Kitabı oku: «Halbe-Halbe, einmal und immer», sayfa 5
11 – In dem Lokal
schlug Sophie ein köstlicher Duft entgegen, und es war anheimelnd warm. Die fünfzehn oder zwanzig Minuten zwischen ihrem Eintreten und dem Moment, in dem eine vor Hitze noch brutzelnde Pizza vor ihr auf den Tisch gestellt wurde, bedeuteten für sie Folter. Es war später Nachmittag, und sie hatte seit dem Kaffee und dem Croissant am Morgen nichts gegessen. Der allgegenwärtige Essensgeruch steigerte ihren Hunger zu blanker Gier. Sie wurde unruhig, spielte mit dem Besteck, scharrte mit den Füßen und blickte immer wieder in Richtung der Küche. Trenck war nach der Bestellung zunächst verschwunden, um sich auf der Toilette ein wenig ansehnlicher zu machen und um Cora einen Napf Wasser in das überheizte Auto zu bringen. Als er zurückkehrte, trug er nicht mehr den schmutzigen Kapuzenpullover, sondern nur noch ein Jeanshemd zu seinen Arbeitshosen. Er bemerkte Sophies Verfassung.
»So schlimm?«, fragte er.
»Ja.« Mein Gott bin ich leicht zu durchschauen, dachte sie. Aber egal. Ich habe Hunger. Das muss mir nicht peinlich sein. Der Zimmermann ist ein netter Kerl. Dem ist es gleich, wie dick der Hintern einer Zufallsbekanntschaft ist und wie viel sie noch draufpackt.
Sophie war zutiefst erleichtert, als endlich ein Teller vor sie hingestellt wurde. Sie machte sich entschlossen über die Pizza her, obwohl die zunächst noch glühend heiß war, und aß sie ohne Pause zur Hälfte auf. Dann war ihr schlimmster Hunger gestillt und sie konnte sich entspannen. Sie und Trenck sprachen nicht, bis Sophie bei einem Griff nach ihrem Glas wieder einmal seinem Blick begegnete.
»Was ist?«, sagte sie.
Er lächelte. Lächeln machte ihn nicht jungenhaft. Er lächelt wie ein Mann, dachte sie.
Sie sagte: »Beobachten Sie mich? Schmatze ich, schnaufe ich beim Essen, schlinge ich? Habe ich Käsefäden im Gesicht?«
Er lachte. »Nein. Sie essen ganz manierlich. Ich finde es schön, wie sie essen.«
»Schön?«
»Besser gesagt, ich finde es schön, endlich mal zusammen mit einer Frau zu essen, die nicht verdrossen in einem Salat stochert, den sie bestellt hat, weil sie fürchtet, von einer Portion Fritten dick zu werden.«
»Mit wem gehen Sie denn sonst essen? Mit Models?«
»Nicht mehr. Irgendwann ist mir mal aufgegangen, dass Frauen, die nichts essen, nicht nur dünn und wegen des dauernden Hungers unausstehlich schlecht gelaunt werden, sondern auch dumm.«
Sophie witterte eine Pointe und lieferte Trenck bereitwillig das Stichwort. »Wie, dumm?«
»Hirn besteht überwiegend aus Fett«, sagte er betont ernsthaft. »Wenn man länger hungert oder gewaltsam abnimmt, dann verliert man auch Hirnmasse. Menschen auf Diät verblöden innerhalb kürzester Zeit.«
Das fand Sophie witzig. Sie hob ihr Glas. »Cheers, Will Trenck«, sagte sie lachend. »Das war wirklich das Netteste, was Sie einem dicken Mädchen beim Essen erzählen konnten.«
»Cheers, Sophie Schatz. Sie sind nicht dick. Danke für die Einladung.«
Sie tranken und wandten sich wieder ihren Tellern zu. Sophie aß jetzt, halb gesättigt, weniger konzentriert, und wenn sie sicher war, dass er es nicht bemerkte, studierte sie den Mann, der ihr gegenübersaß. Da waren seine Hände, schöne Hände, die so angenehm zufassten, und seine sehnigen Unterarme. Sophie stellte ohne Begehrlichkeit fest, dass sie sie erotisch fand. Trenck aß ohne Hast. Er saß mit geradem Rücken am Tisch, eine Serviette auf dem Schoss, obwohl sie nur aus billigem Papier war und er staubige Arbeitshosen trug. Er gebrauchte sein Besteck mit den Ellenbogen am Körper, ohne die Arme auf den Tisch zu lehnen, benutzte die Serviette, bevor er trank, und fasste sein Glas am Stiel an. Das alles tat er völlig ungezwungen. Er hatte Tischmanieren, fand Sophie, die sie so bei einem Zimmermann, also bei einem gewöhnlich eher raubeinigen Typ von Mann, nicht erwartet hätte. Aber das wiederum war wohl ein Vorurteil von ihr, oder? Warum sollte ein Zimmermann keine Manieren haben?
