Kitabı oku: «Immanuel Kant: Der Mann und das Werk», sayfa 7

Yazı tipi:

Bei Major von Hülsen in Arnsdorf

Vermutlich bald darauf – von einem Königsberger Aufenthalt dazwischen wissen wir nichts – trat er eine zweite Hauslehrerstelle an der entgegengesetzten Ecke der Provinz an. Diesmal war es das Haus eines adligen Rittergutsbesitzers, des Majors Bernhard Friedrich von Hülsen auf Groß-Arnsdorf bei Saalfeld zwischen Elbing und Osterode, in das er eintrat, um den Unterricht der drei älteren Söhne, des 13 jährigen Christoph Ludwig, des 10 jährigen Ernst Friedrich und des 6 jährigen Georg Friedrich, zu leiten. Neben ihm ist vermutlich noch ein französischer Sprachlehrer engagiert gewesen; wenigstens war ein solcher Anfang 1761 vorhanden; Kant hat Französisch nur verstanden, nicht gesprochen. Der ostpreußische Landadel in der Zeit vor der großen Revolution lebte, wie der bekannte H. von Boyen in seinen Erinnerungen (I, 24) erzählt, "im allgemeinen noch sehr einfach, aber gastfrei. Für bessere Erziehung seiner Kinder zeigte sich hin und wieder ein rühmliches Streben; doch kann man nicht behaupten, dass die gnädigen Fräuleins und die Herren Junker von den gewöhnlich etwas unerfahrenen Hauslehrern beim Lernen zu sehr angestrengt wurden, darüber wachte die adlige Zärtlichkeit der Frau Mutter." Wahrscheinlich ist auch hier Kants Aufenthalt ein mehrjähriger gewesen. Wenigstens entspann sich mit der Familie ein noch viele Jahre fortdauerndes näheres Verhältnis: Zeugnis dessen sind dankbare und hochachtungsvolle Briefe des Vaters wie der Zöglinge, die den einstigen Hausgenossen noch nach Jahren "zum Teilnehmer jedes interessanten Familienereignisses machten" (Rink)17. Von dem Philosophen selbst ist ein vom 10. August 1754 datiertes, bereits wieder aus Königsberg geschriebenes Briefchen an den älteren Zögling erhalten, dem er zwei gewünschte Schulbücher "zur Historie und Latinität" nebst zwei Bildern für den jüngeren Bruder ("HE. Fritzchen") und den "lieben HE. Behrend"18 schickt. Das ganze Schreiben macht in seiner Lebendigkeit den Eindruck, dass Kant damals das Hülsensche Haus noch nicht lange verlassen hatte. Als "Herr Fritzchen" sieben Jahre später in Königsberg immatrikuliert wurde, kam er zu seinem früheren Lehrer, dem jetzigen Magister Kant, in Pension. Freilich ging er, als echter ostpreußischer Junker, nach einem Jahre in den Offiziersberuf über, beurlaubte sich aber noch vor seinem Abschied aus dem Vaterhause "von seinem treuen Lehrer und Vorsorger durch ein dankbares Schreiben"19 das dieser unter seinen Papieren aufbewahrte. Später hat er dann selbst dem einstigen Zögling für seine Kinder Hauslehrer von Königsberg aus besorgt (vgl. Kants Brief an G. F. von Hülsen, 1. Mai 1784).

Vielleicht war es doch eine Nachwirkung der von dem früheren Lehrer empfangenen Eindrücke, wenn gerade dieser Georg Friedrich von Hülsen zu den ersten der Rittergutsbesitzer gehörte, die unter Friedrich Wilhelm dem Dritten freiwillig ihre Gutsuntertanen von dem Zwang der Erbuntertänigkeit befreiten. Der Philosoph soll nach dem Zeugnis des späteren freisinnigen Oberpräsidenten Ostpreußens, Theodor von Schön, um 1795 von der menschenunwürdigen Lage der Erbuntertänigen gesagt haben: "die Eingeweide drehten sich ihm im Leibe um, wenn er daran dächte"! Ob er wohl schon als Hofmeister in Groß-Arnsdorf Erfahrungen in dieser Hinsicht gesammelt hat?

Bei Graf Keyserling in Rautenburg?

