Kitabı oku: «Der Pontifex», sayfa 7
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“
(Psalm 103, 2)
Damit geht der Kardinal konform mit dem Malteserorden, der seinen Sitz in Rom hat, in einer malerisch auf dem Aventin, einem der sieben Hügel Roms, gelegenen, vornehmen Villa. Die Malteser sind in erster Linie bekannt als ersthelfende Sanitäter, die mit Blaulicht zu Unfallorten rasen.
Doch von humanitären Einsätzen für andere oder von kultivierten Umgangsformen ist bei ihm – im 11. Jahrhundert in Jerusalem als „Johanniter Ritterorden“ gegründet und ab 1530, als man sich auf Malta ansiedelte, zu „Malteser Orden“ umbenannt – durchaus nicht immer die Rede.
In der jüngsten Vergangenheit flammten immer mal wieder Machtkämpfe auf, bei denen nicht selten sogar die Autorität des jeweils amtierenden Papstes infrage gestellt worden war. Besonders rieben sich die Ordensoberen an Papst Franziskus, einem Argentinier und ehemaligen Jesuitenmönch. Immer ging es dabei um Souveränität, Gehorsam, um Ernennungen von Kardinälen und unter anderem um – Kondome.
Deren Verwendung stieß bei den Maltesern auf heftigen Widerstand, selbst zur Verhinderung von HI-Viren; und das päpstliche Schreiben „Amoris Laetitia“ über Ehe und Familie von eben diesem Franziskus fand absolut nicht ihr Wohlgefallen.
Befürchteten sie doch auch eine Aufweichtendenz bezüglich der strikten Sanktionierung von katholischen Scheidungswilligen. Papst Franziskus, von ihnen verächtlich „argentinischer Sozialarbeiter“ betitelt, hatte immerhin einen nachsichtigeren Umgang mit Geschiedenen signalisiert. Ein absolutes No-Go in den Augen des Malteserordens.
Kardinal di Gasparini gilt, wenngleich kein Angehöriger des ehemaligen Ritterordens, ebenfalls als Hardliner. Für sogenannte „Erneuerungen“ und gar Erleichterungen für verirrte Schäflein ist in seinem Denken kaum ein Platz.
Also auch kein Pardon für Geschiedene und Wiederverheiratete, was den Empfang der Sakramente anbelangt, keinerlei wie auch immer geartete Geburtenkontrolle (außer der Enthaltsamkeit, was verständlicherweise nicht so gut bei den Gläubigen ankommt) und unter gar keinen Umständen einen Schwangerschaftsabbruch – gleichgültig, wie die Zeugung des neuen Lebens zustande kam.
Selbst eine Vergewaltigung kann, nach seiner Ansicht, eine Abtreibung niemals rechtfertigen. Die Gefühle und das Elend der betroffenen Frau interessieren ihn dabei nicht.
Das vorgeburtliche menschliche Leben gilt es unter allen Umständen zu schützen; was „nachher“ mit ihm passiert, darum schert der gestrenge Purpurträger sich weniger. Falls die Lebensumstände, in die das „schützenswerte Leben“ hineingeboren wird, es bedingen, dass es beispielsweise den allzu frühen Hungertod erleidet, dann ist das eben Gottes Wille gewesen.
Zusammengenommen alles Standpunkte, die verhindern, dass sich erneut Menschen für die Kirche interessieren.
„Damit gewinnt man heute keinen Zulauf und die noch Verbliebenen drohen auch noch davonzurennen.“ „Die katholische Kirche wird irgendwann zu einer x-beliebigen Sekte mutieren.“
Bis zum Überdruss hat sich di Gasparini diese Argumente von renommierten Theologen bereits anhören müssen, was allerdings seine harte Haltung um kein Jota verändert hat.
KYRIE ELEISON! CHRISTE ELEISON!
KYRIE ELEISON!
„Gott, unser Herr, erbarme dich unser! Christus, erbarme dich unser!
Herr, erbarme dich unser!“
Wenn’s nach Carlo di Gasparini ginge, würde während der Messe wieder wie einst das alte Latein seinen über viele Jahrhunderte angestammten Platz einnehmen und der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde den Dienst am Altar verrichten …
„Warum soll es von Vorteil sein, wenn die ungebildete Masse versteht, was der Geistliche sagt und warum soll er sich von den Laien so genau auf die Finger schauen lassen?“, fragt er seinen Adlatus Barillo.