Außerdem ist er freundlich, sogar charmant, aber nicht aufdringlich, fuhr sie in Gedanken mit der Aufzählung ihrer Beobachtungen fort. An mir als Frau ist er nicht interessiert, warum auch, aber er will mich auch nicht loswerden. Dazu hätte er schon längst Gelegenheit gehabt, und ich hätte es ihm nicht übelgenommen. Er redet nicht mehr als nötig, das ist sehr angenehm, und nicht über sich selbst – aber, na ja, wir kennen uns auch kaum, und ich habe ihn nichts gefragt. Er spricht nicht wie die anderen Leute in der Gegend, also ist er vermutlich nicht von hier. Er ist mindestens so alt wie ich, eher älter, aber anscheinend nicht verheiratet (niemand wartet mit dem Abendessen auf ihn). Aber so gut, wie der aussieht, mit Manieren, Charme und allem, hat er sicher eine Freundin.
Warum verbringt er dann seine Zeit hier mit mir?
Er ist schwul, dachte Sophie, und dann: Komm schon, Sophie Schatz, nicht alle netten, unverheirateten Männer mit Manieren sind schwul. Zimmermänner sind nicht schwul. Oder?
Irgendwann waren ihre Teller geleert und abgetragen, und sie saßen nur noch vor ihren Gläsern. Die Aussicht, dass der ereignisreiche Nachmittag mit dem netten Zimmermann bald vorüber sein würde, gefiel Sophie gar nicht. Sie überlegte, wie sich der Moment, in dem sie aufstehen und gehen mussten, noch ein wenig hinauszögern ließe. Zugleich fürchtete sie aber auch, aufdringlich zu erscheinen, Trencks Freundlichkeit und Geduld zu strapazieren. Vielleicht wollte er ja gehen, ließ es aber nicht erkennen. Aus Höflichkeit. Wegen der Manieren und so …
Versuch macht kluch, dachte Sophie und sagte: »Kaffee?« Dabei forschte sie in Trencks Gesicht nach Anzeichen von Ungeduld oder Widerwillen. Aber da war nichts – oder nichts, das sie erkennen konnte.
»Gern«, antwortete er. Er wirkte entspannt, vielleicht etwas müde. Als sie bestellt hatten, suchte Sophie nach einem Vorwand, mit dem sie eine Unterhaltung in Gang bringen und am Laufen halten konnte. Es fiel ihr nichts ein außer …
»Verstehen Sie etwas von alten Häusern, Will?« Mein Gott, bin ich lahm, dachte sie, aber zu ihrer Erleichterung ging Trenck auf die Frage ein.
