Kitabı oku: «Und du bist nicht da», sayfa 7
Kapitel 19
Anna – Fast ein Jahr später
Ich sitze an meinem Schreibtisch und sehe auf mein Abschlusszeugnis der fünften Klasse. Eine Zwei. In Mathe. Trotzdem bin ich stolz. Jetzt muss mir nur noch die Matura so gelingen. Mein Vater hat zwar bei der zwei die Augenbrauen hochgezogen, aber ich glaube er war doch zufrieden. Ich bin es auf jeden Fall. Das Schuljahr ist gut gelaufen, wenn ich Matura in der Tasche habe, steht meinem Studium nichts mehr im Weg. Kunstgeschichte. Ich freue mich total darauf, auch wenn mein Vater immer noch nicht versteht wie ich jemals damit Geld verdienen werde. Nebenbei möchte ich mich noch mehr mit dem Fotografieren beschäftigen. Eine eingehende SMS lässt mich aufsehen.
Hallo Anna, du meldest dich ja überhaupt nicht…kommst du um sechs in den Eissalon? Würde mich freuen…Dominik.
Dominik Platter. Ich habe ihn im Zug kennen gelernt, er wohnt im Nachbarort und hat die ersten zwei Semester Biotechnologie hinter sich. Ich verstehe nichts davon, aber er ist nett. Wir treffen uns hin und wieder auf einen Kaffee. Nett. Ja. Wir haben uns beim letzten Treffen geküsst. Ich würde nicht sagen das es schlecht war, aber es war nicht so wie ich es mir wünsche, doch so kann es gar nicht sein. Genau dieses Gefühl wird es für mich nicht mehr geben. Julian hat sich nach dem letzten Sommer anfangs immer wieder gemeldet. Er war fix von der Idee überzeugt, dass ich nach Schottland zu ihm kommen soll. Was soll ich in Schottland? Mein Leben ist hier. Das mit Janine hatte ich ihm eigentlich so gut wie verziehen, das war nachdem er weg irgendwie leichter. Trotzdem, ich bin gerade mal achtzehn geworden realistisch genug, dass es für uns keine Zukunft gibt. Hätte es nie gegeben. Mit oder ohne Janine. Ich atme genervt durch. Ja, ich hatte ihm verziehen, bis zu dem Tag irgendwann im vergangenen Herbst, an dem ich erfuhr das Janine schwanger ist. Wenn ich daran denke wird mir immer noch heiß vor Wut. Offiziell wurde darüber zwar nie gesprochen, aber ich habe die Tratschereien im Dorf gehört und musste es mir auch zu Hause anhören. Mein Vater hat mir mehrfach erzählt, dass einer der „Engländer“ der Vater von Janines Kind sein soll. Ich weiß genau, dass er das nur tat um mich zu kränken. Auch wenn er kein Engländer, sondern Schotte ist, von da an habe ich den Kontakt abgebrochen. Ich hätte ihn fragen können, aber ich wollte es gar nicht hören, auch wenn es nur die Angst vor der Antwort war. Das Baby ist vor ein paar Tagen geborgen worden, es ist ein Mädchen. Keine Ahnung vielleicht taucht er ja bald wieder hier auf. Wenn ich daran denke, fühle ich mich ganz schrecklich. Ich will ihn nicht sehen, ich will nicht, dass er wieder hierherkommt. Ich senke meinen Blick. Ich will nicht, dass er der Vater von Janines Kind ist. Vielleicht weiß er auch gar nichts darüber, obwohl ich davon nicht ausgehe, schließlich scheint seine Familie wohlhabend und Janine ist samt ihrer Brut einfach nur berechnend und falsch. Julian ist für mich Geschichte. Er war der erste, aber das ist ja bekanntlich meistens nicht für die Ewigkeit. Ich will ihn einfach nur vergessen. Ich tippe eine Antwort an Dominik.
„Hi…Ja…Sorry…War ein ziemlicher Stress mit dem Notenschluss und so…ich sollte zwar für die Matura pauken, aber ein Getränk wird sich ausgehen. Bis dann, Anna.
