Kitabı oku: «Häuser des Jahres 2021», sayfa 4
Das Haus am See
Anerkennungen
von Thomas Kröger Architekten GmbH
in Wandlitz, Barnim
Den Bau einer Kirche vermuteten die Nachbarn während der Bauzeit. Heute ist die Villa Lebensraum für eine Familie und Wallfahrtsort für Architekten.
Der Barnim ist eine eiszeitlich gebildete Hochfläche und eine historische Landschaft im mittleren und nordöstlichen Brandenburg. Bis zum starken Wachstum Berlins im ausgehenden 19. Jahrhundert war der Barnim nur dünn besiedelt. Das änderte sich 1901 mit der Einweihung der Eisenbahnlinie Berlin-Groß Schönebeck – der sogenannten Heidekrautbahn –, an deren Strecke auch Wandlitz liegt. Damals entstanden dort Landhäuser und Villen, später zog es Erich und Margot Honecker, Egon Krenz oder Walter Ulbricht an den Wandlitzer See. Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude von 1928 im Stil der Neuen Sachlichkeit stammt vom Architekten Wilhelm Wagner. Heute verbindet zudem die Bundesstraße 109 mit dem 25 Kilometer entfernten Berliner Stadtzentrum.
Glücklich, wer hier 1800 Quadratmeter Grund besitzt, in einem Wäldchen aus hochaufragenden Kiefern am See. Glücklich auch, wer die eigenwilligen Häuser in der Uckermark aus dem Berliner Büro von Thomas Kröger kennt, von denen viele mit Preisen und Auszeichnungen auch in den Häusern des Jahres prämiert wurden, und ihn für den Auftrag, ein Einfamilienhaus zu entwerfen, begeistern kann. Denn, so der Architekt, „am meisten reizt das Grundstück. Bei nahezu allen Häusern, die wir bauen konnten, gibt es diese besonderen Qualitäten im Naturraum. Wichtig dabei ist uns, dass die Grundstücke innerhalb eines gewachsenen baulichen Rahmens liegen. Ansonsten betrachten wir den Einfamilienhausneubau eher kritisch. Insbesondere problematisch sind Neubaugebiete, die die Ortskerne ausfasern lassen. Hier sind Konzepte gefordert, die Ortschaften baulich zukunftsfähig und interessant machen.“
So großartig das Grundstück auch liegt, so herausfordernd war es, das schlanke Baufeld mit dem Baurecht und dem geforderten Raumprogramm stimmig zu entwickeln. Zum Ufer des Wandlitzer Sees öffnet sich das aus einfachen geometrischen Formen zusammengesetzte Haus, zum Wald hin gibt es sich geschlossen. Die Organisation der Grundrisse erfolgt über Split-Level: Als hohe Halle öffnet sich im Erdgeschoss der Wohnbereich in den Garten, Kochen und Speisen laden aufgrund der niedrigeren Geschoss- und Raumhöhe zum intimeren Zusammensein. Die nächste Ebene ist den Eltern vorbehalten, ein halbes Geschoss höher liegt der Gäste-, Arbeits- und Kinderbereich. Sauna und Bad öffnen sich auf die Dachterrassenlandschaft, die von Kiefernkronen beschirmt wird. Etwas tiefer als der Wohnraum wird die Villa erschlossen, eine Stufe führt zu Garderobe, Gästebad und Werkraum.
Urteil der Jury
von Peter Cachola Schmal
Das Haus am Wandlitzsee ist trickreich. Die Bilder sind markant, die Stimmung entspannt und die Materialität kultiviert und gekonnt, der See liegt nah und das Haus scheint in angenehmer Entfernung dazu mit einem höherliegenden Steg verbunden zu sein. Es passt. Allerdings deuten die Grundrisse auf ein ganz anderes, viel dynamischeres Geschehen hin. Da schwingt eine S-Kurve von außen über den Esstisch und die Küche in die eingelassene 70er-Jahre Sitzlandschaft und wieder nach draußen zum See. Eine andere Bewegung führt mittels Split-Level nach oben, auch dort eine Kurvenfahrt zu den privaten Zimmern und auf die Dachterrasse, das Ganze wiederholt sich im Untergeschoss zum Werkraum. Denkt man Abbildungen und Grundrisse zusammen, wird einem ganz schwindlig. Welch Wandel an Perspektiven tut sich da auf – welch spannende räumliche Achsen! Eine einfache Kombination an Volumen baut eine sehr ausgereifte räumliche Inszenierung auf, mit einer wohltuend ruhigen Farbpalette an Wand, Boden und Decken. Man muss sich die Bewohner als sehr zufriedene Zeitgenossen vorstellen, die das Glück hatten, auf ein Architekturbüro gestoßen zu sein, das ihre Bedürfnisse erahnen und umsetzen konnte. Wie heißt es so passend im Lied „Haus am See“ von Peter Fox? „Alle komm’n vorbei, ich brauch’ nie rauszugehen.“
Wie eine Lichtung liegt die große, auf zwei Ebenen verteilte Dachterrasse im Kiefernwald.