»Ja und nein. Theoretisch weiß ich, wie man alte Häuser restauriert. Praktisch habe ich nur mit ihnen zu tun, wenn sie abgerissen werden.«
»Wie muss ich mir das vorstellen?«
»Ich berge das Holz, das in ihnen steckt. Erst finde ich heraus, wo ein altes Haus abgerissen werden soll. Dann verhandele ich mit der Abrissfirma oder dem Bauleiter, damit ich brauchbares Holz vor dem Abriss ausbauen kann, oder mit einem Baggerfahrer, damit er es mir aus den Trümmern fischt. Das sortiere und säubere ich, und manches säge ich noch in Form oder glatt. Dann verkaufe ich es wieder.«
»Wer kauft so was?«
»Antik-Holz ist was für Liebhaber und Spezialisten. Reiche Leute, die in einem neuen Haus offen liegende Deckenbalken oder Türstürze aus dreihundert Jahre altem Eichenholz haben wollen. Kunsttischler, die antike Möbel nachbauen oder reparieren, und Restaurateure, die in historischen Gebäuden Treppen, Täfelungen oder Bibliothekseinrichtungen wiederherstellen.«
»Klingt wie ein gutes Geschäft«, sagte Sophie.
»Nicht wirklich. Manches verkauft sich, manches nicht. Manches Holz brächte richtig Geld, wenn es aufzutreiben wäre. In Ihrem Haus zum Beispiel gibt es Dielen, die sind wertvoll wie Gold.«
»Echt? Wo denn?«
»Im oberen Stockwerk.«
»Ich war nicht oben«, sagte Sophie.
Trenck legte den Kopf schief und musterte sie. »Richtig froh scheint Sie Ihr Erbe nicht zu machen«, sagte er.
»Das ist wahr. Ich habe eine Ruine geerbt. Und Schulden.«
»21.406 Euro?«
»Und 52 Cent.«
»Das ist doch nicht so viel Geld«, sagte Trenck.
»Für mich schon. Möglicherweise kommt noch was dazu, die Kosten für die Bestattung, Erbschaftssteuer, was weiß ich.«
»Ihre Erbschaftssteuer wird sich in Grenzen halten. Das Finanzamt kann das Haus in seinem jetzigen Zustand nicht hoch bewerten.«
»Immerhin etwas«, sagte Sophie. »Ich hoffe nur, ich finde einen Käufer und komme wenigstens null für null aus der Sache heraus.«
»Sicher. Hier in der Gegend sind immer Leute unterwegs, die alte Häuser billig kaufen, sie ein bisschen aufhübschen und dann reichen Berlinern teuer als Zweitwohnsitz andrehen.«
»Nett von Ihnen, dass Sie mir Mut machen, Will«, sagte Sophie.
»Gern. Wollen Sie auch noch einen Tipp von einem erfahrenen Schuldenmacher?«
»Untertauchen?«
»Ratenzahlung. Bestehen Sie beim Finanzamt und auch sonst auf Ratenzahlung. Dann können Sie Steuern und Schulden in bequemen kleinen Raten aus ihren laufenden Einnahmen abzahlen.«
»Laufende Einnahmen?« Sophie musste lachen. «Ich bin arbeitslos, Will. Ich bekomme nicht mal Arbeitslosengeld, weil ich für eine Abfindung selbst gekündigt habe.«
»Na dann …«, sagte Trenck grinsend, »viel Glück.«
Sie lachten beide.
»Cheers, Will Trenck«, sagte Sophie und hob ihr Glas mit einem letzten Schluck Wein. »Auf Glück.«
»Cheers, Sophie Schatz. Und auf Ratenzahlung.«
Sie saßen noch eine Weile und tranken ihren Kaffee, ohne zu sprechen, denn es gab nichts mehr zu sagen, aber wenn sich ihre Blicke trafen, lächelten sie einverständig. Sophie fühlte sich gut. Sie war satt, ihr war warm, sie war in angenehmer Gesellschaft. Einen schöneren Abschluss für diesen verrückten Tag hätte sie sich nicht vorstellen können.
12 – Sophie zahlte an der Theke,
während Trenck den Wassernapf aus dem Wagen holte. Die Hündin lag im leeren Laderaum hinter den Vordersitzen des Landrovers. Sie freute sich, wieder in Gesellschaft zu sein, und klopfte mit dem Schwanz auf den Wagenboden, als Sophie und Trenck einstiegen. Sie fuhren schweigend und ohne Eile, vorbei an den Grenzposten, über die Brücke und durch die Oderniederung. Es hatte aufgehört zu schneien. Kurz bevor sie die Stadtgrenze von Küstrow erreichten, fragte er, wo er sie hinfahren solle, und Sophie bat ihn, sie an einem Taxistand abzusetzen.
