Kitabı oku: «Immanuel Kant: Der Mann und das Werk», sayfa 5
Drittes Kapitel.
Auf der Universität
Immatrikulation
Lange Mulusferien, wie heute, gab es für die Königsberger Fridericianer nicht. Schon am 24 September 1740 wurde der 16 jährige "Emanuel Kandt" in die Liste der akademischen Bürger seiner Vaterstadt aufgenommen, wegen seiner Jugend jedoch von dem greisen Rektor und Professor Orientalium J. B. Hahn nicht vereidigt, sondern bloß durch Handschlag auf den vorgelesenen Eid verpflichtet. Jugendliches Alter der angehenden Studierenden war übrigens damals beinahe die Regel, auch außerhalb Königsbergs: fast alle unsere berühmten Denker des: 18. Jahrhunderts haben schon mit 16 bis 17 Jahren die Hochschule bezogen; das begann erst seit Einführung der Abiturientenprüfung in Preußen 1787 allmählich anders zu werden. Statt dessen mußten damals die "zu Immatrikulierenden", wenn sie nicht Söhne wohlhabender Eltern waren, die von vornherein ihre, Kinder völlig aus eigenen Mitteln erhalten zu wollen erklärten, sich beim Dekan ihrer Fakultät prüfen und von ihm ein testimonium initiationis ausstellen lassen, das denn auch unser Immanuel bei dem philosophischen Dekan Prof. Langhansen mit Leichtigkeit bekommen hat; war doch die von F. A. Schultz entworfene Prüfungsordnung9 auf einen gewesenen Fridericianer wie zugeschnitten. Die gegen neun Taler kostende Immatrikulation erfolgte bei ihm nicht, wie bei mehreren anderen seiner Genossen, unentgeltlich: ein Beweis, dass die Verhältnisse seines Vaters noch nicht ganz schlecht gewesen sein können, oder aber, dass er seinen Stolz darein setzte, nicht als arm zu erscheinen.
Äußeres Leben
Die Hauptveränderung in Kants äußerem Leben war wohl, dass er jetzt das Elternhaus verließ, wenn wir auch nicht mit Bestimmtheit behaupten können, dass dies sofort geschah. Um seine Selbständigkeit zu wahren, bewarb er sich auch nicht um Aufnahme in das für ärmere Studierende begründete Alumnat. Hier hätten Ober- und Unterinspektoren seinen Fleiß beaufsichtigt, wie auch sonst die Hausordnung seine Freiheit in jeder Weise beschränkt.10 Aber er suchte sogar nicht einmal, wie viele andere Studiosen, u. a. auch ein Jahrzehnt später sein jüngerer Bruder, ein Stipendium zu erlangen, das in der Regel doch nur Theologen zuteil ward. Sondern er erwarb sich das Notwendigste zu seinem Lebensunterhalt lieber als Vorlesungs-Repetitor jüngerer oder weniger begabter Kommüitonen "für eine billige Belohnung, die jeder aus freiem Wülen gab". So hat er lange mit seinem Freunde stud. jur. Wlömer, mit dem er bis zu dessen Tode (1797) in vertrautem Verhältnis blieb, auf einer Stube gewohnt. Später gab ihm ein jüngerer juristischer Freund Kallenberg "eine freie Wohnung und ansehnliche Unterstützung". Von einem dritten wohlhabenden Bekannten, dem Sohn des Kaplans Laudien aus Tüsit, berichtet unsere Quelle (Kants alter Landsmann und Studienfreund, Kriegsrat Heüsberg), dass er bei den "Zusammenkünften zum Unterricht" die Kosten für die dabei aufgetischten Erfrischungen, d. h. den damals noch ziemlich teuren Kaffee und das dazu gehörige Weißbrot, getragen und Kant auch sonst in Notfällen unterstützt habe. Ähnliches hören wir von seinem Conabiturienten und alten Duzfreund, dem langjährigen Königsberger Arzte Dr. Trümmer, der ihm ebenfalls den gewährten Unterricht durch "viele Beihilfe" dankte. Wenn wir dazu nehmen, dass ihn auch ein in der Stadt ansässiger, bemittelter Oheim mütterlicherseits, der Schuhmachermeister Richter, unterstützte, der u. a. die Druckkosten seiner