Die Räume bestehen aus einfachen geometrischen Körpern. Die Apsis des Hauses nimmt im Erdgeschoss die Küche auf, darüber liegt das Elternbad. Tageslicht fällt von oben durch ein kreisrundes Dachfenster.
„Die Bauherren sind eine große Freude!“, erinnert sich Thomas Kröger. „Das gemeinsame Planen und Bauen hat uns durch Hochs und Tiefs gehen lassen und am Ende gab’s ein Fest mit allen Beteiligten. So soll es sein! Die Reaktionen der Nachbarn während der Bauzeit waren ganz unterschiedlich, aber immer voller Neugier. Bis zur Kirche wurde alles Mögliche spekuliert. Im letzten Jahr durften unsere Bauherren sogar das traditionelle See-Tischtennis-Turnier austragen und sind damit auch offiziell angekommen.“
Das Untergeschoss ist aufgrund der Seenähe als Wanne aus WU-Beton ausgeführt, die Obergeschosse sind aus Holz konstruiert. Das Treppenhaus im Inneren sowie der an der Nordwand markant nach außen tretende Kamin aus Sichtbeton steifen aus. Die Fassade besteht aus sibirischer Lärche.
Querschnitt
Längsschnitt
Grundriss Dachgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Untergeschoss
Material/Hersteller: Außenwand & Fassade: Mocopinus, Lärchenschalung Lignosil Verano, Holzlasur: Keim | Ausführende Firma: BDP Baudenkmalpflege Prenzlau | Bodenbeläge & Designböden: Fliesen Bäder: Serie Loop Jasba | Bad, Sanitär & Armaturen: Badkeramik Ceramica Flaminia, Mini App WC und Mono Waschtisch, Bette Bettelux Oval Silhouette, Badarmaturen: Vola HV1, FS1 | Beleuchtung: Außenleuchten Lowie und Duell Wall Modular Lighting, Wandleuchten innen: Volem Georg Bechter Licht
Beteiligte Unternehmen: ZRS Architekten, Berlin, www.zrs.berlin/de/tragwerk-und-bauphysik | Neue Landschaftsarchitektur – Rainer Elstermann, Berlin, www.rainerelstermann.de | R. Bayer Betonstein, Blaubeuren, www.betonwerkstein.de | BDP Baudenkmalpflege, Prenzlau, www.baudenkmalpflege-prenzlau.de | Tischlerei Kathrein, Berlin, www.tischlerei-kathrein.de | Bauunternehmen Müller, Schwielowsee, www.mueller-bauunternehmen.net | Dewald & Kriesel, Prenzlau, www.dewald-kriesel.de | Fußbodentechnik Kudell, Michendorf, www.kudell.de
Maßstab
M 1:400
1Eingang
2Wohnen
3Essen
4Kochen
5Eltern
6Schlafen
7Wellness
8Dachterrasse
9Arbeiten, Werken, Gäste
„Ein Haus im Kiefernwald am See. Ein hölzernes Volumen schlank zwischen die Baumstämme gesetzt. Räume wie auf Ästen um die Stiege gelegt. Ein luftiges Zimmer in den Baumkronen.“
Thomas Kröger Architekten GmbH,
Berlin, www.thomaskroeger.net
Anzahl der Bewohner:
3
Wohnfläche (m2):
280
Grundstücksgröße (m2):
1.800
Standort: Wandlitz, Barnim
Bauweise: Holzbau mit aussteifenden Elementen aus Beton, Keller: WU-Beton
Fertigstellung: 07/2019
Architekturfotografie:
Philipp Obkircher, Berlin
Lageplan
Das Bau-Kultur-Studio
Anerkennungen
von Ruinelli Associati AG Architetti SIA
in Castasegna (CH)
50 Quadratmeter ist die Cascina klein. Die sorgfältige und respektvolle Planung sowie die handwerklich anspruchsvolle Ausführung allerdings sind großartig und bieten dem Studierenden ein höchst ansprechendes Wohn- und Arbeits-Refugium.
