Kitabı oku: «Immanuel Kant: Der Mann und das Werk», sayfa 4
Geschichte, Mathematik, Französisch
Der Geschichtsunterricht begann erst in Sekunda, da man vorher – an sich ja ein ganz gesunder Gedanke – erst in der Geographie "etwas gelernt" haben sollte. In jeder der beiden Klassen nahm man aber – auf der Sekunda in einem, auf Prima in 1½ Jahren – die ganze "Universalhistorie" durch. Und das wollte etwas heißen bei einem Lehrbuch von 865 Seiten allein für den Oberkurs! Die gesamte Weltgeschichte war eingeteilt in diejenige – des Alten und des Neuen Testaments, zwischen denen Christi Geburt die Grenze bildete, und zerfiel in 5 Abschnitte: 1. biblische Regenten- und römische Kaiserhistorie, 2. politische Völkerhistorie, im wesentlichen eine Aufzählung der übrigen geschichtlichen Reiche und ihrer Herrscher, 3. Kirchenhistorie, 4. Gelehrtenhistorie und 5. chronologische Wiederholung. Und das nannte man Weltgeschichte! Ob unter solchen Umständen der Vortrag des Lehrers, wie es gewünscht wurde, dem öden systematischen Gerippe Fleisch und Blut geben konnte?
Was die Mathematik betrifft, so war obligatorisch nur der in vier Nachmittags-Wochenstunden erteilte Unterricht im Rechnen, der bis zur Regeldetri und Bruchrechnung einschließlich führte und von Befähigteren wie Kant 3 bis 4 Jahre lang besucht zu werden pflegte. Dann hörte der offizielle Mathematikunterricht auf. Dagegen war für die Weiterstrebenden – zuerst 1732/33 von Schiffert – ein Mittwoch- und Samstag-Nachmittag von 1 bis 3 gegebener privater Unterricht in der "Mathesis" eingerichtet worden, in der nach Christian Wolffs "Auszug aus den Anfangsgründen aller mathematischen Wissenschaft" die Elemente der Geometrie und Trigonometrie von – Theologiestudenten ihren unglücklichen Opfern beigebracht wurden.
Für das ebenfalls dem Privatunterricht der beiden sonst schulfreien Nachmittage überlassene Französisch bestanden zu Kants Zeit drei Klassen, in denen die Schüler dahin gebracht werden sollten, "einen französischen Autorem ziemlich exponieren (d. i. übersetzen) zu können". Indes sind uns gerade über die Unterrichtsweise während Kants Schulzeit keine näheren Mitteilungen erhalten. – Ebensowenig über den in zwei Abteilungen erteilten und von dem kleinen Immanuel nur drei Jahre lang mitgemachten Gesangunterricht. Daneben sorgte die Anstalt auf Wunsch – in erster Linie doch wohl für die Internen – für Unterweisung in Klavier- und Flötenspiel. Polnisch und Litauisch wurden nur gegeben, wenn genügende Anmeldungen erfolgten und geeignete Lehrer aufzutreiben waren. Kant hat daran, soviel bekannt, nicht teilgenommen.
