Kitabı oku: «Die großen Literaten der Welt», sayfa 2

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Wichtige Werke:

Ba ai shi (›Acht Klagen‹)

Beizheng (Reise in den Norden)

Quinixing bu shou (›Acht Gedichte über die Herbststimmung‹)

Yonghuaigujo (›Ausdruck von Gefühlen angesichts alter Stätten‹)

Yueye (Mondnacht)

1 Li Bai ist in Europa besser bekannt unter dem Namen Li Taibai oder Li Taibo.

2 Du Fu teilte durchaus Li Bais Liebe zum Wein und schrieb lebensfrohe Gedichte über denselben, während Li Bai wie sein jüngerer Freund die Kriegswirren seiner Zeit in Verse fasste.

3 Diese Begegnung fand wahrscheinlich im Jahr 744 während der ausgedehnten Reisen des jungen Du Fu durch das Chinesische Reich statt und war vor allem durch die tiefe Bewunderung geprägt, die der noch unbekannte Jüngere dem ›Dichtergott‹ Li Bai entgegenbrachte.

1 Reinhard Emmerich. »Östliche Han bis Tang«. in: Reinhard Emmerich (Hg.): Chinesische Literaturgeschichte. Stuttgart/Weimar: Metzler 2004. S. 88–186, hier: S. 154.

2 Die formstarke Lyrik Du Fus beeinflusste vor allem auch Matsuo Bashō (1644–1694), den Erfinders des japanischen Haiku.

1 Übersetzung von Günter Eich

2 Wolfgang Kubin. »Du Fu«. in: Axel Ruckaberle (Hg.): Metzler Lexikon der Weltliteratur. Band 1. Stuttgart/Weimar: Metzler 2006. S. 400–401. hier: S. 400.

3 Etwa verfasste Du Fu Liebesgedichte an seine Ehefrau, wie es damals nur an Konkubinen üblich war, oder gab der Trauer über den Hungertod seine jüngsten Kindes lyrische Gestalt.

4 Übersetzung von Günter Eich

1 Du Fu war einer der ersten chinesischen Dichter, der sein Gesamtwerk nach biographischen Aspekten gliederte.

2 An Lushan, ein einflussreicher General aus dem Nordosten des damals extensiven Chinesischen Reiches, führte die Rebellion gegen die Tang-Kaiser an, die bürgerkriegsähnliche Zustände im ganzen Reich mit sich brachte.

3 Du Fu scheiterte, vermutlich aus politischen Gründen, mehrmals an dem Examen, dem sich kaiserliche Beamte zu unterziehen hatten, und war deswegen für den Unterhalt seiner selbst, seiner Frau und seiner fünf Kinder lange auf die Unterstützung von Gönnern angewiesen, die manchmal recht, manchmal schlecht für die Grundlagen zum Leben sorgten.

ONO NO KOMACHI

(9. JAHRHUNDERT)

Tasten nach der Spur – Das Symbol der Schönheit

Ono no Komachi, der ›Stern‹ der klassischen japanischen Literatur, ist die wohl geheimnisvollste und faszinierendste Gestalt unter den Rokkasen, den sechs bis heute hochverehrten ›Dichtergenien‹ der künstlerisch so ausgesprochen fruchtbaren Heian-Periode. Die erotisch aufgeladene Liebesdichtung der Frau Ono no Komachi überbrückt mühelos eine Zeitspanne von über 1000 Jahren, um sich in Herz und Blut ihrer Leser einzubrennen, und die legendäre Schönheit der Poetin selbst inspiriert Dichter und Künstler bis zum heutigen Tag.