Ob Kant nach diesen beiden noch eine dritte Hauslehrerstelle im Hause des Grafen von Keyserling-Rautenburg im Kreise Tilsit-Niederung bekleidet hat, ist sehr zweifelhaft. Zu der von uns an anderer Stelle ('Kants lieben', S. 34—36) dagegen erhobenen Bedenken, auf die wir hier verweisen, tritt noch der oben wiedergegebene Eindruck des Briefes nach Arnsdorf. Vielleicht sind die von dieser dritten "Kondition" redenden Nachrichten dadurch zu erklären, dass Kant in seiner ersten Magisterzeit oder kurz vorher jede Woche ein- oder einigemal mit dem Wagen nach dem zwei Meilen südwestlich von Königsberg gelegenen Truchseßschen Schlosse Capustigall zum Privatunterricht geholt wurde; unter seinen dortigen Zöglingen könnte auch ein Sohn seiner edlen Gönnerin oder Freundin (s. Buch II, Kap. 5), der Gräfin Keyserling, gewesen sein, die eine geborene Truchseß-Waldburg war. Aller Wahrscheinlichkeit nach weilte der Philosoph seit 1754 wieder dauernd in seiner Vaterstadt; denn von dort ist nicht bloß der Brief an den jungen Hülsen datiert, sondern auch verschiedene andere Gründe, die wir weiter unten kennenlernen werden, sprechen dafür.

Bedeutung dieser Zeit für Kant

Wir aber fragen: Was bedeuten diese sechs oder sieben Hauslehrjahre für Kants Empfindungen und für seine Persönlichkeit? Wir müssen dabei freilich aus unscheinbaren Tatsachen weite und vielleicht nicht sehr sichere Schlüsse ziehen. Interessant ist da zunächst die von Haagen zum ersten Male aus dem Staub der Judtschener Kirchenregister ans Licht gezogene Tatsache, dass Kant am 27. Oktober 1748 bei der Taufe des kleinen Samuel Challet – sein Vater war Schulmeister und Kirchenvorsteher – sich als Studiosus philosophiae hat eintragen lassen. Demnach legte der 24½jährige junge Mann erstens auf den Kandidatentitel keinen Wert und hat es zweitens, obwohl in einem Pfarrhause lebend, vorgezogen, sich als Studiosus der Philosophie zu bezeichnen, wie auch schon 1—2 Jahre vorher bei Einreichung seiner ersten Schrift, für deren Druck er nun bald die Kosten decken konnte; denn von den 50—60 Talern, die er nach Haagens Schätzung außer freier Wohnung und Kost von Andersch bezog, konnte er bei den sicher sehr geringen Ansprüchen, die das Pfarrhaus an sein äußeres Auftreten stellte, das meiste zurücklegen. Möglicherweise ist er sogar deshalb zunächst lieber in ein einfach bürgerliches Haus gegangen, wo er zudem nicht fertig französisch zu parlieren und alle möglichen musikalischen Instrumente – Klavier und Violine, Flöte und "Bassetter" (vgl. Kant an von Hülsen, 1. Mai 1784) – zu spielen brauchte. Dafür richtete er auch keine üblen Folgen an, wie der Held von R. Lenzens Drama 'Der Hofmeister', das die Zustände auf diesem Gebiet in nur wenig späterer Zeit, nach dem Zeugnis urteilsfähiger Zeitgenossen, recht nach ostpreußischer Wirklichkeit gezeichnet hat. Pflichttreu ist er jedenfalls, wie sein ganzes Leben hindurch, so auch in dieser Stellung gewesen, und auch sein Unterricht wird nicht ganz so schlecht gewesen sein, wie er selber ihn in seinem Alter zu machen pflegte mit der scherzhaften Versicherung, dass "in der Welt vielleicht nie ein schlechterer Hofmeister gewesen als er", oder gegen seinen Famulus Lehmann: Noch jetzt "mache es eine seiner unangenehmsten Traumvorstellungen aus", wenn er sich wieder in seine Hofmeisterzeit versetzt fühle; das Geschäft eines Pädagogen sei ihm "immer eines der verdrießlichsten" erschienen (Feders lieben, Natur und Grundsätze, Leipzig 1825, S. 173). So gern wir ihm glauben wollen, dass es ihm schwer geworden ist, "sich" zu den Begriffen der Kinder "herabzustimmen", hat er doch den ältesten seiner Zöglinge so weit gebracht, dass dieser auf dem berühmten Joachimstaischen Gymnasium sofort in die Prima aufgenommen wurde. Und in einer seiner vorkritischen Schriften erzählt er selbst, er habe einmal einem "Lehrling" einen mathematisch-physikalischen Satz derart klar zu machen verstanden, dass derselbe seine ästhetische Freude daran hatte ('Einzig möglicher Beweisgrund', S. 46). Auch die tiefgegründete Liebe und Hochachtung der Hülsens zu ihm könnte man sich ohnedas kaum vorstellen.