Der pietistische Charakter
Den Mittelpunkt des Unterrichts, um den sich die übrigen Fächer nur lose herumgruppierten, bildeten also durchaus das Lateinische und die Religion; neben ihnen bedeuteten die Muttersprache, das Französische, Mathematik und Naturwissenschaft nichts oder so gut wie nichts. Das aber, was das Fridericianum von den anderen Lateinschulen der Stadt – dem Altstädtischen und dem Kneiphöfsehen oder Domgymnasium – unterschied, war der pietistische Charakter, der das ganze Leben der Anstalt beseelte. Bestand doch deren Zweck ausgesprochenermaßen darin, dass "einesteils die Untergebenen aus ihrem geistlichen Verderben errettet und das rechtschaffene Christentum ihren Herzen von Jugend auf eingepflanzt, andernteils aber auch ihr zeitliches Wohlsein befördert werden möge". Und lautete doch die grundlegende Bestimmung der Schulgesetze: "Wer die Zeit seiner Jugend wohl anwenden und den Grund seines Glückes auf Erden in der Schule legen will, muß zuvörderst bei allen seinen Handlungen das Andenken an Gott, der überall gegenwärtig ist und vor dem allein ein rechtschaffenes Herz gilt, zu erwecken und zu unterhalten suchen." Deshalb begann und schloß auch, abgesehen von der halbstündigen Frühandacht der in der Anstalt selbst wohnenden Zöglinge, jede Stunde mit einem "erwecklichen und kurtzen" Gebet. Dazu kamen allwöchentlich außer zwei weiteren Erbauungs- und Betstunden für die Pensionäre, noch an einem besonders festzusetzenden Tage vorgenommene Katechisationen durch den Direktor und die regelmäßige einstündige Samstags-Andacht, in der außer Gebet und Gesang eine Ermahnung des Inspektors "sowohl was die Studien als gute Ordnung anlanget, als was sonst nötig ist und die Woche über bemerkt worden", erfolgte, die übrige Zeit aber "zur Erweckung gegen den Sonntag angewandt wird". Dieser Sonntag war natürlich erst recht dem Heile der Seele geweiht. Da wurde von 8—9 in der Schulkirche katechisiert, die Vormittags- wie die Nachmittagspredigt angehört und der Inhalt beider sofort abgefragt. Zum Überfluß fand abends eine nochmalige "Wiederholung" beider Predigten statt, wobei man "auf den Seelenzustand der Jugend sieht, die gehörte Wahrheiten auf sie deutet und ihr Hebreich andringt". Zu diesem regelmäßigen Andachtsbetrieb kamen noch die außerordentlichen religiösen Übungen, wie die bereits vier Wochen vorher beginnenden "Vorbereitungen" auf den Genuß des hl. Abendmahls, mit schriftlichen Gebeten (eins ist noch in den Akten erhalten) und Berichten der Schüler über ihren Seelenzustand und mit ihren besonderen Ermahnungs-, Selbstprüfungs- und "Erweckungs"-Stunden. Kein Wunder, dass das Fridericianum im Volksmunde einfach die "Pietisten"-Schule hieß, kein Wunder auch, dass selbständigeren Naturen wie Kant durch solche Überfütterung auch die an sich durchaus berechtigte Gefühlsseite der Religion vollständig verleidet wurde.
Lehrer, Schulzucht, Prüfungen
Ein weiterer Übelstand war, dass die etwa 30 Lehrer der Anstalt fast durchweg Studierende oder Kandidaten der Theologie vom fünften Semester ab, zum größeren Teil frühere Zöglinge der Schule, waren. Bei so großer Zahl wurde der einzelne zwar nicht mit Unterrichtsstunden überlastet – die Älteren erteilten bis zu vier, die Jüngeren 1 bis 3 Stunden täglich —, aber die Entlohnung war auch kärglich. Sie betrug bloß 10 Taler jährlich für jede Wochenstunde, weitere Zulagen waren von der Zahl der Schüler abhängig. Die meisten hatten freilich freie Wohnung und Kost im Collegium, mußten aber dafür auch dessen Pensionäre beaufsichtigen, und ein eigenes Zimmer besaß nur der erste Lateinlehrer. Der Hauptnachteil war doch, dass den jungen Leuten, wenn sie so früh – Kants Freund Cunde z. B. im Alter von 18 bis 19 Jahren – ihre Tätigkeit begannen, jede Lebens- und Unterrichtserfahrung fehlte. Daran konnten schließlich auch die Anweisungen, Ratschläge und Wochenkonferenzen, die der erste Inspektor mit ihnen abhielt, wenig ändern. Und so vermochten denn viele, auch wenn sie älter geworden, trotz aller Anläufe zur Strenge, keine Disziplin zu halten. Im allgemeinen erscheint das von Schiffert in seiner "Nachricht" empfohlene Verfahren für die damalige Zeit verständig und milde. Schimpfwörter, sogar die Anrede mit "Du", waren verpönt. Mit väterlichen Ermahnungen sollte der Präzeptor zunächst auszukommen suchen; falls diese nichts fruchteten, sollte er seinen Unterricht nicht lange durch die Strafvollziehung unterbrechen, sondern die Sache dem Inspektor melden, der ihnen dann die Strafe – körperliche nur bei Bosheit oder offenbarer Faulheit – zu diktieren werde; helfe auch das nicht, so müsse man den Eltern die Entfernung aus der Schule empfehlen, "maßen man aus dem Collegio … kein Zuchthaus machen kann". Ob diese vernünftigen Grundsätze in Wirklichkeit immer befolgt worden sind?
