Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 9
»Sie schlafen. Schnell hinein! Leise, aber leise! Der Leutnant voran!«
Er ließ dem letzteren gar keine Zeit zur Widerrede und zum Nachdenken, schob ihn vorwärts, und die Andern folgten auf den Fußspitzen. Kaum aber war der Letzte drin, so schob ich die Türe zu und drehte den Schlüssel um.
»Schnell die Stangen!« sagte Old Death.
Sie lagen da, grad so lang, daß man sie zwischen den Fensterstock und der Türkante schief einklemmen konnte. Das taten wir, und nun wäre die Kraft eines Elefanten erforderlich gewesen, um die Türe aufzusprengen. Jetzt eilte ich hinaus an die Treppe.
»Seid Ihr da?« fragte ich hinauf. »Sie sind in der Falle. Kommt herab!«
Sie kamen eilends herabgesprungen.
»Sie befinden sich alle in der Schlafstube. Drei von euch hinaus vor das Fenster, um Stangen gegen dasselbe zu stemmen. Wer aussteigen will, bekommt eine Kugel!«
Ich öffnete die Hintertüre wieder, und drei eilten hinaus. Die Andern folgten mir nach der Wohnstube. Inzwischen hatte sich in der Schlafkammer ein entsetzlicher Lärm erhoben. Die gefoppten Halunken hatten bemerkt, daß sie eingeschlossen seien, ihre Laternen herausgenommen und beim Lichte derselben bemerkt, wer in den Betten lag. Jetzt fluchten und brüllten sie wild durcheinander und schlugen mit den Fäusten gegen die Türe.
»Auf, auf, sonst demolieren wir alles!« ertönte es. Als ihre Drohungen nichts fruchteten, versuchten sie, die Türe aufzusprengen, aber sie gab nicht nach, die Stützen hielten fest. Dann hörten wir, daß sie das Fenster öffneten und den Laden aufzustoßen versuchten.
»Es geht nicht!« rief eine zornige Stimme. »Man hat draußen etwas dagegen angestemmt.«
Da hörten wir es draußen drohend erschallen:
»Weg vom Laden! Ihr seid gefangen. Wer den Laden aufstößt, bekommt eine Kugel!«
»Ja,« fügte in der Stube Old Death laut hinzu: »Auch diese Türe ist besetzt. Hier stehen genug Leute, euch alle ins jenseits zu befördern. Fragt euern Capt‘n, was ihr tun sollt.«
Und leiser sagte er zu mir.
»Kommt mit hinauf auf den Boden. Nehmt die Laterne und Eure Büchse mit! Die Andern mögen die Lampe hier anbrennen.«
Wir gingen hinauf, wo sich eine über dem Schlafraume liegende offene Bodenkammer befand. Wir fanden sehr leicht das losgesprengte Brett. Nachdem wir die Laterne maskiert und die Kapuzen abgelegt hatten, hoben wir das Brett ab und konnten nun hinunter in die von mehreren Laternen erleuchtete Schlafstube sehen.
Da standen sie eng aneinander. Man hatte den beiden Gefangenen die Fesseln und Knebel abgenommen, und der Capt‘n sprach leise und wie es schien, sehr eindringlich zu den Leuten.
»Oho!« sagte der Leutnant lauter. »Ergeben sollen wir uns! Mit wie viel Gegnern haben wir es denn zu tun?«
»Mit mehr als hinreichend, euch in fünf Sekunden niederzuschießen!« rief Old Death hinab.
Aller Augen richteten sich empor. In demselben Augenblicke hörten wir draußen einen Schuß fallen, noch einen. Old Death begriff sogleich, was das zu bedeuten habe und wie er es benützen könne.
»Hört ihr‘s!« fuhr er fort. »Eure Kumpane werden auch drüben bei Cortesio mit Kugeln abgewiesen. Ganz La Grange ist gegen euch. Man hat sehr wohl gewußt, daß ihr da seid, und euch ein Willkommen bereitet, wie ihr es euch nicht dachtet. Wir brauchen keinen Ku-Klux-Klan. In der Stube neben euch stehen zwölf, draußen vor dem Laden sechs, und wir hier oben sind auch sechs. Ich heiße Old Death, verstanden! Zehn Minuten gebe ich euch. Legt ihr dann die Waffen ab, so werden wir glimpflich mit euch verfahren. Tut ihr es aber nicht, so schießen wir euch zusammen. Weiter habe ich euch nichts zu sagen, es ist mein letztes Wort. Überlegt es euch!«
Er warf das Brett wieder zu und sagte leise zu mir:
»Nun schnell hinab, um Cortesio Hilfe zu bringen!«
Wir holten zwei Mann aus der Stube, wo Lange mit seinem Sohne zurückblieb, und zwei draußen vom Laden weg, wo eine Wache einstweilen genug war. So waren wir fünf. Eben fiel wieder ein Schuß. Wir huschten hinüber und sahen dort vier oder fünf vermummte Gestalten stehen. Ebensoviele kamen grad hinter Cortesios Haus hervorgerannt, und einer derselben rief lauter, als er wohl beabsichtigte:
»Hinten schießen sie auch. Wir kommen nicht hinein!«
Ich hatte mich auf den Boden gelegt und war näher gekrochen; ich hörte, daß einer von denen, welche vorn gestanden hatten, antwortete.