Erwähnenswerte Einflüsse seiner Umgebung auf seine wissenschaftliche oder auch nur geistige Entwicklung im allgemeinen sind wohl schwerlich anzunehmen: weder bei dem Bauernpastor noch bei der adligen Familie. Dagegen könnte er in letzterer wohl zu jener Gewöhnung an feinere Lebensformen den Grund gelegt haben, die er später auch in der feinsten aristokratischen Gesellschaft zeigte. Dass er darüber die Hauptsache nicht vergaß, wissen wir aus dem Munde seines Studienkameraden Heilsberg, nach dessen Zeugnis er "in allen Stücken die Rechtschaffenheit und Biederkeit im Umgange jenem Gepränge vorzog und das Komplimentieren haßte"; wie er denn auch, auf der Rückkehr von seiner Erziehertätigkeit auf Schloß Capustigall, "öfters mit inniger Rührung an die ungleich herrlichere Erziehung gedachte, die er selbst in seiner Eltern Hause genossen". Auch die schiefe Stellung des zwischen Eltern und Hofmeister stehenden Kindes hat er wohl empfunden, wenn man nach Bemerkungen darüber in seinen Vorlesungen über Pädagogik schließen darf. Wenn er gleichwohl nach Borowskis, von ihm selbst gebilligten, Bericht noch im Alter "an die Jahre seines ländlichen Aufenthalts und Fleißes mit vieler Zufriedenheit zurückdachte", so lag das eben daran, dass er diese äußerlich einförmigen Jahre zu eifriger wissenschaftlicher Arbeit benutzt hat. Es waren Jahre stillen Reifens. Er legte sich "Miszellaneen aus allen Fächern der Gelehrsamkeit" an, er bereitete die Arbeiten vor und arbeitete sie vielleicht zum Teil bereits aus, mit denen er in den Jahren nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt (1754 ff.) in schneller Folge hervortrat.

Wissenschaftliche Arbeiten

Zunächst beabsichtigte er im August 1749, nach jenem ersten von ihm erhaltenen Briefe an einen Unbekannten – der 1922 erschienene 13. Band der Akademie-Ausgabe (S. 1) vermutet den berühmten Albrecht von Haller —, den er sich zum Rezensenten wünscht, zu schließen, eine Fortsetzung seiner ersten Schrift drucken zu lassen. Er hatte damals nach seinen eigenen Worten eine solche "in Bereitschaft, die nebst einer ferneren Bestätigung derselben andere ebendahin abzielende Betrachtungen in sich begreifen wird". Nach welcher Seite diese Betrachtungen gehen sollten, können wir aus der ja, wie gesagt, erst 1749 erschienenen Schrift selbst feststellen. Er behielt sich darin u. a. vor, seine Gedanken über die Möglichkeit "vieler Welten" näher auszuführen, die freilich auch vielerlei Raumesarten voraussetzten und deshalb unwahrscheinlich seien (§ 11). Er behauptet ferner, weitere Gesetze, "nach denen die Lebendigwerdung der Kraft geschieht", darlegen (§ 131), besonders aber in "einigen Abrissen" zeigen zu können, wie seine neue Theorie sich mit Leibniz' Gesetz von der Erhaltung der Kraft und seiner Regeln "der allgemeinen Harmonie und Ordnung" wohl vereinigen lasse.