‚Und womöglich den Überdruss von deinem Gesicht ablesen!’, denkt sich dieser insgeheim. Einer der von Gasparini wegen des Wahlausgangs zur Rede gestellten Kollegen, Kardinal Paolo Piccolomini, aus dem Erzbistum Mailand, erklärt ihm rundweg, unter seinem Pontifikat habe man befürchten müssen, die Kirchenaustritte würden noch weiter ansteigen. „Und das haben wir Kirchenväter keinesfalls riskieren können!“, sagt er ihm eiskalt ins Gesicht.
Diese Auskunft schmerzt Carlo di Gasparini zutiefst; überrascht ihn allerdings nicht wirklich. Sein bester Freund, Ewald Klausmann, der Kardinal von Köln, behauptet ja auch, die Zeit sei einfach reif, ja, sozusagen überreif gewesen, für einen Papst der schwarzen oder gelben Rasse.
„Sogar eine ehemalige Sklavenhalternation, nämlich die USA, haben sich schon vor beinah dreißig Jahren zwei Wahlperioden lang einen schwarzen Präsidenten geleistet. Allzu viel konnte der zwar nicht ausrichten oder gar verändern – dafür haben schon die erzkonservativen weißen Republikaner durch ihr stereotypes Veto gesorgt!
Aber immerhin hat Barack Obama es damals vermocht, einiges Gute anzustoßen, was man zum Teil erst heute nach der langen Zeit erkennen kann, obwohl sein höchst umstrittener republikanischer Nachfolger Donald Trump alles Mögliche unternommen hat, um die sozialen Reformen seines Vorgängers, wie etwa eine Krankenversicherung für alle Bürger, erneut auszuhebeln.
Und unsere verehrte Mutter Kirche, mein lieber Freund Carlo“, fügt er mit erhobenem Zeigerfinger belehrend hinzu, „rechnet bekanntlich nicht nach Jahren oder Jahrzehnten, sondern denkt in Jahrhunderten! Je nachdem, wie schnell der Neue die Probleme anpackt und wie lange Leo XIV. am Ruder sein wird, desto stärker wird sich das in der ferneren Zukunft auswirken. Wenn auch vielleicht erst in hundert oder mehr Jahren.“
„Na, wenn du Recht hast, Verehrtester“, trompetet di Gasparini, „wollen wir hoffen, dass der neue Heilige Vater die Probleme nicht wiederum wird schleifen lassen. Falls es wirklich so lange dauern sollte, bis sich etwas ändert, gibt es nämlich keine nennenswerte Ecclesia mehr, die davon profitieren könnte. Bestenfalls wird sie dann noch eine x-beliebige Glaubensgemeinschaft unter vielen sein, vergleichbar einer Sekte wie den Sieben-Tage-Adventisten.
Erinnere dich, bitte, an seine erste zündende Rede im Petersdom, Ewald! Was ist dem bisher gefolgt? Na? Gar nichts! Als ich ihn vor einiger Zeit so habe reden gehört, war ich fast geneigt, mich mit seiner Wahl anzufreunden. Aber seitdem herrscht sozusagen Ruhe im Schiff, nachdem die heiße Luft draußen ist“, drückt der Kardinal aus Padua sich wie immer reichlich salopp aus.
Ehe di Gasparini jedoch weitersprechen kann, flicht der deutsche Kardinal, Ewald Klausmann, schnell ein: „Schau, Carlo! Seien wir doch ehrlich: Wenn wir heute eine Kirche noch mit Leuten füllen wollen, bedarf es keiner Heiligen Messe, sondern wir müssen weltliche Konzerte anbieten, eine Lesung eines beim Publikum beliebten Autors oder die Aufführung eines modernen Theaterstücks!“
„Ja, Ewald, das ist mir durchaus bewusst!“
Kardinal di Gasparinis Gesicht ist mittlerweile rot angelaufen; er leidet unter hohem Blutdruck und sobald er sich auch nur im Geringsten aufregt, ähnelt sein üblicherweise blasser Teint dem Aussehen einer reifen Tomate.