ersten Schrift ganz oder zum Teil getragen hat, und dass auch der Professor der Medizin Bohlius, dem er diese Erstlingsschrift als "Beweistum der Dankbarkeit" für das "besondere Merkmal" erzeigter "Gütigkeit" widmete "in seiner Kindheit und Jugend ihm und seinen Eltern wohlgetan" (Borowski): so begreifen wir, wie Studiosus Kant, der ja vom Elternhaus her an Sparsamkeit gewöhnt war, sich, ohne besonders zu darben, durch die Universitätsjahre durchschlagen konnte. Zumal in einer Zeit, in der nach einer kgl. Verordnung von 1735 ein Königsberger Student von einer Jahressumme von – vierzig Reichsthalern "vorjetzo notdürftig" sollte "subsistieren" können; wie denn noch 30 Jahre später Ludwig von Baczko, der sich freilich auch mit wenigem zu behelfen wußte, bei einem Organisten bloß 60 Taler im Jahr für Wohnung nebst Heizung und Essen bezahlte. Ja, unser Kant konnte sich sogar – er "behalf sich freilich sehr sparsam", aber "ganzer Mangel traf ihn nie" – schon während seiner Studienzeit eine größere Anzahl philosophischer Bücher anschaffen, die er auch seinen Freunden lieh. Diese halfen ihm dafür nötigenfalls auch einmal mit – Kleidern aus: wenn sich gerade seine Kleidungsstücke beim Handwerker zur Reparatur befanden und er einen notwendigen Ausgang machen mußte, so blieb einer der Kommilitonen tagsüber in seinem Quartier, und Kant ging – in einem "gelehnten" Rock, Beinkleidern oder Stiefeln aus. Hatte ein Kleidungsstück ganz ausgedient, so legte die ganze Gesellschaft zusammen, ohne dass man an Wiedergabe dachte.
Guten Humor hat er also schon damals besessen. Dass er übrigens auch mit anderen Studierenden Verkehr pflegte und für sie auch einzutreten sich nicht scheute, geht aus der aktenmäßig festgestellten Tatsache hervor, dass er in seinem dritten Semester einmal in Sachen eines stud. Hofmann vor dem akademischen Senat erschien, um in dessen Namen von einem dritten Kommilitonen, dem der andere "einen Rock und Weste abgelehnt", die schuldige Summe von 8 Gulden 22½ Groschen zurückzufordern. Dagegen hat er allerdings weder Reiten, Fechten und Tanzen gelernt, wie der junge Lessing, noch gedichtet und geliebelt, wie der junge Goethe in seinem Leipziger Klein-Paris, I obschon es auch in dem damaligen Königsberg an Zerstreuungen verschiedenster Art nicht fehlte. An ausgelassenen Belustigungen hatte er keine Freude, noch weniger an "Nachtschwärmereien", pafür war die aus dem Vaterhause mitgebrachte Grundstimmung zu ernst, wie er denn auch selten gelacht haben soll. So wird er denn auch wohl kaum an der sonntäglichen "Pantoffelparade" in der Vorhalle der Kneiphöfsehen "Thumkirche" teilgenommen haben, in der die lustigen Studios nach dem Gottesdienst Spalier zu bilden pflegten, um die aus der Kirche kommenden jungen Damen durch diese "Zensurgasse" laufen zu lassen: obwohl er schon damals Hang zur Satire zeigte und seinen Kameraden die Lektüre der Spötter Montaigne und Erasmus empfahl. Ebenso wie vom Kneipen, hielten ihn auch von dem unter den Königsberger Studenten stark ausgebildeten finanziellen Borgsystem seine in dieser Beziehung besonders strengen Grundsätze fern, und durch sein bloßes Beispiel gewöhnte er auch die näheren Freunde unmerklich an die gleichen Gesinnungen. Seine liebste Erholung war das eifrig betriebene Billardspiel, das damals vielfach für die Studierenden eine Quelle des – Geldverdienens bildete.11 Das Kleeblatt Kant, Heilsberg und Wlömer – beide letzteren Litauer – hatte es darin zu solcher Geschicklichkeit gebracht, dass sie selten ohne Gewinn