Zu den hierdurch veranlaßten physikalischen und philosophischen 'Miszellaneen' kamen sicher astronomische und geographische hinzu. Die ersteren waren zu seinem großen astronomischen Werk von 1755 notwendig, zu dessen Fixstern-Theorie ihm die Lektüre einer Anzeige in den Hamburger 'Freyen Urteilen und Nachrichten' von 1751 über ein Buch des Engländers Wright von Durham den ersten Anstoß gab, während er eine Schrift Bradleys entweder im Original aus den Philosophical Transactions von 1748 oder (wahrscheinlicher) aus dem 'Hamburgischen Magazin' von 1752 kennengelernt haben wird; denn auf dem Lande hatte er die Urschriften selbst nicht immer "bei der Hand", wie er dies z. B. von einer Abhandlung Maupertuis' in seinem Werk bemerkt. – Seine weitreichenden naturwissenschaftlichen Studien sowie der Drang, in weiteren Kreisen bekannt zu werden, mögen ihn auch zum Herangehen an die von der Berliner Akademie der Wissenschaften am 1. Juni 1752 gestellte Preisaufgabe über das Thema, ob die Achsendrehung der Erde sich verändert habe, bewogen haben; hat doch auch Rousseau durch seine Beantwortung einer akademischen Preisaufgabe seinen ersten Schriftstellerruhm erlangt. – Neben den umfangreichen Vorstudien, die, besonders bei Kants Gewissenhaftigkeit, diese Arbeiten erforderten, wird er wohl auch die zahlreichen geographischen Schriften, die er nach der Vorrede zu seinem 'Entwurf eines Collegii der Physischen Geographie' (Ostern 1757) gelesen hat, nicht alle erst kurz vorher kennengelernt haben, zumal dazu neben den großen Werken Newtons, Warens und Buffons auch eine ganze Reihe Reisebeschreibungen, die von jeher sein besonderes Interesse erregten, sowie in Zeitschriften und Akademie-Werken (von Paris und Stockholm) zerstreute Abhandlungen gehörten.20 Der letztere Umstand freilich wird ihn mit zur früheren Rückkehr nach Königsberg bestimmt haben.

Aus einem anderen Teil seiner 'Miscellaneen' der sich in den von Reicke veröffentlichten 'Losen Blättern aus Kants Nachlaß' (S. 294—302) bis auf unsere Tage erhalten hat, ergibt sich endlich, dass Kant sich um 1754 noch mit einer weiteren, von der Berliner Akademie im Sommer 1753 gestellten, Preisarbeit über den Optimismus von Pope und Leibniz beschäftigt hat: das nämliche Thema, das die beiden Freunde Lessing und Mendelssohn zu ihrer gemeinsam verfaßten Abhandlung: 'Pope ein Metaphysiker!' veranlaßte. Ob er seine Absicht ausgeführt und eine Arbeit zu dem bestimmten Termin (1755) abgeliefert hat? Wir wissen es nicht. Den Preis erhielt jedenfalls ein Crusianer. Kant ist aber 1759 noch einmal auf das Thema zurückgekommen (s. Buch II, Kap. 1).

Wie wir sehen, war seine literarische Tätigkeit zuletzt ziemlich beträchtlich geworden. Auch aus diesem Grunde ist anzunehmen, dass er spätestens im Jahre 1754, nach etwa 6—7jährigem Hauslehrertum, nach Königsberg zurückgekehrt ist. Hier konnte er den Druck des großen astronomischen Werkes, das er als seine nächste Lebensaufgabe betrachtete, und das er schon im Frühsommer 1754 im wesentlichen abgeschlossen zu haben scheint, in die Wege leiten und überwachen. Hier hat er zwei Abhandlungen in den 'Wöchentlichen Königsbergischen Frag- und Anzeigungsnachrichten' veröffentlicht. Zunächst am 8. und 15. Juni 1754 jene Arbeit 'Über die Achsendrehung der Erde', die er der Berliner Akademie nicht eingesandt hatte, weil er bescheiden meinte, dass sie mit ihrer rein physikalischen Behandlung der Sache, ohne die Geschichte des Problems zu beleuchten, doch auf einen Preis nicht rechnen könne. Und zweitens, in sechs Nummern vom 10. August bis 14. September, eine solche über: 'Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen'. Auf ihren Inhalt wird noch, gelegentlich der Darstellung von Kants naturwissenschaftlichen Ansichten überhaupt, kurz einzugehen sein. Hier kam es uns nur darauf an, seine eifrige wissenschaftliche Tätigkeit hervorzuheben. Mindestens in seiner Vaterstadt war er dadurch literarisch bekannter geworden.