Kapitel 20
Julian
Ich halte die gerichtliche Vorladung in meinen Händen und zittere dabei so vor Wut, dass ich den Wisch am liebsten in tausend Fetzen zerreißen würde. Vor vier Wochen bekam ich eine Nachricht von Janine, dass sie schwanger wäre und zwar schon sehr fortgeschritten. Mich hat fast der Schlag getroffen. Inzwischen ist das Baby geboren, es ist ein Mädchen. Ein paar Tage nach der Geburt bekam ich eine SMS mit einem Foto. Fiona. Natürlich ist das Baby süß, aber ich bin nicht bereit das einfach so locker zu akzeptieren. Es war eine Nacht an die ich keine Erinnerung habe und Janine ist nicht besonders keusch würde ich sagen. Außerdem, warum fällt ihr das erst ein paar Wochen vor der Geburt ein? Ich finde das alles äußerst seltsam, darum zweifle ich nicht nur an der Vaterschaft, sondern mittlerweile auch an dem was in der Nacht meiner Geburtstagsfeier wirklich passierte. Meine Eltern sind ziemlich angepisst, schließlich war es in meinem lockeren Leben die einzige Pflicht zumindest passend gekleidet für den Anlass zu erscheinen, was bedeutet kein Sex ohne Gummi. Diese Pflicht war und ist mir äußerst wichtig, darum nervt mich die Angelegenheit noch mehr. Die Angelegenheit. Es tut mir leid, dass ein kleines Bündel von nicht einmal vier Kilogramm jetzt Mittelpunkt einer Streitangelegenheit ist. Ja, für das Kind tut es mir leid, aber ich bin einfach nicht bereit so eine Verantwortung zu übernehmen. Ich bin nicht bereit Vater zu sein.
„Kann man das nicht von hieraus regeln?“, frage ich Mum vorsichtig, sie reagiert sehr gereizt auf dieses Thema.
Sie rührt in ihrer Tasse und sieht auf. „Wie denn?“ Sie verdreht die Augen. „Die Vaterschaft anerkennen und Unterhalt bezahlen, das geht von hieraus, alles andere wirst du mit dem Gericht klären müssen.“
Ich lasse mich auf den Stuhl neben sie sinken. „Ich kann nicht Vater sein. Nicht so.“
Mama zuckt mit den Schultern. Das einzig positive an der Sache ist, dass ich Anna besuchen könnte. Die Betonung liegt auf könnte. Sie weiß bestimmt schon von Janine, dass ich der angebliche Vater ihres Kindes bin. Sie wird ziemlich wütend sein kann ich mir vorstellen. Wir hatten lange keinen Kontakt mehr. Irgendwann hat sie nicht mehr auf meine Nachrichten und Anrufe reagiert. Anfangs war es kaum zu ertragen, inzwischen habe ich mich damit abgefunden, auch wenn sich mein Herz immer noch zusammenzieht, wenn ich an sie denke. Ich habe versucht sie zu vergessen, mich abgelenkt. Mit Lernen, Sport und anderen Bekanntschaften. Die waren alle nett. Nett. Meine Schwester meint immer, nett ist nicht mehr als ein schöneres Wort für Scheiße. Ich atme durch. Ich will eine Frau die ich liebe. Nett ist mir zu wenig. Wenn ich in mich hinein höre, weiß ich, dass ich Anna immer noch liebe. Mama steht auf und klopft mir auf die Schulter.
„Da musst du jetzt durch Julian. Dad wird dich begleiten, doch wenn der Vaterschaftstest positiv ist, musst du Verantwortung übernehmen.“ Sie lächelt. Ich senke meinen Blick. Verantwortung. Ja. Ich muss nachdenken. Über alles.