Ferien, wie sie an anderen Lehranstalten wenigstens zur Zeit der Hundstage und des Jahrmarktes je 14 Tage lang einzutreten pflegten, gab es in der strengen Pietistenschule Überhaupt nicht. Nur am Oster-, Pfingst- und Christfest-Montag und einen Tag nach der öffentlichen Prüfung wurde der Unterricht ausgesetzt; außerdem ging man bisweilen in der heißesten Zeit des Jahres mit den Schülern oder doch den Pensionären einen halben oder ganzen Tag aufs Land. Die Vorschriften über die Schulaufsicht waren streng. Jeder Lehrer mußte den Eintritt seines Nachfolgers ins Klassenzimmer abwarten. Die Pensionäre durften sich nur von 12—1, 4—5 und im Sommer nach 8 Uhr abends unter Aufsicht auf dem Schulhof "bewegen"; Turnen gab es natürlich nicht. Von 5—7 Uhr nachmittags war, selbstverständlich ebenfalls unter Aufsicht der Stubeninspizienten, Arbeitsstunde. Die Versetzungen in eine höhere Klasse fanden, nachdem zahlreiche Wiederholungen des Gelernten nicht bloß am selben und folgenden Tage, sondern auch zu Ende der Woche, des Quartals und Semesters stattgefunden hatten, jedes halbe Jahr statt; sie wurden, nach den Vorschlägen der Lehrer und eingehenden Prüfungen in den Klassen, vom Inspektor entschieden und verkündet; als besonders schwierig galt die nach U II. Vor Schluß des Semesters wurde in der Schulkirche eine zwei volle Tage dauernde öffentliche Prüfung abgehalten, zu welcher die Zöglinge tags vorher den angesehensten Männern der Stadt sowie den Gönnern und Freunden der Schule gedruckte Einladungen überbrachten; wenn Universitätsprofessoren oder Konsistorialräte kamen, so konnten sie selber Themata stellen oder Fragen an die Schüler richten. Die Prüfung der Sekundaner und Primaner fand in lateinischer Sprache statt. Am dritten Tage hielten die Abiturienten – damals dimittendi, d. i. zu Entlassende, genannt – ihre Abschiedsreden über ein moralisches oder theologisches Thema, je nachdem mit größerem oder geringerem Schwulst. Meist lateinisch; doch kamen an manchen Anstalten auch griechische, französische, ja selbst hebräische (!) Reden vor. Im Fridericianum wurden sie dann, in sauberer Reinschrift, gebunden und in der Bibliothek aufbewahrt; leider haben sie sich nicht erhalten, sonst könnten wir sicherlich auch eine des dimittendus Kant "bewundern". Daran schlossen sich Deklamationen lateinischer und deutscher Gedichte, die Abschieds- und Dankrede eines der zurückbleibenden Primaner, die Entlassungsrede des Inspektors, zuweilen noch ein Schlußwort des Direktors.