nach Hause gingen, Heilsberg u. a. sogar seinen französischen Sprachlehrer ganz von dieser Einnahme bezahlen konnte. Das Ende vom Lied war freilich, dass zuletzt niemand mehr mit den gefürchteten Gewinnern spielen wollte; worauf sie dann als neuen "Erwerbsartikel" – das L‹Hombrespiel wählten, in dem Kant sich ebenfalls tüchtig erwies. In seine Studienzeit fiel auch die 200 jährige Jubelfeier des Bestehens der Albertina, die sich mit zahlreichen Redeakten, Ehrenpromotionen, Gastereien und Umfahrten vom 27. August bis Mitte September hinzog und erst im Oktober mit einer Pregelfahrt der Studenten auf illuminierten Booten und mit einer Theatervorstellung von Corneilles Polyeukte endigte. Ob und wieweit sich der nun schon ältere Studiosus Kant daran beteiligt hat, wissen wir nicht.
Nun aber von seiner äußeren Lebensweise während der Universitätszeit zu der wichtigeren Frage: Was bedeuten diese Jahre für seine innere Entwicklung? Zunächst: was bot die damalige alma mater Albertina ihren Zöglingen?
Die Universität und ihre Lehrer
Langgestreckt, altersgrau und niedrig zog sich, wie ähnlich noch heute, die "alte Universität" am südlichen Pregelufer hin, baulich verbunden mit dem Kneiphöfschen Gymnasium: und dem Dom so benachbart, dass "alles wie eins aussieht" (Hippel), ein Symbol für ihr inneres Gepräge zu Kants Studienzeit. Denn hauptsächlich aus kirchlichen Rücksichten, um dem isolierten Protestantenlande im äußersten Nordosten Lehrer und Prediger zu schaffen, war sie vor zwei Jahrhunderten gegründet worden, und von einer höheren Schule hob sich, namentlich in der philosophischen Fakultät, wie wir gleich sehen werden, ihr Betrieb wenig genug ab. Dem gedrückten Eindruck von außen aber entsprach auch ihre Stellung im Staate und ihr geistiger Habitus. Wenn man an das geistreiche Spottwort Kronprinz Friedrichs nach einem kurzen Besuche Königsbergs vom Jahre 1739 denkt, diese Stadt könne "besser Bären aufziehen als zu einem Schauplatz der Wissenschaften dienen", und Müßiggang und Langeweile schienen ihre "Schutzgötter" zu sein: so wundert man sich nicht mehr, dass mit der entlegenen Provinz überhaupt auch die Königsberger "Akademie", wie sie von den Einheimischen gewöhnlich genannt wurde, ein Stiefkind der Berliner Regierung blieb. Ihre Lehrer waren aufs erbärmlichste besoldet: noch im November 1752 bekamen z. B. von den neun Professoren der juristischen Fakultät die drei ersten Ordinarien nur ein geringes, der vierte und sämtliche fünf Außerordentlichen – überhaupt kein Gehalt! Dabei wurden sie von oben noch, wie Schuljungen, zu eifrigerer Erfüllung ihrer Pflichten angespornt. Der Rektor war angewiesen, sich bei den Dekanen nach Fleiß und Unfleiß der einzelnen Dozenten zu erkundigen und das Ergebnis höheren Orts zu melden. Als dem tyrannischen Friedrich Wilhelm I. einmal auf seine Erkundigung zwei Professoren genannt worden waren, die in den letzten Jahren aus Mangel an Zuhörern nicht gelesen hätten, verordnete der erzürnte König, dass sie "ihres Unfleißes halber entweder an Gelde oder gar am Leibe gestraft würden" (Akten des kgl. Etatsministeriums von 1732). So waren denn die Lehrer der Akademie auf das unwürdige Erhaschen von allerlei Nebenstellen, Halten von Pensionären u. dgl. geradezu angewiesen, zumal da auch die Kollegiengelder nicht viel einbrachten. Denn, wenn Königsberg selbst heute noch in erster Linie Provinzuniversität ist, so war dies damals erst recht der Fall, und wenn sie noch zu Rosenkranz' Zeit (um 1840) nicht mehr als drei- bis vierhundert