Kitabı oku: «Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche», sayfa 5

Yazı tipi:

Das Eingehen von Arbeitsverhältnissen auf der Grundlage von Arbeitsverträgen ist für die Kirchen also kein Tatbestand, der nicht mehr vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht umfasst und damit außerhalb der Verfassungsgarantie angesiedelt ist.200 Deshalb zählt das religionsgemeinschaftliche Dienst- und Arbeitsrecht zu den eigenen Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft, auch wenn diese privatrechtliche Arbeitsverhältnisse eingeht.201

Die Kirchen haben sich auf individualrechtlicher Ebene dazu entschieden, außerhalb des engeren, öffentlich-rechtlich geregelten Bereichs auf die privatrechtlichen Gestaltungsformen des staatlichen Rechts zur Begründung ihrer Dienstverhältnisse zurückzugreifen.202 Es findet deshalb grundsätzlich das individualrechtliche Arbeitsrecht vollumfänglich Anwendung, bei dessen Auslegung die kirchlichen Besonderheiten jedoch zu berücksichtigen und einzelne Bestimmungen gegebenenfalls einzuschränken sind. Es wird den Kirchen etwa die Möglichkeit eingeräumt, selbst zu regeln, welche Voraussetzungen ein Mitarbeiter zur Einstellung erfüllen muss. In diesem Zusammenhang führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 04.06.1985 ausdrücklich aus: „Auch im Wege des Vertragsschlusses können daher einem kirchlichen Arbeitnehmer besondere Obliegenheiten einer kirchlichen Lebensführung auferlegt werden. Werden solche Loyalitätspflichten in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er macht zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch. Beides zusammen ermöglicht es den Kirchen erst, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen. Das schließt ein, daß die Kirchen der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen konnen (vgl. BVerfGE 53, 366 (403 f.)).“203

Auch im kollektivarbeitsrechtlichen Bereich sind die kirchlichen Besonderheiten zu beachten und der Kirche eigene Wege offenzuhalten. Hier hat sie sich gegen die Übernahme des Tarifvertragsmodells entschieden und stattdessen den sog. „Dritten Weg“ eingeschlagen, bei dem das Leitbild der Dienstgemeinschaft bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung zum Ausdruck kommt.204 Zudem hat die katholische Kirche mit der Rahmen-MAVO eine eigene Mitbestimmungsordnung für den kirchlichen Bereich geschaffen.

II.Kein Verfassungsrang des Arbeitsschutzrechts

Spezifische Bedeutung des Arbeitsrechts ist es insgesamt, die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwingend zu gestalten und damit einen Rahmen für die grundsätzliche Vertragsfreiheit zu geben, um soziale Gerechtigkeit in diesen Beziehungen zu verwirklichen. Zur Herstellung dieses sozialen Interessenausgleichs hat der staatliche Gesetzgeber nicht nur Arbeitsgesetze mit zwingender Wirkung geschaffen, sondern mithilfe des Arbeitsschutzrechts auch öffentlich-rechtliche Sanktionen und ein weitverzweigtes Gefahrenschutzrecht.205 Wie bereits erläutert206 entspricht der staatliche Gesetzgeber mit letzteren Regelungen dem Sozialstaatsprinzip. Dieses gibt für sich gesehen keine unmittelbaren Rechte, sondern wird stets durch staatliche Gesetze ausgefüllt.207 Das Sozialstaatsprinzip kann somit selbst den Grundrechten und damit auch dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht keine unmittelbaren Schranken ziehen.208 Im arbeitsrechtlichem Kontext hat das Sozialstaatsprinzip ebenso nur als generelle Staatszielbestimmung oder als Auslegungskriterium Bedeutung. Insbesondere erklärt es keine konkrete Arbeitsrechtsordnung, wie etwa einen bestimmten Arbeitsschutz, als verfassungsfest.209 Dem staatlichen Gesetzgeber wird also gerade nicht eine „so und nicht anders einzulösende verfassungsrechtliche Verpflichtung vorgegeben“.210 Die auf dem Sozialstaatsprinzip basierenden Vorschriften und damit auch öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzgesetze sind deshalb nicht selbst in den Verfassungsrang erhoben. Und der Gesetzgeber wird durch die Erfüllung seiner Verantwortung auch nicht zu einer beliebigen Begrenzung des Selbstbestimmungsrechts ermächtigt.211 Ein solches Gesetz setzt der Kirchenautonomie also ebenfalls nur Schranken, wenn und soweit es zu dem für alle geltenden Gesetz im Sinne des Schrankenvorbehalts des Art. 137 Abs. 3 WRV gehört.212

