Kitabı oku: «Kind des Lichtes», sayfa 5
„Komm, mein Kind, du musst hungrig sein und mein Neffe ist schon ganz verrückt vor Sehnsucht nach dir.“ Mit seinen Worten zauberte er ihr ein süßes Lächeln ins Gesicht und er dachte bei sich,
wenn die Götter mich über Nacht nur verjüngen könnten, Raven hätte eine ernsthafte Konkurrenz um ihre Gunst. Doch dann sah er den Blick, mit dem sie seinen Neffen ansah und begriff, dass sie wegen keinem Mann seines Volkes, egal ob jung oder alt, ihre Entscheidung überdenken würde.
Sie gehörten zueinander, egal, was die alten Legenden sagten.
Er brachte sie zur Tafel, übergab sie an Raven, nicht ohne dem leise zu bekunden, dass dieser mit offenem Mund einem gähnenden Schaf glich. Dann klatsche er laut in deine mächtigen Hände und rief dann, breit grinsend, dass jene, die jetzt noch nicht an der Tafel weilten wohl hungrig ins Bett müssten. Daraufhin begann das üppige Festmahl und die Speisen wurden der Reihe nach Aufgetragen. Alina war etwas verwirrt wegen der Vielfalt und dem ganzen Silberzeug, Essgeschirr, wie Raven ihr leise sagte. Das meiste kannte sie nicht und sie schaute während des ganzen Essens immer wieder zu Raven und tat es ihm gleich. Das Mahl dauerte lang und war sehr umfangreich. Angefangen von Fasan, über Schwein bis zum Rind, sowie viel Obst und Gemüse, eben alles, was der Stall und der frühe Garten jetzt schon hergaben. Männer wie Frauen unterhielten sich vergnügt und es wurde viel gelacht und gescherzt. Doch auch das längste Essen nimmt irgendwann ein Ende und so begab es sich, dass sich die Gesellschaft anschließend geschlossen und gesättigt ins Jagdzimmer begab.
Das Jagdzimmer war ein ebenfalls großer Raum, aber durch die ganzen Felle, welche die Wände und den Boden schmückten, sehr gemütlich und von dem Feuer im Kamin sanft erhellt. Im Feuerschein glänzten Waffen an den Wänden, und viele Gemälde, meist Darstellungen von Löwen, Wölfen oder Bären zierten diese zusätzlich. Alina fühlte sich hier, nach dem ganzen Trubel der vergangenen Stunden, wirklich wohl. Auf den dicken Fellen am Boden sitzend, wollten sie jetzt alle Ravens Geschichten lauschen. Dieser setzte sich nah ans Feuer, und Alina auf seinem Schoß haltend begann er langsam und ruhig zu erzählen. Angefangen damit, warum er sein Reich einst verlassen hatte um zu suchen was er lange nicht fand. Er sprach sehr leise, so das hier jetzt Stille herrschte, aber auch sehr ausführlich von den Dingen im Norden. Von den Menschen, die er dort überall vorfand. Von Veränderung, von Einsamkeit und Verfolgung und von der Ausrottung ganzer Volksstämme. Er berichtete von Plünderungen ganzer Dörfer und den Feuern, in denen die Menschen die Bewohner verbrannten, derer sie habhaft wurden. Er sprach auch von Alina und wie er sie fand. Es herrschte eine tiefe Stille im diffusen Licht des Saales, und alle lauschten seiner ruhigen, traurigen Stimme. Doch als er zu der Stelle seiner Geschichte kam, an der er und Alina auf die alte Burgruine und deren Inhalt gestoßen waren, ging ein entsetztes Raunen durch den Saal. Er schilderte ihr Erleben danach in allen Einzelheiten und wenig später herrschte bedrückende Stille im Raum. Der Dragon sah Raven ernst an und fragte diesen ruhig,
„Und du bist dir sicher, dass über dem Kamin zwei steinerne Figuren saßen die Männer unseres Volkes darstellten?“ Alina antwortete statt Raven mit einem nicken.
„Warum fragst du?“ Wollte Raven von ihm wissen.
„Nun,“ erwiderte der, „es gibt da eine alte Legende, nach der die Aufstände dort, in Ranguhl begonnen haben sollen. Es heißt in ihr, dass die Menschen sich erhoben, jedes Leben dort töteten und danach den schlimmsten aller Flüche über sie verhängten. Sie sollten tot, aber deren Seelen dennoch gefangene ihrer Körper bleiben. So sollten sie, ewig auf Erlösung hoffend, dort unberührt bis zum Ende der Welt ausharren.“ Der Dragon räusperte sich und schluckte die Trauer herunter.