»Verteufelte Geschichte! Wer konnte das ahnen! Der Mexikaner hat Lunte gerochen und weckt mit seinen Schüssen die Leute auf. Überall werden die Lichter angebrannt. Da hinten hört man schon Schritte. In einigen Minuten ist man auf unsern Fersen; beeilen wir uns. Schlagen wir mit den Kolben die Türe ein! Wollt ihr?«
Ich wartete die Antwort nicht ab, sondern huschte eiligst zu den Gefährten zurück und bat:
»Mesch‘schurs, schnell, schlagen wir mit den Kolben auf die Bande! Sie wollen Cortesios Türe stürmen.«
»Well, well! Tüchtig drauf!« lautete die Antwort, und da fielen auch schon die Hiebe auf die verzweifelten Burschen wie aus den Wolken herab. Sie rissen schreiend aus und ließen vier ihrer Spießgesellen zurück, welche so getroffen waren, daß sie nicht fliehen konnten. Sie wurden entwaffnet, und dann trat Old Death an die Türe von Cortesios Haus, um zu klopfen.
»Wer da?« fragte es von drinnen.
»Old Death, Sennor. Wir haben Euch die Halunken vom Halse geschafft. Sie sind fort. Macht einmal auf!«
Die Türe wurde vorsichtig geöffnet. Der Mexikaner erkannte den Scout, obgleich dieser noch mit der Hose und Bluse des Capt‘n bekleidet war, und sagte:
»Sind sie wirklich fort?«
»Über alle Berge. Vier haben wir hier gefangen. Ihr habt geschossen?«
»Ja. Es war ein Glück, daß Ihr mich warntet, sonst wäre es mir schlecht ergangen. Ich schoß vom und mein Neger hinten aus dem Hause, so daß sie nicht herein konnten. Dann sah ich freilich, daß Ihr über sie herfielt.«
»Ja, wir haben Euch erlöst. Nun kommt aber auch uns zu Hilfe! Zu Euch kehren sie nicht zurück, wir jedoch haben noch fünfzehn dieser Kerle drüben, die wir nicht entwischen lassen wollen. Euer Neger mag indessen von Haus zu Haus laufen und Lärm machen. Ganz La Grange muß auf die Beine gebracht werden, damit den Buben gehörig heimgeleuchtet werde.«
»So mag er vor allen Dingen zum Sheriff laufen. Horcht, da kommen Leute! Auch ich werde gleich drüben sein, Sennor.«
Er trat in das Haus zurück, Von rechts her kamen zwei Männer mit Gewehren in der Hand und fragten, was die Schüsse zu bedeuten hätten. Als wir ihnen Auskunft erteilt hatten, waren sie sofort bereit, uns beizustehen. Selbst diejenigen Bewohner von La Grange, welche sezessionistisch gesinnt waren, hielten es trotzdem noch lange nicht mit den Kukluxern, deren Treiben den Anhängern jeden politischen Bekenntnisses ein Greuel sein mußte. Wir nahmen die vier Blessierten beim Kragen und schafften sie hinüber in Langes Stube. Letzterer meldete uns, daß die Kukluxer sich bis jetzt ruhig verhalten hätten. Sennor Cortesio kam nach, und bald folgten so viele andere Einwohner von La Grange, daß die Stube nicht für sie ausreichte, und manche draußen bleiben mußten. Das gab ein Gewirr von Stimmen und ein Geräusch von hin und her eilenden Schritten, aus welchem die Kukluxer entnehmen konnten, wie die Sache stand. Old Death nahm mich wieder mit hinauf in die Bodenkammer. Als wir das Brett entfernt hatten, bot sich uns ein Bild stillgrimmiger Verzweiflung. Die Gefangenen lehnten an den Wänden, saßen auf den Betten oder lagen auf der Diele und ließen in des Wortes eigentlichster Bedeutung die verhüllten Köpfe hängen.