Ono no Komachi war eine Meisterin des klassischen japanisches Kurzgedichts, dem tanka, der Hauptgattung der waka-Dichtung der Heian-Periode1 (797–1185), aus der sich später das haiku entwickeln sollte. Wie die Gattung des tanka im Allgemeinen sind die Schöpfungen Ono no Komachis zum Großteil Liebesdichtungen; dabei zeichnen sich ihre Texte durch eine besondere Erotik bei gleichzeitiger müheloser Berührung existentieller Thematiken aus:

Seit ich im leichten

Schlummer mir den Ersehnten

ersehnen konnte,

fange ich an, den Träumen,

wie man sie nennt, zu trauen.

Die tanka-Dichtung – wie das haiku ein Silbengedicht, bestehend aus fünf Teilen zu 5, 7, 5, 7, 7 Silben – war Bestandteil des höfischen Spiels im künstlerisch-kulturell ausgerichteten Heian Kyo und Medium der (erotischen) Kommunikation. Liebende und solche, die es werden wollten, schrieben sich gegenseitig tanka; zuweilen wurden auch die letzten beiden Siebensilber vom jeweils anderen Partner erst ergänzt. Jedes Mitglied des Hofs praktizierte diese Art der Dichtung als eine Selbstverständlichkeit. Sechs Dichter jedoch taten sich besonders in dieser Kunst hervor: die sogenannten Rokkasen, die in der ersten Gedichtanthologie der japanischen Literatur – der Kokin-wakashū, die im Jahr 905 auf kaiserlichen Befehl erstellt wurde – als die großen Poeten der jüngeren Vergangenheit gefeiert werden. 18 tanka von Ono no Komachi enthält diese Anthologie – die einzigen erhaltenen Texte, die mit Sicherheit von dieser großen Dichterin stammen.

Wir wissen heute so gut wie nichts vom Leben der Ono no Komachi. Nicht einmal ihre Lebensdaten sind gesichert; der Herausgeber der Kokin-wakashū erwähnt nur, dass sie »vor Kurzem« gelebt hätte. Vermutlich aber entstanden die erhaltenen tanka um 850. Die Stadt Ogachi in Akati nennt sich selbst die Geburtsstadt der Liebeslyrikerin; dort steht der Komachi-Schrein, jedes Jahr findet das Komachi-Festival statt und eine Reisart aus der Gegend von Akati trägt den Namen der großen Dichterin. Vermutlich war Ono no Komachi eine niederrangige Hofdame oder möglicherweise Konkubine am Hof von Kaiser Nimmyō (Regierungszeit von 833–850). Um die Jahrhundertmitte stand sie wohl in regem persönlichen Kontakt mit anderen führenden Dichtern der Zeit, mit denen ihr auch das ein oder andere Liebesverhältnis nachgesagt wird – und, liest man ihre spielerischen Gedichte, scheint eine solche Annahme gar nicht so weit hergeholt:

Im wachen Leben

mag es ja wohl so gelten.

Aber noch im Traum

meinen, anderer Blicke

scheuen zu müssen: trostlos!