„Es wurden auch die beiden Statuen erwähnt. Laut der Legende stellen sie die Wächter der Toten dar. Und erst, wenn sie fallen, finden auch die Seelen der Gemeuchelten ihren Frieden,“ der Dragon seufzte tief. „Nun, es mag auch nicht immer alles stimmen, aber es ist gut zu wissen, dass ihre verlorenen Seelen jetzt, nach so langer Zeit, von euch befreit wurden.“
Raven sah die Trauer in den Augen des Älteren und begann, den Rest seines Berichtes zu erzählen.
Nachdem er geendet hatte, senkte sich wieder tiefes Schweigen über die Anwesenden, von denen sich nach und nach einige erhoben und langsam die Halle verließen. Alina verstand die plötzliche Trauer nicht und dachte, sie sollten sich doch Freuen, der Befreiung der Seelen wegen. Doch, auch Raven hielt sie nur ruhig in seinen Armen und sah den Anderen mitfühlend nach. Alina wusste nicht um die Menschen, und wie weit diese jetzt schon vorgerückt waren. Wie eng der Platz jetzt für die alten Völker unter den Kreuzen wurde, und wenn nichts dagegen geschah, diese entgültig von der Welt verschwinden würden. Der Dragon erhob sich jetzt ebenfalls und trat auf beide zu.
„Kommt mit, ich möchte euch jetzt etwas zeigen.“
Er nahm eine der Fackeln von der Wand, führte sie aus dem Raum durch dunkle Gänge und eine gewundene, steile Treppe hinauf. In einem engen Korridor blieb er vor einer kleinen Tür stehen.
„Ich komme nicht mehr oft hier herauf, war wohl das letzte Mal vor Jahren hier, aber als ich dich sah, kleines Mädchen, fiel es mir sofort wieder ein. Ich möchte, das du es dir ansiehst.“
Damit schloss er die Tür auf und trat gebückt ein. Nachdem ein kleines Feuer im Kamin brannte sahen sich beide neugierig in der engen Kammer um. Sie stand voller alter Möbel, alter Gemälde, kaputtem Spielzeug, alten Kleidern und ähnlichem. Eben all den Sachen, die man irgendwann als überflüssig befunden und hier heraufgebracht hatte. Der Dragon ging zu einer der hinteren Ecken und zog einen großen, mit einem alten Tuch verhüllten Gegenstand hervor. Allem Anschein nach handelte es sich dabei um ein großes Bild.
„Komm, mein Kind, setz dich ans Feuer,“ bat er sie, und als sie saß stellte er es vor ihr nieder.
„Raven, ich sagte dir ich hätte diese Augen schon einmal gesehen. Ich war damals noch ein Knabe und spielte allein am Wald oben auf den Klippen, als eines dieser Wesen aus ihm hervortrat. Ich sah sie nur kurz, denn sie sind auch uns gegenüber sehr scheu. Dieses Bild ist aus meiner Erinnerung entstanden und ich sah nie wieder ein Wesen wie sie. Doch du, mein Kind, du hast ihre Augen.“ Danach zog er langsam das schmutzige Tuch fort.
Alina sah neugierig auf das langsam enthüllte Bild und blickte schließlich erstaunt in das schöne Anglitz ihrer Mutter. Der Dragon besah sich sehr genau ihre Reaktion und bemerkte bei ihr einen Ausdruck des Erkennens und des Schmerzes. Ja, sie kannte solche Wesen. War vielleicht sogar unter ihnen Aufgewachsen. Doch wie nahe er mit seiner Vermutung der Wahrheit kam, sollte er jetzt noch nicht erfahren. Auch Raven betrachtete das ungewöhnlich schöne Bild, doch auch ihm entging Alinas Blick nicht.