»Nun,« sagte Old Death, »die zehn Minuten sind vorüber. Was habt ihr beschlossen?«
Er bekam keine Antwort. Nur einer stieß einen Fluch aus. »Ihr schweigt? Nun, so nehme ich an, daß ihr euch nicht ergeben wollt; das Schießen mag beginnen.«
Er legte sein Gewehr an und ich das meinige. Sonderbarerweise fiel es keinem von ihnen ein, den Revolver auf uns zu richten. Die Schurken waren eben feig, und ihr Mut bestand nur in Gewalttätigkeiten gegen Wehrlose.
»Also antwortet, oder ich schieße!« drohte der Alte. »Es ist mein letztes Wort.«
Keiner antwortete. Da flüsterte mir Old Death zu:
»Schießt auch Ihr. Treffen müssen wir, sonst flößen wir ihnen keinen Respekt ein. Zielt dem Leutnant nach der Hand, ich dem Capt‘n!«
Unsere zwei Schüsse krachten zu gleicher Zeit. Die Kugeln trafen genau. Die beiden Offiziere schrieen laut auf, und bald schrieen und heulten alle in einem widerlichen Konzert. Unsere Schüsse waren gehört worden. Man glaubte uns im Kampfe mit den Kukluxern; darum krachte es in der Stube und draußen vor dem Fenster. Kugeln flogen durch die Türe und durch den Laden in die Schlafkammer. Mehrere Kukluxer wurden getroffen. Alle warfen sich zu Boden, wo sie sich sicherer fühlten, und schrieen, als ob sie am Marterpfahle gebraten werden sollten. Der Capt‘n kniete vor dem Bette, hatte seine blutende Hand in das Leintuch gewickelt und rief zu uns empor:
»Haltet ein! Wir ergeben uns!«
»Gut!« antwortete Old Death. »Tretet alle vom Bette weg! Werft eure Waffen auf dasselbe, dann wird man euch herauslassen. Aber derjenige, bei welchem dann noch eine Waffe gefunden wird, hat unerbittlich eine Kugel im Leibe! Ihr hört, daß draußen Hunderte von Leuten stehen. Nur völlige Ergebung kann euch retten.«
Die Situation, in welcher sich die Geheimbündler befanden, war eine hoffnungslose, denn an Flucht konnten sie nicht denken. Das wußten sie. Ergaben sie sich, was konnte ihnen da geschehen? Ihre Absichten waren nicht zur Ausführung gekommen; man konnte sie also der Ausführung eines Verbrechens nicht beschuldigen. Jedenfalls war es besser, sich dem Verlangen Old Deaths zu fügen, als einen nutzlosen Versuch, sich durchzuschlagen, zu machen, welcher schwere Folgen nach sich ziehen mußte. Also flogen ihre Messer und Revolver auf das Bett.
»Gut, Mesch‘schurs!« rief der Alte ihnen zu. »Und nun will ich euch nur sagen, daß ich auch jeden niederschießen werde, welcher eine Bewegung macht, seine Waffe wieder wegzunehmen, wenn die Türe geöffnet wird. Nun wartet noch einen Augenblick.«
Er schickte mich hinunter in die Wohnstube, um Lange die Weisung zu überbringen, die Kukluxer herauszulassen und gefangen zu nehmen. Aber die Ausführung dieses Auftrages war nicht so leicht, wie wir dachten. Der ganze von mehreren schnell requirierten Laternen erleuchtete Hausflur war dicht mit Menschen gefüllt. Ich trug außer der Kapuze noch die Verkleidung, so daß man mich für ein Mitglied der Geheimbande hielt und sich sofort meiner Person bemächtigte. Auf meinen Widerspruch wurde gar nicht gehört; ich erhielt Püffe und Stöße in Menge, so daß mich die getroffenen Stellen noch nach einigen Tagen schmerzten. Ich sollte augenblicklich vor das Haus geschafft und dort gelyncht werden.
Ich war nicht wenig in der Klemme, da meine Angreifer mich nicht kannten. Besonders war es ein langer, starkknochiger Kerl, welcher mir seine Faust unausgesetzt in die Seite stieß und dabei brüllte:
»Hinaus mit ihm, hinaus! Die Bäume haben Äste, schöne Äste, prächtige Äste, starke Äste, welche sicherlich nicht knicken, wenn ein solches Mannskind daran aufgeknüpft wird.«
Dabei drängte er mich nach der Hintertüre zu.
»Aber, Sir,« schrie ich ihn an, »ich bin kein Kuklux. Fragt doch Master Lange!«
»Schöne Äste, herrliche Äste!« antwortete er mit einem neuen Stoße nach meiner Hüfte.