Kapitel 21
Anna
Ich öffne die Ladentür vom Fotogeschäft und lasse etwas Luft herein. Heute ist es so heiß, dass jede Luftbewegung erleichternd wirkt, zumindest für ein paar Augenblicke. Bis auf ein paar Passbilder war heute nicht viel zu tun und ich bin froh, wenn der Tag bald zu Ende ist. Seit ein paar Wochen mache ich ein Praktikum hier. Es macht mir total Spaß und ist eine willkommene Abwechslung nach dem vielen Lernen der letzten Monate. Die Matura habe ich in der Tasche. Das ist immer noch unglaublich für mich, ich habe mich wirklich angestrengt. Ausgezeichneter Erfolg – total cool. Ich reibe mir den Nacken der schon ganz feucht von der Hitze ist. Dominik will mich nach Ladenschluss abholen kommen, wir werden noch zum See fahren. Er ist wirklich ein guter Freund geworden und ich könnte mir vorstellen, dass mit etwas Zeit mehr daraus werden könnte. Er ist geduldig und verständnisvoll, das imponiert mir und ich verbringe gerne Zeit mit ihm. Ich stelle mich zwischen Tür und Angel und schließe kurz meine Augen um den Windhauch der mich umweht zu genießen. Vorhin habe ich Janine mit dem Kinderwagen vorbeifahren sehen. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Einerseits, weil sie bei der Affenhitze mit einem Baby draußen unterwegs ist und andererseits, weil sie schnell wegsah als sie mich erblickte. Wegen mir braucht sie sich nicht schämen. Es gelingt mir immer besser die Ereignisse des vergangenen Sommers zu verdrängen. Wer auch immer der Vater ihrer Tochter ist, es interessiert mich nicht mehr. Eine junge Frau steuert auf mich zu.
„Haben sie noch offen?“, fragt sie freundlich.
„Ja sicher. Kommen Sie doch herein“, lächle ich.
„Ich brauche Fotos für meinen neuen Reisepass.“
Ich nicke und schließe die Ladentür hinter uns.
Kapitel 22
Julian
Meine Hände schwitzen, auf meiner Stirn bilden sich auch langsam Schweißperlen. Das liegt nicht nur an der steirischen Hitze. Ich hatte die schwüle Wärme hier schon ganz vergessen. Ein Schweißtropfen rollt meinen Rücken hinunter, mein Hemd ist schon ganz durchnässt.
„Sei nicht so ein Schisser“, murmle ich mir vor und stelle den Motor vom Mietwagen in der Hofeinfahrt der Familie Adler ab.
Ich kremple meine Ärmel auf und wische meine Hände in meine Hose. Alles scheint ruhig. Es ist ein heißer und unglaublich sonniger Tag. Kurz erinnere ich mich an den See und daran wie ich Anna dort näher kennen lernte. Die Gedanken daran lassen meine Wundwinkel wie von selbst nach oben wandern. Ich steige aus. Das Gras der angrenzenden Wiese wiegt sich sanft im Wind, das Zirpen der Grillen rundet das Bild idyllisch ab. Mein Herz klopft. Das Auto von Annas Vater steht vor dem Haus. Mir ist ein bisschen schwindelig. Ich will ihr keine Schwierigkeiten bereiten, aber sie hat wie es scheint meinen Kontakt blockiert, darum kann ich sie nicht erreichen. Doch wenn ich schon hier bin, möchte ich sie zumindest kurz sprechen. Ein schmerzliches Gefühl steigt in mir auf, welches es mir unmöglich macht zu Schlucken. Es ist wie ein Knoten im Hals. Ich gehe auf die offene Haustür zu und bleibe unsicher davorstehen. Es riecht süß und ich höre Geräusche aus dem Haus. Nervös drücke ich auf die Klingel. Meine Hände schwitzen schon wieder.
„Ich komme schon“, höre ich eine freundliche Frauenstimme. Es ist Annas Mum. Sie kommt um die Ecke und bleibt kurz überrascht stehen als sie mich sieht. Sie wischt ihre Hände in ein rotkariertes Geschirrtuch.