Studenten zählte, so wurde diese Ziffer ein Jahrhundert früher schwerlich überschritten:12 1800 sollen es nicht viel mehr als zweihundert gewesen sein. Zudem galten die Einheimischen, bei ihrer "fast durchgehends großen Armut", mit Recht als schlechte Zahler. Etwas besser stand es mit den Musensöhnen aus dem benachbarten Kur- und Livland; aber von ihnen betrachteten gerade die Bemittelteren die Albertina meist nur als Ubergangsstation zu den berühmteren Musensitzen im "Reiche". Kein Wunder, dass unter solchen Umständen hervorragende Lehrkräfte die Königsberger Akademie mieden, und dass unfähige Dozenten die notwendigsten Vorlesungen ungebührlich, zuweilen bis zu vier Semestern, in die Länge zogen: ein Zeichen, dass "der Lehrer seine Wissenschaft sich selbst nicht eigen gemacht und docendo lernen wollte" (Hippel).
Die philosophische Fakultät
Unter den vier Fakultäten aber stand die philosophische nicht bloß am äußeren Ansehen, sondern auch bezüglich des wissenschaftlichen Inhalts der Vorlesungen wie des Lernbetriebs am niedrigsten, der Schule am nächsten. Sie war eigentlich nur deren verbesserte, manchmal sogar verschlechterte Auflage. Das ergibt sich schon aus der erst 5 Jahre vor Kants Immatrikulation erlassenen neuen "Lektionsordnung". Von den neun ordentlichen Professoren der Fakultät und den dazu gehörigen Extraordinarien setzten die des Griechischen und Hebräischen die Lektüre des Alten und Neuen Testaments fort, und die der Historie und der "Eloquenz" boten ebensowenig Neues wie der der Poesie, zumal da die deutsche Poesie, "als wozu nur gewisse ingenia geschickt sind", bloß alle zwei Jahre in einem Semester publice "traktiert" wurde. Auch die beiden Mathematici sollten nur über Arithmetik, Geometrie, Trigonometrie und Astronomie lesen, bzw. eine Einleitung in die beiden ersteren Fächer geben. Neues für einen gut ausgebildeten Fridericianer bieten konnten eigentlich nur der Professor Logices, der jedoch jedes zweite Semester dasselbe Thema, nämlich abwechselnd Logik und Metaphysik, und der Professor Moralium, der in der nämlichen Weise Naturrecht und Moral zu behandeln hatte, dazu ihre "außerordentlichen" Kollegen, die ihre Zuhörer zu den Vorlesungen der Ordinarii "präparieren" sollten. Endlich der Professor Physices, der jedes Jahr theoretische und "Experimental"-Physik neben- oder hintereinander las.
Und wie sah es mit den augenblicklichen Vertretern dieser Fächer auf der Albertina aus? Als Ordinarien der Philosophie waren vorhanden der alte Aristoteliker Gregorovius und der zwischen Pietismus und Aristotelismus eklektisch einherpendelnde, zugleich auch der theologischen Fakultät angehörige Kypke, dazu seit 1735 als Außerordentlicher der vom Halleschen Pädagogium herberufene Pedant Christiani. Für einen frischen, jungen Studenten wie Kant konnte keiner von ihnen in Betracht kommen. Besser stand es mit einigen jüngeren Kräften, wie dem Extraordinarius der Mathematik Marquardt, der übrigens zugleich auch Theologe und wolffianischer Philosoph war, und dem von Hamann besonders gerühmten Physiker C. H. Rappolt, der um des Erwerbs willen auch über englische Sprache und Philosophie las, und von dem vielleicht Kants bekannte Vorliebe für Alexander Pope stammt. Im übrigen war die Mathematik durch den notorisch unbedeutenden Amnion und den Theologen Langhansen, die Physik durch den braven, aber ebenso unbedeutenden Konsistorialrat (!) Teske vertreten. Noch in Kants letzten Lebensjahren fehlten hinlängliche physikalische Instrumente, ein botanischer Garten usw.