»Ich verlange, zu Master Lange in die Stube geschafft zu werden! Ich habe diese Verkleidung nur angelegt, um —«
»Veritabel prächtige Äste! Und einen Strick findet man in La Grange auch, einen feinen, wirklich eleganten Strick aus gutem Hanfe!«
Er schob mich weiter und stieß mir die Faust abermals und zwar so in die Seite, daß mir die Geduld ausging. Der Kerl war imstande, die Leute so aufzuregen, daß sie mich lynchten. Hatte man mich einmal draußen, so war nichts Gutes zu erwarten.
»Herr,« brüllte ich ihn jetzt an, »ich verbitte mir Eure Roheit! Ich will zu Master Lange, verstanden?«
»Herrliche Äste! Unvergleichliche Stricke!« schrie er noch lauter als ich und bedachte mich dabei mit einem gewaltigen Box an die Rippen. Jetzt kochte der Topf über. Ich stieß ihm die Faust mit aller Kraft unter die Nase, daß er sicherlich hintenüber und zu Boden geflogen wäre, wenn es den dazu nötigen Raum gegeben hätte. Die Leute standen zu eng. Aber ein wenig Raum bekam ich doch. Ich benützte diese Gelegenheit sofort, indem ich mit Gewalt vordrang, aus Leibeskräften brüllte und, wie blind um mich schlagend, Püffe, Stöße und Hiebe austeilte, vor denen man wenigstens so weit zurückwich, daß ich mir eine enge Gasse erkämpfte, durch welche ich in die Stube gelangte. Aber während ich auf diesem Wege nach vorn so kräftig meine Fäuste gebrauchte, schloß sich die Gasse sofort hinter mir, und alle Arme, welche mich erreichten, kamen in Bewegung, sodaß es Fäuste buchstäblich auf mich hagelte. Wehe den wirklichen Kukluxern, wenn schon ein imitierter in dieser Weise blau gegerbt wurde! Der Starkknochige war mir möglichst schnell gefolgt. Er schrie wie ein angestochener Eber und gelangte fast zugleich mit mir in die Stube. Als Lange ihn erblickte, fragte er:
»Um des Himmels willen, was ist denn los, lieber Sir? Warum schreit Ihr so? Warum blutet Ihr?«
»An den Baum mit diesem Kuklux!« antwortete der Wütende. »Hat mir die Nase zerschlagen, die Zähne eingestoßen, zwei Zähne oder drei oder vier. Herrliche Zähne! Die einzigen, die ich vorn noch hatte! Hängt ihn!«
Jetzt war sein Zorn begründeter als vorher, denn er blutete wirklich ganz leidlich.
»Der da?« fragte Lange, auf mich deutend. »Aber Sir, werter Sir, der ist ja gar kein Kuklux! Er ist unser Freund, und grad ihm verdanken wir es am meisten, daß wir die Kerle erwischt haben. Ohne ihn lebten wir und Sennor Cortesio nicht mehr, und unsere Häuser ständen in Flammen!«
Der Starkknochige riß die Augen und den blutenden Mund möglichst weit auf, deutete auf mich und fragte:
»Ohne – ohne – diesen da?«
Famoses Tableau! Alle Umstehenden lachten. Er trocknete sich mit dem hervorgezogenen Taschentuche den Schweiß von der Stirn und das Blut von Mund und Nase, und ich rieb mir die verschiedenen Stellen, an denen noch später die Augenblicksphotographien seiner Knochenfinger zu sehen waren.
»Da hört Ihr es, Sir!« donnerte ich ihn dabei an. »Ihr waret ja geradezu rasend darauf, mich baumeln zu lassen! Und von Euren verteufelten Püffen fühle ich jedes Knöchelchen meines Leibes. Ich bin der veritable geschundene Raubritter, Sir!«
Der Mann wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er den Mund abermals aufriß und uns stumm die linke Hand geöffnet hinhielt. Auf der letzteren lagen die zwei »einzigen« Vorderzähne, welche bis vorhin in dem ersteren ihr sicheres und friedliches Domizil gehabt hatten. Jetzt mußte auch ich lachen, denn er sah gar zu kläglich aus. Und nun brachte ich endlich meinen Auftrag an den Mann.
Man hatte fürsorglicherweise alle vorhandenen Stricke zusammengetragen. Sie lagen mit Schnüren, Leinen und Riemen in der Ecke zum Gebrauche bereit.
»Also laßt sie heraus!« sagte ich. »Aber einzeln. Und jeder wird gebunden, sobald er heraustritt. Old Death wird gar nicht wissen, weshalb so lange gezögert wurde. Eigentlich sollte der Sheriff da sein. Cortesios Neger wollte ihn doch sofort holen!«
»Der Sheriff?« fragte Lange erstaunt. »Der ist doch da! Am Ende wißt Ihr gar nicht, wem Ihr die Püffe zu verdanken habt? Hier steht er ja!«
Er deutete auf den Knochigen.