„Julian…“, lächelt sie und bleibt vor mir stehen. „Servus.“
„Guten Tag“, sage ich höflich. „Tut mir leid, wenn ich störe.“
Sie zieht die Augenbrauen hoch. „Du störst nicht, ich muss nur aufpassen das mir die Erdbeermarmelade nicht überkocht. Komm doch mit in die Küche bitte.“
Ich sehe mich zögerlich um, nicke dann aber doch und folge ihr. Herr Adler scheint nicht hier zu sein. Erdbeermarmelade. Genau. So riecht es hier.
„Magst du etwas trinken?“, fragt sie mich und bietet mir einen Platz an. „Machst du wieder Urlaub hier?“
Ich schüttle ohne mich zu setzen zögerlich den Kopf. „Nein…Ich mache keinen Urlaub. Anna ist nicht zu Hause oder?“
Sie rührt im großen Topf und lächelt mich wieder an. „Nein. Sie macht ein Praktikum. Du bist so blass? Alles in Ordnung?“ Ihr Blick wechselt auf besorgt.
Mir ist wirklich nicht gut, das sage ich ihr aber nicht. „Ein Praktikum?“
„Ja im Fotogeschäft im Ort.“
Ich nicke und versuche auch zu lächeln. Fotos. Sie liebt es zu fotografieren. Frau Adler reicht mir ein Glas Wasser von dem ich einen Schluck nehme, als ich zusammenzucke.
„Gabi! Wem gehört denn der Wagen in der Einfahrt? Diese Scheiß Grazer parken sich echt überall hin.“
Das ist ER. Ich bin ein Mann. Fuck nein…Ich bin kein Mann, meine Hände beginnen zu zittern, ich stelle das Glas ab. „Ich werde dann mal besser…“
Bevor ich zu Ende sprechen kann, steht er schon in der Tür. Er sieht mich kurz wortlos an, sein Blick verändert sich bedrohlich. Dann sieht er zu seiner Frau.
„Danke für das Wasser“, stammle ich und will die Küche verlassen, doch er steht immer noch in der Tür und versperrt mir so den Weg.
„Was willst du denn hier?“, fragt er relativ ruhig.
Frau Adler will etwas sagen, doch er hebt in einer herablassenden Geste die vermutlich bedeutet, dass sie still sein soll die Hand.
„Das du dich hierher traust.“ Er schüttelt den Kopf. „Zuerst meiner Tochter die Unschuld nehmen, einer anderen ein Kind anhängen und dann einfach so mirnichtsdirnichts hier wieder auf der Matte stehen.“ Er stößt einen bedrohlichen Lacher aus. Mir ist komisch flau. Doch dann sehe ich auf und nehme allen Mut und die richtigen Worte auf Deutsch zusammen.
„Ja, ich habe ihrer Tochter die Unschuld genommen, aber ich liebe sie und ich wäre längst mit ihr zusammen, wenn Sie nicht wären. Ich habe sie mit Würde geliebt und ich tue es immer noch. Ich liebe sie von ganzem Herzen. Sie können ihr nur wehtun und sie demütigen. Was sind Sie nur für ein Mensch? Eine Frau schlagen, ihrer Tochter wehtun. Anna ist so ein tolles Mädchen. Sie sind ein mieser Feigling der sich hinter seinen Fäusten versteckt!“
Ich sehe wie sich die Hautfarbe in seinem Gesicht verändert. Darum warte ich keine Antwort ab und dränge mich an ihm vorbei. Shit. Das war nicht gut. Was rede ich denn? Ohne mich umzusehen gehe ich schnellen Schrittes zum Wagen.
