Kitabı oku: «Immanuel Kant: Der Mann und das Werk», sayfa 9
B. Die Schriften
1. Nova Dilucidatio (1755)
Die 'Neue Beleuchtung der ersten Prinzipien der menschlichen Erkenntnis' war die erste rein philosophische Schrift des jungen Gelehrten. Ein solches Thema mußte er schon deshalb wählen, weil er Logik und Metaphysik als sein eigentliches Fach bezeichnet hatte. So erhält man denn auch von ihr schon äußerlich den Eindruck einer offiziellen Universitätsschrift mit ihren Thesen, Beweisen, Erläuterungen und Zusätzen, die er nur an ihrer interessantesten Stelle, bei der Behandlung des Problems von Freiheit und Naturnotwendigkeit, durch die Dialogform lebendiger zu gestalten wagt. Sie ist darum auch nach der Vorschrift der Zeit, die bekanntlich noch tief bis ins 19. Jahrhundert hinein fortgedauert hat, lateinisch geschrieben. Und auch sachlich bewegt sie sich, in der Art der Problemstellung wie in der Weise der Behandlung, im ganzen noch in den Geleisen der zeitgenössischen Schulphilosophie. Trotzdem erinnert sie in manchen Beziehungen an seine Erstlingsschrift. Auch hier nimmt er die Selbständigkeit des eigenen Denkens selbst so berühmten Denkern wie Leibniz, Wolff, Crusius und Malebranche gegenüber in Anspruch. Von Interesse ist besonders, dass er schon hier auch den sogenannten "freien Willen" durch Naturnotwendigkeit bestimmt sein läßt. Für die verschiedenen Möglichkeiten unseres Handelns müssen in jedem Falle bestimmende Beweggründe vorhanden gewesen sein. "Frei"handeln heißt nur: seinem Begehren entsprechend mit Bewußtsein handeln; selbst Gott vermag nur das ursächlich Bestimmte vorauszusehen. Weiter wird schon der ganz moderne Grundsatz verfochten, dass in dem Satze von der Unveränderlichkeit des Quantums von Realität in der Welt "Realität" nichts anderes als "Kraft" (heute: Energie) bedeute, weshalb denn auch die Illustration dazu an den Stoßgesetzen elastischer Körper erfolgt. Bereits hier tritt ferner der junge Philosoph gegen diejenige Art von "Idealisten" auf, die das wirkliche Dasein der Körper bezweifelt. Er vertritt im Gegenteil die Ansicht von der Körperlichkeit aller endlichen Geister und die Bindung aller geistigen Funktionen des Menschen an den Stoff, selbst auf die Gefahr hin, dadurch in den Geruch der "verderblichen Ansicht des Materialismus" zu kommen. Man sieht, dass der "Empirismus" ihm im Blute steckte.
Sein eigentliches Interesse aber gehört in dieser Zeit einem anderen Gebiete. Sein Philosophieren nimmt denselben Anfang, wie die uns bekannte Geschichte wissenschaftlichen Philosophierens überhaupt: es ist Naturphilosophie.
2. Naturgeschichte und Theorie des Himmels
Bereits in seiner Erstlingsschrift hatte der Studiosus Kant sich an die höchsten Probleme der Naturphilosophie gewagt, die größten philosophischen Autoritäten der neueren Philosophie auf diesem Felde (Descartes, Leibniz) zu kritisieren unternommen. Eine neue "Dynamik" auf Grund einer Verbesserung des Leibnizschen Kraftbegriffs hatte er schaffen wollen: ein Gedanke, der ihn, wie wir sahen, noch weit über die Zeit der Abfassung seiner Schrift hinaus beschäftigte. Aber daneben war in den einsamen Jahren seiner Hauslehrerzeit, in der Pfarrei von Judtschen und auf dem Rittergute des "Oberlandes", ein weit großartigerer Plan in der Seele des Jünglings aufgestiegen: diese Dynamik, dieses Walten ewiger Kräfte aufzuzeigen in der Entwicklung der Welt von ihrem Urbeginn an. Er wollte, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, aus den einfachsten materialen Voraussetzungen, nämlich dem "ersten Zustande der Natur", die "Bildung der Weltkörper selber und den Ursprung ihrer Bewegungen", kurz die ganze "Verfassung des Weltbaues", und zwar bloß durch mechanische Gesetze herleiten: "Gebet mir Materie, ich will euch zeigen, wie eine Welt daraus entstehen soll!" Daraus entsprang seine in langen Jahren entworfene, im Frühling 1755 an die Öffentlichkeit gebrachte 'Naturgeschichte und Theorie des Himmels'.