Kants Aufrücken
Solcher Art also war die Anstalt, die unser Philosoph von seinem 9. bis zu seinem 17. Lebensjahre besucht hat. Vielleicht infolge des persönlichen Einflusses von Schultz, war er schon im Alter von 8 Jahren, d. h. zwei Jahre früher als üblich, in die unterste Latein-, Religions-, arithmetische und kalligraphische Klasse aufgenommen worden. Nach den alten Schullisten des Fridericianums hat Immanuel Kant – die Namensform schwankt zwischen Kant, Kandt, Cant, Cante und Candt!5 – die lateinische Quinta in 1½, IV in 1, III und U II in je 1½, O II in 1, die Prima in 2 Jahren absolviert. Wir sehen, dass er jedesmal zu Anfang, infolge der in der Klasse Sitzengebliebenen, einen tieferen Platz einnimmt, dagegen im Laufe des Kursus sich stets an die Spitze emporarbeitet, um als Primus in die nächstfolgende Klasse aufzusteigen. Nur als Abiturient war er von einem gewissen Porsch überflügelt worden, vielleicht weil dieser in höherem Grade als unser Immanuel lateinische Verse "mit wunderbarer Leichtigkeit hinzugießen verstand" (Ruhnken an Kant, 10. März 1771). Griechisch hat er schon mit 10½, Hebräisch mit 11, Französisch mit 11½ Jahren begonnen. Die unteren Klassen hat er sehr rasch erledigt; dass er in Religion und Griechisch auffallend lang in der 2. Klasse blieb, lag wohl daran, dass er für die erste noch zu jugendlich war, und dass der Unterricht in beiden Fächern – hier grammatische, dort inhaltliche Behandlung des Neuen Testaments – verwandt war, zudem damals in einer Hand lag. Aus dem Gesangunterricht ist er, vermutlich seiner schwachen Stimme halber, früh ausgeschieden. Im Schönschreiben ist der Neunjährige vorübergehend einmal in eine tiefere Klasse gekommen, hat sich dann aber rasch, sogar zur 1. Klasse, wieder emporgearbeitet. Eine saubere und feine Handschrift hat er denn auch, trotz seiner ungeheueren Gelehrtentätigkeit, bis in sein Alter behalten.
Befreundete Mitschüler
Die leichten Erfolge, die unser Kant auf der Schule errang, verdankte er gewiß vor allem seinem Scharfsinn und seinem bis in späte Jahre fortdauernden vorzüglichen Gedächtnis, das ihn bei dem geschilderten Memorierbetrieb besonders begünstigen mußte. Dass er aber auch "fleißig im strengsten Verstande des Wortes" war, hat Borowski von Kants Mitschülern Trümmer, Cunde und Kypke bezeugt bekommen; das brachte ja schon der Geist des Elternhauses mit sich. Er braucht darum kein Duckmäuser oder Stubenhocker gewesen zu sein. Dagegen würde seine ganze spätere Art sprechen, auch wenn nicht schon einzelne Stellen seiner Schriften und Briefe darauf hinwiesen, dass er Knabenspiele wie Kreisel, Blindekuh usw. gekannt, dass er öfters am Schusterbrunnen, einem zur Zeit seiner Kindheit leeren Wasserbecken, gespielt, dass er sich, wie wir schon sahen, auf den Wiesen und an den Gräben in der Nähe des väterlichen Hauses herumgetummelt hat. Wenn er einst Borowski gestand, "in manchen Dingen" vergeßlich gewesen zu sein, so waren dies doch solche, "die den Schulfleiß nicht affizierten"; mehr ein Vorzeichen professoraler Zerstreutheit war es, wenn er einmal auf dem Schulweg seine Bücher irgendwo niedergelegt hatte und dann ohne sie in der Klasse erschien. Von seinem guten Betragen zeugt die von ihm selber seinem Schüler Jachmann erzählte Tatsache, dass er und einige Kameraden selbst einem gebrechlichen und "possierlich gestalteten" unter ihren Lehrern stets Aufmerksamkeit, Folgsamkeit und Achtung bewiesen hätten, weil sie in seinen Lektionen viel hätten lernen können. Vielleicht war es derselbe "gute" Heydenreich, der, eben als junger Hilfslehrer in das Kollegium eingetreten, Kants Lateinlehrer in Quinta und Quarta und dann wieder in den beiden letzten Jahren der Prima war, und von dem er noch später mit ganz besonderer Achtung zu sprechen pflegte: er habe durch seine Art der Erläuterung der römischen Klassiker nicht nur die Kenntnisse seiner Primaner erweitert, sondern auch für die Richtigkeit und Bestimmtheit ihrer Begriffe gesorgt.