»Alle Wetter, Sir!« fuhr ich diesen an. »Ihr selbst seid der Sheriff? Ihr seid der oberste Exekutivbeamte dieses schönen County? Ihr habt auf Ordnung und gehörige Befolgung der Gesetze zu sehen und macht dabei in höchst eigener Person den Richter Lynch? Das ist stark! Da ist es kein Wunder, daß die Kukluxer sich in Eurem County so breit zu machen wagen!«
Das brachte ihn in unbeschreibliche Verlegenheit. Er konnte sich nicht anders helfen, als daß er mir die beiden Zähne abermals vor die Augen hielt und dabei stotterte:
»Pardon, Sir! Ich irrte mich, weil Ihr ein gar so kriminales Gesicht habt!«
»Danke ergebenst! Dafür sieht das Eurige um so kläglicher aus. Nun tut wenigstens von jetzt an Eure Pflicht, wenn Ihr nicht in den Verdacht kommen wollt, nur deshalb brave Leute lynchen zu wollen, weil Ihr es heimlich mit den Kukluxern haltet!«
Das gab ihm das volle Bewußtsein seiner amtlichen Würde zurück.
»Oho!« rief er, sich in die Brust werfend. »Ich, der Sheriff des sehr ehrenwerten County Fayette soll ein Kuklux sein? Ich werde Euch sofort das Gegenteil beweisen. Gegen die Halunken soll noch in dieser Nacht verhandelt werden. Tretet zurück, Mesch‘schurs, damit wir Raum für sie bekommen. Tretet hinaus auf den Flur, aber laßt eure Gewehre zur Türe hereinblicken, damit sie sehen, wer jetzt Herr im Hause ist. Nehmt Stricke zur Hand, und öffnet die Türe l«
Der Befehl wurde ausgeführt, und ein halbes Dutzend Doppelläufe drohten zur Türe herein. In der Stube befanden sich jetzt der Sheriff, die beiden Langes, Cortesio, zwei der gleich anfangs mit uns verbündeten Deutschen und ich. Draußen schrie die Menge nach Beschleunigung der Aktion. Darum stießen wir die Läden auf, damit die Leute hereinblicken und sehen könnten, daß wir nicht müßig seien. Und nun wurden die Stützen entfernt; ich schloß die Kammertüre auf. Keiner der Kukluxer wollte zuerst heraus. Ich forderte den Capt‘n und dann den Leutnant auf, zu kommen. Beide hatten ihre verwundeten Hände mit Taschentüchern umwickelt. Außer ihnen waren noch drei oder vier Mitglieder der Bande blessiert worden. Droben an der durch das aufgerissene Brett entstandenen Deckenlücke saß Old Death, welcher den Lauf seiner Büchse berabgerichtet hielt. Den von ihm so erfolgreich Überlisteten wurden die Hände auf den Rücken gebunden; dann mußten sie zu den ebenfalls gebundenen vier Genossen treten, welche wir von Cortesio herübergebracht hatten. Die Draußenstehenden sahen, was vorging, und riefen laut Hallo und Hurra. Wir ließen den Gefangenen ihre Kapuzen noch, doch wurden die Gesichter des Capt‘ns und des Leutnants entlarvt. Auf meine Fragen und Bemühungen wurde ein Mann herbeigeschafft, den man mir als Wundarzt bezeichnete und welcher behauptete, alle möglichen Schäden in kürzester Zeit verbinden, operieren und heilen zu können. Er mußte die Verwundeten untersuchen und trieb dann ein halbes Schock La Grange-Leute im Hause umher, um nach Watte, Werg, Lappen, Pflaster, Fett, Seife und andern Dingen zu suchen, deren er zur Ausübung seines menschenfreundlichen Berufes bedurfte.
Als wir endlich alle Kukluxer sicher hatten, wurde die Frage aufgeworfen, wohin sie zu schaffen seien, denn ein Gefängnis für neunzehn Männer gab es in La Grange nicht.