Derjenige Denker, der ihm den Mut zu solchem Wagnis gab, war derselbe, der bereits auf seine Universitätsstudien den nachhaltigsten Einfluß geübt, der ihm schon zu der ersten Schrift die sachliche Anregung gegeben hatte: Isaak Newton. Aber, während die Jugendschrift den Namen des großen Engländers nur einige Male in unbedeutendem Zusammenhange nennt, schreibt er jetzt auf das Titelblatt seiner "Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels" den Beisatz: "nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt". Einen "kurzen Abriß der nötigsten Grundbegriffe der Newtonischen Weltwissenschaft" schickt er zu Anfang des Werkes für diejenigen voraus, "die etwa der Newtonischen Grundsätze nicht genugsam kundig sein". Auf Newton will er aufbauen, Newton will er weiter bilden. Durch keine anderen Kräfte als die "aus der Newtonischen Weltweisheit entlehnten" rein mechanischen, gleich gewissen, gleich einfachen und gleich ursprünglichen und allgemeinen Kräfte der Anziehung und Zurückstoßung will er die Welt aus ihrem anfänglichen Chaos ableiten (S. 23, 61)26 und so den physischen Teil der "Weltwissenschaft" zu der nämlichen Vollkommenheit bringen, "zu der Newton die mathematische Hälfte derselben erhoben hat" (18). Newton hatte mit. der Anwendung seiner großen Entdeckung bei der Entstehung des Planetensystems Halt gemacht. Kant will auch dieses aus ihr zu erklären versuchen.
Welche innere Freude muß der junge Denker empfunden haben, als ihm nach und nach die ganze Größe seiner Entdeckung aufging! Eine Stelle der überhaupt für die Kenntnis des persönlichen Moments besonders lesenswerten Vorrede offenbart es uns. Aus der einfachen und bescheidenen Sprache, hinter der er sonst seine Empfindungen in der Regel eher verbirgt, bricht hier unwillkürlich das persönlich klingende Ich hervor, "Ich nehme die Materie aller Welt in einer allgemeinen Zerstreuung an und mache aus derselben ein vollkommenes Chaos." "Ich sehe nach den ausgemachten Gesetzen der Attraktion den Stoff sich bilden und durch die Zurückstoßung ihre Bewegung modifizieren." Und so erzeugt sich vor seinen Augen, "ohne Beihilfe willkürlicher Erdichtungen", bloß in Konsequenz der unumstößlichen Bewegungsgesetze, das ganze Weltsystem. So einfach und so schlicht, dass es ihm selbst anfangs Verdacht erweckt. Allein er sagt sich schließlich, dass gerade diese Einfachheit und Regelmäßigkeit für die Richtigkeit seiner Sache und zugleich für die höchste Weisheit des Urwesens zeuge. Und so "vermehret sich" seine "Zuversicht" bei jedem Schritte, und seine "Kleinmütigkeit" höret völlig auf (12 f.). Er wagt die "gefährliche Reise", auf der er "schon die Vorgebirge neuer Länder erblickt" (8). Zwei Einwände macht gleichwohl der kritische Kopf, wie andererseits die religiöse Gesinnung in ihm, dem eigenen Unterfangen: Einwände, die auch für die Ausbildung seiner späteren, kritischen Philosophie von größter Bedeutung sind. Der erste ist, dass der von ihm gewählte "Vorwurf" die Kräfte der menschlichen Vernunft übersteige; der zweite: dass seine mechanische Naturerklärung sich nicht mit der Religion vertrage. Auf die Zurückweisung des zweiten Bedenkens legt er den Hauptton. Wir dürfen es Kant in der Tat glauben, dass er seine Untersuchung nicht eher begonnen, als bis er sich "in Ansehung der Pflichten der Religion in Sicherheit sah". Er ist fest davon überzeugt und versichert es immer wieder, dass