„Du unverschämter Lümmel! Lass dich nie wieder hier blicken!“, schreit er mir nach. „Und wage es ja nicht Anna noch einmal anzufassen! Schau besser, dass du dich um dein Balg kümmerst!“
Ich schlage die Tür zu und lege den Retourgang ein. Er schreit mir immer noch etwas hinterher und kommt aufgebracht auf den Wagen zu. Darum sehe ich zu schnell wegzukommen. Ich blicke noch einmal in den Rückspiegel. Fuck. Das war keine gute Idee. Ich fahre vom Hof und sehe oben an der Ausfahrt hinüber zur Straße die auf den Herzog Hof führt. Ein warmes Gefühl baut sich in mir auf und diesmal ist es nicht von der Hitze und auch nicht von meiner Angst vor dem Idioten von Adler. Es ist das Gefühl von Liebe. Was ich gerade gesagt habe, hatte ich nicht geplant. Es kam wie von selbst aus meinem Mund und ich meine es genauso. Ich liebe Anna von ganzem Herzen. Es geht nicht, ich kann mich nicht damit abfinden ohne sie zu sein, es gelingt mir einfach nicht. Tausend Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Ich stelle die Klimaanlage etwas höher und öffne einen Knopf von meinem Hemd. Wie von selbst steuere ich Richtung Ort und parke in der Nähe vom Fotogeschäft. Irgendwo in meinem Hinterkopf war noch gespeichert wo es ist. Ich hoffe ihre Mutter meinte auch wirklich diesen Laden. Nervös bin ich jetzt nicht mehr, eher aufgeregt, fast ein wenig panisch. Ich steige aus und kann es nicht mehr ändern das ich verschwitzt bin, natürlich hätte ich bei einem Treffen mit Anna nach einem Jahr gerne besser ausgesehen. Aber das ist im Moment unwichtig. Ich gehe auf den Laden zu und als ich aufsehe, beginnt mein Herz zu stolpern. Sie sperrt gerade ab, mir bleibt fast das Herz bei ihrem Anblick stehen. Ihre Haare sind länger geworden, sonst sieht sie aus wie immer. Das helle Sommerkleid weht fast kitschig im warmen Wind und sie wirkt fröhlich. Einzig ein Detail stört mich, dieses Detail ist allerdings Wesentlich und bringt meine Vorstellung sie wieder zu sehen durcheinander. Neben ihr steht ein junger Mann. Ein gutaussehender junger Mann. Sie unterhalten sich und lachen. Könnte ihr Freund sein. So vertraut wie sie wirken, wäre das auf jeden Fall schlüssig. Ich halte kurz die Luft an und bin einen Moment unsicher was ich jetzt tun soll. Umdrehen und fahren wäre eine Option. Doch da blickt sie auf und sieht mich. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich. Fast als würde ihr das Lachen gefrieren. Mein Gesichtsausdruck entspannt sich komischerweise aber. Ich lächle und als sich unsere Blicke treffen, tut sie es plötzlich auch. Ein wenig Anspannung fällt von mir ab, aber mein Magen zieht sich nervös zusammen. Wie von selbst gehe ich wieder los. Sie sagt etwas zum vermeintlichen Freund, der sieht mich kurz an, nicht erfreut wie mir scheint. Dann nickt er und geht rechts über den Platz. Anna kommt weiter auf mich zu. Mein Herz springt gleich aus meiner Brust. Was soll ich denn jetzt tun? Sie umarmen? Sie küssen? Etwas sagen, etwas fragen? Ich beschließe tief Luft zu holen, da steht sie auch schon vor mir.
„Hi Anna“, sage ich und lächle wieder.
„Hallo Julian“, erwidert sie meinen Gruß.
Sie hält einen Sicherheitsabstand zu mir ein, keine Ahnung ob ich den durchbrechen soll, auch wenn ich sie so gerne umarmen würde.
„Du bist also doch der Vater“, sagt sie leise.
Ich kratze mich nervös am Hals. „Nein…Also, ich weiß nicht…“, stammle ich.
„Was Janine und dich betrifft weißt du nie viel kommt mir vor.“ Ihr Tonfall klingt leicht vorwurfsvoll, obwohl sie ja eigentlich Recht hat. Ich nicke und zucke mit den Schultern.