„Und ihr alle habt tatsächlich geglaubt, diese Fehlentwicklung ausgerechnet durch die Wahl Obembes bremsen oder gar verhindern zu können? Welch unglaubliche Naivität! Sobald das erste Überraschungsmoment vorüber und die anfängliche Euphorie über den ‚Exoten im Vatikan’ verflogen ist, wird alles so weitergehen wie bisher, Ewald. Das jetzige Verhalten dieses Papstes weist doch genau in diese Richtung. Er wird um kein Jota von der Linie seiner kreuzlahmen Vorgänger abweichen.
Aber die Kirche wird nicht dadurch attraktiver werden, indem man die göttlichen Gebote aufweicht oder die kirchlichen Vorschriften außer Kraft setzt und Schlagersänger, Musiker und Schauspieler in den Kirchen agieren lässt, sondern indem Priester mit Autorität die sündigen Menschen beherzt an die Hand nehmen und sie – und sei’s auch oftmals gegen deren Willen – unbeirrt auf den rechten Pfad führen.
An die Brust soll er sich schlagen, der reuige Sünder, und bekennen, gesündigt zu haben: ‚Herr, erbarme dich unser, Christus erbarme dich unser, Herr erbarme dich unser!’ Erst nach Reue, Bußfertigkeit und Vergebung darf er den Herrn lobpreisen.“
Di Gasparini redet sich jetzt förmlich in Rage.
„Dazu bedarf es als wirksamer Hilfsmittel nicht weichgespülter, psychologieverseuchter Verständnisbekundungen für verwundete Seelchen von sogenannten ‚modernen’ Seelsorgern, sondern strenger Anweisungen des Klerus, deutlicher Verbote, klar verständlicher kirchlicher Anweisungen ‚von oben’.
Nicht zu vergessen die Verheißung der Vergebung für den reuigen Sünder, der umkehrt und Buße tut, sowie der Ankündigung empfindlicher Strafen im Falle von Zuwiderhandlungen. Der gute alte Teufel und die Hölle dürfen nämlich keineswegs ausgedient haben.“
Sein Freund, Kardinal Ewald Klausmann versucht, seinen Wortschwall ihn zu bremsen. „Dann muss dich doch das neueste Statement unseres Kirchenoberhaupts bezüglich der Kinderschändungen durch Geistliche sehr erfreut haben! Da war nichts mehr von ‚Weichspülung’ oder gar ‚Verständnis’ für die Sexualstraftäter zu spüren.“
Schwer atmend muss Carlo di Gasparini sich setzen, ehe er darauf antwortet. „Pah! Kinkerlitzchen!“, wischt er Klausmanns Einwand barsch beiseite. „Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns doch auf dramatische Weise bewiesen, welcher Art die Früchte sind, die wir jetzt ernten müssen, als Konsequenz aller Nachgiebigkeit und der um sich greifenden Aufweichtendenzen: zahlreiche Kirchenaustritte, viel weniger Kindstaufen, weil die Heranwachsenden später, welch ein Humbug!, selbst entscheiden sollen, ob sie überhaupt Christen sein wollen. Wenn ich das schon höre! Und das im christlichen Europa. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Ich behaupte: Der Glaube muss bereits im Kleinkind angelegt werden, damit er sich tief einwurzelt in der Seele des Betreffenden. Damit ist gewährleistet, dass es dem Getauften später um ein Vielfaches schwerer fallen wird, der Kirche den Rücken zu kehren. Die kindlich-naive Erinnerung wird sich in ihm regen und ihm immer wieder die angenehmen Augenblicke gemütvoller Erlebnisse wie die folkloristischen Feste Weihnachten und Ostern vor Augen führen.“
Carlo di Gasparini schnappt nach Luft.
Freund Ewald Klausmann beginnt sich jetzt ernsthaft um seinen Kardinalskollegen zu sorgen. Wenn der so weitermacht, könnte ihn tatsächlich noch der Schlag treffen. Aber so leicht gibt di Gasparini nicht auf.