gerade sein Lehrgebäude zu einer erhabeneren Gottesvorstellung führe, dass es die Macht und Weisheit des höchsten Wesens weit schlagender bezeuge, als wenn man willkürliche, unmittelbare Eingriffe der "Hand Gottes" annehme (152 u. ö.). Bei alledem scheidet er sich jedoch deutlich von denjenigen, die der "herrschenden" Neigung ergeben sind, die Wunder der Offenbarung mit den ordentlichen Naturgesetzen in ein System zu bringen. Er findet es "vor ratsamer, den flüchtigen Beifall" solcher Entdeckungen dem "wahren" Vergnügen aufzuopfern, das aus der Wahrnehmung der Regelmäßigkeit der Zusammenhänge entspringt, indem physische Wahrheiten auch durch physische Analogien gestützt werden (112). Er selbst bekennt sich zu einer Mittelstellung zwischen den Extremen auf beiden Seiten: den Freigeistern und Atheisten von der Art eines Epikur und Lukrez, welche die Bildung der gesamten Welt einem glücklichen ungefähr (144), dem zufälligen Zusammenstoß von Atomen (147) zuschreiben, und den theologischen Eiferern, die in allem Naturgeschehen die "unmittelbare Hand Gottes" erblicken und so "die ganze Natur in Wunder verkehren" (146).
Unwandelbare Kräfte und Gesetze vielmehr, die freilich "den weisesten Verstand zur Quelle" haben, haben die Ordnung der Welt bewirkt, die sich auf völlig mechanischem Wege entwickelt hat (148 u. ö.). Der Materie wohnt, bereits von ihrem einfachsten Zustande ab, das Bestreben inne, sich durch eine natürliche Entwicklung zu einer vollkommneren Verfassung zu bilden: und zwar durch eine mechanische Veranlassung, nämlich die Schwere. Ausdrücklich wird schon hier die gewöhnliche teleologische Betrachtungsweise der damals das philosophische Feld noch beherrschenden Wolffianer abgelehnt, die stets danach fragt, wie alles am besten eingerichtet sei. Wie erklärt sich dann z. B. das Dasein der anscheinend doch ganz zwecklosen Kometen? In der Tat verzweifelte selbst ein Newton an diesem und anderen Punkten an einer natürlichen Erklärung der Dinge und glaubte in seinem frommen Sinn hier einen besonderen "Finger Gottes" annehmen zu müssen: nach Kant "eine betrübte Entschließung vor einen Philosophen" (153)! Kant dagegen glaubt auch diese Schwierigkeit durch seine Theorie lösen zu können; wie denn überhaupt alle "astrotheologischen" Betrachtungen, auch die seines von ihm hochgeschätzten Anregers Thomas Wright, von vornherein abgewiesen werden. Hier leitete eben den jungen Philosophen der richtige wissenschaftliche Instinkt, mit dem – und damit wird zugleich auch jenes andere Bedenken betreffend die "Schwäche" der menschlichen Vernunft erledigt – wissenschaftliche Selbstkritik verbunden ist. Trotz der Klarheit, mit der er selber seine neue "Theorie des Himmels" vor Augen sieht, macht er keinen Anspruch auf "mathematische Unfehlbarkeit", sondern nur auf "vernünftige Glaubwürdigkeit" (23 f., 184). Er verzichtet darum auch absichtlich auf das "Gepränge" der – in der Schrift von 1747 noch verwandten – mathematischen Methode, sondern will die neue Ansicht nur als "Hypothese" vortragen (59). Trotz seiner Ablehnung unmittelbarer göttlicher Eingriffe in den Lauf der Natur, hält er übrigens noch an manchen Gedanken fest, die Newton mit Leibniz gemeinsam waren, von letzterem bloß mehr in den Vordergrund gestellt wurden: so dem von der Schönheit und ewigen Harmonie der gesamten Schöpfung, und dem von einer ununterbrochenen Stufenreihe aller Glieder der Natur.