III.Bindung an öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz-Vorschriften

Der staatliche Gesetzgeber erfüllt mit den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts die Sozialstaatsklausel des Art. 20 GG durch staatliches Gesetz und wirkt sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegen.213 Er setzt damit für das Arbeitsverhältnis insgesamt Grenzen, die unerlässlich sind, um die Voraussetzungen für eine rechtsgeschäftliche Ordnung herzustellen. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen sichert die Freiheit dieser innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung.214 Denn auch gegenüber den Kirchen braucht der Staat, wie jeder anderen Rechtsordnung gegenüber, ein Schrankenziehungs- bzw. Vorbehaltsrecht.215 Wie bereits erwähnt sind die Kirchen also an die „Schranken der für alle geltenden Gesetze“ gebunden, die sich grundsätzlich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie den Arbeitsschutzgesetzen finden.216 Die Kirchen sind schließlich Teil des Staatsganzen.217 Insgesamt muss ihre kirchliche Besonderheit allerdings stets Berücksichtigung finden, so dass staatliche Gesetze zur Erfüllung des Sozialstaatsprinzips auch nur insoweit im kirchlichen Bereich Geltung erlangen, als sie zu dem für alle geltenden Gesetz im Sinne des Schrankenvorbehalts gehören.

1.Staatliche Regelungen als Grenzen der Privatautonomie

Die Privatautonomie, auf deren Grundlage die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen grundsätzlich eigenverantwortlich gestalten können, besteht nur im Rahmen der geltenden Gesetze, die ihrerseits an die Grundrechte gebunden sind.218 Nach zivilrechtlichen Grundsätzen gehen die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehung zueinander eigenverantwortlich ein und setzen selbst Regelungen, weil die Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht. Allerdings kann der dem Gesetzgeber auferlegte Grundrechtsschutz es gebieten, dass gesetzliche Vorschriften sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken. Im Sozialstaat wird die vertragliche Gestaltungsfreiheit also zum Teil durch gesetzliche Regelungen überlagert und beschränkt, die ihrerseits eine soziale Schutzvorkehrung zugunsten des Arbeitnehmers bilden sollen.219 Solche Vorschriften sind zwingend nötig, um die Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Ordnung herzustellen und auch zu bewahren.220 So greifen vor allem Gesetze, die in Erfüllung des Sozialstaatsprinzips erschaffen wurden, in die gesellschaftliche Ordnung intervenierend ein.221 Idee des Sozialstaates ist es schließlich, zum Schutz aller in die Gesellschaft regulierend einzugreifen und so eine gleichberechtigte Wirtschaftslage herzustellen.222 Der Gesetzgeber ist jedoch auch bei der Schaffung solcher „Schranken“ an das Grundgesetz gebunden und damit auch an die Glaubensfreiheit, er kann also nur religionsneutrale Normen schaffen.223 Denn die grundgesetzliche Anerkennung der Kirchenautonomie lässt dem staatlichen Gesetzgeber keinen Raum, Zugriff auf die Gestaltung des kirchlichen Dienstes zu erlangen. Er muss konkurrierenden Grundrechtspositionen ausgewogen Rechnung tragen.224 Deshalb hat er auch bei der Gestaltung der sozialen Ordnung den Kirchen eigene Wege offenzuhalten, damit sie ihre verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Selbstbestimmung über Organisation und Verwaltung auch wahrnehmen können.