Wie von dem jungen Lessing sein Rektor gesagt haben soll, er gleiche einem Pferd, das doppeltes Futter verlange, so tat sich auch Immanuel Kant mit gleichstrebenden Schulkameraden zusammen, um mit ihnen privatim solche lateinischen Schriftsteller zu lesen, die ihnen innerhalb der Schulwände nicht geboten wurden. Es waren dies zwei Pommern: der um 1 Jahr ältere David Ruhncke (später Ruhnken) und der 1 Jahr jüngere Johannes Cunde, Sohn eines armen Holzwärters, der 1737 gleich in Untersekunda aufgenommen worden war, da Schiffert bald seine "herrlichen Gaben" erkannt hatte. Dies Kleeblatt also trieb – seit Ostern 1739 waren sie in der lateinischen Prima vereinigt – regelmäßige Klassiker-Lektüre, wobei Ruhnken, der Wohlhabendste unter ihnen, gute Ausgaben, einmal z. B. die kostbare Livius-Ausgabe von Drakenborg, anschaffte. Sie träumten sich schon jetzt als dereinstige Gelehrte und entwarfen Pläne literarischer Arbeiten, wobei sie sich im Stile der Zeit mit den latinisierten Namen Cantius, Cundeus und Ruhnkenius bezeichnen wollten. Nur einer von ihnen hat diesen Jugendplan wirklich durchgeführt: David Ruhnken, der ein Semester später als Kant das Fridericianum verließ, aber, unbefriedigt von seinen Königsberger Universitätslehrern, schon zwei Jahre später nach Holland ging und dann Jahrzehnte hindurch als einer der größten Philologen seiner Zeit an der Leydener Hochschule glänzte. Der andere, jener begabte Armenschüler Cunde, rieb sich allzufrüh im Schuldienst auf. Das Friedrichskollegium preßte die schwachen Körperkräfte des jungen Gelehrten "wie eine Zitrone bis auf den letzten Safttropfen aus", so dass er, 1756 als Rektor an die Stadtschule des kleinen Rastenburg gekommen, dort bereits nach wenigen Jahren dahinwelkte.
Schulsitten
Von sonstigen Einzelheiten aus Kants Schulleben läßt sich nichts mehr feststellen. Auch er wird als guter Schüler wohl öfters in Zopf, Kniehosen und weißen Strümpfen das untere Katheder betreten haben, in einer Zeit, wo die "Rede-Aktus" in den Lateinschulen so überhand genommen hatten, wie im 18. Jahrhundert, wo z. B. bei der Jubelfeier der Augsburger Konfession 1730 im Altstädtischen Gymnasium 21, im Kneiphöfschen 24 Schüler redeten, während 1791 – allerdings ein halbes Jahrhundert nach Kants Schulzeit – im Fridericianum mehrere Quartaner "über das Verdienst" sich verbreiteten, ja gar ein Quintaner (!) eine Abschiedsrede "Von der Nützlichkeit des Kaufmannsstandes" hielt. Auch er wird an den Leichenbegängnissen der Groß-, Kleinbürger und königlichen Offizianten (Beamten), namentlich an den von der ganzen Schule begleiteten "General-Leichen", sowie an den bei Gelegenheit der hohen Kirchenfeste üblichen "Umgängen", die mit Absingung von Psalmen und Chorälen, und zum Entgelt dafür der Entgegennahme von Geld und Lebensmitteln aus den vornehmen Bürgerhäusern verbunden waren, haben teilnehmen müssen.6 Er wird sich auch als Oberprimaner am 20. Juli 1740 an der Huldigungsfeier zu Ehren des neuen Königs Friedrichs II. beteiligt7 und endlich wenige Wochen darauf als Secundus omnium seine lateinische oder deutsche Abschiedsrede bei der feierlichen Entlassung der Abiturienten gehalten haben.
Wie Hippel bezeugt, wohnte Kant als Gymnasiast nicht im Kolleggebäude, sondern trotz der weiten Entfernung bei seinen Eltern. So war er wenigstens nicht, wie die Pensionäre des Internats, dem Zwang der Anstalt auch außerhalb der Schulstunden überantwortet. Seine Eltern taten für ihn, was sie konnten, zumal da der Vater damals noch soviel verdiente, dass die Familie durchaus keine Not litt. Sie bezahlten das Schulgeld nicht bloß für die Pflicht-, sondern auch für die Privatstunden in Französisch und Mathematik, um den geliebten Sohn zu fördern: während sie sich anderseits doch die taktvolle Art der Unterstützung gelallen ließen, die ihnen Direktor Schultz gewährte indem er ihnen ab und zu einen Teil des Brennholzes, das nach" der Sitte der Zeit einen Teil seines Gehaltes bildete, unerwartet und unentgeltlich anfahren ließ. Der religiöse Ton war zwar auch im Elternhause heimisch, auch hier wurde sicherlich, was zudem den in der Stadt wohnenden Schülern dringend empfohlen war jeder Tag mit Gebet begonnen und beschlossen; aber Immanuel hatte, bei seiner Begabung, doch mehr Zeit zu Spiel und Erholung.