Die Villa Garbald im schweizerischen Castasegna im Bergell, dem Tal, das den Kanton Graubünden mit Italien verbindet, ist Gottfried Sempers einziger Bau südlich der Alpen. Der berühmte deutsche Architekt entwarf das „italienische Landhaus“ 1862 für das Ehepaar Agostino und Johanna Garbald-Gredig, deren kinderlose Nachkommen es bis 1958 bewohnten. Seither sind Villa und der reiche kulturelle Nachlass der Familie im Besitz der Fondazione Garbald, die das Anwesen 2004 von den Architekten Miller & Maranta renovieren und durch den „Roccolo“ baulich ergänzen ließ. Heute ist die denkmalgeschützte Villa Ort für Gruppen und Gremien aus Wissenschaft, Bildung, Kultur und Wirtschaft. Zum „spirito“ des Seminarzentrums gehören zudem Kulturveranstaltungen. Im Frühjahr 2019 wurde das Ensemble nun wieder ergänzt, um ein kleines Studio Cascina auf der Wiese hinter der Villa, ein Haus, das Forschern und Künstlern für eine gewisse Zeit zum Leben und Arbeiten vermietet wird. Mit Armando Ruinelli, der sein Büro in Soglio führt, beauftragte die Stiftung für diese Bauaufgabe bewusst einen Architekten, der für seinen respektvollen und dabei sinnlich-atmosphärischen Umgang mit der Tradition bekannt und berühmt ist.
Das neue, 50 Quadratmeter kleine Gebäude – cascina heißt auf deutsch Bauernhof – ersetzt ein ehemaliges Kastaniendörrhaus, schließlich waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts die kalorienreichen Kastanien ein Grundnahrungsmittel der Bergeller Bürgerschaft. In den Dörrhäusern wurden die Erträge der größten Kastanienhaine Europas, die sich bis an die italienische Grenze ziehen, getrocknet, um sie zu konservieren oder weiter zu verarbeiten. Dass der Neubau in Lage, Volumen und Höhe dem vormals bestehenden Gebäude entspricht, ist dabei nicht nur der Bauordnung geschuldet, sondern auch bewusste Entscheidung des Architekten: Das von Dorfhäusern flankierte Studio greift die Bautradition auf und interpretiert sie zurückhaltend und doch sichtbar neu, auch handwerklich. Tatsächlich „von Hand“ wurden der raue Außenputz, die Stampfbeton-Wände, der Mörtelboden im Erdgeschoss und auf der Treppe oder auch die Türen und Fenster, die schlichten Möbel und die überaus feinen Verkleidungen aus Kastanienholz gearbeitet. Die Lampen entwarf Armando Ruinelli aus Industriebronze, das Keramikwaschbecken stammt von einer einheimischen Künstlerin.
Urteil der Jury
von Ulrich Nolting
„Das Ergebnis einer Architektur, bei der man die Sorgfalt der Ausführung und die Stimmung der Materialien wahrnimmt, ein Bau, der den Besucher emotional einbindet.“ Mit diesem Zitat beschreibt Armando Ruinelli von Ruinelli Associati Architetti das Gebäude mit dem Namen Studio Cascine Garbald in dem kleinen Dorf Castasegna im Schweizer Kanton Graubünden.
Das Gebäude ist ein Wiederaufbau eines bereits bestehenden Gebäudes. Die Auflage war es, diesen Wiederaufbau am selben Ort, im gleichen Volumen und in derselben Höhe zu realisieren. Rein äußerlich ist das neue Gebäude daher eingebettet in die ursprüngliche Dorfstruktur und orientiert sich optisch an den bestehenden alten Gebäuden des Dorfes und deren regionaler Bautradition, mit Blick auf Form, Farbe und Materialität. Ein kleines Steinhaus also samt dem für Graubünden üblichen Dach mit Steinplatten aus Gneis.