»Schafft sie nach dem Salon des Wirtshauses!« gebot der Sheriff. »Am besten ist‘s, die Angelegenheit so rasch wie möglich zu erledigen. Wir bilden eine Jury mit Geschworenen und vollziehen das Urteil sofort. Wir haben es mit einem Ausnahmefall zu tun, welcher auch mit Ausnahmemaßregeln zu behandeln ist.«
Die Kunde von diesem Beschlusse pflanzte sich schnell nach außen fort. Die Menge kam in Fluß und eilte nach dem Wirtshause, um einen guten Platz im Salon zu erwischen. Viele, denen das nicht gelungen war, standen auf der Treppe, im Flur und im Freien vor dem Gasthofe. Sie bewillkommneten die Kukluxer mit argen Drohungen, so daß die Eskorte sich sehr stramm zu halten hatte, um Tätlichkeiten abzuwehren. Nur mit großer Mühe gelangten wir in den Salon, einen größern aber sehr niedrigen Raum, welcher zur Abhaltung von Tanzvergnügen bestimmt war. Das Orchester war besetzt, wurde aber sofort geräumt, um die Gefangenen dort unterzubringen. Als man diesen nun die Kapuzen abnahm, stellte es sich heraus, daß sich kein einziger Bewohner der Umgegend unter ihnen befand.
Nun wurde die Jury gebildet, in welcher der Sheriff den Vorsitz hatte. Sie bestand aus einem öffentlichen Ankläger, einem Anwalt zur Verteidigung, einem Schriftführer und den Geschworenen. Der Gerichtshof war in einer Weise zusammengesetzt, welche mich gruseln machte, doch war das durch die gegenwärtigen Verhältnisse des Kreises und die Natur des vorliegenden Falles leidlich zu entschuldigen.
Als Zeugen waren vorhanden die beiden Langes, Cortesio, die fünf Deutschen, Old Death und ich. Als Beweismaterial lagen die Waffen der Angeklagten auf den Tischen, auch ihre Gewehre. Old Death hatte dafür gesorgt, daß dieselben aus ihrem Verstecke hinter dem Pferdestalle herbeigebracht worden waren. Es stellte sich heraus, daß in jedem Laufe die Ladung steckte. Der Sheriff erklärte die Sitzung für eröffnet mit der Bemerkung, daß von einer Vereidigung der Zeugen abzusehen sei, da die »sittliche Beschaffenheit der Angeklagten nicht ausreiche, so moralische und ehrenwerte Gentlemen wie uns mit den Beschwerden eines Eides zu belästigen«. Außer den Kukluxern seien überhaupt nur Männer im Salon vorhanden, deren »rechtliche und gesetzliche Gesinnung über allen Zweifel erhaben stehe, was er hiermit zu seiner großen Freude und Genugtuung feststellen wolle«. Ein vielstimmiges Bravo lohnte ihm diese Schmeichelei, und er dankte mit einer sehr würdigen Verbeugung. Ich aber erblickte verschiedene Gesichter, welche nicht so unfehlbar auf die gelobte »rechtliche und gesetzliche« Gesinnung der Betreffenden schließen ließen.
Zunächst wurden die Zeugen vernommen, von denen Old Death das Ereignis ausführlich erzählte. Wir Andern konnten uns darauf beschränken, ihm beizustimmen. Dann trat der »Staaten-Attorney«, der Staatsanwalt, auf. Er wiederholte unsere Aussagen und stellte fest, daß die Angeklagten einer verbotenen Verbindung angehörten, welche den verderblichen Zweck verfolge, die gesetzliche Ordnung zu untergraben, das Fundament des Staates zu zerstören und jene verdammungswürdigen Verbrechen zu verbreiten, welche mit langjährigem oder lebenslänglichem Zuchthause oder gar mit dem Tode zu bestrafen seien. Schon diese Mitgliedschaft sei hinreichend, eine zehn- oder zwanzigjährige Einsperrung zu rechtfertigen. Außerdem aber habe sich erwiesen, daß die Angeklagten die Tötung eines früheren Offiziers der Republik, die grausame Durchpeitschung zweier sehr angesehener Gentlemen und die Einäscherung eines Hauses dieser gesegneten Stadt beabsichtigten. Und endlich habe man die Absicht gehabt, zwei fremde, außerordentlich friedliche und ehrenhafte Männer – bei diesen Worten machte er Old Death und mir zwei Verbeugungen – aufzuknüpfen, was höchst wahrscheinlich unsern Tod zur Folge gehabt hätte und also streng zu bestrafen sei, besonders da man es grad uns beiden zu verdanken habe, daß das über La Grange heraufbeschworene Unheil glücklich abgewendet worden sei. Er müsse also auf die unnachsichtlichste Ahndung dringen und beantrage, einige der Kukluxer, welche der Scharfblick des sehr ehrwürdigen Gerichtes wohl auszuwählen wissen werde, am Halse aufzuhängen, die Andern aber zu ihrer eigenen »moralischen Beherzigung« tüchtig auszupeitschen und dann lebenslänglich zwischen dicke Mauern zu tun, damit es ihnen fernerhin unmöglich sei, den Staat und die anerkannt ehrenwerten Bürger desselben in Gefahr zu bringen.