Der Abschied war kurz. Keiner von beiden versuchte, ihn hinauszuzögern.
»Vielen, vielen Dank, Will. Ich weiß nicht, was ich heute ohne Sie getan hätte.«
»Ach was. Ich bin sicher, Ihnen wäre schon was eingefallen.«
Sophie raffte ihre Schultertasche an sich, langte hinüber zu Trenck und berührte ihn kurz am Oberarm als Ersatz für einen Händedruck. Dann kletterte sie aus dem Landrover. »Machen Sie es gut.«
»Sie auch, Sophie. Wenn Sie wieder mal in der Gegend sind, kommen Sie vorbei. Die nächste Pizza geht auf mich. Sie finden mich im Internet.«
»Du mach’s auch gut, Cora«, sagte Sophie zu der Hündin, die aufgestanden war und ihr zwischen den Sitzlehnen hindurch nachblickte. »Du hast echt Glück mit deinem Herrchen.«
Sie schloss die Wagentür und wandte sich ab. Hinter ihr knirschte das Getriebe des Landrovers, als ein Gang eingelegt wurde. Dann polterte er davon.
13 – Das Bad in ihrem Hotelzimmer
hatte keine Wanne. Für das nach der Pizza Zweitbeste an diesem Tag, nämlich heißes Wasser, musste Sophie unter die Dusche. Sie ließ sie so stark laufen, wie es der mickrige Duschkopf hergab, so heiß, wie sie es gerade noch aushielt, und so lange, bis sie gründlich aufgewärmt war. Danach cremte sie sich von Kopf bis Fuß ein. Sie zog einen anderen Pullover an, dicke Socken und eine Schlafanzugshose, drehte die Heizung ihres Zimmers voll auf und rief Jens an.
Er nahm nicht sofort ab, und er war nicht zu Hause. Das erkannte Sophie an den Hintergrundgeräuschen, als er sich endlich meldete. »Hallo Süße. Schön, dass du anrufst. Wo bist du gerade?«
»Hallo Jens. Immer noch in Brandenburg. Und du?«
»Ich sitze hier mit ein paar Kollegen.«
›Hier‹ schien eine Bar zu sein. Sophie hörte Gläser klingen und Frauenstimmen.
»Was macht deine Erbschaft?«, sagte Jens.
»Komplizierte Geschichte. Ich erzähle es dir, wenn ich wieder zurück bin. Das kann aber noch dauern. Deswegen rufe ich auch an: mein Wagen steht in einer Werkstatt, und ich weiß nicht, wie lange …«
»Was ist passiert? Unfall?«
»Nein, nein, kein Unfall. Ich bin …« …in einem Schlammloch abgesoffen, aber das musst du nicht wissen, dachte Sophie. Ich will keinen Kommentar zu meinen Fahrkünsten, und du sollst auch nicht recht behalten damit, dass du mir deinen Wagen nicht geliehen hast.
»Bist du noch dran, Süße?«
»Ja, ja. Entschuldigung, ich war abgelenkt. Es ist irgendwas mit der Elektrik. Was ich sagen wollte, war, dass ich wohl vor übermorgen Abend nicht zurück bin. Vielleicht wird es auch noch später. Kommt auf die Werkstatt an.«
»Ja, okay. Weißt du was, jetzt, wo du geerbt hast, solltest du dir endlich mal ein neues Auto kaufen.«
»Der Golf ist noch gut«, sagte Sophie.
Jens antwortete nicht. Er oder jemand anderes fummelte mit seinem Telefon herum. Für einen Moment hörte Sophie nur Klopfen und Rascheln, ein paar Wortfetzen, dann erst war Jens wieder dran.