„Es gibt eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft. Ich bin nicht der einzige der in Frage kommt, das weiß ich allerdings auch erst seit heute Früh. Der Test wird zeigen wer wirklich der Vater von dem Baby ist. Inzwischen zweifle ich an der ganzen Geschichte, ich glaube es ist nie etwas passiert in der Nacht damals. Ich schätze, sie hat meinen Zustand ausgenutzt und gehofft ich würde die Vaterschaft gleich anerkennen.“ Ich senke meinen Blick. „Aber das ist jetzt auch egal. Wenn ich der Vater sein sollte, werde ich für das Kind sorgen.“
Sie sieht mich nachdenklich an, bevor sie etwas sagen kann, fahre ich fort.
„Jetzt gerade bin ich aber wegen dir hier.“
„Das ist eine ganz schöne Anschuldigung“, meint sie nachdenklich.
„Wie gesagt, ich bin nicht in der Lage das zu klären, es wird alles kommen wie es muss.“ Ich lächle noch einmal. „Geht es dir gut?“
Sie nickt ohne mich richtig anzusehen, das fühlt sich nicht gut an.
„Ja, Danke. Ich habe die Matura geschafft und im Herbst fange ich an zu studieren.“
Ich sehe sie bestätigend an. „Habe ich nie daran gezweifelt, dass du das alles schaffst. Bestimmt auch mit sehr guten Noten.“
„Passt schon. Ich bin zufrieden.“ Wieder senkt sie ihren Blick.
„Anna…Es ist so schön dich wieder zu sehen.“ Ich versuche nach ihrer Hand zu greifen, doch sie weicht verunsichert zurück. Das versetzt mir einen Stich direkt in die Brust. Ich versuche es anders. „Gehen wir einen Kaffee trinken? Ich könnte einen gebrauchen.“
Sie sieht auf, direkt in meine Augen. „Nein…Ich bin verabredet…Tut mir leid, ich kann das nicht.“
Ihre Stimme ist leise, fast bedrückt. Ich glaube sogar, sie meint nicht ernst was sie da sagt, oder ich will es einfach nicht akzeptieren und schon gar nicht verstehen.
„Komm schon Anna…Wir haben uns fast ein Jahr nicht gesehen. Ein Kaffee, sonst nichts.“
Sie schüttelt den Kopf. „Ich muss jetzt wirklich los.“ Sie atmet durch, was meine Vermutung, dass sie es nicht so meint bestärkt. „Mach´s gut.“
Dann dreht sie sich um und geht in die gleiche Richtung wie ihr Begleiter von vorhin. Shit. Ich sehe ihr perplex hinterher, fast bringe ich kein Wort heraus.
„Anna…“, rufe ich ihr nach, doch sie reagiert nicht darauf. „Komm schon…Das kannst du nicht so meinen.“
Sie dreht sich noch einmal für einen Moment um und zuckt mit den Schultern, dann verschwindet sie in der Nebenstraße. Das halte ich nicht aus. Was soll denn das? Ich bin versucht ihr hinterher zu laufen, doch ich habe das Gefühl es wird nichts helfen. Es ist ein Schock. Plötzlich tut mir alles weh. Ich würde am liebsten weinen. Komplett niedergeschlagen gehe ich zurück zum Wagen. Ich bin so enttäuscht, dass es keine Worte gibt die meinen Zustand beschreiben könnten. Im Auto ist es drückend heiß.
„Shit…“, murmle ich, jetzt rollt mir doch eine Träne über die Wange. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich wische sie schnell weg. Langsam fahre ich durch den Ort hinaus auf die Bundesstraße. Ich kann es nicht glauben, sie will nicht einmal mit mir sprechen.
„Was ist nur los mit dir Anna?“, frage ich mich leise und will nicht verstehen was gerade passiert ist.