Kants Studienplan
Doch wir haben uns noch gar nicht mit der Frage beschäftigt, welcher Fakultät denn überhaupt der junge Kant sich zuwandte. Im Anschluß an eine Notiz Borowskis hat Schubert einfach angenommen und der gelesenste Darsteller von Kants Leben (Kuno Fischer) es ihm nacherzählt, Kant sei durch den Einfluß von F. A. Schultz der theologischen Fakultät zugeführt worden. Allein schon der verdiente und exakte Kantforscher Emil Arnoldt hatte auf Grand aktenmäßiger Feststellungen diese angebliche Tatsache zweifelhaft gemacht, und jetzt hat Bernhard Haagen endgültig nachgewiesen, dass Kant in keinem der in den Königsberger Universitätsakten befindlichen Verzeichnisse als Angehöriger einer der drei "oberen" Fakultäten angeführt ist, und dass er selbst sich noch 1748 als studiosus philosophiae bezeichnet hat.13 Für die Einzelheiten dieser von den Kantphilologen bis zum Überdruß behandelten Frage verweisen wir auf die betreffende Literatur und unsere zusammenfassende Darstellung in "Kants Leben". (S. 16—20.) Das, worauf es ankommt, ist nicht die ziemlich untergeordnete Frage, welcher Fakultät unser Held formell angehört hat, sondern die Richtung seiner Studien. Diese aber ist von Anfang an offenbar keine theologische gewesen. Das Genie geht früh seine eigenen Wege. Mag der künftige Predigerberuf ein Lieblingswunsch seiner frommen Mutter oder seines einstigen Direktors gewesen sein: die erstere war seit mehreren Jahren tot, und der letztere scheint bei seiner weitverzweigten Tätigkeit den früheren Schüler, falls man ihn überhaupt als solchen bezeichnen will, ziemlich aus dem Auge verloren zu haben, da er ihn einst am Schlüsse des Semesters nach beendeter Vorlesung erst nach seinem Namen, seinen Lehrern und Studienabsichten fragen mußte. Vielmehr tritt hier ein von den bisherigen Biographen viel zu wenig beachtete Charakterzug hervor, der uns bereits in der äußeren Lebensführung des Studiosus Kant begegnet ist: die frühe Selbständigkeit seines Charakters und seines Willens. Wir haben ja leider nur wenige Nachrichten über Art und Gegenstand seiner Universitätsstudien; aber sie weisen alle nach der nämlichen Seite. Er schlägt schon bald eine seinen Freunden gänzlich "unerwartete Richtung" ein. Er befolgt schon früh einen "eigenen Studienplan", der ihnen "unbekannt" bleibt. Er widmet sich nämlich zu ihrer Verwunderung keiner "positiven" Wissenschaft; denn es war offenbar mehr ein übermütiger Scherz, wenn er auf jene Frage Schultzens erklärte, "ein Medikus werden zu wollen". Er war vielmehr der Meinung und suchte sie auch seinen nächsten (juristischen) Freunden zu Gemüte zu führen: man müsse von allen Wissenschaften "Kenntnis" nehmen, auch wenn man sie nicht zum Brotstudium erwähle. So hat er mit ihnen auch eine ihn interessierende theologisch-dogmatische Vorlesung seines früheren Direktors gehört und, von diesem verwundert nach dem Grunde gefragt, die für ihn charakteristische offenherzige Antwort gegeben: "Aus Wißbegierde."
