Kitabı oku: «Der Pontifex», sayfa 6

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CONFITEOR; AKT DER AUFRICHTIGEN REUE

„Herr, ich habe gesündigt! In Demut und Reue bekenne ich meine Sünden!“

(Eingangsworte des bußwilligen Sünders an seinen Beichtvater)

Auch jetzt, ein Jahr später, während der dramatischen, aber nur halb erfolgreichen Flucht, ruft Maurice sich im Geiste immer wieder das damals Erlebte zurück; schenkt es dem kleinen Jungen doch die Hoffnung, seine starke und mutige Mutter werde einen Weg finden, um sie alle zu retten und nicht erneut in die Hände ihres Feindes fallen zu lassen.

In dieser Situation betet der Junge in seiner Verzweiflung sogar zum lieben Jesus, er möge dafür sorgen, dass sie alle ein bestimmtes, sehr versteckt liegendes Dorf am Fluss Rungwa erreichen könnten, welches Elisa ausgesucht hat, um bei entfernten Verwandten in Sicherheit zu sein.

Der schreckliche Vorfall in der Zuckerrohrscheune hätte damals eigentlich der endgültige Startschuss der längst geplanten Flucht von der Plantage des deutschen Ehepaares sein sollen. Noch in derselben Nacht wollten Elisa sowie ein Großteil der übrigen Sklaven sich im Schutz der Dunkelheit davonmachen.

Allerdings wurde daraus nichts, denn der halbtot geprügelte Pflanzer hatte noch die Energie besessen, seine Wachtposten in besondere Alarmbereitschaft zu versetzen. Sie mussten sämtliche Schwarze in ihre Hütten treiben und fesseln und durften sie während der nächsten Tage keinen Augenblick lang aus den Augen lassen.

Zu essen bekamen die schwarzen Arbeiter fast eine Woche lang nichts. Möglich war dies, weil die schwere Arbeit der Zuckerrohrernte bereits vorüber war, das Rohr in Stücke geschnitten und die fertigen Bündel abholfertig in der Scheune lagerten.

Zur allgemeinen Verblüffung der Gefangenen verzichtete ihr für gewöhnlich unwahrscheinlich strenger und brutaler Eigentümer darauf, sich aus Rache an ihnen schadlos zu halten. Die Schwarzen konnten es lange Zeit nicht glauben, so relativ ungeschoren davonzukommen. Dass sie in Sippenhaft genommen wurden, mit allen unangenehmen Konsequenzen in Form von fürchterlichen Prügeln, falls einer der ihren sich gegen den „Herrn“ auflehnte, war üblich. Die Rache des Bwanas musste und würde erfolgen …

Nichts dergleichen geschah. Sogar Elisa, die „Täterin“, ließ man erstaunlicherweise in Ruhe. Was oder wer immer auch den Plantagenbesitzer zu dieser Haltung bewogen hatte, erfuhren sie nie. Auch dass der Bwana es künftig unterließ, sich an seinen schwarzen Farmarbeiterinnen zu vergehen, blieb ein ungelöstes Rätsel. Die Vergewaltigungen übernahmen ab jetzt seine weißen Aufpasser, aber hauptsächlich die schwarzen, die allesamt aus anderen Teilen Afrikas stammten.

Eine bewährte Methode: So hielt man es auch mit der Auswahl der Askaris, den schwarzen Angehörigen der bewaffneten deutschen „Schutztruppe“, die, zumindest in den ersten Jahren, niemals aus dem Gebiet stammten, in dem sie eingesetzt werden sollten. So unterbanden die Kolonisatoren Gefühle von Sympathie und Solidarität mit den Geschundenen und Ausgebeuteten …

Für die nach wie vor brutalen Strafaktionen bei den geringsten Vergehen oder banalsten Nachlässigkeiten war nach dem Eklat mit Elisa die in Kürze bei allen Farmarbeitern wie der Teufel persönlich gefürchtete und verhasste Memsahib zuständig.

Die war im Übrigen schlauer als ihr Ehemann: Niemals blieb sie während einer der Züchtigungen, die sie immer persönlich vornahm, mit ihren Opfern alleine. Mindestens zwei Helfer pflegten sie, die in Kürze als „weiße Hexe“ Verschriene, während ihrer Prügelorgien zu flankieren und zu beschützen. Das Beispiel ihres mit der Nilpferdpeitsche traktierten Gatten diente ihr anscheinend als Warnung.