Kapitel 23
Anna
Ich bleibe in der Seitenstraße stehen und schnappe nach Luft. Mir ist so heiß, dass ich kurz vor dem Verglühen bin. Ich lehne mich an die kühle Hauswand und schließe kurz meine Augen. Wie gut er aussieht, immer noch, und sein Lächeln. Hatte er immer schon so schöne Zähne und wie toll ihm das weiße Hemd steht. Ich reiße meine Augen auf und sehe auf die Pflastersteine am Boden. Stopp. Es ist vorbei. Ich habe das sehr gut gemacht. Woher wusste er überhaupt wo ich bin? Meine Hände zittern immer noch, aber ich denke ich habe mir meinen Zustand nicht anmerken lassen. Der ist nämlich ganz anders als ich mich präsentierte. Mein Herz klopft und mein Hals fühlt sich zugeschwollen an. Ich versuche meine Atmung zu normalisieren. Und seine Augen…Es reicht. Aus. Ich gehe jetzt zu Dominik, er wartet bestimmt schon drüben bei der Bäckerei auf mich. Langsam sammle ich mich und verlasse die kleine Gasse. Als ich auf den befahrenen Hauptplatz gehe höre ich meinen Namen.
„Anna! Komm sofort her!“
Ich sehe auf. Es ist mein Vater. Was will er denn? Reicht es heute nicht langsam? Ich gehe auf ihn zu und mit jedem Schritt bekomme ich ein schlechteres Gefühl. Eine komische Panik steigt in mir auf. Sein Kopf ist hochrot.
„Hallo…“, stammle ich als er schon auf mich zukommt. Er packt mich ohne etwas zu sagen am Arm und zerrt mich zur Beifahrerseite.
„Was ist denn?“, frage ich vorsichtig.
„Was ist?! Du kommst jetzt mit nach Hause, aber sofort!“, schreit er mich an.
„Warum denn, was ist los?“
Er verstärkt den Druck seiner Hand und sieht mich bedrohlich an. „Es wird gleich etwas los sein.“
„Aber mein Fahrrad…“, stammle ich noch, als er auch schon die Wagentür mit Schwung zuschlägt, was mich zusammenzucken lässt. Vielleicht hat er Julian gesehen und ist deshalb so wütend. Ich lege den Sicherheitsgurt an und verhalte mich ruhig. Nervös bin ich trotzdem, ich sehe auf meine Hände. Er fährt los. Ich würde gerne noch einmal fragen, warum ich jetzt mit ihm nach Hause fahren muss, aber ich traue mich nicht. Er sagt auch nichts, aber er ist außer sich vor Wut, das merke ich am Fahrstil und an der Art wie er atmet. Hin und wieder sehe ich aus dem Augenwinkel zu ihm. Als er in der Hofeinfahrt anhält steige ich schnell aus. Er auch.
„Nicht so schnell Fräulein“, ruft er mir nach als ich schon im Flur stehe. Mir fällt ein, dass Mama heute beim Klöppelkurs ist, trotzdem versuche ich etwas Belangloses zu sagen, keine Ahnung warum.
„Wo ist denn Mama?“
Eine Antwort auf meine Frage bekomme ich nicht, dafür eine Ohrfeige direkt auf die linke Wange. Eine die richtig einfährt. Keine Ahnung warum und eigentlich mache ich das nie, aber heute raste ich deshalb fast aus. Vermutlich weil Mama nicht da ist und ich mir keine Sorgen machen muss, dass er auf sie losgeht.
„Sag mal bist du wahnsinnig? Was habe ich denn getan?“, schreie ich ihn an.
Er stößt einen höhnischen Lacher aus, gefolgt vor einem weiteren Schlag direkt ins Gesicht, dann zerrt er mich an meinen Haaren in die Küche.
„Da hat er gestanden! Genau da! Rotzfrech hat er mir ins Gesicht gelacht, dieser Taugenichts!“
„Wer denn?“, frage ich und versuche mich von seiner Hand die immer noch an meinen Haaren reißt zu befreien, doch er lässt nicht los. Er dreht den Haarschopf so fest zusammen, dass mir schon die ganze Kopfhaut spannt und ich gezwungen bin, meinen Kopf in den Nacken zu legen.
„Du hast es mit ihm getrieben! Du bist so ein Miststück, eine Hure! Wie kannst du mir und deiner Mutter sowas nur antun! Alle werden reden! Alle!“
Langsam wird es mir klar. Julian war hier. Scheiße. Ich schnappe nach Luft, doch da lässt er mich los und schlägt erneut auf mich ein. Ich stolpere zurück und sehe ihn kopfschüttelnd an.