Ein besonderes Erlebnis erwartet die Bewohner und die Besucher, wenn sie das Haus betreten. Die vorherrschenden Materialien sind Stampfbeton und Holz. Die Räume strahlen eine wohltuende Klarheit und gleichzeitig eine sinnliche und schlichte Eleganz aus. Der Stampfbeton scheint sich zum Markenzeichen von Ruinelli zu entwickeln, kam dieser bereits bei seinem 2009 fertiggestellten Umbau eines ehemaligen Stallgebäudes zu einem Ferienhaus im Nachbardorf Soglio zum Einsatz.
Man spürt bei dem Gebäude und bei den Innenräumen, welcher Wert auf Präzision und gute Handwerksarbeit gelegt wurde. Alles wurde „von Hand“ gemacht: der raue Außenputz, die Stampfbeton-Wände, die Verarbeitung von Kastanienholz für Decken, Möbel und Fenster und die Einrichtungen wie Lampen oder das Keramikwaschbecken, das von einer einheimischen Künstlerin entworfen wurde. Eine Architektur ganz im Sinne des Eingangszitats des Architekten und natürlich der Jury.
Der Familiennachlass der Stiftung umfasst die Literatur von Mutter Johanna Garbald-Gredig (alias Silvia Andrea), das fotografische Werk von Sohn Andrea Garbald, die Familienbibliothek sowie die von Gottfried Semper erbaute Villa Garbald samt Erweiterung durch die Architekten Miller & Maranta. Mit der Cascina von Ruinelli Associati ist das Ensemble nun baukulturell noch einmal gewachsen.
Das Dach ist mit Gneis belegt, die Fenster, Türen und Verkleidungen wurden aus Kastanienholz gefertigt und erinnern an die ursprüngliche Nutzung des Vorgängerbaus: das Dörren der Kastanien aus den angrenzenden Kastanienhainen.
Stimmungsvolles Home-Office auf Zeit: Das kleine Haus, das an Forscher und Künstler vermietet wird, liegt hinter dem Gebäudekomplex der Villa Garbald. Es ersetzt an gleicher Stelle, mit gleichem Volumen und gleicher Höhe ein ehemaliges Kastaniendörrhaus.
Die Lampen aus Industriebronze wurden nach Entwürfen Armando Ruinellis handgefertigt. In Serie gegangen sind sie leider noch nicht.
Kontemplation und Konzentration suchen die Bewohner des Studios Cascina Garbald. Sie bekommen zudem: Räume, die alle Sinne ansprechen und Emotionen auslösen.
Längsschnitt
Querschnitt
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Material/Hersteller: Dach: Gneiss | Fenster: Kastanienholz massiv | Sonnenschutz & Sichtschutz: Rollos, Silent glas | Bodenbeläge & Designböden: Mörtelboden, handgefertigt | Bad, Sanitär & Armaturen: Keramikwaschbecken, handgefertigt von einer ein heimischen Künstlerin | Armaturen: Vola | Beleuchtung: Lampen aus Industrie-Bronze, handgefertigt nach Zeichnung des Architekten | Küche & Küchenarmaturen: Kastanienholz und warmgewalztes Stahlblech nach Zeichnung des Architekten, Küchengeräte V-Zug | Innenwandgestaltung: Stampfbeton, handgefertigt
Beteiligte Unternehmen: Ganzoni AG, Vicosoprano (CH)
Maßstab
M 1:200
1Eingang
2Kochen, Essen, Wohnen
3Lager
4Schlafen
5Bad
6Ankleide
„Das Ergebnis ist eine Architektur, bei der man die Sorgfalt der Ausführung und die Stimmung der Materialien wahrnimmt, ein Raum, der den Besucher emotional einbindet.“
Armando Ruinelli
Ruinelli Associati AG Architetti SIA,
Soglio (CH)
Anzahl der Bewohner:
1
Wohnfläche (m2):
50
Grundstücksgröße (m2):
100
Standort: Castasegna (CH)
Bauweise: Massivbau
Baukosten: 500.000 CHF
Fertigstellung: 05/2019
Architekturfotografie:
Marcello Mariana, Morbegno (I)
Lageplan
Die Charta von Luzern-Nord
Anerkennungen
von Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten ETH/BSA/SIA GmbH
in Emmen (CH)
Lange Arbeitswege kann sich das Paar sparen: Wand an Wand wurde ihr Haus an ihre Gewerbehalle gebaut. Der vermeintlich unattraktive Standort bietet unschlagbare Vorteile, das Haus räumlichen Luxus.