2.Bindung im kirchlichen Bereich

Insgesamt gehören grundsätzlich alle Gesetze, die die Grundlage der für jedermann verbindlichen öffentlichen Ordnung konstituieren, zu den potentiellen Schranken für das kirchliche Selbstbestimmungsrechts, wie etwa das Bauordnungsrecht oder das Naturschutzrecht. Bedient sich eine Religionsgemeinschaft bei dem Abschluss eines Arbeitsverhältnisses der Privatautonomie, wozu sich die Kirchen auf individualrechtlicher Ebene entschlossen haben, so findet grundsätzlich das staatliche Arbeitsrecht als „schlichte Folge einer Rechtswahl225 Anwendung226 und somit schon aus diesem Grund auch das öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzrecht als Teil des Arbeitsrechts.

Die Kirchen können aber in den „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ entsprechend Art. 137 Abs. 3 WRV den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis regeln und gestalten. Denn den Religionsgemeinschaften darf durch die Bedienung der Privatautonomie nicht der Sonderstatus genommen werden, der ihnen durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht garantiert und eingeräumt wird.227 Hier gilt ebenso: „Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indessen deren Zugehörigkeit zu den ‘eigenen Angelegenheiten‘ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das spezifisch Kirchliche, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen.“228 Somit darf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften durch die grundsätzliche Anwendung der staatlichen Arbeitsrechtsvorschriften bei der Bedienung der Privatautonomie nicht verletzt werden. Auch durch Normen, die der Sozialordnung ihre Struktur geben, kann der staatliche Gesetzgeber wegen des Schrankenvorbehalts des Art. 137 Abs. 3 WRV nicht festlegen, wie und mit wem die Kirche ihren Auftrag zu erfüllen hat. Denn auch solche Gesetze sind im religionsgemeinschaftlichen Bereich grundsätzlich nur zwingend anwendbar, wenn und soweit sie ein „für alle geltendes Gesetz“ im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG sind.229