Auch dem Staatsanwalt wurden Bravos zugerufen, und auch er bedankte sich mit einer würdigen Verneigung. Nach ihm ließ sich der Anwalt hören, welcher zunächst bemerkte, daß der Vorsitzende eine unverzeihliche Unterlassungssünde begangen habe, indem die Angeklagten nicht einmal nach ihren Namen und sonstigen Umständen befragt worden seien, was nachzuholen er hiermit ergebenst anrate, da man doch wohl wissen müsse, wen man aufknüpfen oder einsperren wolle, schon des Totenscheines und anderer Schreibereien wegen – eine geistreiche Bemerkung, die aber meine volle, wenn auch stille Zustimmung hatte. Er gab die besagten Absichten der Kukluxer vollständig zu, denn er müsse die Wahrheit anerkennen, aber es sei keine dieser Absichten wirklich ausgeführt worden, sondern sie alle hätten im Stadium des Versuches stehen bleiben müssen. Darum könne von Aufknüpfen oder lebenslänglichem Einsperren keine Rede sein. Er frage hiermit jedermann, ob der bloße Versuch einer Tat irgend jemand in Schaden gebracht habe oder überhaupt in Schaden bringen könne. Gewiß niemals und auch hier nicht! Da also keinem Menschen ein Schaden erwachsen sei, so müsse er unbedingt auf vollständige Freisprechung dringen, wodurch die Mitglieder des hohen Gerichtshofes und alle weiteren respektablen Anwesenden sich das Zeugnis menschenfreundlicher Gentlemen und friedfertiger Christen ausstellen würden. Auch ihm gaben einige wenige Stimmen Beifall. Er machte eine tiefe, halbkreisförmige Verbeugung, als ob alle Welt ihm zugejubelt hätte.
Darauf erhob sich der Vorsitzende zum zweitenmal. Zunächst bemerkte er, daß er es in voller Absicht unterlassen habe, nach den Namen und »sonstigen Angewohnheiten« der Angeschuldigten zu fragen, da er vollständig überzeugt sei, daß sie ihn doch belogen hätten. Im Falle des Aufknüpfens schlage er also vor, der Kürze wegen einen einzigen und summarischen Totenschein auszustellen, welcher ungefähr lauten werde: »Neunzehn Kukluxer aufgehängt, weil sie selbst daran schuld waren.« Er gebe ferner zu, daß man es nur mit Versuchen zu tun habe, und wolle danach die Schuldfrage stellen. Aber den beiden fremden Gentlemen haben wir es zu verdanken, daß aus dem Versuche nicht die Tat geworden sei. Der Versuch sei gefährlich, und diese Gefahr müsse bestraft werden. Er habe weder Lust noch Zeit, sich stundenlang zwischen dem Staatsanwalte und dem Verteidiger hin und her zu bewegen; auch könne es ihm nicht einfallen, sich übermäßig lange mit einer Bande zu beschäftigen, weiche, neunzehn Mann stark und sehr gut bewaffnet, sich von zwei Männern habe gefangen nehmen lassen; solche Helden seien nicht einmal der Aufmerksamkeit eines Kanarienvogels oder Sperlings wert. Er habe sich schon sagen lassen müssen, daß er wohl gar ein Freund der Kukluxer sei; das könne er nicht auf sich sitzen lassen, sondern er werde dafür sorgen, daß diese Leute wenigstens beschämt abziehen und das Wiederkommen für immer vergessen müßten. Er stelle also hiermit an die Herren Geschworenen die Frage, ob die Angeklagten des Versuches des Mordes, des Raubes, der Körperverletzung und der Brandstiftung schuldig seien, und bitte, die Antwort ja nicht bis zum letzten Dezember des nächsten Jahres hinauszuschieben, denn es seien da vor der Jury eine ganze Menge sehr hochachtbarer Zuhörer versammelt, denen man die Entscheidung nicht lange vorenthalten dürfe.
Seine sarkastische Ausführung wurde mit lautem Beifall belohnt. Die Herren Geschworenen traten in eine Ecke zusammen, besprachen sich nicht zwei Minuten lang, und dann teilte ihr Obmann dem Vorsitzenden das Resultat mit, welches letzterer verkündigte. Es lautete auf schuldig. Nun begann eine leise Beratung des Sheriffs mit seinen Beisitzern. Auffällig war es, daß der erstere während dieser Beratung den Befehl erteilte, den Gefangenen alles abzunehmen, was sie in ihren Taschen mit sich führten, besonders aber nach Geld zu suchen. Als dieser Befehl ausgeführt worden war, wurde das vorhandene Geld gezählt. Der Sheriff nickte befriedigt vor sich hin und erhob sich dann, um das Urteil zu verkündigen.