Das Bild war sehr gelungen und ausdrucksstark. Es zeigte ihnen den Waldrand mit der Wiese davor, so wie der Knabe sie einst sah. Auf der Wiese stand eine vom Sonnenschein umspielte, prachtvolle, leuchtend weiße Stute, auf deren Stirn ein kurzes, goldenes Horn prangte. Ihre lange, weiße Mähne wehte in einer ewigen Briese und ihre sonderbar blaugrün gefärbten Augen blickten ihnen voller Stolz und Erhabenheit aus dem Bild entgegen. Jetzt erst bemerkte Alina ihren Irrtum, dies war nicht ihre Mutter, aber zweifellos eine Schwester aus deren Volk. Mit Tränen in den Augen berührte sie ganz zart den gemalten Kopf des Einhorns und fragte sich wieder, warum Mutter sie verlassen hatte. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzte lautlos auf. Sofort war Raven bei ihr und schloss sie fest in die Arme.
„Warum tust du das, Dragon, warum quälst du sie so?“ Raven sah aufgebracht zum Älteren auf, doch dieser ignorierte ihn und wandte sich stattdessen an Alina.
„Es gibt eine alte Legende in der von einem Kind erzählt wird, einem kleinen, weißen Mädchen, das unter den Gehörnten aufwächst und später zur Führerin der Völker wird. Bist du dieses Kind?“ Er beugte sich zu beiden nieder, hob ihr Gesicht und sah ihr dann tief in die leuchtenden Augen, „ich muss es wissen, bist du dieses Mädchen?“ Sie sah wütend und mit tränennassem Gesicht zu ihm auf. Erst Mutter, dann der alte Drache und jetzt auch noch der Dragon. Alle erzählten ihr immer das gleiche, ob sie es hören wollte oder nicht. Warum sie? Sie verstand es nicht und auch wenn ihr Herz ihr sagte, das es alles stimmte, auch wenn sie tief in sich fühlte, dass sie alle recht hatten, gefiel es ihr nicht. Sie riss sich heftig von Raven los und stürzte aus der Kammer.
Sie floh durch die dunklen Gänge, fort von den Legenden, fort von ihrer Aufgabe, dem Versprechen, das sie ihrer Mutter einst gab, fort von alle dem. Verzweifelt fragte sie sich warum, warum sie, warum konnte sie nicht leben wie alle anderen auch, in Frieden und Glück? Wer hatte sie zur Führerin der Völker erkoren und immer wieder warum, warum. Sie liebte Raven, das wusste sie jetzt ganz tief in ihrem Herzen, doch durfte sie jemals mit ihm in Frieden leben, durfte sie jemals
mit ihm Glücklich sein? Sie bezweifelte dies und rannte weinend weiter durch die dunklen Flure. Schließlich erreichte sie atemlos ihre gemeinsamen Räume, durchquerte sie erschöpft und ließ sich müde und immer noch schluchzend auf das große Bett fallen. Raven traf kurze Zeit nach ihr ein und legte sich gleich ruhig zu ihr.
„Ist es wahr?“ Sie sah zu ihm auf und es lag soviel Qual, soviel Verzweiflung in ihrem Blick, das er spürte, irgendwie einfach wusste, das es stimmte. Seufzend zog er sie an sich, und sie barg ihren kleinen Kopf an seine Brust und weinte still weiter.
„Gut, du bist also die Führerin, du bist das Kind der alten Völker, das Kind des Lichtes. Aber welche Legende, welcher Zauber, welche Aufgabe soll uns je trennen können? Nichts und niemand wird uns daran hindern können, zusammen zu bleiben.“ Er streichelte ihr langsam und versonnen über das lange, weiche Haar.
„Du wirst mich zu meinem Reich begleiten und alle, die dir folgen, werden dort auch mit Freude aufgenommen. Dort wird für alle ein Platz zum Leben sein.“ Sie sah ihn nicht mehr ganz so verzweifelt an, doch immer noch glitzerten Tränen in ihren Augen.
„Ein Platz ohne Menschen.“
Neue Feinde
Sonja war am nächsten Morgen sehr beunruhigt und nach dem gemeinsamen Frühstück in der großen Halle trat sie zu Alina und schaute diese besorgt an.
„Der Dragon hat mir alles, was gestern abend geschehen ist, erzählt und ich habe ihn verflucht dafür,“ sie nahm Alina in ihre Arme, „es tut mir leid das du darüber so außer dir warst. Männer sind Trampel und besitzen die Mäuler von Rindern, entweder sie mahlen mit dem Gebiss oder sie brüllen nur dumm rum.“ Sie hielt Alina etwas von sich ab und lächelte jetzt.