„Des Weiteren erleben wir einen besorgniserregenden Rückgang bei den Priesterweihen und kaum noch Eheschließungen vor dem Altar. Ja, mittlerweile legen viele nicht einmal mehr Wert darauf, christlich beerdigt zu werden. Wozu noch ein Geistlicher am Grab? Ein bezahlter und vorher genau über gewünschte Lobhudeleien instruierter Redner vom Begräbnisinstitut tut’s doch auch … Schöne Aussichten, Ewald. Willst du das tatsächlich?“
Der deutsche Kardinal weiß nicht recht, wie er darauf reagieren soll. Natürlich will er das nicht …
„Schau“, fährt der Italiener beinahe verzweifelt fort: „Die Heiligen Väter, die einst Johannes XXIII. nachgefolgt sind, haben zwar zum Teil die Talfahrt der Kirche ein wenig gebremst, aber aufgehalten hat den Erdrutsch letztlich keiner. Ich als Papst hätte es zumindest mit aller Macht versucht. Was Leo Africanus bestimmt nicht tun wird. Seine allererste Predigt ließ mich noch hoffen, aber außer viel heißer Luft ist da nichts gewesen. Addio, Sancta Ecclesia!“
„Diese Schwarzmalerei beziehst du ohne weiteres auf unseren neuen Heiligen Vater, Carlo? Wer sagt denn, dass er in der Zukunft tatsächlich so ein Weichei sein wird, mein Freund?“, gibt Ewald Klausmann zu bedenken. „Warten wir doch erst einmal ab und reden in einem oder zwei Jahren erneut darüber. Dann werden wir alle vielleicht ein Stück weit klüger sein, nicht wahr, Carlo?“
Und um dem Ganzen etwas von der Schärfe zu nehmen – und den Freund vor einem möglichen Herzinfarkt zu bewahren – schlägt er dem anderen vor, nun gemeinsam die Oratio zu verrichten, das Tagesgebet.
Der einstige Studienkollege des Kardinals von Padua, Ewald Klausmann, in diesem Monat dreiundsechzig Jahre alt, zum Oberhirten des Erzbistums Köln ernannt und derzeit in Rom auf Erholungsurlaub (die Lage in Köln ist, nun ja, schwierig, könnte man es vorsichtig ausdrücken), sowie sein cholerischer italienischer Amtsbruder breiten die Arme aus, wie sie es auch jeden Tag am Altar zu tun pflegen, wenn sie mit ausgestreckten Armen Jesus am Kreuz nachahmen und damit zum Ausdruck bringen wollen, alle Menschen an ihr Herz zu ziehen.
„Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“
(Johannes I, 4. 16)
„Einfach skandalös und lächerlich!“
Wütend knallt der aus Neapel stammende Kurienkardinal Ettore di Logelli-Branca sein Smartphone auf den Tisch in seinem prächtigen römischen Appartement mit großer Dachterrasse, nahe der Engelsburg.
Was er da wieder in den „sozialen Netzwerken“ lesen muss, widert ihn regelrecht an: Ein skandalöser Starkult samt höchst fragwürdiger Lobhudeleien hat sich in kürzester Zeit um die Person des Heiligen Vaters entwickelt; beinahe so, als ginge es um einen Hollywoodstar …
Der von etlichen hohen Geistlichen nach wie vor geradezu als schweres Übel empfundene Wahlvorgang in der Sixtinischen Kapelle, der der Kirche einen „Schwarzen“ zum Papst beschert hat, schlägt insgeheim in Rom immer noch hohe Wellen.
Bei Kurienkardinal di Logelli-Branca haben sich seine engsten Vertrauten eingefunden, hohe Geistliche aus europäischen Ländern, von denen die meisten allerdings, im Gegensatz zu ihm, bei einer Papstwahl nicht stimmberechtigt sind.
Im Grunde ihres Herzens sind sie alle Traditionalisten, die die Meinung vertreten, ein „anständiger“ Papst müsse gemäß der guten alten Tradition immer ein Italiener sein. Die letzten drei „Ausreißer“, ein Pole, ein Deutscher und ein Argentinier hätten weiß Gott gereicht. Der letzte, immerhin ein Sizilianer, hatte zwar keinen Schaden angerichtet, aber ein Gewinn für die Institution Kirche war auch er keineswegs gewesen. Bestenfalls war er als „unbedeutend“ einzustufen; außerdem hatte er nicht allzu lange den Papstthron besetzt, da der Herrgott dem Argentinier extrem viele Lebensjahre beschert hatte.