Nur einen kurzen Überblick geben wir über den Inhalt des bekannten Werkes. Der erste, sachlich durch die Untersuchungen Wrights und anderer Astronomen stark beeinflußte, Abschnitt des Buches trägt vorbereitenden Charakter. Er führt den Nachweis, dass die Welt der Fixsterne kein wirres Durcheinander, sondern, ebenso wie die der Planeten, ein geordnetes System oder vielmehr eine ganze Reihe von Systemen darstelle, die sich um bestimmte Mittelpunkte bewegen.
Den "eigentlichsten Vorwurf" enthält der umfangreiche zweite Teil. Er entwickelt in seinen beiden ersten Kapiteln zum erstenmal die berühmte, vier Jahrzehnte später von Laplace aufs neue gefundene Theorie über den Ursprung unseres Planetensystems. An den Anfang aller Dinge wird, als der denkbar "einfachste" Zustand der Natur, "der auf das Nichts folgen kann" und als "eine unmittelbare Folge des göttlichen Daseins", ein das ganze Weltall erfüllender Urstoff gesetzt. "Allein zufolge einer ewigen Idee des göttlichen Verstandes" war bereits diese "Grundmaterie" mit dem Streben begabt, "sich durch eine natürliche Entwicklung zu einer vollkommneren Verfassung zu bilden". Schon der 22jährige Jüngling hatte erklärt: die erste Bewegung im All müsse von einer "unbewegten Materie" ausgegangen sein, denn man dürfe keine "unmittelbare Gewalt Gottes oder irgendeiner Intelligenz" voraussetzen, so lange man noch eine Kraft aus der Natur selbst ableiten könne. Die "an sich toten" Elemente, wie sie 1746 hießen, wurden dann "sich selber eine Quelle des Lebens". Bei ihrer von Anfang an vorhandenen Verschiedenartigkeit in bezug auf Dichte und Anziehungskraft konnte die allgemeine Ruhe nur einen Augenblick dauern. Vermöge eben dieser Anziehungskraft bildete sich an einem Ort des Universums, zu dem alle übrige Materie sich senkte, ein Zentralkörper ("Klumpen"), der anfänglich langsam durch chemische, dann aber "in schnellen Graden" durch die sogenannte Newtonische "Anziehung" anwuchs. Dazu, dass sich aus ihm unzählige Sonnensysteme – und jede Sonne wiederum mit ihren Trabanten – bildeten, mußte eine andere, ebenfalls von Anfang an wirkende Kraft, die Zurückstoßungskraft, hinzukommen. Sie führte, indem die dem Mittelpunkt zustrebenden Teilchen sich gegenseitig hemmten, zu Seitenbewegungen, schließlich, nachdem die sich widerstreitenden Impulse einander durch Wechselwirkung aufgehoben haben, zur Rotation der kleineren Körper um den Zentralkörper, die "Sonne", deren flammende Glut sich übrigens erst allmählich bildete.