»Hör mal, Süße, ich muss auflegen. Gibt es noch was Wichtiges?«
»Im Moment nicht, nein.«
»Dann bis später.« Er unterbrach die Verbindung so rasch, dass Sophie sich nicht verabschieden konnte. Eine Minute lang saß sie auf dem Hotelbett und starrte ihr Telefon an. Dann klappte sie ihr Notebook auf und googelte, Trenck, Antikholz und Küstrow. Sie erhielt sofort eine ganze Seite Treffer, und Trenck hatte eine Firmen-Webseite. Wilhelm Trenck, Zimmerei, Sägerei, Meisterbetrieb, las Sophie. Ihr Antikholzspezialist in Brandenburg. Großer Vorrat an Fichte und Kiefer, alle Formate, alle Altersklassen. Eichenbalken bis 5 m Länge, original handbehauen oder neu besägt, bis ca. 400 Jahre, Eichen-Gründungspfähle, 1.000 Jahre+. Linde, Birke, Birne, Kirsche, Nussbaum in kleinen Mengen und als Stammholz. Bohlen, Bretter, Dielen, Stufen, Täfelungen, min. 19. Jhdt. Preise auf Anfrage. Bei Bedarf Anlieferung. Wir reservieren und nehmen Suchaufträge an … Google Maps zeigte Sophie, dass der Betrieb im Norden Küstrows am äußersten Rand der Stadt lag. Sie speicherte seine Telefonnummer auf ihrem Handy. Eine persönliche Webseite hatte Trenck nicht, bei Facebook war er nicht angemeldet, und auch bei Twitter hatte er keinen Account. Sie schaltete ihr Notebook aus.
Es war noch früh am Abend, zu früh, um zu Bett zu gehen, und Sophie war auch noch nicht müde. Sie beschloss, sich vom Fernsehprogramm schläfrig machen zu lassen. Am einfachsten gelang ihr das gewöhnlich mit der Hilfe einer halben Flasche Wein. Den Impuls, sich aus der verboten teuren Minibar in ihrem Zimmer zu bedienen, unterdrückte sie erfolgreich – ihre Knauserigkeit half ihr dabei. Dafür musste sie dann fünf harte Minuten gegen ihre Bequemlichkeit kämpfen, bis sie sich dazu durchringen konnte, sich noch einmal anzuziehen und das Hotel zu verlassen. Sie lief zu der Tankstelle neben dem vietnamesischen Imbiss, in dem sie am Abend zuvor gegessen hatte, und kaufte eine Flasche Wasser und eine Flasche Chardonnay (mit Schraubverschluss). Zurück im Hotel und wieder in Schlafanzughose, dicken Socken und Pullover warf sie sich aufs Hotelbett, trank Wein aus einem Wasserglas und zappte durch das Fernsehprogramm. Jede der Sendungen, an die sie geriet, sah sie sich immer nur bis zur ersten Werbeunterbrechung an und schaltete dann um. Irgendwann landete sie aber bei einem alten Spielfilm aus den Achtzigern, in dem Tom Hanks und Shelley Long ein schönes altes Haus kaufen, das sich, während sie noch dabei sind einzuziehen, zunehmend zerlegt. Waschbären im Wandschrank, braune Soße aus den Wasserhähnen, eine Badewanne, die gefüllt durch die Geschossdecke bricht, eine prächtige Treppe, die sich unter Hanks’ Schritten in ihre Einzelteile auflöst … Sophie war begeistert und ertrug geduldig die Werbepausen, um den Film bis zum Ende sehen zu können. Alles wurde gut. Am Ende war das Haus repariert und ein Schmuckstück, und Hanks und Long blieben trotz einer Beziehungskrise ein Paar.
14 – Um herauszufinden,
welcher Bestatter ihre Großtante beigesetzt und bei welcher Bank sie ein Konto gehabt hatte, musste Sophie noch einmal das Heim anrufen. Nach einem Hotelfrühstück machte sie sich dann zu Fuß auf den Weg durch die Stadt. Es schneite nicht mehr, und es ging ein lebhafter Wind, der den am Vortag gefallenen Schnee wegschmolz. Der Fußmarsch durch die nassen, windigen Straßen tat Sophie gut. Sie fand das Bestattungsinstitut ohne Mühe. Der Bestatter schien erfreut über ihr Kommen.