Promotion und Habilitation

So standen denn seiner Promovierung zum Magister wie seiner Habilitation als Privatdozent der Philosophie an der Albertina keine Schwierigkeiten entgegen. Zum Zweck seiner Magister-, wir würden heute sagen: Doktor-Promotion, mußte er zunächst eine lateinische Dissertation – es war eine naturphilosophische Abhandlung 'Über das Feuer' – einreichen, was am 17. April 1755 geschah. Vier Wochen später folgte die mündliche Prüfung (das Rigorosum), am 12. Juni die feierliche Promotion im Auditorium maximum, einem langen, aber niedrigen, mit den Bildnissen der preußischen Landesfürsten geschmückten Saale, in dem heute ein Teil der Stadtbibliothek untergebracht ist. Vollzogen wurde sie durch denselben J. B. Hahn als Fakultätsdekan, der ihn vor 15 Jahren immatrikuliert hatte. Dieser hielt eine ausführliche Rede "Von den Ehren Tituln der alten Juden [!] bei ihren Akademischen Promotionen: Rabh, Rabbi und Rabbon", während der neue Magister den ganzen Akt mit einer Danksagung vom "oberen" Katheder beschloß.21 Zum Thema seiner vorangehenden eigenen, natürlich auch lateinischen, Rede hatte Kant ein weit moderneres Thema: "Vom leichteren und vom gründlichen Vortrag der Philosophie" gewählt. Er muß doch schon einen geachteten und bekannten Namen gehabt haben; denn, um ihn zu hören, waren besonders viele angesehene und gelehrte Männer der Stadt zusammengeströmt, und während seiner Rede legte nach des selbst anwesenden Borowski Zeugnis "das ganze Auditorium durch ausgezeichnete Stille und Aufmerksamkeit die Achtung an den Tag, mit der es den angehenden Magister aufnahm". Der Text von Kants Rede, der Borowski noch in Abschrift vorlag, hat sich leider nicht erhalten. Dagegen haben wir in der Stadtbibliothek ein Exemplar von Kants "Doktordiplom", genauer gesagt der gedruckten Einladung zu dem feierlichen Akt entdeckt, in deren sehr ausführlichem Text es heißt:

Facultas Philosophica

viro iuveni nobilissimo et clarissimo

Emanueli Kant, Reg. Pruss.

Philosophiae candidato dignissimo

Post egregie, in specimine exhibito et examine rigoroso, edita documenta

Doctoris philosophiae seu magistri gradum et insignia

Proxima Jovis die XII. Junii, Natali Brabeutae septuagesima

rite et solenniter conferet

Auf deutsch: Die philosophische Fakultät wird dem hochedlen und hochberühmten Emanuel Kant, aus dem Königreich Preußen, hochwürdigen Kandidaten der Philosophie, nach vorzüglichen, in seiner Abhandlung und bei dem Examen rigorosum gelieferten Proben den Grad und die Auszeichnungen eines Doctors der Philosophie oder Magisters am nächsten Donnerstag, 12. Juni, am 70. Geburtstage des Kampfrichters in gehöriger Form und feierlich übertragen.

Am 27. September desselben Jahres erfolgte sodann, mit der öffentlichen Verteidigung seiner pro venia docendi eingereichten, gleichfalls lateinischen Dissertation "Eine neue Beleuchtung der ersten Prinzipien der metaphysischen Erkenntnis", seine Habilitation an der heimischen Universität. Das Amt des "Respondenten" versah der Kandidat der Theologie Leonhard; "Opponenten" waren ein Theologie-Student und zwei Rechtskandidaten.