»Mesch‘schurs,« sagte er ungefähr- »die Angeklagten sind als schuldig erkannt. Ich glaube, es entspricht eurem Wunsche, wenn ich euch, ohne dabei viele Worte zu machen, sage, worin die Strafe besteht, zu deren Verhängung und sehr energischen Durchführung wir uns geeinigt haben. Die in Rede stehenden Verbrechen sind nicht ausgeführt worden; daher haben wir, dem Herrn Verteidiger gemäß, welcher an unsere Humanität und christliche Gesinnung appellierte, beschlossen, von einer direkten Bestrafung abzusehen – —«
Die Angeklagten atmeten auf; das sah man ihnen an. Unter den Zuhörern wurden einzelne Rufe der Unzufriedenheit laut. Der Sheriff fuhr fort:
»Ich sagte bereits, daß der Versuch eines Verbrechens eine Gefahr mit sich bringe. Wenn wir diese Kukluxer nicht bestrafen, so müssen wir wenigstens dafür sorgen, daß sie uns fernerhin nicht mehr gefährlich werden können. Daher haben wir beschlossen, sie aus dem Staate Texas zu entfernen, und zwar in so beschämender Weise, daß es ihnen wohl nicht einfallen wird, sich hier jemals wieder sehen zu lassen. Darum wird zunächst bestimmt, daß ihnen allen jetzt sofort das Haar und die Bärte bis ganz kurz auf die Haut abzuscheren sind. Einige der anwesenden Gentlemen werden sich wohl gern den Spaß machen, dies zu tun. Wer nicht weit zu laufen hat, mag nach Hause gehen, um eine Schere zu holen; solchen, welche nicht gut schneiden, wird die sehr ehrwürdige Jury den Vorzug geben.«
Allgemeines Gelächter erscholl. Einer riß das Fenster auf und schrie hinab:
»Scheren herbei! Die Kukluxer sollen geschoren werden. Wer eine Schere bringt, wird eingelassen.«
Ich war sehr überzeugt, daß im nächsten Augenblicke alle Untenstehenden nach Scheren rannten. Und wirklich hörte ich sogleich, daß ich ganz richtig vermutet hatte. Man hörte ein allgemeines Laufen und lautes Rufen nach Shears und Scissars. Eine Stimme brüllte sogar nach shears for clipping trees und shears for clipping sheeps, also nach Baum- und Schafscheren.
»Ferner wird beschlossen,« fuhr der Sheriff fort, »die Verurteilten nach dem Steamer zu schaffen, welcher noch nach elf Uhr von Austin gekommen ist und mit Anbruch des Tages nach Matagorda gehen wird. Dort angekommen, werden sie auf das erste beste Schiff gebracht, welches abgeht, ohne wieder in Texas landen zu wollen. Sie werden an Deck dieses Fahrzeuges gebracht, gleichviel, wer sie sind, woher sie kamen und wohin dieses Schiff geht. Von jetzt an bis zur Einschiffung dürfen sie ihre Verkleidungen nicht ablegen, damit jeder Passagier das Recht habe, zusehen, wie wir Texaner mit den Kukluxern verfahren. Auch werden ihnen die Fesseln nicht abgenommen. Wasser und Brot erhalten sie erst in Matagorda. Die auflaufenden Kosten werden von ihrem eigenen Gelde bezahlt, welches die schöne Summe von über dreitausend Dollars ausmacht, die sie wohl zusammengeraubt haben werden. Außerdem wird all ihr Eigentum, besonders die Waffen, konfisziert und sofort versteigert. Die Jury hat bestimmt, daß der Ertrag der Auktion zum Ankaufe von Bier und Brandy verwendet werde, damit die ehrenwerten Zeugen dieser Verhandlung mit ihren Ladies einen Schluck zu dem Reel haben, den wir nach Beendigung dieses Gerichtes hier tanzen werden, um dann bei Tagesanbruch die Kukluxer mit einer würdigen Musik und dem Gesange eines tragischen Liedes nach dem Steamer zu begleiten. Sie werden diesem Balle da zusehen und zu diesem Zwecke da stehen bleiben, wo sie sich befinden. Wenn der Verteidiger etwas gegen dieses Urteil einzuwenden hat, so sind wir gerne bereit, ihn anzuhören, falls er die Gewogenheit haben will, es kurz zu machen. Wir haben die Kukluxer zu scheren und ihre Sachen zu versteigern, also sehr viel zu tun, bevor der Ball beginnen kann.«