Die folgenden Kapitel (III—VI) des Buches behandeln astronomische Kinzelprobleme, auf die hier einzugehen der Raum verbietet: die Exzentrizität der Planetenbahnen, den Ursprung der Kometen, Mond und Saturnringe, sowie den "Halsschmuck" der Sonne, das Zodiakallicht. Das gewonnene Ergebnis erweitert sich sodann im siebenten Kapitel zu einem großartigen Gemälde der räumlich-zeitlichen Unendlichkeit des Universums, wie es auch Lukrez und Giordano Bruno nicht phantasievoller entworfen haben. Jeder Fixstern ist wiederum das Zentrum eines neuen Sonnensystems. Eine Reihe von Jahrmillionen vielleicht hat es gedauert, bis die Welt zu ihrem heutigen Zustande gelangte; denn die Schöpfung "ist nicht das Werk von einem Augenblick". Und wiederum "ganze Gebirge von Millionen Jahrhunderten" werden verfließen, binnen deren sich immer neue Welten, ja Weltordnungen hintereinander bilden werden. Denn die Schöpfung hat zwar einmal angefangen [wie hier der vorkritische Kant noch sagt], aber sie wird niemals aufhören. Gleichwie unzählige Tiere und Pflanzen täglich der Vernichtung anheimfallen, während die unerschöpfliche Natur anderwärts zahllose andere von neuem erzeugt, so harren vielleicht unendliche uns heute noch unbekannte Welträume weiterer Entwicklung. Und ebenso groß, wie die Unendlichkeit der Zeit, ist auch die des Raumes. Für sie bedeutet eine Welt, ja eine "Milchstraße von Welten" nicht mehr als eine Blume oder ein Insekt im Vergleich zur ganzen Erde.
Kant ist sich wohl bewußt, dass ihn an dieser Stelle seines Werkes die Fruchtbarkeit des Grundgedankens (er sagt: Systems), verbunden mit der Großartigkeit des Gegenstandes, zu "einiger Kühnheit" fortgerissen hat, und bittet daher die Leser, dieselbe nicht mit "geometrischer Strenge" zu beurteilen. Noch mehr gilt das für und von dem als "Anfang" beigefügten dritten Teil des Buches, der allerlei Vermutungen über die etwaigen Bewohner der Gestirne äußert. Will er "willkürliche Erdichtungen" auch hier ausschließen, so läßt er doch seiner Phantasie einigermaßen "die Zügel schießen" (167), wenn er nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit, sondern einmal sogar von der Gewißheit des Vorhandenseins von Planetenbewohnern redet (171), oder gar ausführt: diese Bewohner, ja sogar die dortigen Tiere und Gewächse müßten aus um so leichterem und feinerem Stoffe gebildet sein, je weiter sie von der Sonne entfernt sind, und eben deshalb auch ihre Denkkraft immer vollkommener werden (175 f.). Und da diese Annahme "nicht weit von einer ausgemachten Gewißheit" (!) entfernt sei, so finde man ein offenes Feld zu "angenehmen Mutmaßungen", z. B. über die Jupiter- oder Saturnbewohner, die einen Newton wie einen Affen ansehen würden (177). Vielleicht sei es unserer Seele bestimmt, dereinst auf anderen Planeten weiterzuleben, wenn auch – damit kehrt er wieder zu nüchterneren Erwägungen zurück – niemand "die Hoffnung des Künftigen auf so unsichere Bilder der Einbildungskraft gründen" werde (185). Das Werk schließt – was wir merkwürdigerweise noch nirgends hervorgehoben fanden – mit einem ganz ähnlichen Gedanken wie ein Menschenalter später die Kritik der praktischen Vernunft: Habe man sein Gemüt mit Betrachtungen wie die vorhergehenden erfüllt, so erwecke der Anblick des bestirnten Himmels in edlen Seelen unnennbare, unbeschreiblich schöne Begriffe, und sie fühlten sich glücklich, dass sie selbst zu einer Glückseligkeit und Hoheit zu gelangen vermögen, die über alle denkbaren Natureinrichtungen unendlich erhaben ist.