Was aber mochte denn der Hauptgegenstand des selbst den Freunden unverständlichen "Studienplanes" dieses sonderbaren Studenten sein, der kein Brotstudium treiben wollte, obwohl nach des Soldatenkönigs Universitäts-Ordnung, die auch der Nachfolger nicht aufgehoben hatte, "wenig Hoffnung von solchen zu schöpfen" war, die "ihre Sachen so schlecht treiben". Der Theologie hatte ihn augenscheinlich die Überladung mit religiösem Stoff, die ihm auf dem Fridericianum zuteil geworden, abwendig gemacht. Aber wie war es mit den sogenannten "Humaniora", die er nach Jachmann "vorzüglich studierte", d. h. nach seiner eigenen späteren Erklärung in seinem Kolleg über Logik, demjenigen Teil der Philologie, unter dem man die "Kenntnis der Alten versteht, welche die Vereinigung der Wissenschaft mit Geschmack befördert, die Rauhigkeit abschleift und die Kommunikabilität und Urbanität, worin Humanität besteht, befördert"? Nun, seine "Alten", die griechischen und noch mehr die ihm von der Schule her vertrauteren römischen Klassiker, hat er bis in sein Alter geschätzt und geliebt. Gelten sie ihm doch noch in der Kritik der Urteilskraft (§ 60) als die Propädeutik zu aller schönen, den höchsten Grad von Vollkommenheit anstrebenden Kunst, die in ihrer glücklichen Vereinigung von höchster Kultur mit der kraftvoll-freien Natur schwerlich jemals von einem späteren Zeitalter erreicht werden könnten. Auch später empfahl er seinen Zuhörern, um wahre Popularität zu lernen, die Lektüre von Ciceros philosophischen Schriften, sowie Horaz und Vergil, neben Hume und Shaftesbury. Jedoch sein Innerstes erfüllten auch sie nicht. Schon damals wird sich in ihm der Gedanke geregt haben, dem er gelegentlich einmal in der Streitschrift gegen Eberhard Ausdruck gibt: was philosophisch richtig ist, könne keiner aus Plato oder Leibniz lernen, denn "es gibt keinen klassischen Autor der Philosophie". Ihr Probierstein vielmehr, der dem einen so nahe liegt wie dem anderen, sei die "gemeinschaftliche Menschenvernunft". Das, was er von ihnen wünschte, konnten ihm keine trockenen Vorlesungen geistloser Pedanten geben, die schon bald seinen Freund Ruhnken veranlaßten, den Staub Königsbergs von den Füßen zu schütteln; das konnte er, der geschulte Lateiner, ebenso gut, ja noch besser durch fortgesetzte Privatlektüre erreichen. So täuschte er denn die Hoffnung derer, die in ihm, wegen seiner Lieblingsbeschäftigung während der Gymnasialzeit, den künftigen bedeutenden Philologen sahen. Er vollzog vielmehr, um mit eben jenem philologischen Freunde zu reden, den Abfall "aus den blühenden Gefilden der humanistischen Studien in – die dürren Steppen der Philosophie".
Kopf und Herz zogen ihn – wie es scheint, schon bald nach seinem Eintritt in die Universität – zu denjenigen Fächern hin, die gerade die pedantisch-pietistische Bildung des Friedrichskollegs am meisten vernachlässigt hatte: Philosophie, Naturwissenschaft und Mathematik.