Zweites Buch
Die Werdezeit
(1754-1780)

Erstes Kapitel.
Die Magisterzeit: Erste Periode (1755—1762)
Kant und Newton

A. Persönliches

Kants Persönlichkeit

Dem Leben Immanuel Kants ist oft seine Eintönigkeit vorgeworfen worden. Und in der Tat, an äußerer Bewegtheit läßt es sich mit dem großer Zeitgenossen, wie Goethe und Winckelmann oder gar Lessing und Schiller, nicht von ferne vergleichen. Das gilt von seiner Jugend, das gilt auch von den nun folgenden langen Jahren seiner Magisterzeit. Wenn man wollte, so könnte man die äußeren Lebensschicksale unseres Philosophen während dieser anderthalb Jahrzehnte in einen einzigen Satz zusammenfassen: Seine zweimalige Bewerbung um eine Professur bleibt ohne Erfolg, auf eine dritte verzichtet er freiwillig, er nimmt eine Zeitlang mit einer kleinen Bibliothekarstelle vorlieb, lehnt in der Hoffnung auf endliche Anstellung mehrere Berufungen nach auswärts ab und erhält schließlich als 46 jähriger das längst verdiente Ordinariat für Logik und Metaphysik in seiner Heimatstadt.

Allein die Bedeutung eines Menschenlebens beruht nicht auf außerordentlichen äußeren Erlebnissen, sondern auf der Art, wie der Betreffende sich seiner Umgebung, seiner Zeit, gegenüber stellt, wie er – ganz abgesehen von seinen intellektuellen Leistungen – seine Persönlichkeit durchsetzt, sein Leben einrichtet. Gerade diese Innenseite von Kants Leben nun freilich ist, soweit sie nicht in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen aufgeht, für diese 15 Jahre nicht leicht zu erfassen. Von seinen ältesten und zuverlässigsten Biographen beschreibt der eine (Wasianski), der treue Pfleger seiner letzten Lebensjahre, im wesentlichen nur diese; der zweite (Jachmann) kennt ihn aus genauer, persönlicher Anschauung allein während der 8oer Jahre und hat das andere bloß vom Hörensagen; denn der Philosoph liebte es nicht, viel aus seinen eigenen früheren Jahren oder gar von seinem Innenleben zu erzählen. Der dritte endlich (Borowski) hat ihn zwar als junger Studiosus gerade in seinen ersten Magisterjahren gekannt, ist aber – wenngleich er später zu der Würde eines preußischen Erzbischofs aufgestiegen ist – seelisch nicht bedeutend genug, um mehr als die verehrende Schilderung des einstigen Schülers zu geben. Der Briefwechsel endlich, für die Zeit bis 1770 nur spärlich erhalten, liefert ebenfalls nicht allzuviel Material. So sind wir vielfach auf Vermuten angewiesen, wo wir lieber sichere Tatsachen wüßten. Mit diesen Einschränkungen versuchen wir, im folgenden ein möglichst der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Magisters Kant zu zeichnen.

Vergebliche Bewerbungen um eine Professur

Ein Gedanke ist vor allem festzuhalten. Anders wie die meisten unserer geistigen Größen, läßt sich Kant auch schon in seinen jüngeren Jahren nicht von den Dingen und Personen seiner Umgebung treiben,22 sondern geht mit festem Willen, still und ruhig, auf das selbst bestimmte Ziel los: "Ich werde meinen Lauf antreten, und nichts soll mich hindern, ihn fortzusetzen." Das Ziel aber, das er sich gesteckt, war dasjenige, welches er als das seiner Natur und seinen Geistesanlagen gemäßeste erkannt hatte: die Stellung eines Professors der Philosophie an der heimatlichen Universität; oder, um es mit den Eingangsworten seiner ersten Bewerbung um eben dieses Amt zu sagen: seine "größeste Bestrebung" war "jederzeit dahingegangen, sich zu dem Dienste Ew. Königl. Majestät auf Höchst dero Akademie nach Möglichkeit geschickt zu machen" (8. April 1756). Darum hatte nach einem "vieljährigen akademischen curriculo" der alte Student noch eine siebenjährige Hauslehrerzeit auf sich genommen, darum begann er jetzt mit mehr als 31 Jahren die dornenvolle Laufbahn eines Privatdozenten an einer Universität, von der noch in späterer, besser gewordener Zeit sein Kollege Kraus zu sagen pflegte: Professor an ihr zu werden, heiße zugleich das Gelübde der Armut ablegen. Und zwar Lehrer der Philosophie. Denn, wie vielseitig auch seine mathematischen, naturwissenschaftlichen und geographischen Studien gewesen waren: in erster Linie hatte er doch immer die philosophischen Wissenschaften "excoliret" und "zu dem vornehmsten Felde seiner Bestrebungen gewählet", unter ihnen aber am meisten wieder Logik und Metaphysik, "derjenigen vorzüglichen Neigung gemäß, die ich jederzeit zu diesem Teile der Weltweisheit gehabt habe" (Zweite Bewerbung vom 11. Dezember 1758).