Und genau an diesem Punkt beginnen die Legenden und Fiktionen, die Ono no Komachi bis zum heutigen Tag umgeben. Sie soll eine außergewöhnliche Schönheit gewesen sein, eine Meisterin des höfischen Liebesspiels und eine (sexuell) selbstbewusste femme fatale – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Wie die Legende erzählt, erlegte sie einem Verehrer auf, 100 Nächte vor ihrer Tür zu verharren, ehe sie ihn erhören würde; als der Verliebte eine Nacht aufgrund des Todes seines Vaters nicht vor dem Zimmer seiner Angebeteten verbringen konnte, starb er aus Verzweiflung, sein begehrtes Ziel nun nie erreichen zu können. Ono no Komachi wiederum zerbrach fast an der Trauer um den Tod ihres Verehrers. Eine andere Version der Geschichte lässt den Liebenden vor der Tür der kaltherzigen Dichterin erfrieren und Ono no Komachi zur Strafe als alte und hässliche Frau allein durchs Land ziehen und vereinsamt sterben. Eine wieder andere Tradition spricht der alten, wandernden Weisen Frau die magische Fähigkeit zu, die überirdische Schönheit ihrer Jugend wieder annehmen zu können, um junge Männer in ihren Bann zu ziehen. Solche Gestalt gibt Ono no Komachi etwa das Schauspiel Sotoba Komachi von Yukio Mishima (1925-1970) aus dem Jahr 1960. Doch bereits im auf die Heian-Periode folgenden japanischen Mittelalter wurde das Leben oder besser: die Legende Ono no Komachis gerne fiktional bearbeitet, etwa in Kurzgeschichten und den damals zu voller Blüte kommende noh-Dramen. Über die Jahrhunderte ist sowohl die schöne, kapriziöse als auch die gebrochene alte Dichterin ein beliebtes Motiv der japanischen Malerei in all ihren Formen geblieben. Der jüngste ›fiktionale Gastauftritt‹ der großen Poetin geschah 2003 in Form eines australischen Ein-Personen-Stücks von Christie Niemann mit dem Titel Call me Komachi (›Nennt mich Komachi‹)1. Bis heute ist Ono no Komachi in Japan ein Symbol sowohl der Schönheit als auch deren irdischer Vergänglichkeit. So verliert sich die historische Gestalt der Dichterin in den Legenden und Fiktionen, die sie umranken, so dass das folgende klagende Liebesgedicht fast als ein Kommentar des posthumen Schicksals der Poetin gelesen werden kann:

Bin ich selbst denn

nicht zu finden? O blindes

Tasten nach der Spur,

seit der Erwartete mich

aus seinem Herzen verlor.

Doch die Spur Ono no Komachis verliert sich nicht wirklich, denn sie lässt sich entdecken in ihren unsterblichen Gedichten, den spielerischen wie den wehmütigen, die in ihrer kurzen Einfachheit ein ganzes Leben fassen:

Farbiges Blühen,

wehe, es ist verblichen,

da ich leeren Blicks

nachtlang in ewigem Regen

mein Leben verrauschen sah.

Wichtige Werke:

18 tanka aus der Anthologie Kokin-wakashū (905)

1 Die Heian-Periode ist benannt nach der damaligen imperialen Hauptstadt Heian Kyo, dem heutigen Kyōtō, Sitz des kaiserlichen Hofes und kulturelles Zentrum.

1 Der Titel des Dramas spielt auf den ersten Satz von Herman Melvilles (1819-1891) berühmten Roman Moby Dick (1851) an: »Call me Ishmael – Nennen Sie mich Ismael.«

(ABŪ ‘ABDOLL H DJA’FAR BEN MOHAMMAD) RŪDAKĪ

(UM 859–941)

Eine Million und Dreihunderttausend Verse – Der König der Dichter

Abū ‘Abdollāh Dja’far ben Mohammad Rūdakī wird im Allgemeinen als der Begründer der Dichtung im Neupersischen (Dari, Parsi, Farsi) betrachtet. Obwohl von seinem legendenumwobenen Diwan1 nur ein Bruchteil überliefert ist, wurde der Poet, Sänger und Musiker in verschiedenen Epochen der persischen Literaturgeschichte als ›König der Dichter‹ verehrt, und sein Meisterwerk Kalīla wa Dimna (›Kalila und Dimna‹) gilt als einer der wichtigsten Texte in Farsi.

Unter den Samaniden-Herrschern im 9. und 10. Jahrhundert kam es im persischen Kulturkreis zu einer Art Zeitenwende und zur Entwicklung einer neuen Art von Dichtkunst, die versuchte, die neue islamische Poesie mit der alten, vorislamischen Tradition zu verbinden. Außerdem etablierte sich mit Farsi (von Fārsī-e Darbārī, d. i. ›Sprache des königlichen Hofes‹) eine neue Schriftsprache, die auf einem arabisch-persischen Alphabet basierte. Zum ersten hervorragenden Dichter dieser Sprache, die sich im Mittelalter zur bedeutendsten Literatur- und Gelehrtensprache der islamischen Welt entwickeln sollte, wurde Abū ‘Abdollāh Dja’far ben Mohammad Rūdakī, der somit die poetologischen Regeln des Farsi entscheidend mitdefinierte. So etwa geht die Farsi-Reimordnung auf den Diwan Rudakis zurück.