Natürlich hätten sie sich ein Grundstück im Grünen kaufen können, eine hochpreisige Wohnung in der Stadt oder ein trendiges Loft. Bezahlt hätten sie das allerdings mit weiten Wegen zu ihrem Arbeitsplatz und im Zweifelsfall auch mit einer dichten Nachbarschaft, die zur falschen Zeit grillt und sich über Musik im geselligen Kreis von Familie und Freunden nach Mitternacht beschwert. Ganz abgesehen von der Frage nach dem Flächenverbrauch und der Nachhaltigkeit eines solchen Vorhabens. Warum also nicht einfach mal wirklich radikal denken? Warum also nicht einfach ein Haus bauen, das nicht nur wenig Fläche verbraucht, sondern auch noch direkt neben dem Arbeitsplatz liegt? Heute hat das Bauherrenpaar abends und am Wochenende die filmreife Szenerie im Gewerbegebiet von Emmen, einem Vorort im Norden von Luzern, die „Emmenbronx“, wie Architekt Christoph Steiger die Agglomeration nennt, ganz für sich allein. Und das in einem Haus, dessen räumlicher Reichtum seinen Bewohnern alle Wohnwünsche erfüllt.
Dabei stand für den Bau des Wohnhauses nur ein schmaler Teil des Grundstücks zwischen den Werkhallen zur Verfügung. Das Gewerbegebiet war den Luzerner Architekten Niklaus Graber und Christoph Steiger gut bekannt: Sie hatten die Gewerbeliegenschaft für die Bauherrschaft vor dem Kauf bewertet. Jahre später kam es dann zum Auftrag für das angrenzende Wohnhaus. Um die Bauzeit kurz zu halten, entschieden sich Graber & Steiger für eine Holzelementbauweise. Ruhig, gelassen und unspektakulär fügt sich das viergeschossige Gebäude ins heterogene Quartier. Eine aus sägerohen Brettern gefügte „Rinde“ öffnet sich je nach gewünschtem Ein- und Ausblick: Richtung Norden und Süden lassen großformatige Bandfenster und ein Balkon den Blick über das Gewerbegebiet und darüber hinaus zu, an den Längsseiten sorgen drehbare Holzlamellen für die natürliche Belichtung und Belüftung der Innenräume. Die optische und akustische „Lautstärke“ der Umgebung im Gebäudeinnern wird somit, so die Architekten, nicht als Störfaktor empfunden, sondern als Hintergrund, der dem Empfinden entsprechend reguliert werden kann.
Smarte Haustechnik brauchen die Nutzer ebenso wenig wie teure Materialien. Der Luxus dieses Hauses ergibt sich aus der abwechslungsreichen Raumchoreographie, die sich über eine einläufige Treppe erschließt. Der großzügige Wohnbereich im zweiten Obergeschoss öffnet sich hoch bis unters flache Walmdach, das von sechs Oberlichtern durchbrochen wird. Die Spindeltreppe verbindet mit der Galerie, die Dachöffnungen mit dem Himmel.
Urteil der Jury
von Roland Merz
Das Einfamilienhaus ist eine Wohnform, die in der räumlich beschränkten Schweiz mehr in der Diskussion steht als anderswo und doch für viele nach wie vor ein großer Wohntraum ist. Umwelt- und Landschützer bewerten den Landverschleiß im kleinen Alpenland nicht wirklich als positiv. In der Architekturszene ist dieses Thema seit einiger Zeit angekommen, und man ist auf der Suche nach überzeugenden Möglichkeiten.
Eine wohltuend erfrischende Lösung hat das Schweizer Architekturbüro Graber & Steiger verwirklicht. In einer konventionellen Gewerbezone vor den Toren der Stadt Luzern haben die Architekten auf einem sehr schmalen Grundstück den vielgepriesenen Traum von Wohnen und Arbeiten in unmittelbarer Nähe in die Tat umgesetzt.