Wirkung der Schulzeit
Versuchen wir nach alledem zu einem Schlußurteil, zur Beantwortung der Frage zu kommen: Welche Wirkung hat diese achtjährige Schulzeit auf den jungen Kant gehabt? Wir scheiden dabei die außer-schulmäßigen Einflüsse aus: die des Elternhauses wie der Stadt. Denn sicher bot die letztere, schon auf dem täglichen Schulwege, dem Verstand, Gemüt und der Phantasie des aufgeweckten Knaben und noch mehr des heranwachsenden Jünglings die mannigfaltigsten Anregungen, während ihn von den Versuchungen der Großstadt, abgesehen von der strengen Schulzucht, schon der Geist des Elternhauses fernhielt. Das Wesentliche aber war doch die. Einwirkung der Schule. Welches Endergebnis zeitigte diese?
Mag das Fridericianum damals auch seine Blütezeit gehabt, mag es als die Musteranstalt gegolten haben, welche die ganze Provinz mit Lehrern und Lehrbüchern versorgte: das Gesamtresultat dessen, was sie ihren Zöglingen auf die Universität mitgab, war doch, nicht bloß an unserem heutigen, sondern" auch an Kants eigenem späteren Maßstab gemessen, außerordentlich dürftig. Das einzige aus der Schulzeit, was er auch später noch und dauernd als nutzbringend für sich empfand, war die nie in ihm erloschene Liebe zu den alten Lateinern, besonders den Dichtern, aus denen er noch in seinem Alter lange Stellen ohne Anstoß herzusagen vermochte. Was half es ihm aber im übrigen für seine Gesamtbildung, dass er vom 9. bis zum 17. Lebensjahre Latein und immer wieder Latein getrieben hatte ? Nicht einmal ein klassisches Lateinisch hatte er zu schreiben gelernt, von einer Einführung in den Geist des Altertums ganz zu schweigen. Es klingt doch wie selbsterfahren, wenn uns aus einem Losen Blatt aus dem Anfang der 70er Jahre der Stoßseufzer entgegentönt: "Wollte Gott, wir lernten in Schulen den Geist und nicht die phrases der Autoren und kopierten sie nicht, so würden unsere deutschen Schriften mehr echten Geschmack enthalten" (Ak.-Ausg. XV, Nr. 778). Es ging ihm in dieser Hinsicht nicht besser als allen berühmten Deutschen, die in den damaligen Tretmühlen des Wissens ihre Jugendjahre verbracht haben: Lessing wie Winckelmann, Herder wie Heyne, Hamann wie Nicolai, von deren jedem wir noch stärkere Äußerungen zitieren könnten. Es paßt auf die damaligen Gelehrtenschulen das Wort, mit dem beste Kenner der Geschichte des gelehrten Unterrichts seine Schilderung dieses Zeitabschnittes beschließt: "Um 1740 sind die Schulen auf den tiefsten Stand in der öffentlichen Schätzung gesunken, den sie überhaupt erreicht haben. Was sie trieben, galt in der Welt draußen nicht mehr, was draußen galt, trieben sie noch kaum" (Paulsen, Gesch. d. gelehrten Unterrichts I, 607).