Es existieren vergleichsweise viele Überlieferungen das Leben Abū ‘Abdollāh Dja’far ben Mohammad Rūdakīs betreffend (der Beiname verweist auf seinen Geburtsort Rūdak bei Samarkand); dennoch oder gerade deswegen sind Fakt und Legende unauflöslich miteinander verwoben. Sicher ist, dass Rūdakī Hofdichter des Samanidenkönigs Nasr II. (Regierungszeit 914–933) in Bukhara (Bochara) war. Berichte über die Jugend des Farsi-Poeten sind weniger verbürgt; dem Chronisten ‘Awfi, einem Zeitgenossen des Dichters, zufolge, zeigte Rūdakī seine ungewöhnliche Begabung schon früh: Als Achtjähriger soll er den gesamten Koran auswendig gewusst und bald darauf erste Gedichte verfasst haben. Seine ausgesprochen schöne Singstimme verhalf Rūdakī zur Bekanntschaft mit dem berühmten und hochgeehrten Flötisten Bakhtiar, dessen Schüler er wurde und dessen Erbe er schließlich antrat. Rūdakīs ungeheure Gelehrsamkeit, sein immenses musikalisches wie poetisches Talent und nicht zuletzt seine charismatische Persönlichkeit sollen schließlich König Nasr II. dazu veranlasst haben, den Künstler an seinen Hof zu bitten und ihn dort mit Ehren und Reichtümern zu überschütten. Tatsächlich jedoch war es wohl die Bekanntschaft und das Mäzenat des wichtigsten und einflussreichsten Wesirs (Hofminister) der Zeit, Abul Fadl Bal’ami, die dem Dichter den initialen Zugang zum königlichen Hof ermöglichten und ihn aller Anfeindungen zum Trotz die Position des Hofpoeten verschafften und erhielten (ein Mäzenat, das nicht nur der unbestreitbare poetische Geist Rūdakīs an sich inspirierte, sondern auch die Gelegenheit, eben jenen Geist als ›Propagandadichter‹ – in Form von Lobpreisgedichten auf den Gönner – einsetzen zu können). Wie dem auch sei: Die Position des Hofdichters und seine poetische Potenz1 verhalfen Rūdakī jedenfalls zu einem Reichtum, der in der islamischen Welt sprichwörtlich geworden ist; er soll 200 Sklaven besessen haben und seine Besitztümer sollen 400 Kamele nicht haben tragen können. Doch mit dem Sturz oder dem Tod Bal’amis endete auch Rūdakīs große Zeit. Im Jahr 937 wurde er vom Hof verbannt und starb altersschwach und ver-armt in seinem Heimatdorf.

Zu Kontroversen regte die Gelehrten seit jeher die legendäre Blindheit des großen Dichters Rūdakī an. Erblindete der Poet nach und nach oder wurde er vielleicht sogar geblendet, da er sich weigerte, weiterhin den Lobpreis der Herrschenden zu singen? Oder berichtet uns der Chronist ‘Awfi die Wahrheit, wenn er von Rūdakīs angeborener Blindheit spricht? Wie aber könnte ein von Geburt an Blinder Verse von der Einduckskraft eines Rūdakī verfassen – Verse, die die Schönheit der Natur in unsterbliche Worte fassen und in denen nicht zuletzt Farben eine zentrale Rolle spielen? Könnte die an der Musik geschulte Imagination Rūdakīs tatsächlich von einer derartigen übermenschlichen Kraft gewesen sein? – Was auch immer die Antwort auf diese Fragen sein mag, Abū ‘Abdollāh Dja’far ben Mohammad Rūdakī ist als der große blind-sehende Dichter in die Literaturgeschichte eingegangen.