Dadurch erhalten die Kirchen also umgekehrt auch keinen Freibrief und können sich nicht aus der staatlichen Rechtsordnung herauslösen.230 Kirchliche Einrichtungen liegen gerade nicht außerhalb der staatlichen Ordnung und unterliegen in ihren Handlungsweisen auch staatlichen Vorschriften.231 Sie sind, wie gesagt, an die „Schranken der für alle geltenden Gesetze“ gebunden. Diese konkretisieren sich grundsätzlich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie auch den Arbeitsschutzgesetzen.232 Denn die Ordnung des Wirkens der Kirche ist als Ordnung innerhalb – nicht jenseits – des gesamten Gemeinwesens zu verstehen.233 Insgesamt muss also ein Gleichgewicht geschaffen bzw. eine Abwägung vollzogen werden: Einerseits hat auch der im kirchlichen Dienst Beschäftigte Anspruch auf die Geltung der staatlichen Schutzvorschriften, andererseits ist das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu beachten.234 Anhand des Schrankenvorbehalts des Art. 137 Abs. 3 WRV ist deshalb jeweils zu prüfen, ob und inwieweit die fraglichen Vorschriften Schranke des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sein können.235 Eine solche Rechtsgüterabwägung zwischen Kirchenfreiheit und Schrankenzweck muss anhand der jeweiligen Norm erfolgen.236 So muss beispielsweise eine arbeitsrechtliche Schutznorm des Jugendarbeitsschutzes auch dann gelten, wenn bestimmte Tätigkeiten, wie etwa Betteln, bei bestimmten Religionsgemeinschaften als Religionsausübung ausgegeben werden. Das Recht auf Religionsausübung muss gegenüber dem elementaren Schutz der Jugendlichen zurücktreten.237 Letzteres ist also für alle geltendes Gesetz i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die individualrechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts legen dem Arbeitgeber häufig Pflichten über Anzeigen und Meldungen auf oder sollen unerträgliche Arbeitsbedingungen verhindern. Diesbezüglich bestehen im Allgemeinen keine Bedenken, dass diese das kirchliche Selbstbestimmungsrecht unrechtmäßig berühren könnten. Sie wirken sich auf die Erfüllung des kirchlichen Auftrags neutral aus und haben damit auch für die Kirche dieselbe Bedeutung wie für jedermann. Somit sind sie auch im kirchlichen Bereich im Allgemeinen als für alle geltendes Gesetz anzuwenden.238 Die staatlichen Schutzgesetze und Ordnungsvorschriften erfüllen das Sozialstaatsprinzip und haben das Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz aller Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten – unabhängig davon, ob es ein kirchliches Arbeitsverhältnis ist oder nicht.239 Wie schon erläutert relativiert zwar das Sozialstaatsprinzip nicht das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht240 und die Regelungen werden nicht aufgrund ihrer Erfüllung des Sozialstaatsprinzips automatisch selbst in den Verfassungsrang erhoben. Aber hinsichtlich dieser soeben erläuterten individualrechtlichen Regelungen bestehen im Allgemeinen keine Bedenken, dass sie die Kirche in ihrem Selbstbestimmungsrecht unverhältnismäßig berühren würden. Durch sie werden also auch im kirchlichen Bereich beispielsweise willkürliche Anforderungen an die Loyalität der Arbeitnehmer in jedem Fall vermieden.241 Es entspricht zudem dem Selbstverständnis der katholischen Kirche, dass das „weltliche Arbeits- und Sozialrechts“ bei der Beschäftigung von Arbeitskräften zu beachten ist, wie dem Codex Iuris Canonici zum Kirchenvermögen in Can. 1286 CIC zu entnehmen ist.242 Das Arbeitsschutzrecht und die öffentlich-rechtlichen Sanktionen des Arbeitsschutzrechts können damit im Grundsatz – zumindest im individualrechtlichen Bereich – als für alle geltendes Gesetz eingestuft werden, das auch im kirchlichen Bereich beachtet werden muss.243 Eine Prüfung, ob und vor allem inwieweit das jeweilige Gesetz eine Schranke des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ist, muss anhand der jeweiligen Norm erfolgen.244

Im Kollisionsfall mit anderen Verfassungsvorschriften kann auch ein Ausgleich gefunden werden, indem einfachgesetzliche Arbeitsschutzvorschriften soweit dies möglich ist, verfassungskonform im Hinblick auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ausgelegt werden. Vorschriften, insbesondere im Bereich des Kündigungsschutzes, wurden in diesem Zusammenhang bereits vielfach diskutiert. Dort ging es jedoch nicht um die Modifizierung von staatlichen Bestimmungen, sondern um die Festlegung besonderer Loyalitätspflichten durch die Kirchen selbst, die bei Mißachtung kündigungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.245 Das KSchG gilt dabei als Schranke des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, jedoch ist es eine allein dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit zu bestimmen, welche besonderen Loyalitätsobliegenheiten ein Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst zu beachten hat und welche bei Mißachtung einen Kündigungsgrund darstellen.246 Hier ist also der kirchlichen Besonderheit Rechnung zu tragen und das KSchG im Licht der Wertentscheidung der verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungs-garantie zu interpretieren.247

IV.Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen im Rahmen der Durchführung von Arbeitsschutz-Vorschriften

Das Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich ist insgesamt als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche anzusehen, was mit der Mehrdimensionalität vieler rechtlicher Sachverhalte zu erklären ist. Sie können zum einen eigene Angelegenheit der Religionsgemeinschaft mit spezifisch kirchlichen Bezügen sein und zum anderen staatliche Angelegenheit, weil sie den Rechtsverkehr im weltlichen Bereich ebenfalls berühren, was zu einem Nebeneinander kirchlicher und staatlicher Zuständigkeit führt.248 Wenn man sich mit den einzelnen Gesetzen des Arbeitsschutzrechts befasst, ist festzustellen, dass diese zu ihrer Durchführung häufig die betrieblichen Interessenvertretungen hinzuziehen und diese mit entsprechenden Beteiligungsrechten ausstatten. Im Folgenden gilt es deshalb zu untersuchen, ob auch mitbestimmungsrechtliche, also kollektivarbeitsrechtliche Vorschriften im kirchlichen Bereich anzuwenden sind und für alle geltendes Gesetz i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV sein können, wie dies für die individualarbeitsrechtlichen Regelungen des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes zumindest im Grundsatz festgestellt wurde.249. Dazu wird zunächst kurz auf den Sinn und Zweck von mitbestimmungsrechtlichen Regelungen im staatlichen Bereich eingegangen und anschließend einige Arbeitsschutzgesetze benannt, in denen mitbestimmungsrechtliche Regelungen verankert sind. Die grundsätzliche Diskussion im Staatskirchenrecht zum Verhältnis des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu mitbestimmungsrechtlichen staatlichen Vorschriften wird anschließend ausführlich anhand des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) behandelt, das den überwiegenden Teil aller mitbestimmungsrechtlichen Regelungen enthält.

1.Staatliche Mitbestimmungsregelungen im Allgemeinen

a.Diskrepanz der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Die innere Struktur eines jeden Betriebes und die betriebliche Entscheidungstätigkeit berühren jeweils das Interesse des Arbeitgebers als auch das der Arbeitnehmer. Letztere werden durch Entscheidungen, die beispielsweise die betriebliche Ordnung oder die Arbeitsplatzgestaltung angehen, direkt betroffen. Sie wollen ihr Arbeitsleben als wichtigen Teil ihres gesamten gesellschaftlichen Lebens zumindest mitgestalten und wichtige Entscheidungen mitbeeinflussen können.250 Der Arbeitgeber als Träger des jeweiligen Unternehmens ist für diese Entscheidungen zuständig und regelt den Betriebsablauf in seinem Interesse.251 Die Interessen beider Parteien sind dabei zumeist gegensätzlich.

Die abhängig Beschäftigten können sich hinsichtlich der betrieblichen Struktur und ihrer gewünschten Mitbestimmung auf Rechtswerte, wie den Arbeitsplatzbestandsschutz und die Förderung der beruflichen Entwicklung, berufen. Diese Rechtswerte wiederum weisen einen Grundrechtsbezug zu der Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, dem Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG und dem Recht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG auf.252 Im Gegensatz dazu können sich Arbeitgeber privater Wirtschaftsbetriebe bei ihrer eigenständigen Regelung des Betriebsablaufs auf ihr Alleinentscheidungsrecht aufgrund der Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie der privatrechtlichen Sachherrschaft nach Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 2 GG berufen.253 Die Interessen der abhängig Beschäftigten und die genannten Rechtswerte mit Grundrechtsbezug kollidieren also auf der Seite der Arbeitgeber mit den Grundrechten der Privatautonomie und der privatrechtlichen Sachherrschaft. Öffentlich-rechtliche Dienstgeber können sich hingegen auf keinerlei Grundrechte berufen, weil sie als Dienstgeber einer öffentlichen Einrichtung staatliche Aufgaben erfüllen und somit keine Grundrechtsträger sind.254 Allerdings müssen ihre Entscheidungen dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG entsprechen, so dass eine Kollision hier zwischen den Grundrechten, auf die sich die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beziehen, und dem Demokratieprinzip eintreten kann.255

b.Staatliche Regelung der betrieblichen Mitbestimmung aufgrund staatlicher Wertentscheidung

Der staatliche Gesetzgeber hat mit den Gesetzen zur Mitbestimmung der abhängig Beschäftigten eine Wertentscheidung hinsichtlich der konkurrierenden Interessen beider Parteien gefällt. Da es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmern und Betriebsrat um ein grundrechtsrelevantes Gebiet gem. der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 9 Abs. 3 GG handelt, trifft ihn zumindest eine Schutzpflicht hinsichtlich dieser Grundrechte, auch wenn er keinem konkreten Verfassungsauftrag zur Bildung des BetrVG unterliegt.256 Er hat sich mit der Bildung der staatlichen Regelungen dazu entschlossen, die Interessen und Ansprüche der Arbeitnehmer und der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu schützen, weil diese erwerbswirtschaftlich und damit in ihrer ganzen Lebensführung von ihrer beruflichen Tätigkeit abhängig sind. Sie sind insoweit als sozial schutzbedürftig einzustufen.257 Zwar beruht der zustande gekommene Arbeitsvertrag meist auf dem Prinzip der Privatautonomie und ist somit als freier Vertrag zwischen zwei gleichberechtigten Vertragsparteien zu bewerten. Allerdings genügt die Vertragsfreiheit in der Regel gerade nicht, um einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen beider Vertragsparteien herzustellen.258 Ähnliches wurde im Grunde bereits für das SGB IX als Gesetz des sozialen Arbeitsschutzes festgestellt, mit dessen Hilfe der staatliche Gesetzgeber soziale Gerechtigkeit für alle Bürger schaffen will und deshalb regulierend in die Privatrechtsgestaltung eingreift, weil eine Integration allein mit staatlichen Einrichtungen und Mitteln des öffentlichen Rechts im Arbeitsleben nicht möglich ist.259 Hier vermögen es die Arbeitnehmer meist nicht, ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber ausreichend stark zu vertreten, um die bereits beschriebene Diskrepanz der Interessen im Vertrag auszugleichen. Auch nach Abschluss des Vertrages besteht mithin die besondere Schutzbedürftigkeit der abhängig Beschäftigten weiter, weil der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber schon allein in finanzieller Hinsicht abhängig ist, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und außerdem in beruflicher Hinsicht, weil er vom Arbeitgeber weisungsabhängig ist.260

Diese Abhängigkeit will der staatliche Gesetzgeber in Betrieben der Privatwirtschaft beispielsweise durch institutionelle Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungen ausgleichen.261 Das sog. „arbeitsrechtliche Schutzprinzip“ kann als Ausdruck der Verwirklichung der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit angesehen werden.262 Denn die „Grundidee“ des Arbeitsrechts ist es, dem Schutz des Menschen durch Wahrung und Förderung seiner Würde, Freiheit, Persönlichkeit und körperlicher Unversehrtheit im Arbeitsleben zu dienen, indem es die angewandten Arbeitsbedingungen vorgibt.263 Die staatlichen Gesetze über die betriebliche Mitbestimmung tragen insofern dem Menschenwürdeprinzip und dem Recht auf Persönlichkeitsentfaltung Rechnung.264

Auch das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG fordert eine Berücksichtigung der sozialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer.265 Die Gesetze über die betriebliche Mitbestimmung sind somit ebenso als Ausformung dieser Staatszielbestimmung zu werten, die den Staat verpflichtet, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen.266 Der staatliche Gesetzgeber soll die Lebensverhältnisse der sich in seinem Staatsgebiet befindlichen Personen durch Regelungen sichern, so dass diese sozialen Maßstäben genügen, wie dies auch etwa Ziel des SGB IX für die schwerbehinderten Menschen ist. Die Ordnung der Gesellschaft soll nach dem Gerechtigkeitsprinzip erfolgen.267 Da es sich bei dem Sozialstaatsprinzip um kein subjektives Recht handelt, sondern ihm lediglich Handlungsanweisungen innewohnen, enthält es auch keine konkreten Vorgaben über die Ausgestaltung der sozialen Ordnung. In der Ausgestaltung der Sozialordnung ist der Gesetzgeber allerdings trotz fehlender Vorgaben nicht völlig frei, denn das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 07.02.1990268 festgestellt, dass eine Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips gerade nicht erreicht werde, wenn trotz unterschiedlicher Interessenlage bei Arbeitgeber und Arbeitnehmern der Arbeitgeber einseitig die Arbeitsbedingungen vorgeben könne. Es genüge dann nicht, einen Ausgleich mit Hilfe des Vertragsrechts zu suchen, sondern der Staat müsse gesetzliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer erlassen. Inwieweit solche Ungleichgewichtslagen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern jedoch so schwer wiegen, dass die Vertragsfreiheit durch staatliche Regelungen begrenzt oder ergänzt werden muss, ist verfassungsrechtlich nicht geregelt. Jedenfalls soll dies aber der Fall sein bei „offensichtlichen Fehlentwicklungen269, also einer gravierenden Schieflage zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen in sowohl sozialen als auch wirtschaftlichen Angelegenheiten.

Mitbestimmungsrechte sorgen letztlich für eine Förderung der Eigenverantwortung und Unabhängigkeit der Arbeitnehmer und abhängig Beschäftigten und „mildern so die Schattenseite abhängiger Beschäftigungsverhältnisse.“270 Sie sind als Ausformung des Sozialstaatsprinzips zu verstehen, weil der staatliche Gesetzgeber vorbeugend regelnd tätig geworden ist, um auf betrieblicher Ebene eine soziale und wirtschaftliche Schieflage von vornherein zu vermeiden. Denn diese wäre mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung einer gerechten Sozialordnung nicht vereinbar.271 Auch das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, das mit dem Sozialstaatsprinzip eng verbunden ist, wird durch die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer auf betrieblicher Ebene verwirklicht, weil sie als innerbetriebliche Demokratisierung zu werten sind.272

2.Mitbestimmungsrechtliche Regelungen in staatlichen Arbeitsschutz-Vorschriften

Die betriebliche Mitbestimmung wurde durch den staatlichen Gesetzgeber zum überwiegenden Teil im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verankert. Grundgesetzlich sind keine Gewährleistungen von Interessenvertretungen und damit entsprechende Mindestvorgaben an die Mitbestimmung von Arbeitnehmern auf betrieblicher Ebene geregelt, wie dies noch in Art 165 Abs. 2 WRV der Fall gewesen ist.273 Wie soeben erläutert, hat sich der staatliche Gesetzgeber aber auf betrieblicher Ebene dazu entschlossen, dem Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung zu tragen und hat deshalb Gesetze über die Arbeitnehmermitbestimmung geschaffen, die die Interessen der abhängig Beschäftigten stützen.

Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen sind aber nicht nur im BetrVG bzw. dem Personalvertretungsgesetz verankert, sondern auch in einer Vielzahl anderer staatlicher Gesetze.274 Auch das öffentlichrechtliche Arbeitsschutzrecht enthält neben individualrechtlichen Vorschriften kollektivrechtliche Regelungen mit Beteiligungsrechten für die jeweilige Interessenvertretung. Dazu zählen beispielsweise § 10 Abs. 2 S. 3 ArbSchG, §§ 9 Abs. 2 und 3 ASiG oder auch §§ 84 Abs. 2, 95 Abs. 2 SGB IX. Sie dienen dazu, die Durchführung und Ausfüllung der Regelungen des Arbeitsschutzes im Interesse der Arbeitnehmerschaft zu gestalten. Während individualrechtliche Regelungen im Grundsatz auch im kirchlichen Bereich ein für alle geltendes Gesetz darstellen, gilt es nun zu untersuchen, ob auch mitbestimmungsrechtliche Vorschriften im kirchlichen Bereich als solche Anwendung finden müssen.

3.Veranschaulichung des Verhältnisses mitbestimmungsrechtlicher staatlicher Regelungen zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht anhand des BetrVG

Wie soeben erläutert sind Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen im staatlichen Recht zum überwiegenden Teil im BetrVG selbst geregelt, wenn auch nicht ausschließlich dort, sondern auch im SGB IX und anderen Arbeitsschutzvorschriften.275 Das Verhältnis solcher Regelungen zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht wird aufgrund dieses Überwiegens im Folgenden exemplarisch anhand der geschichtlichen Entwicklung und dem Diskussionsverlauf zur Anwendbarkeit des BetrVG im kirchlichen Bereich untersucht. Im nächsten Kapitel werden dann die anhand des BetrVG gefundenen Ergebnisse im Zusammenhang mit dem SGB IX und seinen mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften gesehen bzw. Konsequenzen für die Behandlung dieser Vorschriften im kirchlichen Bereich erörtert.

a.Geschichtliche Entwicklung

[1.]Weimarer Republik

In der Weimarer Verfassung wurden 1919 erstmals Arbeiterräte konstituiert. Das Betriebsrätegesetz von 1920 (BRG), der Vorläufer des heutigen BetrVG, regelte dann die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats für alle Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechts.276 Es war also auch im Bereich des öffentlichen Dienstes anzuwenden, wozu nach damaliger Literaturansicht auch die kirchlichen Verwaltungen zählten. Betriebe im Sinne des § 9 BRG waren demnach auch „auf Gewinnerzielung gerichtete[n] Unternehmen des Reichs und der Länder, der Gemeinden und aller öffentlichen Körperschaften, so z.B. [den] staatliche[n] Bergwerke[n], kommunale[n] Elektrizitätswerke[n], kirchliche[n] Güterverwaltungen, auch die nicht wirtschaftlichen Verwaltungen, alle Dienststellen, Zeugämter, Finanzämter usw.“277 Es waren also in den Geltungsbereich des Gesetzes nach wie vor die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit einbezogen, obwohl in der Weimarer Verfassung ein Jahr zuvor die Kirchenautonomie gesetzlich verankert worden war. Ob also das BRG in diesem Zusammenhang verfassungsgemäß war, erscheint zumindest fraglich.278 Zwar wurden die Kirchen nach § 67 BRG zu den Betrieben gezählt, „die politischen, gewerkschaftlichen, militärischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ähnlichen Bestrebungen dienen“, also zu den Tendenzbetrieben, was aber wiederum zeigt, dass das Gesetz sie nicht in ihrer Besonderheit als Kirche wahrnimmt.279 Trotz dieser Missachtung der garantierten Kirchenautonomie kam es allerdings zu keiner Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat, weil das Betriebsrätegesetz im kirchlichen Bereich ohnehin nicht durchgeführt werden musste mangels Erfüllung der Voraussetzungen.280 De facto wurde die Nichtanwendbarkeit des Betriebsrätegesetzes nämlich ohnehin zu einem Großteil über die Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs in § 10 Abs. 2 BRG erreicht. Dieser nimmt in seiner Nr. 1 die öffentlichen Beamten und Beamtenanwärter sowie die in Nr. 2 beschriebenen „Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerbe dient, sondern mehr durch Rücksichten der körperlichen Heilung, der Wiedereingewöhnung, der sittlichen Besserung oder Erziehung oder durch Beweggründe charitativer, religiöser, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art bestimmt wird“, von der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gesetzes aus. Darunter fallen zum einen Priester, Geistliche und sonstige Kirchenbeamte sowie zum anderen Ordensangehörige, die einer karitativen und erzieherischen Tätigkeit in Pflege- oder Erziehungsanstalten nachgingen, welche insgesamt den weitaus überwiegenden Teil aller kirchlichen Bediensteten einnahmen. Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes spielten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen aufgrund ihrer damals noch geringen Anzahl ohnehin nur eine zu vernachlässigende Rolle.281 Selbst wenn einmal die objektiven Voraussetzungen für die Wahl eines Betriebsrats in einer Einrichtung erfüllt gewesen sein sollten, so fehlte zur Durchführung einer solchen Wahl die notwendige Initiative der kirchlichen Arbeitnehmer oder – geber.282