Darum bewarb er sich auch nicht um andere Professuren, womöglich gar noch in anderen Fakultäten, wie das an den damaligen deutschen Universitäten häufig vorkam und bei der elenden Bezahlung schließlich zu begreifen war: so dass z. B. ein Theologe zugleich Mathematiker oder gar Mediziner war. Auch seine Bewerbung um die unterste "Schulkollegen-", d. h. Gymnasiallehrerstelle am Kneiphöfschen oder Dom-Gymnasium, von der einige ältere Biographen berichten, ist nicht sicher. Wenn sie stattgefunden hat, müßte sie nach Wardas abschließender Untersuchung in das Jahr 1757 fallen und könnte sie nur aus pekuniären Erwägungen hervorgegangen sein. Sein jüngerer Kollege Kraus, der ihn aus langjährigem vertrauten Umgang in der späteren Zeit kannte, ist sogar so weit gegangen, zu behaupten: es sei ihm nie eingefallen, "um etwas für sich zu bitten oder zu ambiren (herumzugehen)". Das trifft gewiß in dem Sinne zu, dass Kant Zeit seines Lebens nie durch Konnexionen oder gar Schmeicheleien und Bücklinge vorwärts zu kommen, "Karriere zu machen" gesucht hat. Dagegen wäre es töricht von ihm gewesen, eine sich bietende günstige Gelegenheit nicht wahrzunehmen. So hat er sich denn auch bereits Ostern 1756 um das durch den Tod seines einstigen Lehrers Martin Knutzen seit fünf Jahren verwaiste Extraordinariat für Logik und Metaphysik beworben, das jedoch infolge des ausbrechenden Krieges überhaupt nicht wieder besetzt wurde. Desgleichen Ende 1758 in einem, nach der Sitte der Zeit sehr untertänig gehaltenen, Schreiben an die "Selbstherrscherin aller Reußen", d. h. in Wirklichkeit die russische Regierung in Königsberg, der Ostpreußen von 1758 bis 1762 unterstand, und zwar um die erledigte ordentliche Professur für die gleichen Fächer. Auch diesmal erfolglos. Kant, der sich noch im letzten Augenblick gemeldet hatte und von seinem alten Direktor F. A. Schultz unterstützt wurde, kam zwar mit seinem Kollegen, dem außerordentlichen Professor Bück, in engere Wahl; da dieser aber schon seit 15 Jahren unbesoldet an der Akademie wirkte, wurde er dem überdies an Jahren jüngeren Mitbewerber vorgezogen. So war und blieb dieser denn bis zu seinem 47. Lebensjahre der "Magister" Kant.

17.Rink, Ansichten aus J. Kants Leben. Königsberg 1805, S. 29.
18.Kant bittet, "diesem kleinen feinen Mann immer mit gutem Exempel vorzugehen". Gemeint ist Bernhard, der jüngste Sohn (geb. 1750).
19.Rink, Ansichten aus I. Kants Leben. Königsberg 1805, S. 29.
20.Über die von Kant benutzten geographischen Schriften gibt genaue Auskunft Gerland in Kantstudien X, S. 28—30.
21.Vgl. die Anzeige in den "Königsb. Frag.– und Anzeigungsnachrichten" vom 14. Juni 1755 (mitgeteilt von Rud. Reicke in Altpreuß. Monatsschrift XVIII, 204).
22.Einer seiner lateinischen Lieblingssprüche lautet auf deutsch: "Ich strebe mir die Dinge, nicht mich den Dingen unterzuordnen."
₺17,98
Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
13 kasım 2024
Hacim:
901 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9788027226443
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin, ses formatı mevcut
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre