt euch selber auf. Eure Sachen, welche sich noch an Bord befinden, werde ich in La Grange abgeben. Holt sie euch dort ab.«
Es läßt sich denken, welchen Eindruck diese höhnischen Worte auf die Gefoppten machten. Sie erhoben ein wütendes Geheul, forderten den Kapitän auf, sie augenblicklich wieder aufzunehmen, drohten mit Anzeige, Tod und anderen Schreckmitteln, ja schossen ihre Gewehre, soweit dieselben nicht naß geworden waren, auf den Steamer ab, doch ohne irgend welchen Schaden anzurichten. Endlich brüllte einer in ohnmächtiger Wut zu dem Kapitän herüber:
»Hund! Wir warten hier auf deine Rückkehr und hängen dich an deiner eigenen Esse auf!«
»Well, Sir! Kommt dann gefälligst an Bord! Bis dahin aber laßt mir die Generale Mejia und Marquez grüßen!« Jetzt hatten wir volle Kraft und dampften in beschleunigtem Tempo weiter, um die versäumte Zeit einzuholen.
Die Kukluxer
Obiges Wort ist noch heute ein sprachliches Rätsel, das verschiedentliche Lösungen gefunden hat. Der Name des berüchtigten Kukluxklan, oder anders geschrieben Ku-Klux-Klan, soll nach einigen nur eine Nachahmung des Geräusches sein, welches durch das Spannen des Gewehrhahnes hervorgebracht wird. Andere setzen ihn zusammen aus cuc, Warnung, gluck, glucksen und clan, dem schottischen Worte für Stamm, Geschlecht oder Bande. Mag dem sein, wie ihm wolle; die Mitglieder des Ku-Klux-Klan wußten wohl selber nicht, woher ihr Name stammte und was er zu bedeuten hatte; es war ihnen auch gewiß ganz gleichgültig. Einem von ihnen war das Wort vielleicht in den Mund gekommen, die andern fingen es auf und sprachen es nach, ohne sich um den Sinn oder Unsinn dieser Bezeichnung zu bekümmern.
Nicht so unklar war der Zweck, welchen diese Verbindung verfolgte, die zuerst in einigen Grafschaften Nordkarolinas auftrat, dann sich schnell über Südkarolina, Georgien, Alabama, Mississippi, Kentucky und Tennessee verbreitete und endlich gar ihre Glieder auch nach Texas sandte, um dort für ihre Zwecke tätig zu sein. Der Bund umfaßte eine Menge grimmiger, gegen die Nordstaaten erbitterter Feinde, deren Aufgabe es war, mit allen Mitteln, auch den unerlaubtesten und verbrecherischsten, gegen die nach der Beendigung des Bürgerkrieges eingetretene Ordnung anzukämpfen. Und in der Tat hielten die Kukluxer eine ganze Reihe von Jahren hindurch den Süden in beständiger Aufregung, machten jeden Besitz unsicher, hemmten Industrie und Handel, und selbst die strengsten Maßregeln vermochten es nicht, diesem unerhörten Treiben ein Ende zu machen.
Der Geheimbund, welcher infolge der Rekonstruktionsmaßregeln, welche die Regierung dem besiegten Süden gegenüber zu treffen gezwungen war, entstand, rekrutierte sich aus Leuten, welche Anhänger der Sklaverei, aber Feinde der Union und der republikanischen Partei waren. Die Mitglieder wurden durch schwere Eide zum Gehorsam gegen die heimlichen Satzungen und durch Androhung der Todesstrafe zur Geheimhaltung ihrer Organisation verbunden. Sie scheuten vor keiner Gewalttat, auch nicht vor Brand und Mord zurück, hatten regelmäßige Zusammenkünfte und erschienen bei Ausübung ihrer ungesetzlichen Taten stets zu Pferde und in tiefer Vermummung. Sie schossen Pfarrherren von den Kanzeln und Richter von ihren Plätzen, überfielen brave Familienväter, um sie mit bis auf die Knochen zerfleischten Rücken inmitten ihrer Familien liegen zu lassen. Alle Raufbolde und Mordbrenner zusammengenommen waren nicht so zu fürchten, wie dieser Ku-Klux-Klan, welcher es so entsetzlich trieb, daß zum Beispiel der Gouverneur von Südkarolina den Präsidenten Grant ersuchte, ihm militärische Hilfe zu senden, da dem Geheimbunde, welcher bereits die bedenklichsten Dimensionen angenommen hatte, nicht anders beizukommen sei. Grant legte die Angelegenheit dem Kongresse vor, und dieser erließ ein Anti-Ku-Klux-Gesetz, welches dem Präsidenten diktatorische Gewalt verlieh, die Bande zu vernichten. Daß man gezwungen war, nach einem so drakonischen Ausnahmegesetz zu greifen, ist ein sicherer Beweis, welche außerordentliche Gefahr sowohl für den Einzelnen, wie für die ganze Nation in dem Treiben der Kukluxer lag. Der Klan wurde nachgerade zu einem infernalischen Abgrunde, in welchem sich alle umstürzlerisch gesinnten Geister zusammenfanden. Einer der geistlichen Herren, welcher von der Kanzel geschossen wurde, hatte nach der Predigt für das Seelenheil einer Familie gebetet, deren Glieder bei hellem Tage von den Kukluxern ermordet worden waren. In seinem frommen Eifer und auch ganz der Wahrheit gemäß bezeichnete er das Treiben des Klans als einen Kampf der Kinder des Teufels gegen die Kinder Gottes. Da erschien auf der gegenüberliegenden Empore eine vermummte Gestalt und jagte ihm eine Kugel durch den Kopf. Ehe die erschrockene Gemeinde sich von ihrem Entsetzen zu erholen vermochte, war dieser Teufel verschwunden.
Als unser Steamboot in La Grange anlangte, war es Abend geworden, und der Kapitän erklärte uns, daß er wegen der im Flußbett drohenden Gefahren für heute nicht weiterfahren könne. Wir waren also gezwungen, in La Grange auszusteigen. Winnetou ritt vor uns über die Planke und verschwand zwischen den nahestehenden Häusern im Dunkel der Nacht.
Auch in La Grange stand der Commissioner bereit, die Interessen des Schiffseigners zu versehen. Old Death wendete sich sofort an ihn:
»Sir, wann ist das letzte Schiff aus Matagorda hier angekommen, und stiegen alle Passagiere aus?«
»Das letzte Schiff kam vorgestern um dieselbe Zeit an und alle Passagiere gingen an Land, denn der Steamer fuhr erst am andern Morgen weiter.«
»Und Ihr waret hier, als früh wieder eingestiegen wurde?«
»Ganz natürlich, Sir.«
»So könnt Ihr mir vielleicht Auskunft erteilen. Wir suchen zwei Freunde, welche mit dem betreffenden Steamer gefahren und also auch hier geblieben sind. Wir möchten gern wissen, ob sie dann früh die Fahrt fortgesetzt haben.«
»Hm, das ist nicht leicht zu sagen. Es war so dunkel und die Passagiere drängten so von Bord, daß man dem einzelnen gar keine besondere Aufmerksamkeit schenken konnte. Wahrscheinlich sind die Leute frühmorgens alle wieder mitgefahren, einen gewissen Master Clinton ausgenommen.«
»Clinton? Ah, den meine ich. Bitte, kommt einmal her zu Eurem Lichte! Mein Freund wird Euch eine Photographie zeigen, um zu erfahren, ob es die Master Clintons ist.«
Wirklich erklärte der Commissioner mit aller Entschiedenheit, daß es diejenige des Mannes sei, den er meine.
»Wißt Ihr, wo er geblieben ist?« fragte Old Death.
»Genau nicht; aber sehr wahrscheinlich bei Sennor Cortesio, denn dessen Leute waren es, welche die Koffer holten. Er ist Agent für alles, ein Spanier von Geburt. Ich glaube, er beschäftigt sich jetzt mit heimlichen Waffenlieferungen nach Mexiko hinein.«
»Hoffentlich lernt man in ihm einen Gentleman kennen?«
»Sir, heutzutage will jeder ein Gentleman sein, selbst wenn er seinen Sattel auf dem Rücken trägt.«
Das galt natürlich uns beiden, die wir mit unsern Sätteln vor ihm standen, doch war die Stichelei nicht bös gemeint. Darum fragte Old Death in ungeminderter Freundlichkeit weiter:
»Gibt es hier in diesem gesegneten Orte, wo außer Eurer Laterne kein Licht zu brennen scheint, ein Gasthaus, in welchem man schlafen kann, ohne von Menschen und andern Insekten belästigt zu werden?«
»Es ist nur ein einziges da. Und da Ihr so lange hier bei mir stehen geblieben seid, so werden die andern Passagiere Euch zuvorgekommen sein und die wenigen vorhandenen Räume in Beschlag genommen haben.«
»Das ist freilich nicht sehr angenehm,« antwortete Old Death, der auch diese Stichelei überhörte. »In Privathäusern darf man wohl keine Gastfreundschaft erwarten?«
»Hm, Sir, ich kenne Euch nicht. Bei mir selbst könnte ich Euch nicht aufnehmen, da meine Wohnung sehr klein ist. Aber ich habe einen Bekannten, der Euch wohl nicht fortweisen würde, falls Ihr ehrliche Leute seid, Er ist ein Deutscher, ein Schmied, aus Missouri hergezogen.«
»Nun,« entgegnete mein Freund, »mein Begleiter hier ist ein Deutscher, und auch mir ist die deutsche Sprache geläufig. Spitzbuben sind wir nicht; bezahlen wollen und können wir auch; so kalkuliere ich, daß Euer Bekannter es einmal mit uns versuchen könnte. Wollt Ihr uns nicht seine Wohnung beschreiben?«
»Das ist nicht nötig. Ich würde euch hinführen; aber ich habe noch auf dem Schiffe zu tun. Master Lange, so heißt der Mann, ist jetzt nicht zu Hause. Um diese Zeit sitzt er gewöhnlich im Wirtshause. Das ist so deutsche Sitte hier. Ihr braucht also nur nach ihm zu fragen, Master Lange aus Missouri. Sagt ihm, daß der Commissioner euch geschickt habe! Geht grad aus und dann links um das zweite Haus; da werdet ihr das Schänkhaus an den brennenden Lichtern erkennen. Die Läden sind wohl noch offen.«
Ich gab dem Manne ein Trinkgeld für die erteilte Auskunft, und dann wanderten wir mit unsern Pferdegeschirren weiter. Das Vorhandensein des Wirtshauses war nicht nur an den Lichtern, sondern noch weit mehr an dem Lärm zu erkennen, welcher aus den geöffneten Fenstern drang. Über der Türe war eine Tierfigur angebracht, welche einer Riesenschildkröte glich, aber Flügel und nur zwei Beine hatte. Darunter stand zu lesen: » Hawks inn. « Die Schildkröte sollte also einen Raubvogel vorstellen, und das Haus war der »Gasthof zum Geier«.
Als wir die Stubentüre öffneten, kam uns eine dicke Wolke übelriechenden Tabaksqualmes entgegen. Die Gäste mußten mit vortrefflichen Lungen ausgerüstet sein, da sie in dieser Atmosphäre nicht nur nicht erstickten, sondern sich augenscheinlich ganz wohl zu befinden schienen. Übrigens erwies sich der ausgezeichnete Zustand ihrer Lungen bereits aus der ungemein kräftigen Tätigkeit ihrer Sprachwerkzeuge, denn keiner sprach, aber jeder schrie, so daß es schien, als ob niemand auch nur eine Sekunde schweige, um zu hören, was ein anderer ihm vorbrüllte. Angesichts dieser angenehmen Gesellschaft blieben wir einige Minuten an der Türe stehen, um unsere Augen an den Qualm zu gewöhnen und die einzelnen Personen und Gegenstände unterscheiden zu können. Dann bemerkten wir, daß es zwei Stuben gab, eine größere für gewöhnliche und eine kleinere für feinere Gäste, für Amerika eine sonderbare und sogar gefährliche Einrichtung, da kein Bewohner der freien Staaten einen gesellschaftlichen oder gar moralischen Unterschied zwischen sich und andern anerkennen wird.
Da vorn kein einziger Platz mehr zu finden war, so gingen wir nach der hinteren Stube, die wir ganz unbeachtet erreichten. Dort standen noch zwei Stühle leer, die wir für uns in Anspruch nahmen, nachdem wir die Sättel in eine Ecke gelegt hatten. An dem Tische saßen mehrere Männer, welche Bier tranken und sich in deutscher Sprache unterhielten. Sie hatten uns nur einen kurzen, forschenden Blick zugeworfen, und es schien mir, daß sie bei unserem Nahen schnell auf ein anderes Thema übergegangen seien, wie ihre unsichere suchende Sprachweise vermuten ließ. Zwei von ihnen waren einander ähnlich. Man mußte sie auf den ersten Blick für Vater und Sohn halten, hohe kräftige Gestalten mit scharf markierten Zügen und schweren Fäusten, ein Beweis fleißigen und anstrengenden Schaffens. Ihre Gesichter machten den Eindruck der Biederkeit, waren aber jetzt von lebhafter Aufregung gerötet, als ob man sich über ein unliebsames Thema unterhalten hätte.