Legendär ist auch der angebliche Umfang des poetischen Werkes Rūdakīs, das 1.300.000 bayts (Doppelverse) umfasst haben soll. Tatsächlich überliefert sind vom Diwan Rūdakīs, dessen tatsächlicher Umfang im Dunkeln liegt, nur an die 1.000 verschiedenen Genres zugehörige Verse. Auch von der Romanze Sindbād-Nāmē (›Das Buch des Sindbad‹) und der Fabelsammlung Kalīla wa Dimna sind nur Fragmente übriggeblieben. Letztere ist das unbestrittene Meisterwerk Rūdakīs, das trotz fehlender Überlieferung eine wichtige Rolle für die persische Literatur spielt. Kalīla wa Dimna ist die persische Übertragung einer wohl 2000 Jahre alten Sammlung von Tierfabeln aus dem Sanskrit und wurde von Rūdakī im Auftrag von Wesir Bal’ami angefertigt. Der Poet übersetzte jedoch die alten indischen Fabeln nicht einfach, sondern dichtete sie nach und setzte sie in Versform. Sie sind ein Musterbeispiel der ausgesprochen schlichten1 und dabei ungeheuer melodiösen Sprache des großen Farsi-Dichters, wie sie sich auch in dem folgenden berühmten Gedicht an den Fluss Amu-Daria (Oxus) zeigt:

Ich rieche gern den Duft des Molian-Bachs.

Er erinnert mich an die liebliche Geliebte.

Der Armur und sein rauer Sand

scheint mir wie Federn unter meinen Füßen.

Neben den lehrreich-amüsanten Tierfabeln und den Lobpreisliedern auf den König, den Hof und die Hauptstadt verfasste der Gelehrte Rūdakī Gedichte über zentrale Themen der menschlichen Existenz: das Verstreichen der Zeit, die Unabwendbarkeit des Todes, die Wichtigkeit der Liebe und das Verlangen nach Glück sowie die große Bedeutung von Wissen, Bildung, Erfahrung und Kunst. Dabei reicht sein Ton von Hedonimus bis Pessimismus, und Rūdakī erweist sich genauso als Meister der Erotik wie als weiser Denker.

Wichtige Werke:

Sindbād-Nāmē

Kalīla wa Dimna

1 Persisch für ›Schreibzimmer, Sammlung beschriebenen Papiers‹; Bezeichnung für Gedichtsammlung oder auch das lyrische Gesamtwerk eines Dichters in alpabetischer Ordnung; manche halten Rūdakī für den Begründer der literarischen Form des Diwan.

1 Die Kraft von Rūdakīs Poesie soll so groß gewesen sein, dass während eines Kriegszuges nach Herat in Afghanistan die Emire Nasr II. den Dichter baten, ein Loblied auf das heimatliche Bukhara zu verfassen, um den König zur Umkehr zu bewegen. Die Macht der Verse, die Rūdakī daraufhin auf die Schönheit Bukharas schrieb, ließ dann auch, so die Überlieferung, den König prompt Hals über Kopf gen Heimat aufbrechen.

1 Rūdakīs poetische Schlichtheit wurde allerdings nicht in allen Epochen der persischen/islamischen Literaturgeschichte geschätzt; je verkünstelter die Poetik der jeweiligen Epoche, desto geringer wurde die augenscheinlich so einfache Diktion Rūdakīs geachtet.

MURASAKI SHIKIBU

(UM 978–1016)

Der strahlende Prinz und die Dame Blauregen – Japans klassischer Roman

Die Geschichte des Prinzen Genji (Genji Monogatari, um 1003–1010), verfasst von der Kaiserlichen Hofdame Murasaki Shikibu, gilt vielen als der erste vollständige Roman Asiens, wenn nicht sogar der Welt. Ohne Zweifel ist, dass die monumentale Geschichte des ›strahlenden Prinzen‹ das herausragendste Werk der klassischen japanischen Literatur konstituiert und zu den großen Texten der Weltliteratur gehört.