2. Naturgeschichte und Theorie des Himmels
Wirkungsgeschichte
Soweit Kant. Es mag nach neueren Forschungen von Menzer und besonders Gerland dahingestellt bleiben, wieviel er seinen Vorgängern Wright, Buffon, Swedenborg u. a. verdankt, und ob er seinen Zeitgenossen in der Tat so viel Neues geboten, als man bisher meist angenommen hat. Ebenso sind manche seiner Aufstellungen natürlich von der heutigen astronomischen Forschung überholt. Das gilt nicht bloß von den Nebenuntersuchungen, für die der Philosoph selbst "mindere" Beweiskraft in Anspruch genommen hat, sondern auch von Einzelheiten seiner großen Nebular-Hypothese, die von einzelnen Modernen sogar als überhaupt veraltet betrachtet wird. Uns liegt allein an der Beantwortung der beiden Fragen: Was bedeutet die Schrift im geistigen Entwicklungsgang unseres Philosophen? und: worin besteht ihre heute noch fortdauernde Fruchtbarkeit?
Ohne Zweifel beruht ihr Wert weniger auf streng-astronomischem Gebiet, wenn auch manches, wie z. B. die Berechnung der Rotationsdauer des Saturnringes, durch die genauen Berechnungen Herschels später in schönster Weise bestätigt worden ist. Allein, ganz abgesehen davon, dass Kant die modernen Beobachtungsinstrumente fehlten, beweist schon das Fehlen jeder mathematischen Begründung, dass er damit gar keine exakte Wissenschaft zu geben beabsichtigte. Seine "Theorie des Himmels" wollte populär sein. Daher auch ihr Stil, der eher an die von ihm selbst später so scharf kritisierte Art Herders erinnert: die Vermischung mit Gefühlsmäßigem und Poetischem. So liefern ihm denn auch seine Lieblingspoeten, Pope, der "philosophische Dichter", und Albrecht von Haller, der "erhabenste unter den deutschen Dichtern", die Motti zu den einzelnen Teilen seines Buches oder werden sonst beifällig zitiert. Um die dichterische Kraft der Phantasie zu erkennen, die in dem jungen Kant lebte, lese man etwa das Gemälde des Anblicks einer brennenden Sonne (a. a. O., S. 141). Dann begreift man, wie Herder noch 17 Jahre später in einem Briefe an Lavater Kants Werk sein "erstes recht Jünglingsbuch voll Ihrer Ideen" nennt. Derselbe Kant, der später nicht nur in der Äußerung persönlicher Empfindungen, sondern auch im schriftstellerischen Ausdruck des Gefühls immer zurückhaltender wird, läßt hier noch seiner jugendlichen Phantasie freien Raum. Wenn er dabei an einzelnen Stellen weiter geht, als es uns heute für einen philosophischen Autor erlaubt scheint, so müssen wir bedenken, dass das in der Zeit lag; kamen doch in den "Kosmologischen Briefen" des berühmten Mathematikers Lambert (1761) noch phantastischere Spekulationen vor, wonach u. a. die vollkommensten Geschöpfe auf den – Kometen wohnen sollten!
Das alles tut der Tatsache keinen Eintrag, dass der junge Kant hier zwei Dinge vollbracht hat, deren Ruhm ihm auch der strengste Kritiker nicht schmälern kann. Er hat erstens eine geniale Hypothese der Weltentstehung geliefert, die sich an Großartigkeit und Fruchtbarkeit, Entdeckungen wie der Deszendenztheorie oder der Verwandlung der Energie kühn an die Seite stellen kann; und er sucht zweitens – darauf beruht der spezifisch philosophische, genauer methodologische Wert seines Versuches —, gerade im Gegensatz zu Herder, eine klare Scheidung von Religion und Naturwissenschaft durchzuführen, indem er bei aller Betonung der religiösen Empfindung, die er mit den meisten freieren Geistern seiner Zeit teilt, auf dem Gebiete der Wissenschaft allein das mechanische Erklärungsprinzip gelten läßt.