Die Flucht der Schwarzen vom weitläufigen Gelände der Pflanzung am Sansibar-Kanal, zwischen Daressalam und Kibaha gelegen, damals zwar fürs Erste aufgeschoben, war jedoch keineswegs aufgehoben.

Vor drei Wochen, etwa ein Jahr nach dem Vorfall mit Elisa, hat man es also erneut ernsthaft versucht. Dass jetzt selbst der zweite Anlauf zum Scheitern verurteilt zu sein scheint, bedeutet, nachdem man schon so weit gekommen ist, kurz vor Nijinjo am Fluss Matandu, für die Betroffenen eine kleine Tragödie.

Sollten sie jetzt an den deutschen Pflanzer und die „weiße Hexe“ ausgeliefert werden, würde es dieses Mal möglicherweise ihren Tod bedeuten. Ein weiteres Mal von „minderwertigem Negervolk“ zum Narren gehalten zu werden, würde der Stolz ihres Bwanas, vor allem aber der seiner Memsahib, aller Voraussicht nach nicht verkraften.

Die Anzahl und die verheerenden Folgen der wahrscheinlich zur Strafe verabreichten Hiebe mit der gefürchteten Kiboko will sich keine der gefassten Frauen auch nur andeutungsweise vorstellen.

Darum will Elisa es wagen, sich völlig ihrem Häscher anzuvertrauen, diesem jungen, gut aussehenden deutschen Offizier, der sichtlich beeindruckt ist von ihrem Aussehen, ihrem Mut und nicht zuletzt von ihrer gewandten Ausdrucksweise.

„Du hast es tatsächlich geschafft, Frau, ihn mit seiner eigenen Peitsche zu verbläuen?“, fragt der Leutnant sie mit großen Augen. Als Elisa seelenruhig bejaht, bricht er in wieherndes Gelächter aus.

„Du bist mir ja vielleicht eine! Eine ganz Schlimme, wie mir scheint!“ Aber er sagt es mit hörbar bewunderndem Unterton.

„Ich habe es auch für meine kleinen Kinder getan“, erklärt Elisa ihm mit sittsam niedergeschlagenen Augen. „Er wollte mich, eine arme hilflose Witwe, die ihm schutzlos ausgeliefert ist, vor ihren Augen schänden!“

„Deine Güte und Liebe umgeben mich an allen kommenden Tagen; in deinem Haus darf ich bleiben mein Leben lang.“
(Psalm 23, 6)

Das wiederum erscheint dem jungen Offizier, der sich sichtlich „fremdschämt“ und knallrot anläuft, da er sich offenbar noch ein Gefühl für Anstand, Recht und Gesetz bewahrt hat, so verwerflich, dass er sich bereit erklärt, sie und die Ihren nicht ihrem „Besitzer“ auszuliefern, sondern sie stattdessen der Obhut der frommen Benediktinermönche zu übergeben, deren Missionsstation sich nicht allzu weit entfernt und zum Glück weitab der betreffenden Zuckerrohrplantage befindet. Dass der weiße Pflanzer sie dort jemals aufspürt, ist nahezu ausgeschlossen.

„Und wenn doch, werden die Brüder eure Auslieferung an ihn zu vereiteln wissen. Dafür kann ich dir garantieren, Elisa“, verspricht ihr der Offizier zum Abschied.

Damit haben Elisa und ihre Anhänger zwar nicht ganz das erreicht, was sie ursprünglich mit ihrer Flucht bezweckt haben, nämlich Uhuru; ein großes und unsagbar wertvolles Gut: Ihre Freiheit.

Was nun im Tagebuch seines Vorfahren festgehalten ist, kennt Leo XIV. nur zu gut.

Immerhin kann Maurices Mutter froh sein, nicht das schreckliche Schicksal Jagodjas teilen zu müssen, einer hübschen Eingeborenen. Sie hatte das Pech, gezwungenermaßen die Beischläferin Carl Peters’ zu sein. Alle Schwarzen in diesem Teil Ostafrikas kennen die abscheuliche Geschichte.