Die Frage, ob einer der ersten, wenn nicht sogar der erste, Roman der Welt tatsächlich von einer Frau geschrieben wurde, beschäftigt die Fachleute bis zum heutigen Tag. Schon zu Murasaki Shikibus Lebzeiten kam das Gerücht auf, die Erzählung stamme eigentlich aus der Feder ihres Vaters, eine Vermutung, die sich bis heute hält. Auch andere bedeutende Zeitgenossen Murasaki Shikibus stehen ›in Verdacht‹ der möglichen Mitautorschaft an einem der komplexesten und ausladendsten Texte der Weltliteratur. Ähnlich wie im Falle des Œuvres William Shakespeares (1564–1616) erscheint Die Geschichte des Prinzen Genji als ein (fast) zu großes Werk, um es mit der historischen Gestalt seiner Verfasserin zu vereinbaren. Und konnte eine Frau in einer Zeit, in der Damen im Allgemeinen nur in der sogenannten ›Frauenschrift‹ schrieben, eine begrenzte Ausbildung erhielten und sich akzeptierterweise ausschließlich mit Poesie beschäftigten1, tatsächlich ein Erzählwerk von der Bandbreite der Geschichte des Prinzen Genji verfassen?

Murasaki Shikibus biographischer Hintergrund, auch wenn er nur in Fragmenten und zu einem Großteil über das Tagebuch der Murasaki Shikibu (Murasaki Shikibu nikki, 1008–1010) bekannt ist, deutet allerdings durchaus darauf hin, dass die Schriftstellerin die nötigen Voraussetzungen mitgebracht haben kann, um den monumentalen Roman zu verfassen, der unter ihrem Namen in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Murasaki Shikibu, deren Geburtsname nicht bekannt ist – ›Shikibu‹ bezieht sich auf das Amt ihres Vaters im Ministerium für Zeremonien, ›Murasaki‹, d. i. Glyzinie bzw. Blauregen, stammt vermutlich von dem Namen der weiblichen Hauptfigur der Geschichte des Prinzen Genji, Murasaki no Ue –, entstammte der Fujiwara-Familie, einer der wichtigsten Familien in der japanischen Geschichte, und zwar entsprang die künftige Schriftstellerin einem literarisch ausgesprochen fruchtbaren Zweig derselben. Sowohl Murasaki Shikibus Großvater als auch ihr Vater und ihre Mutter waren poetisch tätig. Da die Mutter früh verstarb, wuchs Murasaki Shikibu, anders als zu dieser Zeit in der Adelsschicht üblich, nicht im mütterlichen, sondern im Haushalt des Vaters auf, wo sie – wieder völlig entgegen den Konventionen – zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Nobunori unterrichtet wurde, also eine ›männliche‹ Bildung erhielt; unter anderem lernte sie Chinesisch, die ›männliche‹ Schriftsprache. Ihr Vater soll von der Intelligenz und schnellen Auffassungsgabe seiner Tochter so beeindruckt gewesen sein, dass er wortreich ihr weibliches Geschlecht beklagte, das ihr einen adäquaten Einsatz ihrer Talente zu verwehren drohte. Als Murasaki Shikibus Vater im Jahr 996 zum Provinzverwalter ernannt wurde, begleitete ihn seine Tochter, womit sich ihr eine weitere für eine Frau ungewöhnliche Gelegenheit eröffnete: die zu reisen. Zwei Jahre später, nach ihrer Rückkehr in die heimatliche Reichshauptstadt Heian Kyo (das heutige Kyōtō), heiratet Murasaki Shikibu mit Fujiwara Nobutaka einen entfernten, um viele Jahre älteren Verwandten. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor, die unter dem Namen Daini no Sanmi (999–1077) später selbst zu einer bekannten Dichterin wurde. Sie schrieb vermutlich nach dem Tod ihrer Mutter die letzten zehn der 54 Bücher der Geschichte des Prinzen Genji und brachte somit das große Werk Murasaki Shikibus zum Abschluss. Mit dessen Abfassung begann die Schriftstellerin vermutlich nach dem Tod ihres Mannes; den Großteil der Erzählung schuf sie wohl während ihrer Zeit als Hofdame der jungen Kaiserin Fujiwara no Aikiko bzw. Jōtō mon’in. Diese Zeit am Kaiserlichen Hof hielt die Schriftstellerin in ihrem Tagebuch fest, welches eine scharfe Beobachtungsgabe auszeichnet, wie sie auch die psychologische Tiefe und Dichte der Geschichte des Prinzen Genji verrät. Das Tagebuch dokumentiert unter anderem Murasaki Shikibus Rivalität mit der zweiten großen Dichterin der Zeit: Sei Shōnagon (um 966–1025), ebenfalls des Chinesischen mächtig, war Verfasserin des Kopfkissenbuchs (Makura no sōshi, 1001–1010), ein komisches, ja, satirisches Werk in Tagebuchform, das die Welt des Kaiserlichen Hofes ähnlich dicht und lebendig einfängt wie die Texte der großen Rivalin. Nach dem Abschluss des Tagebuchs im Jahr 1010 verlieren sich die Spuren Murasaki Shikibus. Es wird jedoch angenommen, dass sie im Jahr 1014 oder 1016 verstarb, wenn auch manche Quellen erst 1025 als das Todesjahr der Schriftstellerin nennen.