„Weißt du warum alle reden? Weißt du das? Weil du ein Schwein bist! Ein verdammtes Arschloch!“ Ich zucke vor meinen eigenen Worten zusammen und kann nicht glauben was ich gerade gesagt habe. „Sie reden nicht wegen mir und auch nicht wegen Mama und wenn, dann sagen sie nur wie leid wir ihnen tun!“ Sein Brustkorb baut sich vor mir auf. Ich kenne diese Körperhaltung. Darum schließe ich vorsorglich meine Augen. Es sind noch ein paar Schläge, aber es tut in Anbetracht dessen was ich gesagt habe nicht mehr so weh. Ich bin stolz auf mich. Auch wenn jetzt meine Nase blutet.
„Das wirst du bereuen Anna“, sagt er leise und voller Wut.
Ich sehe auf und grinse. „Nein, das werde ich nicht. Ich bin achtzehn. Du kannst mich hier nicht einsperren.“
„Was willst du denn machen? Wovon wirst du leben? Von mir bekommst du nicht einen Cent wenn du dieses Haus verlässt!“, droht er mir.
Wieder lache ich auf. „Ich brauche nichts von dir, lieber gehe ich zum Billa als Kassiererin arbeiten oder putze das Scheißhaus auf dem öffentlichen Parkplatz!“ Ich stoße wutentbrannt Luft aus. „Aber eines rate ich dir, lass Mama in Ruhe, sonst wirst du deines miesen Lebens nicht mehr froh.“ Dann drängle ich mich an ihm vorbei und laufe nach oben. Ich verschließe meine Zimmertür und lasse mich aufs Bett sinken. Vorsichtig greife ich unter meine Nase und sehe auf meine blutigen Finger. Habe ich das wirklich gerade gesagt? Ich warte was passiert. Nichts. Dann höre ich ihn vom Hof fahren. Ich gehe ins Badezimmer und sehe in den Spiegel. Egal. Das war es wert. Ich wasche mein Gesicht und plötzlich fühle ich mich als würde man mir einen Stöpsel herausziehen. Alles platzt aus mir heraus, ich weine bitterlich. Die Tränen schmerzen auf den wunden Stellen unter meinen Augen. Schluchzend ziehe ich mein Handy aus der Tasche. Dominik hat angerufen. Ich schnappe mir meine Tasche, laufe in die Küche und schreibe einen Zettel für Mama.
Mach dir keine Sorgen. Ich melde mich bei dir. Kuss Anna
Dahinter ein kleines Herz. Dann gehe ich in den Schuppen und nehme Mamas altes Fahrrad heraus. Es hat fast keine Luft im Reifen und ist ziemlich rostig, ich glaube die Bremsen machen es auch nicht wirklich, aber das ist mir jetzt egal. Ich radle so schnell es geht zum Bahnhof, wo ich mich nach dem nächsten Zug der in ein paar Minuten ankommt umsehe. Ich stelle mich in den Schatten und ziehe mein Handy heraus. Meine Hände zittern immer noch. Ich suche nach Julians Kontakt und gehe auf „blockieren aufheben“. Dann drücke ich auf anrufen. Zum Glück klingelt es. Es läutet lange. Meine Hände zittern noch mehr und ich bin nicht sicher ob ich überhaupt ein Wort herausbringe, wenn er abnimmt. Doch da höre ich seine Stimme, die Anspannung lässt etwas nach.
„Anna?“ Seine Stimme klingt überrascht und ungläubig.
„Wo bist du? In Graz?“, frage ich leise.
Es ist kurz still. „Ja…Was ist denn? Du klingst seltsam.“
„Welches Hotel?“ Ich bekomme kaum noch ein Wort heraus.
„Schlossberghotel. Sag mir jetzt was los ist Anna…“
Ich drücke ihn weg und atme panisch ein und aus. Der Zug fährt ein. Ich steige ein und lasse mich auf einen Platz fallen. Ich kann einfach nicht mehr.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.