„Und was hat man jetzt? Leo XIV. ist die absolute ‚Krönung’ des Desasters, in dem die Kirche sich seit langem befindet“, lautet Logelli-Brancas ehrliches Urteil, das er allerdings nur sich selbst eingesteht.
Zuerst muss der Kardinal das in den Augen seiner Freunde ebenfalls verstörende Wahlergebnis irgendwie rechtfertigen – was ihm erst nach einer Weile so halbwegs zu gelingen scheint. Ist er doch selbst immer noch über den Ausgang der Wahl verstört. Schließlich schwört der Kardinal sogar, als einer der ganz wenigen nicht für Obembe gestimmt zu haben …
„Wie zum Teufel konnte das erlauchte Gremium denn zu dieser geradezu sittenwidrigen Entscheidung gelangen?“ Das fragt ein hoher amerikanischer Geistlicher irischer Abstammung ganz gerade heraus. Man ist ja schließlich „unter sich“. (Manche flüstern hinter vorgehaltener Hand, der ehrenwerte Reverend sei ein Förderer, wenn nicht sogar Mitglied des Ku-Klux-Klans …)
Diese existenziell enorm wichtige Frage treibt die anwesenden Herren allesamt um, auch wenn sie nicht jeder so drastisch wie der Amerikaner formuliert.
Nach den zahlreichen geheimen Vorgesprächen unter den italienischen Kardinälen galt es doch als ausgemacht, dass man auch dieses Mal dem Drängen von Laien und vieler „modern eingestellter“ Geistlicher nicht nachgeben wolle, sondern wie bisher, wenn es denn schon kein Italiener sein solle, wenigstens einem Papst mit weißer Haut den Vorzug geben werde.
„Die Kirche bedarf keines farbigen Revolutionärs, sondern eines behutsamen europäischen Erneuerers“, war allgemeiner Konsens in ihren Kreisen gewesen. Und in geradezu unanständiger Eile hatte dann trotz allem das betrübliche Ergebnis festgestanden …
„Ich sehe schwarz für die Zukunft der Una Sancta“, äußert sich ein anderer Prälat aus Deutschland besorgt.
„Na, dann passt es ja! Noch schwärzer als ‚Leo Africanus’ kann schlechterdings kaum etwas sein …“, sagt einer der geistlichen Herren aus der unzufrieden murrenden Runde mit einem Anflug von Galgenhumor. Der Spitzname, den Carlo di Gasparini Leo XIV. angehängt hat, scheint sich in Windeseile verbreitet zu haben.
Über die Gründe des Fiaskos herrschen diverse Zweifel. Hatte man womöglich im Vorfeld zu wenig Druck auf die Kardinäle, die zum Konklave zugelassen waren, ausgeübt? Oder war dieser im Gegenteil vielleicht zu stark und penetrant ausgefallen? Bei nicht wenigen zieht bekanntlich die sanfte Tour, verbunden mit Versprechungen oder Aussichten auf fette Pfründe und sonstige monetäre und andere Vergünstigungen, viel stärker. War man sich zu sicher gewesen, dass alles wieder zum Altbewährten zurückkehren werde?
Eine befriedigende Antwort weiß derzeit niemand.
Dazu schwebt mehr oder weniger unausgesprochen die nicht minder relevante Frage im Raum: Wer zur Hölle sind denn nun die Abweichler gewesen? Namen schwirren durch den Raum, werden verworfen, um sofort von anderen aufgegriffen zu werden. Man kennt doch seine unsicheren Kantonisten. Oder vielleicht doch nicht?
Aber: Gewählt ist gewählt! Dem Herrn sei’s geklagt, sie werden mit ihm leben müssen. Und wie es aussieht, noch sehr lange …
„Er wird uns alle, oder zumindest die meisten von uns, locker um viele Jahre überleben“, knurrt der Gastgeber, der einundsiebzig Jahre alte Kurienkardinal Ettore di Logelli-Branca und seufzt tief. Schmerz und zugleich Wut und Enttäuschung halten sich in seinem Herzen die Waage.
„Die Medien in Italien und im Ausland überschlugen sich ja förmlich über die ‚großartige’ Ernennung eines Schwarzafrikaners zum Heiligen Vater der katholischen Christenheit“, meldet sich der missmutige Deutsche erneut zu Wort.