Im August 1891 erfuhr dieser Unmensch, „kaiserlicher Reichskommissar für die Bezirke Kilimandscharo, Paré und Usambara“, dass das Mädchen auch eine Liebesbeziehung zu seinem schwarzen Diener Mabruk pflegte. Peters ließ Mabruk umgehend hinrichten, nachdem ein von ihm ohne jegliche Legitimation gebildetes „Standgericht“ das Urteil, das er forderte, ohne Zögern ausgesprochen hatte.

Jagodja war die Flucht gelungen zu einem Anführer des Wachagga-Stammes. Als der Mann Carl Peters’ Forderung nach Auslieferung seiner Bettgenossin ablehnte, begann der kaiserliche Reichskommissar damit, die Hütten der Wachaggas durch Askaris, jene schwarzen Elitesoldaten der Deutschen, niederbrennen zu lassen.

Da gab der Häuptling schließlich nach und überließ ihm die Geflohene. Worauf Jagodja ebenso wie ihr Geliebter Mabruk auf Geheiß des „Gründers von Deutsch-Ostafrika“ von einem von Peters wiederum gesetzwidrig einberufenen „Schnellgericht“ zum Tod verurteilt und gehängt wurde. Carl Peters verfügte ab dieser Zeit über den Beinamen „Hänge-Peters“ …

Da würde es Elisa Obembe und den Ihren bei den frommen Mönchen doch vergleichsweise gut gehen.

* * *

„Die auf den Herrn blicken, werden strahlen, und ihr Angesicht wird nicht beschämt.“
(Psalm 34, 6)

Kardinal Carlo di Gasparini aus Padua hat immer noch schlechte Laune. Sogar noch eine schlechtere als gewöhnlich. Und wie üblich wird er sie an seinem geistlichen Mitbruder, Adlatus, Sekretär, Berater, was auch immer, Monsignore Giuseppe Barillo, auslassen. Der ist daran gewöhnt und versteht es zumeist, rechtzeitig in Deckung zu gehen und abzuwarten, bis das Unwetter sich verzogen hat.

Dieses Mal sind allerdings die Aussichten, sich den sprunghaften und unberechenbaren Stimmungen seines Dienstherrn komplett zu entziehen, ausgesprochen eingeschränkt. Den Anlass für das andauernde Missvergnügen kennt Monsignore Barillo natürlich auch: Das Pontifikat Leos des Vierzehnten.

Es wird sich vermutlich ewig lange Zeit hinziehen, wenn man das Alter und den geradezu beängstigend guten Gesundheitszustand sowie die körperliche Fitness des neuen Pontifex berücksichtigt.

Der Kardinal ist immerhin zehn Jahre älter als Obembe, längst nicht in so guter physischer Verfassung und sieht seine Felle, den andern auf dem Papstthron noch rechtzeitig ablösen zu können, davonschwimmen.

Flugs hat er ihm auch einen Spitznamen angehängt: In vertrautem Kreise nennt er ihn „Leo Africanus“, wobei er die von Biologen und Zoologen benützte Bezeichnung für die Spezies des afrikanischen Löwen verwendet. Nun handelt es sich bei dieser Raubkatze bekanntermaßen um den „König der Tiere“ und so könnte die Bezeichnung eigentlich ein Ehrentitel sein.

Aber so, wie der Kardinal sie verwendet, ist sie nichts weniger als das: Er möchte damit das Animalische des Pontifex zum Ausdruck bringen, seine Primitivität und Unberechenbarkeit und nicht zuletzt dessen Triebhaftigkeit, wofür für ihn die Anwesenheit der Nonne Monique ein beredtes Zeugnis ablegt …

„Ohne zu zögern traue ich ihm eine Amtszeit von mindestens dreißig, eher noch von vierzig Jahren Dauer zu“, verkündet er grämlich einem jeden, der es hören will.

Folglich entschließt sich Giuseppe Barillo lediglich dazu, den frustrierten Purpurträger, der selbst zu gerne Papst geworden wäre, auf etwas hinzuweisen, was in den päpstlichen Gemächern vor sich zu gehen scheint. Vielleicht vermag ihn das von seiner herben Enttäuschung ein klein wenig abzulenken.

„Sehen Sie nur, Exzellenz, was diese Kerle da zu den Räumen unseres Heiligen Vaters schleppen! Einen Tresor!“

„Wie meinen Sie das, Monsignore?“ Dass er ihn mit seinem Titel anspricht, beweist seine „ungnädige“ Stimmung.

Der Kardinal, wie immer unbändig neugierig, späht mit aller Vorsicht durch die dünnen Vorhänge im Büro des kleinen Appartements im Vatikan, das er zu Arbeitszwecken benutzen darf. Daheim in Padua, einer Stadt, wonach er immer noch Heimweh hat, residierte er natürlich in einem Palais …

Die Gardinen aufzuziehen wagt er nicht, um etwaigen Beobachtern nicht als unziemlich „wissbegierig“ zu erscheinen. Alsbald stößt er einen leisen Pfiff aus.

„Donnerwetter noch mal! Geradezu ein Mordsteil ist das. Soweit ich weiß, gibt es in den Gemächern des Papstes doch einen Safe für Briefe und geheime Dokumente. Wozu dann noch ein zusätzlicher Tresor? Besitzt er solche Unmengen an Schwarzgeld? Wozu gibt’s die Vatikanbank? Hat das bisher dem schwarzen Urwaldbewohner noch keiner verraten?“, rätselt er höhnisch und politisch vollkommen unkorrekt.

„Und überhaupt: Warum denn noch richtiges Geld? Oder sollte es sich gar um Dossiers über seine Kontrahenten und Feinde handeln?“

„Vielleicht allerhand Interessantes aus Ghanumbia, der Heimat Seiner Heiligkeit, Exzellenz?“

Um den Kardinal gnädiger zu stimmen, bietet der Monsignore ihm an, sich genauer danach zu erkundigen. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn er nicht herausfinden könnte, welcher Inhalt sich in dem Ding verbirgt, den zwei kräftige schwarze Kerle, die aussehen wie Schwerathleten, nur mit Mühe transportieren können.

„Ja, Giuseppe, tu das! Und zwar pronto! Schau dir das an: Anscheinend hat unser neuer Heiliger Vater sein eigenes Dienstpersonal aus Afrika mitgebracht! Bin mal gespannt, wie viele krausköpfige Kardinäle er demnächst zusätzlich zu den bereits vorhandenen noch ernennen wird!“

Beim letzten Satz senkt er um ein weniges die Stimme. Die Wände haben überall Ohren und Plaudertaschen gibt’s auch in seinem direkten Umfeld. Der Kardinal wendet sich vom Fenster ab und schüttelt mit einem spöttischen Gesichtsausdruck den Kopf.

„‚Black is beautiful!’ Der saudumme Spruch war mal im vergangenen Jahrhundert ein bekanntes Schlagwort und feiert jetzt ausgerechnet im Vatikan fröhliche Urständ! Bitte sehr, von mir aus!“, tönt er gespielt großmütig und lässt sich erneut auf seinem Schreibtischsessel nieder.

„Soll unser ‚Leo Africanus’ ruhig mal zeigen, was er als Ober-Seelenhirte so draufhat! Sobald sich die Mitgliederzahlen unseres Vereins drastisch erhöhen, werde ich der Erste sein, der sein Loblied anstimmt“, meint er salopp.

Aber das hört sein neunundfünfzigjähriger Adlatus, der ganz leise die Tür hinter sich schließt, schon nicht mehr. Er ist froh, der Nähe seines übellaunigen Chefs für eine gewisse Zeit entronnen zu sein.

Das mit dem Loblied-Singen würde er ihm sowieso nicht abnehmen; schließlich kennt er den Kardinal seit langem. Dafür ist dessen Frust über die kläglich verlorene Papstwahl viel zu tief sitzend und immer noch zu offensichtlich.

„Er sollte sich mal vor Augen führen, dass bei einer solchen Wahl immer der Heilige Geist mitwirkt! Und ganz offensichtlich war diese ‚Dritte Person Gottes’ der Meinung, Carlo di Gasparini verdiene es nicht – aus welchen Gründen auch immer – zum Oberhaupt der Christenheit gekürt zu werden!“, murmelt Barillo vor sich hin und muss sich ein spöttisches Grinsen verkneifen.

Der Monsignore ist froh darüber, dass Kardinal di Gasparini ihn wieder duzt und mit „Giuseppe“ anspricht – ein Zeichen, dass er ihn in der nächsten Zeit nicht mehr als Blitzableiter für seine Riesenenttäuschung missbrauchen wird. Wahrscheinlich erst wieder demnächst – und dann die vielen nächsten Jahre über …

Im Stillen seufzt Giuseppe Barillo.

‚Obwohl der Kardinal doch nicht ernsthaft überrascht sein konnte!’, überlegt er wohl zum hundertsten Mal verärgert. ‚Genau wie alle anderen Konklave-Teilnehmer muss auch er gewusst haben, dass dieses Mal irgendein Farbiger das Rennen machen wird und keinesfalls ein Italiener’, grollt der Monsignore insgeheim, während er die kleine Wohnung di Gasparinis verlässt, um ein bisschen spionieren zu gehen. Er möchte selbst zu gerne wissen, welchen Inhalt der geheimnisvolle Safe birgt.

‚Aber wahrscheinlich wissen die schwarzen Kerle, die das riesige Teil schleppen, selbst nicht, was drin ist.’

In der Tat hat sich Kardinal Carlo di Gasparini einen anderen Ausgang des Konklaves gewünscht! Obwohl ihm natürlich die Gerüchte über die mögliche Wahl eines absoluten Außenseiters zu Ohren gekommen sind.

Und selbstverständlich sind die Forderungen nach einer Erneuerung der Kirche auch ihm nicht unbekannt gewesen (die hört man schon seit Jahrzehnten, wenn auch vergeblich) und noch weniger die damit verbundene Erwartung, die wahlberechtigten Kardinäle würden dieses Mal keinen Europäer, sondern einen Asiaten zum „Brückenbauer“ wählen.

‚Und das auch nur, weil man den Europäern nicht mehr die nötige Kraft und Entschlussfreudigkeit zutraute, die dringend notwendige Erneuerung der Kirche effektiv anzupacken! Dabei wäre ich doch der am besten geeignete Kandidat gewesen!’, stellt er im Stillen verdrießlich fest.

‚Aber die Überlegung: ‚Falls es wiederum – erwartungsgemäß – schiefgeht, trifft’s wenigstens keinen von uns!’, ist auch nicht völlig von der Hand zu weisen …’, meint er dann zynisch. ‚Es ist doch allemal leichter, einem Farbigen die Schuld zuzuweisen, wenn’s mit der Kirche weiter abwärts geht.’

Was im Vorfeld so alles gemunkelt worden war, war Kardinal Gasparinis Meinung nach nur mehr oder weniger substanzloses Gerede gewesen und, wie er geglaubt hatte, nicht wirklich ernst zu nehmen.

„Ich bin immerhin ein bekannter Kirchenmann, ein berühmter Moraltheologe, habe etliche kluge Bücher über den Glauben im Katholizismus verfasst, bin Italiener, zudem Vorsitzender der ‚Glaubenskongregation’, eine direkte Nachfolgerin der Heiligen Inquisition, und verfüge über ein äußerst solides Netzwerk innerhalb der Kirche“, hatte er sich gegenüber Freunden geäußert, die ihn vor allzu großer Sorglosigkeit gewarnt hatten.

Wobei es einigen vielleicht nicht so sehr als Empfehlung erscheinen mochte, dass er so penetrant auf die berüchtigte, entsetzliche, sogenannte „heilige“ Inquisition abgehoben hatte …

Jedenfalls hat es für ihn so ausgesehen, dass sein Einfluss im Konklave allemal ausreichen werde, um zum Papst gekürt zu werden. Seine geistlichen Gesprächspartner, die er bereits einige Zeit vor der Wahl nach und nach einzeln beiseite genommen hatte, um sie in seinem Sinne zu instruieren, haben auch alle brav genickt, sobald er „zum Punkt gekommen“ ist und ihm zugesichert, die nächste Papstwahl in seinem Sinne zu entscheiden.

Obembes Name ist übrigens, wie er sich schmerzlich erinnert, bereits kurz nach dem Ableben des bisherigen Oberhaupts der katholischen Kirche auf den Fluren des Vatikans herumgegeistert. Aber nur ganz leise und in der Konsistenz am ehesten vergleichbar mit einer wabernden Nebelschwade, die sich gleich darauf wieder verflüchtigte.