Der große Roman der Murasaki Shikibu erzählt, wie sein Titel schon sagt, die Abenteuer des fiktiven ›strahlenden Prinzen‹ Genji, welche in erster Linie Liebesabenteuer sind. Die letzten 12 Bücher handeln allerdings von seinen Nachkommen: seinem angeblichen Sohn Kaoru und seinem ihm so ähnlichen Enkel Niou und ihrer Rivalität in persönlichen wie in Liebesangelegenheiten. Der Kern des Romans ist die Begegnung Genjis mit Murasaki no Ue, die er sich zur idealen Gattin formt und deren Tod ihn, wenn nicht gebrochen, so doch jeden ›Strahlens‹ beraubt, zurücklässt. Der Roman entwickelt sich von einem märchenhaften, leichtherzigen Anfang über den melancholischen Ausklang von Genjis Leben und dem unglücklichen Dreiecksverhältnis zwischen Kaoru, Niou und dem Mädchen Ukifune hin zu einem dunkel-schwermütigen Ende. Das monumentale Werk wird so von einem in idealisierendem Realismus gehaltenen Gemälde der frivolen wie kultivierten Adelsschicht zu einem komplexen Seelenporträt dreier unglücklicher Menschen. Er zeichnet sich durch emotionale Sensibilität, durch eine einfühlsame Wahrnehmung der sozialen Umwelt und nicht zuletzt durch gefühlstiefe Naturschilderungen aus. Die Handlung erstreckt sich über fast ein Jahrhundert, umfasst mehr als 400 Charaktere, von denen jeder mit kluger psychologischer Genauigkeit gezeichnet ist, und verzweigt sich in vielschichtige plot-Stränge. Zusammengehalten wird das epochale Werk durch Murasaki Shikibus sprachliche Präzision und ihren ausgesprochen flüssigen Stil. Die Geschichte des Prinzen Genji begeistert ihre Leser bis heute, auch wenn sie im Westen erst in neuerer Zeit Anklang fand. Sie ist ohne Zweifel der bedeutendste der monogatari, der klassischen japanischen Romane, und machte Murasaki Shikibu zu einer der ganz Großen der Erzählliteratur.