Martin Knutzen
Und nun hatte er das Glück, gleich am Beginn seiner Universitätsstudien einen Lehrer zu finden, der ihm eben auf diesen Gebieten die wertvollsten Anregungen zu geben vermochte, und der auch persönliches Interesse für ihn gewann. Es war der von uns absichtlich bisher noch nicht genannte, seit sieben Jahren an der Königsberger Akademie wirkende außerordentliche Professor für Logik und Metaphysik Martin Knutzen. Allerdings verband auch er, gleich F. A. Schultz, mit seinem Leibniz-Wolffschen Standpunkt in der Philosophie starke theologische, ja pietistische Neigungen. Allein er zeigte dabei doch eine gewisse Selbständigkeit und größere Tiefe als die meisten Durchschnittswolffianer, war von manchen erfahrungsmäßigen Gedankengängen bewegt und bestritt die materialistischen Gegner wenigstens mit beachtenswerten Gründen. Vor allem aber: jung wie er war – er zählte nur ein Jahrzehnt mehr als Kant und hatte seine Professur schon mit 21 Jahren erlangt —, war er für die zahlreichen zu seinen Füßen sitzenden jugendlichen Hörer ein anregender Lehrer, der, wie später sein großer Schüler, Selbstdenker, nicht "Nachbeter", aus ihnen zu machen suchte. Die Klarheit der Darstellung, sowie die Schärfe und Gewandtheit der Gliederung, wie sie sich z. B. in seinem logischen Lehrbuch zeigt, muß in seinem mündlichen Vortrag erst recht zum Ausdruck gekommen sein. Der fleißige Gelehrte, der, durch allzu starke geistige Anstrengung vor der Zeit aufgebraucht, bereits mit 37 Jahren starb, hielt Vorlesungen über alle Zweige der Philosophie und verwandter Gebiete. Wenn der junge Kant, wie sein Biograph Borowski erzählt, Knutzens "Unterricht in Philosophie und Mathematik unausgesetzt beiwohnte", so fand er eine reiche Tafel besetzt. Er konnte von philosophischen Fächern bei ihm hören: Allgemeine Philosophie, Logik, praktische Philosophie (Moral), Naturrecht, Psychologie, Naturphilosophie, Lehre von den Irrtümern; von mathematischen: niedere und höhere Mathematik, Analysis des Unendlichen, Astronomie; außerdem sich an der von Knutzen begründeten "Physiko-theologischen Gesellschaft" und an dessen Disputierübungen beteiligen. Wohl in diesen oder in den nach der Königsberger Studienordnung von ihm abzuhaltenden "Prüfungs"-Collegien, in denen die Professoren ihre Zuhörer näher kennenlernen und ihren "Fleiß und Attention", wie ihre Auffassungskraft prüfen sollten, war Knutzen, "ein weiser Prüfer der Köpfe" (Borowski), auf die hervorragende Begabung des jungen Studenten aufmerksam geworden und zog ihn in vertrauteren Verkehr. Er lieh ihm aus seiner reichlich versehenen Bücherei vor allem Newtons Werke und, da Kant Geschmack daran fand, auch alle anderen Bücher, die dieser begehrte.
Dadurch ging dem jungen Studenten eine ganz neue Welt auf. Er brauchte jetzt kaum mehr weitere akademische Vorlesungen zu besuchen, die ihm doch nichts mehr geben konnten. In welchem Jahr er damit aufgehört hat, wissen wir freilich bei dem Mangel aller genaueren Nachrichten nicht. Aber schwerlich wird er die ganzen 6 bis 7 Jahre hindurch, die er als "Studiosus" in seiner Vaterstadt zubrachte, beständig Vorlesungen gehört haben, zumal da ein großer Teil derselben sich jährlich, mindestens aber alle zwei Jahre wiederholte. Vielmehr ist zu vermuten, dass er seit etwa 1744/45, wo er mit den Vorarbeiten zu seiner 1746 eingereichten Erstlingsschrift begann, keine oder doch nur ganz vereinzelte Kollegien mehr gehört hat. Nach Kraus, der als langjähriger wissenschaftlicher Vertrauter Kants ein guter Zeuge ist, hätte das Erscheinen des Kometen von 1744, über den Knutzen in demselben Jahre eine Schrift herausgab, in dem 20 jährigen die erste Idee zu seiner berühmten "Naturgeschichte des Himmels" (1755) geweckt; indes läßt sich ein bestimmter Einfluß der übrigens mehr philosophisch-spekulativen als exakt-naturwissenschaftlichen Knutzenschen Schrift nicht nachweisen, überhaupt wuchs der Schüler allmählich wohl über den Lehrer hinaus. Denn wenn ihm auch das Andenken an den verehrten Mann, der ihn zuerst in Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaft tiefer eingeführt, immer "heilig" blieb, so ist doch auffallend, dass er in keiner seiner sämtlichen späteren Schriften ihn mit Namen genannt hat; nicht einmal in derjenigen, in der es am natürlichsten gewesen wäre, weil er mit ihr seine Universitätsstudien abschloß: den "Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte".