Kitabı oku: «Pine Ridge statt Pina Colada», sayfa 6

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Schlaflos

Völlig übermüdet und schlecht gelaunt schmiss Sannah am nächsten Morgen die Kaffeemaschine an. Ihr limbisches System hatte die halbe Nacht eine wilde Hormon-Cocktail-Party in ihrem Oberstübchen gefeiert und lag jetzt verkatert im Bett. Nachdem die Bässe ihres Herzschlags leiser geworden waren, weil sich schon die Nachbarn beschwert hatten, war ein Gewitter aufgezogen und hatte sie mit Blitz und Donner wieder aus dem Schlaf gerissen. Mutter Natur hatte sich in jeder Hinsicht gegen sie verschworen.

Sie goss sich einen Kaffee ein, nahm ein Stück kalte Pizza und schlurfte auf die Veranda. Draußen roch es nach feuchter Erde und wildem Salbei. Die Vögel wetteiferten nach dem Regen mit ihrem Gesang. Sannah genoss die Ruhe, die sie längst wie ein Zauber in ihren Bann gezogen hatte. Dunstschwaden waberten über die Weiden und ließen die Pferde im fahlen Licht des Morgens wie Geister aus einer längst vergangenen Zeit erscheinen. Tautropfen glitzerten wie Edelsteine in ein paar Spinnennetzen unter dem Dach der Veranda. Sannah schloss die Augen und atmete die klare Luft und den wunderbaren Duft ein, den der Regen hinterlassen hatte. Wenn das Leben doch nur immer so sein könnte wie in diesem Moment.

Ein Poltern auf der Treppe holte sie zurück in die Realität. Einen Augenblick später ließ sich Josh neben ihr auf die Bank fallen und inhalierte seinen Kaffee.

„Wie viele Löffel knallst du da immer rein?“, brummte er schlaftrunken. „Da fliegt einem ja das Hirn aus dem Schädel.“

Sannah hatte, genau wie Josh, die Augen geschlossen und grinste schadenfroh. Zufrieden darüber, dass in seinem Oberstübchen auch nicht alles zum Besten stand. Auch wenn es nur ein Loch in der Decke war.

„Das, was ihr hier Kaffee nennt, serviert man in Europa bestenfalls im Altenheim“, hielt sie dagegen.

Josh registrierte die Übellaunigkeit in ihrem Tonfall, den er bislang noch nicht von ihr kannte.

„Den Morgenmuffel habe ich abonniert, der steht dir nicht zu!“, stellte er trocken fest und döste weiter vor sich hin.

Sannah war nicht gewillt, sich von Josh das Muffeln verbieten zu lassen, schließlich war er der Grund für ihre Schlaflosigkeit gewesen.

„Lieb sein!“, rüffelte sie drohend. „Sonst gibt es Cornflakes statt Pfannkuchen!“

Josh warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu, wog Pro und Contra ab und sein Magen gab schließlich klein bei.

„Für Pfannkuchen darfst du auch ein bisschen muffeln“, gestand er ihr zu.

„Geht doch!“, meinte sie lakonisch. Sie dösten noch eine Weile schweigend, als Joshs Magen knurrend gegen den Schlendrian protestierte.

„Ich geh ja schon“, murrte Sannah im Halbschlaf und stand auf.

„Geht doch!“, sagte Josh schmunzelnd. Er machte wieder keinerlei Anstalten sie durchzulassen.

Sannah versuchte es erneut mit dem Zauberwort: „Inajin ye!“

Daraufhin legte Josh beide Füße auf den Tisch und sah sie herausfordernd an. Sie schenkte ihm ein betörendes Lächeln, legte die Hände auf seine Schultern und schwang ein Bein rittlings über ihn. Der Ausschnitt ihres Shirts war gefährlich nah vor seinem Gesicht, als sie sich zu ihm herunterbeugte und verführerisch schnurrte: „Ich verzeihe dir.“

Sie sah, wie er die Luft anhielt. Dann schwang sie das andere Bein über ihn und verschwand in der Küche. Er hatte es so gewollt, sollte ihm doch zur Abwechslung auch mal heiß werden.

Josh blieb zum Abkühlen draußen sitzen. Er brauchte eine Weile, bis er Atmung, Herzschlag und Blutdruck wieder unter Kontrolle hatte. Die kleine Klapperschlange hatte ohne Vorwarnung zugebissen, und ihr Gift brannte wie Feuer in seinen Adern. Er hatte sie ein bisschen aufziehen wollen, als er gemerkt hatte, dass er sie nervös machte. Schließlich war er auch nur ein Mann aus Fleisch und Blut und stellte zu seinem eigenen Erstaunen fest, dass er nicht vergessen hatte, wie man Spielchen spielte. Aber er hatte sie unterschätzt. Sie war kein junges Mädchen, das nur rot wurde, wenn man mit ihr flirtete. Sie war eine Frau, mit der man tunlichst keine Spielchen spielen sollte, wollte man sich nicht die Finger verbrennen. Nun hatte sie ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen und ihm einen Satz heiße Ohren verpasst. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er war sich nicht sicher, ob er dieses gefährliche Spiel weiter spielen sollte, und so legte sich das Raubtier, das Sannah geweckt hatte, auf die Lauer und harrte der Dinge, die da kommen würden.

Erst als das Frühstück fertig war, traute sich Josh in die Küche. Er ließ sich die Pfannkuchen mit Ahornsirup schmecken, während Sannah leise vor sich hin schmunzelte.

Seine Reaktion war auch ihr nicht entgangen. Was wohl ein männliches limbisches System im Oberstübchen so machte? ‚Wahrscheinlich das Loch in der Decke mit Brettern vernageln‘, dachte sie.

Mit vollem Magen hatte Josh dann wieder Oberwasser. „Wenn du weiter so kochst, werde ich den Frauenraub in die Tat umsetzten und dich einfach hierbehalten. Alte Traditionen sollte man pflegen“, zog er sie breit grinsend auf. Es machte ihm, trotz der heißen Ohren, einfach zu viel Spaß, sie auf die Schippe zu nehmen.

„Das würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen!“, warnte sie. „Dann taucht meine Sippe hier auf und schwört Blutrache.“

„Wenn du der letzte Mohikaner bist, können ja nicht allzu viele kommen“, stellte er gelassen fest.

„Die vielleicht nicht, aber Annegret, und das reicht vollkommen.“

„Wer ist Anneg…?“ Der Name überforderte ihn.

„Meine beste Freundin, und sollte sie sich gezwungen sehen, hierher zu fahren, weil du alte Traditionen aufleben lässt, wird sie dermaßen pissed off sein, dass sogar die Klapperschlangen die Taranteln in den Koffer packen und nach Kanada auswandern. Glaub mir!“ Sannah grinste, die Vorstellung von Annegret mit High Heels in der Valla Pampa war wirklich absurd.

Josh stand auf und verkündete mit stolzgeschwellter Brust: „Ein Lakota fürchtet nichts!“

Hah! Er kannte Annegret nicht. Sannah begann mit dem Abwasch, und Josh wandte sich zum Gehen.

Schon fast draußen, steckte er noch mal den Kopf zur Tür rein. „Die Jeans zum Flicken liegen auf dem Sofa“, erklärte er unverschämt und schaffte es gerade noch, dem nassen Schwamm auszuweichen, der ihm entgegenflog. Laut lachend verschwand er in Richtung Weide.

Nachmittags kamen die Kinder, teilweise zu Pferd, und einige wurden mit dem Auto gebracht. Fröhlich schnatternd scharten sie sich um Josh, der Pferde an diejenigen verteilte, die ohne gekommen waren. Sie tuschelten und warfen Sannah verstohlene Blicke zu. Neuigkeiten blieben auf der Rez auch den Kindern nicht verborgen.

Josh hatte schon damit gerechnet und stellte sie vor: „Das ist Sannah. Sie wird in den nächsten Wochen Fotos von uns machen.“

„Warum?“, wollte eines der Mädchen wissen.

„Damit ich den Leuten, die für dieses Projekt spenden, zeigen kann, was für tolle Sachen ihr hier lernt“, erklärte Sannah. „Aber nur, wenn ihr einverstanden seid“, fügte sie noch hinzu.

„Dann musst du aber mit uns reiten“, sagte einer der älteren Jungen. „Damit du auch etwas lernst.“ Er grinste verschmitzt.

Sie sah ihn fasziniert an, denn dieses Grinsen kam ihr nur allzu bekannt vor. Das schmale Gesicht, die Augen und Mundpartie, sogar die langen Haare, er sah aus wie die jüngere Ausgabe von Josh.

„Setz dich auf dein Pferd, Tyler!“, mischte Josh sich ein. „Sannah reitet bestimmt gerne mit.“

„Klar, aber ihr fangt jetzt erst einmal an, und ich mache Fotos“, antwortete sie.

Tyler nickte zufrieden und stieg auf sein Pferd. Der Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht.

„Binde deine Haare zusammen, Ty!“, ermahnte ihn Josh.

„Ich bin doch kein Mädchen!“, protestierte der Junge widerwillig.

Josh stemmte die Hände in die Hüften und streckte das Kinn vor. „Sehe ich etwa aus wie ein Mädchen?“, fragte er herausfordernd. Sannah biss sich auf die Lippen, um nicht zu lachen, und die Kinder kicherten.

„Nein“, erwiderte Tyler kleinlaut. Verlegen blickte er auf seine Schuhe.

Josh kramte in seiner Hosentasche und hielt Tyler ein Lederband hin. „Dann binde deine Mähne zusammen, oder ich flechte dir Zöpfe!“ ‚Das klang doch sehr väterlich‘, dachte Sannah irritiert. Aber das konnte nicht sein, dafür war der Junge zu alt. Er war groß, fast so groß wie sie selbst. Sie schätzte ihn auf mindestens dreizehn, eher vierzehn. Oder etwa doch?

Josh ließ die Truppe zum Aufwärmen erst einmal traben. Er achtete dabei auf den Sitz der Kinder ebenso wie auf die Haltung der Pferde. Wieder war er ruhig und bewies unendliche Geduld. Sannah lächelte, denn Josh war wirklich ein guter Lehrer. Nach dem Aufwärmen nahm er den Pferden das Zaumzeug ab. Die Kinder sollten nur durch das Verlagern ihres Gewichtes und das Drehen des Oberkörpers ihre Pferde in eine bestimme Richtung dirigieren.

„Früher mussten unsere Krieger beide Hände frei haben, um den Bogen zu spannen. Die Pferde reagierten auf die kleinste Bewegung des Oberkörpers. Dreht euch in die Richtung, in die ihr möchtet, und verlagert euer Gewicht auf diese Seite. Euer Pferd wendet dann ab“, erklärte er ihnen.

Sannah schoss fleißig Fotos, und Josh winkte sie zu sich heran.

„Bleib hier stehen, die Kids sollen um uns herumreiten“, bat er.

Sie nickte, und er stellte sich ein paar Meter weiter weg.

„Fangt erst mal im Schritt an“, rief Josh den Kindern zu. Einzeln ritten die Kinder, in Form einer Acht um sie herum. Sannah hatte Probleme, gleichzeitig zu fotografieren und dabei die Pferde im Auge zu behalten, damit sie nicht über den Haufen geritten wurde. Tyler wollte sich beweisen und ritt eine saubere Acht, inklusive Wechsel, im Galopp.

„Sehr gut, Tyler, aber ich sagte Schritt!“, rief Josh ihm zu.

Tyler grinste verwegen. Mit Zopf und auf dem galoppierenden Pferd sah er Josh noch ähnlicher, stellte Sannah fest.

Es dauerte eine Weile, bis alle Kinder diese Übung absolviert hatten, dann gab Josh ihnen das Zaumzeug zurück.

„Hast du genug Fotos für heute?“, fragte er Sannah. „Dann hab bitte ein Auge auf die Kinder, während ich dir ein Pferd hole“, meinte er, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Tut, was Sannah euch sagt!“, rief er den Kindern zu. „Sie wirft sonst mit Schwämmen!“

Die Kinder lachten, Josh zog den Kopf ein und lief in Richtung Weide. Sannah ließ die Kinder noch ein paar Runden auf dem Platz drehen und versuchte, sich an verschiedene Übungen aus ihrem eigenen Reitunterricht zu erinnern.

Als Josh wiederkam, rutschte ihr das Herz in die Hose. Er hatte die fleischgewordene Stange Dynamit am Zügel. Er hielt ihr die Zügel hin und streckte die Hand aus. „Kamera gegen Pferd?“, schlug er vor.

Sannah schluckte trocken. „Wozu der Tausch? Wenn der mit mir fertig ist, gehört dir beides“, prophezeite sie düster.

„Ich möchte ein paar Fotos von dir machen“, meinte er ruhig.

„Das ist gut, dann muss der Pathologe nicht so lange nach der Todesursache suchen“, spottete sie fatalistisch und zog vorsichtig den Sattelgurt nach.

„Vertrau mir!“, sagte er leise und legte seine Hand auf ihre. „Ich würde ihn dir nicht geben, wenn ich nicht sicher wäre, dass du das schaffst.“

Er hielt das Pferd fest, während sie behutsam aufstieg. Sie atmete tief durch und konzentrierte sich nun völlig auf die Handgranate unter ihr. Anfangs lief noch alles gut, der vierbeinige Jungspund fühlte sich unter den anderen Pferden wohl und zockelte artig hinterher. Sannah entspannte sich etwas. Josh machte Fotos und strahlte.

‚Na ja‘, dachte sie. Wenn ich das hier nicht überlebe, hat er wenigstens ein neues Hobby. Im Trab wurde es schon etwas brenzliger. Der Wallach riss wieder den Kopf hoch und fing an zu tänzeln. Sie versuchte, ruhig zu bleiben, korrigierte die Kopfhaltung und ritt weiter. Bei Josh hatte das leichter ausgesehen. Sannah bekam den Wildfang in den Griff, und Josh drückte weiter auf den Auslöser.

„Die letzten Runden im Galopp“, rief er und lehnte sich in der Ecke des Platzes an den Zaun. Bislang hatte sie das Temperament des vierbeinigen Rebellen noch zügeln können, aber als die ersten Pferde galoppierten, brach es aus ihm heraus. Er raste Runde um Runde über den Platz. Sannah stemmte sich zwischen Steigbügeln und Cantle fest und versuchte, das Pferd wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Kinder hatten sich mitsamt ihrer Pferde an der kurzen Seite des Platzes in Sicherheit gebracht. Josh blieb gelassen am Zaun stehen und hob gelegentlich die Kamera wie ein Kriegsberichterstatter im Urlaub. Sannah war mittlerweile sauer auf diesen Macho unter ihr. Sein ganzes Verhalten war nichts weiter als Imponiergehabe und Angeberei. Der Wallach war nicht bösartig, er benahm sich nur wie ein sechshundert Kilo schwerer, pubertierender Teenager. Er wollte gerade laut schnaubend und mit hoch erhobenem Kopf seine Showeinlage beenden, als sie ihn weitertrieb.

„Wenn du rennen willst, bitte! Aber ich sage, wann Schluss ist!“, sagte sie zu dem Pferd. Sie galoppierte ihn weiter, korrigierte immer wieder die Kopfhaltung und ließ ihm seine Sperenzien nicht mehr durchgehen. Irgendwann wurde er langsamer und begann sich zu benehmen. Er senkte den Kopf und gab nach. Sannah parierte durch zum Schritt und lobte ihn. Der Wallach schnaubte und kaute zufrieden auf seinem Gebiss.

Die Kinder verließen ihre Ecke und ritten auch noch ein paar Runden im Schritt mit. Tyler gesellte sich zu Sannah und meinte anerkennend: „Nicht schlecht!“

„Habe ich für heute genug gelernt?“, fragte sie ihn, völlig außer Atem.

Er nickte stumm. Sie sah rüber zu Josh, der immer noch entspannt am Zaun lehnte und lächelte. Er hängte die Kamera an den Zaunpfahl und ging in die Mitte des Platzes. „Schluss für heute“, rief er. „Samstag machen wir einen Ausritt.“ Die Kinder jubelten. Sannah stieg mit zitternden Knien vom Pferd.

Josh stand neben ihr. „Wenn alle blutigen Anfänger so gut reiten würden, wäre ich arbeitslos“, stellte er fest.

Sie lockerte den Sattelgurt. „Gut nennst du das?“, erwiderte sie. Er stemmte seine Hände links und rechts neben ihr auf den Sattel. Sie drehte sich zu ihm um und war nun gefangen zwischen seinen Armen und dem Pferd im Rücken. Er sah sie mit seinen dunklen, sanften Augen an, und ihre Knie verwandelten sich endgültig in Pudding.

„Das war sogar sehr gut“, sagte er ernsthaft.

“Warum hast du mir nicht geholfen?“, fragte sie mit einem kleinen Vorwurf in der Stimme.

Josh lächelte. „Weil du meine Hilfe nicht gebraucht hast. Du bist ganz allein mit ihm fertig geworden und mit deiner Angst. Hätte ich dir geholfen, würdest du immer noch an dir zweifeln. Diese Lektion musstest du heute lernen. Beim nächsten Mal hast du keine Angst mehr vor ihm.“

Sannah schluckte, aber er hatte recht. Seine besonnene weise Art, die Dinge zu betrachten und allem etwas Positives abzugewinnen, erstaunte sie immer wieder. Josh strahlte eine unglaubliche Ruhe aus, sie umgab ihn wie ein Energiefeld. In diesem Moment empfand sie ein tiefes Gefühl von Geborgenheit und nahm nicht mehr wahr, was um sie herum geschah. Die Kinder kicherten. Josh ließ die Arme sinken und wendete sich dem Pferd zu. Der Zauber war vorbei, das Gefühl von Geborgenheit blieb.

Nach dem Abendessen kochte sich Sannah einen Tee und setzte sich steifbeinig auf die Veranda. Nach der ungewohnten Anstrengung im Sattel fühlte sie sich wie handgeschnitzt. ‚Morgen ist das ein veritabler Muskelkater‘, dachte sie. Sie legte die Füße auf den Tisch und entspannte sich.

Josh erschien frisch rasiert und geduscht und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit in Jeans statt in Jogginghose.

„Hast du noch ein Date?“, rutschte es ihr raus.

Er lächelte sie erstaunt an, persönliche Fragen hatte sie bisher noch nie gestellt. „Wie kommst du darauf?“, fragte er amüsiert und setzte ich neben sie.

„Da, wo ich herkomme, rasieren sich die Herren der Schöpfung am Abend nur, wenn sie noch verabredet sind: außerdem trägst du eine Jeans, da dachte ich, du willst noch weg. Warum auch nicht?“, antwortete sie.

„Willst du alle schmutzigen Details wissen?“, flüsterte er verschwörerisch.

Sie nickte neugierig.

„Die Jogginghose ist in der Wäsche, und ich bin morgens zu müde zum Rasieren“, hauchte er ihr zu.

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so eine romantische Ader hast“, seufzte sie theatralisch und kicherte.

„Man tut, was man kann“, gab er schmunzelnd zurück. „Und ich hatte keine Ahnung, dass du noch schlimmer bist als unser lokaler Nachrichtendienst.“

„Reine Übungssache. Klatsch und Tratsch sind bei uns in der Klinik an der Tagesordnung, wenn ich da einen Kollegen beim Einkaufen treffe, bin ich am nächsten Tag verlobt“, spottete Sannah.

Josh lachte. „Wann ist die Hochzeit?“

Sie hob abwehrend die Hände. „Na, hoffentlich gar nicht. Einmal reicht!“, stellte sie entschlossen fest.

Josh entgleisten die Gesichtszüge. „Du bist verheiratet?“, fragte er entgeistert. Die Hemmschwelle der persönlichen Fragen war nun endgültig überwunden.

Sannah griff nach ihrer Teetasse und nahm einen Schluck. „Nicht mehr, nachdem er seine Finger nicht von anderen Frauen lassen konnte und mich krankenhausreif geschlagen hat.“

Er starrte sie fassungslos an. Sie wirkte so klein und zerbrechlich neben ihm. Es war für ihn unvorstellbar, dass ein Mann dazu imstande war, sie zu schlagen. Er verachtete Männer, die sich nicht im Griff hatten. Josh widerstand nur schwer dem Impuls, sie in den Arm zu nehmen, und knurrte stattdessen: „Dreckschwein!“ Sannah lächelte über seine indirekte Sympathiebekundung. „Du hast es erfasst!“, bestätigte sie boshaft.

Josh nahm ihr die Tasse aus der Hand und nippte an ihrem Tee. „Gar nicht mal so schlecht!“, stellte er erstaunt fest. Als sie danach griff, hielt er die Tasse mit der anderen Hand zur Seite und damit außerhalb ihrer Reichweite.

„Erst über meinen Tee die Nase rümpfen und ihn mir dann wegtrinken, ist aber nicht die feine englische Art“, protestierte sie lachend.

„Könnte daran liegen, dass ich kein Engländer bin. Ich bin Lakota, und wir teilen alles. Sogar Tee“, bemerkte er, nahm einen großen Schluck und starrte nachdenklich in die Tasse. „Als man mir mitteilte, dass du hier auftauchen würdest, habe ich ja auch die Nase gerümpft“, gestand er.

„Warum?“

„Der Name Susannah ist hier ziemlich altmodisch. Ich dachte, es käme eine Mittfünfzigerin, blond und blauäugig, die den ganzen Tag hinter mir herrennt und mich mit diesem schrecklichen Akzent nervt. Deutschland heißt bei uns Iyáschitscha makchótsche, Schlecht-Sprecher-Land“, erklärte er.

„Das passt!“, stimmte sie zu und kicherte.

„Stattdessen bist du aus dem Auto gestiegen und hast mich eines Besseren belehrt, nicht nur was den Akzent angeht. Du hast so ziemlich all meine Klischees über den Haufen geworfen. Mittlerweile gefällt es mir, dass du da bist. Daran könnte ich mich gewöhnen, genauso wie an dieses Zeug hier“, fügte er scherzhaft hinzu und leerte die Tasse.

„Danke“, sagte sie nur, gerührt über das Kompliment, das er ihr gemacht hatte. „Als du am ersten Tag auf mich zugekommen bist, wollte ich weglaufen“, gab sie zu.

Josh sah sie erstaunt an und wartete auf eine Erklärung.

„Du hast ein Gesicht gemacht, als wolltest du mich gleich fressen.

Jetzt weiß ich auch, warum“, sagte sie.

„Hatte ich auch vor“, räumte er ein und grinste hämisch. „Aber an dir ist ja nichts dran!“

„Oh, ein Feinschmecker! An mir ist genug dran!“, widersprach sie empört.

‚Das weiß ich jetzt auch‘, dachte Josh und hatte den Anblick, oder besser den Einblick, vom Morgen wieder vor Augen. Er sammelte sich für einen Moment, aber es gelang ihm nicht recht.

Er klopfte ihr auf den Oberschenkel und sagte: „Inajjn yo!“ – Steh auf! „Zeit zum Schlafengehen.“

Sannah versuchte, die Füße vom Tisch zu nehmen, und verzog schmerzhaft das Gesicht.

„Was ist?“, fragte Josh.

„Muskelkater“, jammerte sie.

Josh stand auf und hob sie einfach hoch. „Dann muss ich dich wohl ins Bett tragen“, stellte er mit einem anzüglichen Lächeln fest.

Sannah kreischte leise. „Wie gut, dass an mir nichts dran ist“, zitierte sie ihm schnippisch zu.

„Meinst du zum Tragen oder fürs Bett?“, konterte er.

Jetzt war es an ihr, rote Ohren zu bekommen. Er trug sie amüsiert die Treppe hoch und stellte sie artig vor ihrer Zimmertür ab. „Den Rest schaffst du allein“, versuchte er möglichst neutral zu sagen.

„Danke dir. Schlaf gut.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln und humpelte in ihr Zimmer.

Josh fand keinen Schlaf. Die Tatsache, dass Sannah von ihrem Ex verprügelt worden war, hatte seinen Beschützerinstinkt geweckt und machte ihn wütend. Er hatte nicht übel Lust, diesem Kerl den Hals umzudrehen. Die Tatsache, dass er wütend wurde, beunruhigte ihn wiederum. Sie war erst knappe zwei Wochen da, hatte sein Leben auf den Kopf gestellt, und überraschenderweise gefiel es ihm. Er mochte die abendlichen Gespräche auf der Veranda und die kleinen humorvollen Wortgefechte am Morgen. Sannah war so, wie er sich Chloe gewünscht hätte. Er hatte Chloe geliebt, jedenfalls dachte er das damals. Aber Chloe war ein Apple. Außen rot, innen weiß. Sie wollte ein „weißes“ Leben führen, in irgendeiner großen Stadt mit Shopping Center, Kinos und Clubs. Weit weg von alten Traditionen und dem Elend im Reservat. Sie verleugnete ihre Herkunft und ihre Familie. Chloe hasste die Pferde, die Ranch, die Ruhe und Abgeschiedenheit. Sie hatte ihn verspottet für seine Art zu leben, seine Werte, die Powwows und seine traditionellen Ansichten. Sogar für seine langen Haare. Irgendwann hatte sie ihre Sachen gepackt und war verschwunden. Und das war gut so, aber er hatte lange gebraucht, um das einzusehen.

Sannah war ganz anders. Sie liebte die Pferde, strahlte von innen heraus, wenn sie im Sattel saß. Sie genoss die Ruhe, engagierte sich für soziale Projekte und behandelte jeden mit Respekt. Von dem Geld, das sie ihm gezahlt hatte, hätte sie sich einen Luxusurlaub leisten können, stattdessen war sie hier und mistete den Stall aus. Aber auch Sannah würde wieder gehen, denn sie gehörte trotz allem ebenso wenig hierher wie Chloe.

Er wälzte sich in seinem Bett herum und fluchte. Warum geriet er immer an Klapperschlangen? Sam hatte recht. Es wurde Zeit, endlich aus dem Schneckenhaus rauszukommen. Seine selbstgewählte Einsamkeit hatte aus ihm einen Außenseiter gemacht, und es wurde langsam Zeit, sich nach einer Kornnatter umzusehen. Aber besonders reizvoll fand er diesen Gedanken nicht. Er grübelte noch lange darüber nach, was er eigentlich wollte, kam aber zu keinem Ergebnis.