»Unser tief empfundenes Beileid, Frau Schatz, zu Ihrem Verlust«, sagte er eingeübt, als sie ihm in seinem Büro gegenübersaß. Es roch nach welken Blumen.
»Danke.«
»Der Nachlasspfleger hat Sie uns schon angekündigt.« Der Bestatter machte Fotokopien von Sophies Personalausweis und dem Erbschein. Dann schob er ihr eine schmale silbergraue Mappe über den Schreibtisch entgegen.
»Die Sterbeurkunden für Sie.«
Sophie klappte die Mappe auf. Oben auf den Urkunden lag die Rechnung des Instituts. Die Tote war für 310 Euro und ein paar Gebühren eingeäschert worden, aber eine Beisetzung war nicht berechnet. Das konnte nur heißen … Sophie sah auf.
Der Bestatter hielt ihr eine Urne hin und sagte: »Möchten Sie vielleicht eine Tragetasche?«
Eine Minute später stand sie wieder auf der Straße. Vom Bestattungsinstitut zur Bank war es nicht weit.
Das Bankkonto der Großtante war bis auf einen symbolischen Betrag leer.
»Die Rente Ihrer Großtante«, sagte eine fitte junge Frau, die die Kontoschließung bearbeitete, den Blick fest auf ihren Bildschirm gerichtet, »ist immer an das Seniorenheim überwiesen worden. Auch das Geld von ihren Sparbüchern, als die aufgelöst wurden. Hätten wir einen Käufer für ihr Haus gefunden, wäre der Kaufpreis ebenfalls an das Heim gegangen.«
Moment, dachte Sophie. Sie sagte: »Sie haben versucht, das Haus zu verkaufen?«
»Unsere Immobilienabteilung.«
»Mit jemandem von der Abteilung möchte ich mal sprechen.«
»Gern. Ich mache Ihnen einen Termin.«
»Jetzt«, sagte Sophie. »Ich wohne fünfhundert Kilometer weit entfernt. Ich kann nicht irgendwann wiederkommen, wenn Sie einen Termin freihaben, oder so lange hier in einem Hotel warten.«
Die Immobilienabteilung der Bank bestand aus einem einzelnen Büroraum und einem Mann. Er war nicht mehr jung und auch nicht fit. Sophie konnte ihn atmen hören und roch, dass er Raucher war. Er war aber auch einer derjenigen, die ihren Kunden noch ins Gesicht sahen, wenn sie mit ihnen sprachen, und Papier umblätterten, statt eine Tastatur zu bedienen. Nach allem, was Sophie von Jens über Banken wusste, war der Mann ein Auslaufmodell. Als sie sich vorgestellt und ihr Anliegen vorgebracht hatte, suchte und fand er einen schmalen Aktenordner und studierte eine Minute lang dessen Inhalt.
»Grobitzer 210 … ja …«, sagte er dann. »Interessantes Objekt, schönes Haus. Schöne Gegend. Ich war im letzten Sommer ein paar Mal mit Interessenten da draußen. Aber keiner hat sich getraut.«
»Woran lag das?«
»Kennen Sie das Haus nicht?«
»Erst seit gestern.«
»Also … wo soll ich anfangen? Erst mal liegt das Objekt am Ende der Welt. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn das Haus wenigstens Telefon hätte. Hat es aber nicht. Mein Handy hatte da draußen auch kein Netz, aber vielleicht ist das mittlerweile ja besser geworden.«
Ist es nicht, dachte Sophie.
»Dann ist das Haus einfach zu groß, um nur darin zu wohnen, und zu klein, um es zu einem Hotel, einem Gästehaus, einer Tagungsstätte oder etwas Ähnlichem zu machen. Ein Umbau käme ohnehin nicht infrage, weil es unter Denkmalschutz steht. Das macht auch die Renovierung extra kompliziert und teuer. Sie müssen nämlich den Bau und seine Ausstattung komplett erhalten, und sich bei allem, was sie ausbessern oder ersetzen, am Originalzustand orientieren. Die Denkmalschutzbehörde nimmt es da ganz genau. Die achtet auch darauf, dass Sie Ihr Haus nicht einfach sich selbst überlassen, bis es einstürzt. Dann bekommen Sie nämlich ein sattes Bußgeld und werden schlimmstenfalls auch noch enteignet.«
Ich sitze in der Falle, dachte Sophie.
»Es gab Interessenten, die hätten das Objekt gern als Grundstück gekauft.«
»Warum? Was ist damit?«
»Es ist groß, hat mehr als einen Hektar Fläche, und die Lage auf der Anhöhe ist ausgesprochen schön. Es gab Investoren, die wollten darauf bauen, aber das geht nicht. Das Grundstück liegt in einem Landschaftsschutzgebiet und ist abwassertechnisch nicht erschlossen.«
»Abwassertechnisch …?«
»Ihr Haus hat eine Sickergrube. Das ist heute keine erlaubte Methode mehr, Abwässer zu entsorgen, aber bei alten Häusern weitab von öffentlichen Abwassersystemen wird das noch geduldet. Bestandsschutz nennt man das. Neubauten ohne Anschluss ans Abwassernetz sind unmöglich. Auf Ihrem Grundstück kann also auch nichts Neues gebaut werden.«
»Ich sitze in der Falle«, sagte Sophie, aber mehr zu sich selbst.
»Wie bitte?«
»Ach, nichts. Was mache ich denn nun mit diesem wertlosen Haus?«
»Es ist nicht grundsätzlich wertlos«, sagte der Immobilienmann. »Nur im Moment. Eigentlich ist es ein sehr schönes Haus. Wäre es bezugsfertig renoviert, könnte es …« er wiegte den Kopf hin und her: »… 200 bis 250.000 bringen. Oder sogar mehr. Die Frage ist aber, was die Renovierung kostet und ob dann noch Gewinn bleibt. Spezialfirmen, die Denkmalschutzhäuser restaurieren, sind teuer und selten.«
»Das hilft mir jetzt nicht weiter«, sagte Sophie. »Ich habe nicht die Mittel, um das Haus renovieren zu lassen. Ich habe auch nicht die Zeit, darauf zu warten, dass es mir, teuer renoviert, vielleicht, irgendwann, deutlich mehr einbringt, als das, was ich bekomme, wenn ich es jetzt gleich verkaufe, wie es ist.«
»Vorausgesetzt, Sie finden einen Käufer«, sagte der Immobilienmann.
»Finden Sie einen für mich«, sagte Sophie. »Bieten Sie das Haus noch einmal an. Billig – 22.000 Euro sind mir genug. Ich will nur nicht darauf sitzen bleiben.«
»Wir müssen schon etwas mehr verlangen«, sagte der Immobilienmann, »unsere Bank muss ja auch was verdienen. Ein Objekt, das zu einem Spottpreis weggeht, bringt uns nicht viel mehr als eines, das sich gar nicht verkauft.«
»Verlangen Sie, was Sie für richtig halten«, sagte Sophie. »Nur … verkaufen Sie es.«
Der Immobilienmann seufzte. Dann kramte er in einer Schublade seines Schreibtischs. »Das hier ist ein Vermittlungsvertrag«, sagte er und schob Sophie ein paar eng bedruckte Seiten Papier über seinen Schreibtisch zu. »Setzen Sie Ihre persönlichen Daten und die des Objekts ein, unterschreiben Sie und senden oder faxen Sie mir den Vertrag zusammen mit einem Grundbuchauszug zu.«
Einem was? Sophie sagte: »Was ist denn ein Grundbuchauszug und wo kriege ich den her?«
»Vom Grundbuchamt. Haben Sie das Grundbuch schon berichtigen lassen?«
»Ich weiß nicht einmal, was das bedeutet«, sagte Sophie.
Der Immobilienmann erklärte es ihr.
Fünf Minuten später war sie auf dem Weg zum Amtsgericht, wo sich das Grundbuchamt befand.