Dazu kam nun noch die oben geschilderte Überfütterung mit dem, was der Seele des Menschen und am meisten der des Kindes nur in den Feierstunden des Gemüts nahegebracht werden sollte: der Religion. Selbst kirchlich gesinnte Männer, wie Borowski und Rink, welche das Fridericianum einigermaßen in Schutz zu nehmen suchen, meinen doch, dass Kant als Schüler "an dem Schema von Frömmigkeit oder eigentlich Frömmelei, zu dem sich manche seiner Mitschüler und bisweilen aus sehr niedrigen Absichten bequemten, keinen Geschmack finden konnte", ja, dass "gerade durch die stete Gewohnheit der Gebetsund Erbauungsstunden das religiöse Gefühl des Knaben erkaltete und verkümmert ward". In der Tat, wir können es begreifen, dass Kant später zu Hippel geäußert haben soll: Ihn überfiele Schrecken und Bangigkeit, wenn er an jene Jugendsklaverei zurückdächte.
Niemals hat er denn auch in seinen Schriften dankend des Fridericianums gedacht, niemals, so dürftig es ihm auch ging, während seiner Universitäts- oder Hauslehrerzeit sich um ein Lehramt an seiner alten Schule8 bemüht. Von seinen Lehrern hat er zwar den "guten" Heydenreich, wie wir sahen, und zwar ihn allein rühmend hervorgehoben, aber anscheinend doch auch zu ihm später in keinem näheren persönlichen Verhältnis mehr gestanden. Und ebensowenig zu seinem Direktor F. A. Schultz, den er ja auch nur aus Predigten, Katechisationen und gelegentlichen Besuchen, nicht aus dem eigentlichen Unterricht kannte. Zwar soll er (nach Borowski) noch in seinen letzten Jahren gewünscht haben, ihm ein literarisches Denkmal errichten zu können; aber während seiner Studentenzeit kennt Schultz ihn, wie wir sehen werden, nicht einmal mehr vom Ansehen, und seine erste Schrift hat der junge Gelehrte nicht ihm, sondern einem anderen Wohltäter der Familie, Professor Bohlius, gewidmet.
Nun war die Zeit im Elternhaus und hinter den Wänden des Fridericianums für ihn vorüber. Im ganzen muß sie keine angenehme Erinnerung für den späteren Mann gebildet haben. Sonst hätte er in seinen Vorlesungen über Pädagogik nicht die Sätze aussprechen können, die ein seiner Kindheit froher Mensch nie äußern wird: "Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seien die besten und die angenehmsten ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist, selten einen eigentlichen Freund und noch seltener Freiheit haben kann." Und dabei fehlte ihm keineswegs die Empfindung für das, was der Jugend vor allem not tut, ihm, der kurz vorher die Kinder stets fröhlichen Herzens und "so heiter in ihren Blicken wie die Sonne" wünscht. Aber der geistige Druck der frommen und strengen Anstalt wirkte, zumal bei der pietistischen Gesinnung der Eltern, auch im Hause nach. Dazu kam der frühe Tod der seinem Herzen besonders nahestehenden Mutter, der Ernst des Lebens, der bei den anscheinend allmählich schlechter werdenden pekuniären Verhältnissen der Familie frühe an ihn herantrat.
Jetzt sollte die freiere Zeit des akademischen Lebens für ihn beginnen. Gegen Ende des Sommers 1740 wurde er mit zehn anderen aus dem Fridericianum entlassen. Schulzeugnisse, wie heute, gab es damals noch nicht, und auch eine Gesamtcharakteristik des Abiturienten, wie sie z. B. von Johann Winckelmann vorhanden ist, hat sich nicht erhalten. Um so wertvoller ist unter diesen Umständen das Zeugnis seiner Mitschüler – Schüler- sehen ja manchmal schärfer als Lehreraugen —, das uns durch den Mund des berühmtesten unter ihnen überliefert ist, und das zugleich die Eindrücke noch einmal zusammenfaßt, welche der Geist des "Pietisten"-Gymnasiums unter den klügsten und urteilsfähigsten seiner Zöglinge weckte. "Dreißig Jahre sind vorbei," so schrieb am 10. März 1771 der berühmte Philologe David Ruhnken aus Leyden an Immanuel Kant, "seit wir beide unter jener zwar pedantisch finsteren, aber doch nützlichen und nicht verwerflichen Zucht der Fanatiker seufzten. Man hegte damals von Deinen Geistesanlagen allgemein die rühmliche Meinung, Du könntest, wenn Du, ohne in Deinem Eifer nachzulassen, weiter strebtest, die höchsten Höhen der Wissenschaft erreichen."