„Sogar Russland gratulierte scheinheilig und selbst in China zeigte man sich sehr angetan vom ‚erfreulich deutlichen’ Ausgang der Wahl. Und der allgemeine Tenor in Deutschland lautet: ‚Dieses Votum ist längst überfällig gewesen.’ Sind denn plötzlich alle verrückt geworden?“ Der deutsche Prälat erleidet einen Hustenanfall.
„Was mich überaus stört“, merkt eine Eminenz aus Spanien brummig an, „ist das makabre Theater, das jetzt auch noch die Yellow Press veranstaltet. Ausgerechnet für diese oberflächlichen, indiskreten und primitiven Publikationsorgane, die bekanntermaßen noch nie etwas mit Kirche am Hut hatten, scheint der jetzige Papst so eine Art Popstar zu sein.“
„So ist es!“, fällt Ettore di Logelli-Branca giftig ein. „Alles an dem Neuen wird wohlwollend ins Auge gefasst und begeistert registriert: Seine imponierende Größe, die drahtig-schlanke Figur, ja, sein ganzes Aussehen wird seziert. Gewöhnliche Printmedien und sämtliche schwachsinnigen Frauenzeitschriften lassen sich lang und breit über ‚seine wundervollen seelenvollen Augen, die langen Wimpern, die hohe Denkerstirn, die männlich-kräftige Nase und seinen angeblich sinnlichen Mund mit den herrlichen weißen Zähnen’ aus.“
Diese Art Medienhype ist auch den übrigen Anwesenden ein Dorn im Auge und veranlasst sie zu halblauten Unmutsäußerungen.
„Sogar, dass er seit seiner Ernennung zum Kardinal vor vier Jahren sein dichtes schwarzes Kraushaar ‚geopfert hat’ und stattdessen mit blankem Schädel herumstolziert, findet allgemeinen Beifall. Von ‚prachtvoller Männlichkeit und vertrauenerweckender Väterlichkeit, haha!, die er angeblich in reichem Maße ausstrahlt’, ist die Rede. Ob er fromm und gläubig ist, interessiert hingegen keine Sau!“, behauptet ein brummiger Monsignore aus Österreichs Innviertel.
„Würde mich nicht wundern, wenn sie ihn demnächst in Hollywood zum ‚Mister Universe’ küren würden!“
Das kommt wiederum vom Bischof von Sevilla. Er erntet empörte Kommentare, aber auch Schmunzeln und vereinzelte Lacher bei der versammelten Geistlichkeit.
„Warum nicht gleich zum ‚sexiest man alive’?“
Diese frivole Bemerkung entschlüpft dem verkniffenen Munde eines anderen Bischofs, eines flämischen Griesgrams, der sich abseits von den anderen in einen Sessel in der Ecke verdrückt und bisher noch geschwiegen hat.
Die Äußerung des Belgiers ruft bei den meisten Klerikern abschätzige Mienen, bei einigen hingegen glänzende Augen hervor. Vermutlich denken die Herren an die schöne „Schwester Monique“ … Aber keiner der Anwesenden lässt sich dazu hinreißen, sie in diesem heiklen Zusammenhang zu erwähnen. Dieses Eisen ist offenbar auch den schärfsten Kritikern des neuen Papstes zu heiß.
„Mich würde interessieren, wie Leo XIV. sich dabei fühlt, wenn man ihn derart durch den Kakao, respektive durch den Mediensumpf, zieht! Das müsste ihm doch eigentlich ausgesprochen zuwider sein“, stellt der Griesgram als Behauptung in den Raum. „Warum gibt er dieser Spezies von aufdringlichen Pressefritzen überhaupt noch Interviews?“
„Dass ihm das peinlich ist, glaube ich wiederum weniger“, widerspricht der Gastgeber und zieht indigniert die sorgfältig schwarzgefärbten und getrimmten Augenbrauen in die Höhe. „Ich befürchte eher das Gegenteil, mein Lieber. Ich argwöhne hingegen, er genießt den medialen Rummel um seine Person geradezu. Bescheidenheit scheint nicht zu den herausragenden Tugenden Seiner Heiligkeit zu gehören.