Niklaus Graber und Christoph Steiger haben ein architektonisch überzeugendes Wohnhaus entworfen, welches im Innern trotz kleinem Budget überraschende, räumliche Qualitäten aufweist. „Das Raumerlebnis liegt in diesem Wohnhaus nicht in horizontal messbaren Quadratmeterzahlen, sondern in der gefühlten Großzügigkeit der Vertikalität“, so die Architekten. Ruhig, gelassen und unspektakulär steht das dreistöckige Gebäude, welches in Holzelementbauweise errichtet wurde, in diesem heterogenen Quartier und verströmt „die charmante Direktheit einer Gewerbebaute“. Graber & Steiger haben beim Fassadenkonzept trotz der engen Platzverhältnisse und der „rohen und lauten“ Umgebung nicht auf Abschottung gesetzt. „Das dialogische Verhältnis zur Nachbarschaft führt dazu, dass der neue Baustein im Industriequartier trotz seiner nutzungsbedingten Andersartigkeit nicht als Eindringling, sondern als gleichberechtigter Mitspieler wahrgenommen wird“, umschreiben die Luzerner Architekten ihr Projekt. Und am Abend, wenn die Arbeiter und ihre Maschinen in den umliegenden Gewerbebauten verstummt sind, gehört die filmreife Szenerie ganz alleine den neuen Bewohnern – und sie können genüsslich das Leben preisen.
Die Charta von Athen forderte 1933 die räumliche Trennung von Wohnen, Freizeit, Arbeiten und Verkehr. Heute diskutieren Architekten über Verdichtung, Umnutzung, Bauen im Bestand. Das Wohnhaus im Gewerbegebiet zeigt, dass die Verbindung von Wohnen und Arbeiten Zukunft hat.
Das Low-Cost- und Low-Tech-Projekt in einer als unwirtlichgeltenden Umgebung reduziert nicht nur den Weg zwischen Arbeits- und Wohnort auf null. Die radikal nachhaltige Pionierleistung der Bauherrschaft zeigt auch, dass bisher unbeachtete Allerweltsquartiere richtige und qualitätvolle Orte für eine gut durchmischte Verdichtung sein können.
Der Baukörper ist kompakt und reiht sich bescheiden ein in das heterogene Gewerbegebiet. Die innenräumliche Opulenz sorgt jedoch für unterschiedliche Stimmungen. Dabei kommt das Haus ganz ohne teure Materialien oder aufwendige Haustechnik aus. „Der Bau von Einfamilienhäusern ist schon an und für sich gesellschafts- und umweltpolitisch problematisch. So ist es für uns eine große Herausforderung und auch ein drängendes Anliegen, bei der Realisierung eines Einfamilienhauses nebst den Interessen der Bauherrschaft auch die Anliegen der Allgemeinheit im Auge zu behalten. Im vorliegenden Fall konnten wir Felder bearbeiten, die bei herkömmlichen Einfamilienhäusern oft außen vorgelassen werden. Die Verdichtung und die Weiterentwicklung von Bestehendem, das synergetische Vereinen von Wohnen und Arbeiten machen das Projekt im ganzheitlichen Sinne nachhaltig.“ — Christoph Steiger
Das Projekt liegt in einer Zone, die für gewerbliche und industrielle Nutzungen vorgesehen ist. Wohnnutzungen sind nur dann erlaubt, wenn sie für die Betriebsinhaber und für betrieblich an den Standort gebundenes Personal erstellt werden. Die Gebäudestruktur musste dementsprechend so gewählt werden, dass bei einem Wegzug der Bauherrschaft auch eine gewerbliche Nutzung des Gebäudes möglich ist.
Querschnitt
Längsschnitt
Grundriss Galerie
Grundriss 2. Obergeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Beteiligte Unternehmen: schaerholzbau ag, Altbüren (CH), www.schaerholzbau.ch
Maßstab
M 1:200
1Eingang
2Garage
3WC
4Schlafen
5Bad
6Kochen, Essen, Wohnen
7Wohnen
„Wir operieren an der Schnittstelle zwischen den Interessen der Bauherrschaft und den Anliegen der Allgemeinheit. Der Entwurf eines privaten Eigenheims ist immer auch im Licht öffentlicher Interessen zu denken.“
Niklaus Graber & Christoph Steiger
Architekten ETH/BSA/SIA GmbH,
Luzern (CH)
Anzahl der Bewohner:
2
Wohnfläche (m2):
158
Grundstücksgröße (m2):
84,5
Standort: Emmen (CH)
Bauweise: Holzbau
Fertigstellung: 2020
Architekturfotografie:
Dominique M. Wehrli, Dietikon (CH)
www.atelierwehrli.ch Archiv Graber Steiger
Lageplan
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.