Nichts weiter als eine interessante Vorstellung, die nicht eines gewissen Charmes entbehrte. Aber mehr auch nicht. Wer hatte denn ernsthaft den gut aussehenden Sonnyboy aus Afrika als papabile auf dem Schirm gehabt?

Nicht wenige haben ihm in die Hand hinein versprochen, mit allen möglichen Farbigen leicht fertig zu werden. „Im Vatikan bestimmen immer noch wir Alteingesessenen!“, hatten sie vollmundig behauptet. Selbstverständlich hatte er sich darauf verlassen.

Und nun dieses ebenso lächerliche wie schandbare Ergebnis. Der erboste Kardinal vermag es nach etlichen Wochen immer noch nicht zu fassen. „Verräter sind meine Kardinalskollegen allesamt und elende Feiglinge dazu! Vor dem katholischen Fußvolk und dessen dubiosem Verlangen nach einem Exoten sind sie eingeknickt!“

Flüchtig geht dem Kardinal durch den Sinn, dass der Einzige, auf den er seit Jahren bedingungslos vertrauen kann, sein Adlatus Giuseppe Barillo ist. Ausgerechnet der Mann, den er oft ziemlich mies behandelt …

Ja, einen kurzen Augenblick lang empfindet di Gasparini sogar so etwas wie Reue darüber, den Monsignore schon mehrmals als „Watschenmann aus dem Wiener Prater“ missbraucht zu haben.

Aber der Moment der Einsicht verfliegt ebenso schnell wieder, wie er aufgetaucht ist. Schlechtes Gewissen und Gefühle des Bedauerns über eigene Verfehlungen gehören nicht unbedingt zum Repertoire des Kardinals.

Di Gasparini beschließt, mit zwei befreundeten hohen Geistlichen, einem Deutschen und einem Italiener, ernsthaft darüber zu sprechen, wie es überhaupt zu dem Debakel hat kommen können. Seit der Papstwahl sind inzwischen beinahe vier Monate vergangen und eigentlich müsste es jetzt möglich sein, sine ira et studio darüber zu debattieren.

Mit aller gebotenen Vorsicht natürlich, denn eigentlich ist es nicht gestattet, überhaupt Interna des Konklaves zu besprechen, auch nicht mit Betroffenen und noch viel weniger mit Nichtteilnehmern. Wenngleich das Verbot nicht mehr ganz so streng gesehen wird.

Er selbst hegt die Vermutung, man habe seinen enormen Einfluss auf italienische Politiker und sein politisches Gewicht als schwerreicher und mächtiger Industriellenabkömmling befürchtet und damit natürlich eine enge Verflechtung mit dem Großkapital.

Definitiv kennt er sogar die Namen derjenigen, die auch ihm eine allzu große Nähe zur immer noch und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit existierenden italienischen Mafia zur Last legen.

Dio mio! Natürlich kennt er etliche Paten der „Ehrenwerten Gesellschaft“, die sehr viel Gutes in ihrem Leben getan haben. Zum Beispiel reichlich Geld spenden für die Ärmsten der Armen …

Unwillkürlich muss er bei dem Gedanken grinsen. Das zugunsten der Mafia zu gewichten, ist ungefähr so bizarr, als würde man Adolf Hitler von seinen Verbrechen exkulpieren, weil er doch immer so rührend liebevoll zu „Blondie“, seiner Schäferhündin, gewesen ist.

Aber das hauptsächliche Hemmnis für seine Wahl zum Pontifex, was er selbst allerdings als pure Verleumdung weit von sich weist, ist in Wahrheit seinem zugegebenermaßen erzkonservativen und kompromissunfähigen Charakter geschuldet.

Die große Mehrheit des ebenfalls nicht gerade als „modern“ verschrienen Kardinalskollegiums hält ihn insgeheim, oder auch ganz offen, für extrem konservativ, für traditionalistisch und hartherzig; ja, für geradezu fanatisch rückwärtsgewandt und unbarmherzig streng in seinen Ansichten, was die Lebensführung katholischer Gläubiger und die Ausrichtung der Kirche insgesamt anbelangt.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
641 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783969711651
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