„Komm, mein Schatz, du brauchst neue Kleidung,“ sagte sie wieder verschmitzt, „ich habe zwar fast nur Söhne, aber wir werden schon etwas Passendes für dich finden.“
Alina freute sich ehrlich und folgte Sonja gern durch das große, helle Schloss. Bei den privaten Gemächern blieb Sonja stehen und meinte nur kurz,
„Warte hier einen Augenblick auf mich, ich möchte noch einmal zu Sassa schauen.“ Damit betrat die große Frau einen der Räume und Alina schlich nach einiger Zeit leise näher und spähte durch die halb geöffnete Tür neugierig ins Innere des Raumes. Dieser Raum war zweifellos ein Kinderzimmer, liebevoll und hübsch Eingerichtet und dennoch spürte Alina, dass hier jetzt Dunkelheit herrschte. Langsam und still betrat sie das Zimmer und schaute sich zögernd um. Im angrenzendem Raum, dem Schlafzimmer der Kleinen, vernahm sie leise Stimmen und sie ging langsam näher.
„Samara, wie geht es ihr?“ Hörte sie Sonja grade sagen.
„Nicht besser, Mutter, ich fürchte das Fieber wird bis zum Abend noch höher,“ antwortete eine junge, sanfte Stimme und Alina betrat zögernd den sonst stillen Raum. Beide Frauen blickten sich zu ihr um, und wenn Alina jetzt nicht wüsste, dass diese Mutter und Tochter waren, würde sie beide für Schwestern halten, sosehr ähnelten sie sich. Doch strahlte Samara noch die Wildheit der Jugend aus, während ihre Mutter mehr in sich ruhte.
„Samara, das ist die Gefährtin von Raven,“ meinte Sonja ruhig, „und dies ist Samara, meine älteste Tochter.“ Beide nickten sich nur kurz zu.
„Wir waren gestern in der Halle nicht anwesend, weil Sassa, meine Kleinste, im Fieber liegt und wir bei ihr gewacht haben. Mögen die Götter diesen Fluch von ihr nehmen.“ Sonjas Blick wandte sich wieder traurig ihrer kleinen Tochter zu, die unter Fellen begraben in dem viel zu großen Bett lag. Alina ging langsam näher und betrachtete das kleine Wesen unter den Decken. Sie war nicht älter als drei Sommer. Ihre kurzen, blonden Locken klebten an ihrer feuchten Stirn und ihre kleinen, pummeligen Wangen glühten im Fieber. Die Augen wie im ewigen Schlaf geschlossen, ließ nur das sanfte heben und senken der Decke erkennen, dass dieses Kind noch lebte.
„Unsere Heilerin hat alles versucht ihr zu helfen, und wir haben die Hoffnung auch noch nicht aufgegeben, aber es steht langsam immer schlechter um sie.“ Sonja wischte sich mit einer knappen Bewegung eine Träne von ihrer Wange und Alina legte mitfühlend einen Arm um deren Schulter.
„Sassa ist unser aller Sonnenschein,“ Samara begann leise zu schluchzen, „wir alle lieben sie von Herzen, was soll nur werden, wenn sie uns verlässt.......“
Alina taten diese großen, stolzen Frauen in ihrer Machtlosigkeit dem Tod gegenüber unendlich Leid. Und sie bedauerte auch das kleine Töchterchen, das grade am Leben, dieses schon wieder verlassen sollte. Doch, Moment, Alina hielt inne und überlegte. Hatte ihre Mutter ihr nicht gezeigt, was nötig wurde, wenn sie die ersten Anzeichen des Fiebers bei sich selbst spüren sollte. Ja, und auch die passenden Kräuter hatte Mutter ihr früher mal gezeigt.
Alina ging zum Waschzuber hinüber, nahm einige der dort liegenden Tücher und tauchte diese ins kalte Wasser um sie danach kräftig auszuwringen und zum Bett zu tragen. Die beiden großen Frauen schauten ihr dabei ungläubig zu, machten aber bereitwillig Platz. Dieses Kind schien zu wissen, was es hier tat. Alina schlug die schweren Decken über dem kleinen Körper zurück und spürte erst jetzt die große Hitze, die von ihm ausging. Es blieb nicht mehr sehr viel Zeit, das wusste sie jetzt. Samara wollte protestieren, aber ihre Mutter hielt sie zurück.