Würde er sonst jedem Pipi-Magazin ein Interview gewähren? Garniert mit ausgesprochenen ‚Starfotos’? Aber, wie gesagt, das ist nur meine bescheidene Meinung“, tönt Kurienkardinal di Logelli-Branca.
Gleich darauf tut ein Franzose aus der Picardie den Mund auf.
„Sie können ihn ja mal bei Gelegenheit selbst danach fragen, Exzellenz“, ertönt es ein wenig boshaft aus der Mitte des Raumes, wo sich das Gros der Enttäuschten um mehrere Tischchen mit leckeren Häppchen und edlen, mehr oder weniger hochprozentigen Getränken versammelt hat.
„Nur kein Neid, chers amis! Ohne Zweifel schaut der Bursche ganz gut aus und hätte nach meinem Empfinden zweifellos besser daran getan, Filmstar anstatt ausgerechnet Priester zu werden.“
„Und gar noch mit dem nicht gerade demütigen Anspruch, es irgendwann ‚ganz nach oben’ zu schaffen. Schon als junger Kaplan in Ostafrika hat er verbreiten lassen, er sehe sich schon mit Mitra und Bischofsstab!“
Letzteres, wiederum von dem flämischen Miesepeter geäußert, ist zwar eine glatte Verleumdung – tatsächlich waren es etliche aus Obembes familiärem Umfeld, die sich vor Jahrzehnten in diesem Sinne geäußert haben. Aber um solche Feinheiten schert sich keiner der Anwesenden und so widerspricht auch niemand.
„Vor vier Jahren zum Kardinal ernannt, scharrte er seitdem mit den Hufen“, fährt der Geistliche aus dem westflandrischen Brügge mit Ingrimm fort. „Wie man sieht, hat sich diese Beharrlichkeit ausgezahlt.“
„Wir tragen selbst die Schuld daran, chers amis, dass wir es dem afrikanischen Schönling ermöglicht haben, die klerikale Hierarchie im Sturmschritt zu erobern, alle zu düpieren und die Karriereleiter in Rom ungebremst nach oben zu klettern!“
Dieses Statement des Franzosen aus der Picardie, der gerade eins der delikaten Kaviarhäppchen zum Munde führt, setzt quasi den Schlusspunkt dieser Debatte; er erntet auch keinen nennenswerten Widerspruch: Man hätte dem Afrikaner nur rechtzeitig seine Grenzen aufzeigen sollen …
Ausgerechnet von Kurienkardinal Ettore di Logelli-Branca stammt dann völlig überraschend ein zwar bitteres, aber sehr vernünftiges Fazit.
„So sollten wir uns demnach klugerweise mit der Katastrophe arrangieren! Was bleibt uns denn auch anderes übrig? Haben wir etwa eine andere Option? Wir können schlecht eine Kirchenspaltung durch die erneute Wahl eines uns genehmen Kandidaten riskieren. Die Zeiten, in denen Gegenpäpste gang und gäbe waren, sind lange vorbei. Und den Gefallen, alsbald zu unserem Herrn einzugehen, den wird er uns kaum tun.“
Beifälliges Gemurmel der meisten ist die Folge. Jeder muss eben einen Kompromiss finden und sich ins Unvermeidliche fügen; soll heißen, gute Miene zum bösen Spiel machen – und dabei insgeheim indirekten Widerstand leisten, wo immer möglich.
„Dann, geliebte Brüder in Christo, lasst uns also gemeinsam beten für Leo und unsere heilige Mutter Kirche – und darauf hoffen, dass nach dem Mann aus dem Busch wieder einer ans Ruder kommt, mit dem wir uns alle identifizieren können!“
Zu diesem Vorschlag des Kardinals macht keiner der Anwesenden einen Einwand geltend. „Amen, so sei es, lieber Freund!“ „Amen, mon ami!“ „Amen, my dear friend!“ „Lasset uns beten, amigos mios!“ „Nun denn: Orate, fratres!“
Und das tun die Herren aus dem alten Europa und aus Amerika dann auch. Ob sie dabei allerdings ihrem obersten irdischen Chef im Vatikan auch ein langes Leben wünschen, oder vielleicht etwas ganz anderes – das wird für immer ihr gut gehütetes Geheimnis bleiben.