Kants großes Werk ist einem eigentümlichen äußeren Schicksal zum Opfer gefallen. Er hatte das zunächst anonym veröffentlichte Buch, mit einer der Zeit gemäß sehr devoten Widmung König Friedrich II. dediziert: nach Borowski, der ihm in jener Periode persönlich nahestand und deshalb Bescheid wissen muß, "auf den Rat seiner Freunde" und lediglich in der Absicht, dass "unter Autorität des Königs in Berlin und anderen Orten nähere Untersuchungen über sein System veranlaßt würden". Dieser Zweck ward nun durch einen unglücklichen Zufall vereitelt. Das Erscheinen des Werkes war zwar im Katalog der Leipziger Ostermesse (März 1755) angekündigt, indes – während des Druckes wurde der Verleger bankerott und sein ganzes Vermögen gerichtlich versiegelt. Es erschien nun allerdings bereits 1755 eine kurze Empfehlung des Buches an "wohlwollende Leser" in den nämlichen 'Hamburger Freien Urteilen', die auch von der Erstlingsschrift eine Anzeige gebracht; auch wurde es 1756, jetzt mit dem Namen des Verfassers, in Königsberg zum Verkauf angeboten. Aber in weiteren Kreisen wurde es nicht bekannt. Nicht einmal Fachmännern wie Lambert, der in seinen 1761 erschienenen "Kosmologischen Briefen" ähnliche Ansichten über den Zusammenhang des Fixsternsystems veröffentlichte, war es vor Augen gekommen. Gerade durch Lamberts Schrift fühlte sich Kant übrigens veranlaßt, den Kern seiner Theorie 1763 in seiner Schrift: "Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes" (II, 7 unter dem Titel: Kosmogonie) von neuem ziemlich ausführlich wiederzugeben, bezeichnenderweise unter Weglassung "verschiedener etwas gewagter Hypothesen"; wie er denn auch nach Lamberts Tode in allzu großer Bescheidenheit dessen "meisterhafter" Arbeit gegenüber die seinige für einen "schwachen Schattenriß" erklärte, für "bloße Mutmaßungen", die wohl stets Mutmaßungen bleiben würden (an Biester 8. Juni 1781). Und wiederum 27 Jahre später (1790), nachdem inzwischen (1785) der berühmte Herschel, ebenfalls ohne Kants Vorgängerschaft zu kennen, dessen Anschauung sehr nahekommende Ansichten über die Fixsterne, die Milchstraße und den Saturn kundgegeben hatte, beauftragte der Philosoph seinen früheren Schüler und nunmehrigen Kollegen Magister Gensichen mit der Herstellung eines Auszuges aus dem Werk von 1755, den er selbst durchsah, und der 1791 als Anhang einer deutschen Übersetzung von Herschels 'Bau des Himmels' beigegeben wurde. Auch hier hat er auf alles Beiwerk, insbesondere auch auf die phantasievollen Ausführungen des siebenten Abschnitts und des ganzen Schlußteils, verzichtet; "das übrige enthalte", wie er Gensichen ausdrücklich erklärte, "zu sehr bloße Hypothesen, als dass er es jetzt noch ganz billigen könnte".
Auch Laplace, der bekanntlich 1796 fast dieselbe Theorie über die Entstehung des Planetensystems entwickelte, wie Kant" nur weit trockener und nicht entfernt mit derselben Gedankenfülle, hat seinen großen Vorgänger nicht gekannt. Erst im 19. Jahrhundert haben Arago (1842), Alexander von Humboldt (1845) und Schopenhauer (1850) auf die Theorie Kants hingewiesen, bis sie dann durch Zöllner, Helmholtz u. a. zu allgemeinerer Kenntnis kam. Heute ist sie, nach dem neuerlichen Urteil eines Fachmannes,27 "Gemeingut der Wissenschaft, das in einzelnen Teilen vervollständigt und verbessert wird, aber als Ganzes nicht seinesgleichen gefunden hat".