„Lass sie, mein Kind, vielleicht kann sie ihr jetzt noch helfen.“ Und beide Frauen schauten verwundert zu, als Alina die kleinen, pummeligen Beine des Mädchens, eines nach dem anderen in die feuchten, kalten Tücher einschlug. Die dicken Decken warf sie kurzerhand neben das Bett und Sonja verstand auch ohne Worte, was dies bedeuten sollte. Alina bemerkte neben dem Bett eine Schale mit einer trüben Flüssigkeit, hob diese hoch, schnupperte kurz daran um den Inhalt dann angeekelt wegzuschütten. Auch diese Botschaft war für Sonja mehr als nur deutlich. Als Alina sie dann fragend anblickte und ihr die jetzt leere Schüssel hinhielt, glaubte sie auch das zu verstehen.
„Alles was du brauchst, findest du hinter der Küche in der kleinen Kräuter-Kammer,“ sagte Sonja nicht ohne Hoffnung in ihrer Stimme, „wir werden hier auf die warten, bitte, beeile dich.“
Und Alina beeilte sich, lief schnell und ohne zögern zu Kammer, und begann dort die Inhalte der Säcke, Tiegel und Töpfe zu untersuchen, bis sie schließlich fand, wonach sie suchte. Sie ging wieder in die Küche und begann unter den scharfen Augen der dort anwesenden älteren Frauen, rasch einen Sud gegen das Fieber zu kochen.
Später betrat sie wieder das Zimmer des kranken Kindes und wurde von Sonja und Samara schon erwartet. Doch diese waren nicht mehr allein, der Dragon, Raven und einige andere waren bei ihnen und blickten Alina erstaunt entgegen. Alina hielt einen Krug in ihrer Hand und reichte diesen jetzt an Sonja weiter, nahm die kleine Schüssel und füllte eine bestimmte Menge des Sudes dorthinein. Sonja bemaß die Menge sehr genau mit ihren Augen und blickte Alina danach fest an.
„Wie oft?“ Fragte sie diese nur und Alina hob eine Faust und zeigte mit der anderen Hand drei zarte Finger.
„Einmal am Tag drei Schalen, richtig?“ Fragte Sonja nur um sicher zu gehen und Alina nickte ihr lächelnd zu.
„Und die Tücher? Wechseln, wenn sie wieder warm sind?“ Und wieder nickte Alina, und freute sich sehr darüber, dass Sonja sie verstand. Dass diese große Frau einen solch scharfen Verstand besaß und ihr hierbei gänzlich traute.
„Gut, ich vertraue dir,“ sagte Sonja freundlich, „du bist vom anderen Volk und warum sollte nicht ihr Wissen in dir schlummern. Ich danke dir sehr.“ Und noch einmal umarmte sie Alina und drückte ihr einen festen Kuss auf die Stirn. Wenig später ließen Raven und sie die Familie allein. Obwohl Alina sich vorher noch davon überzeugte, das es Sassa schon ein wenig besser ging, sie nicht mehr ganz so glühend heiß war. Als sie später ihre Gemächer erreichten, lag vor der Tür ein kleiner Berg aus Kleidung, und als sie diesen Aufhoben und rein trugen, kamen Alina erst die Tränen.
Die Tage flossen dahin und langsam wurde es merklich immer wärmer.
Das Meer beruhigte sich von den Frühjahrsstürmen und alles um Avalla herum blühte jetzt langsam wieder auf. Die Tage der Stürme waren für alle immer sehr hart. Es gab zu dieser Zeit immer viel Streit und Zwietracht unter den Bewohnern und Raven und Alina verbrachten daher viel Zeit allein. Sie zogen fast täglich aus und erkundeten gemeinsam die Gegend rund um das Schloss. Dank ihrer neuen Kleidung fühlte Alina sich deutlich wohler und auch Raven spürte das zunehmend, wurde sie doch manchmal recht ausgelassen und tobte und alberte mit ihm in den Dünen oder am Strand herum. Beide waren jetzt sehr glücklich miteinander und auch die Schlossbewohner spürten dies und lächelten ihnen zu, wann immer sie ihnen angesichtig wurden. Alina haderte jetzt auch nicht mehr mit ihrem Schicksal, sondern fand sich damit ab. Raven stand immer hinter ihr, gab ihr das Gefühl, das sie ihrer doch großen Aufgabe gewachsen war, bestärkte sie und machte ihr immer neuen Mut. So begann sie jetzt, jeden Abend vor dem Schlafengehen alleine zu meditieren, um die Einsamen, die Gejagten und Vertriebenen zu sich nach Avalla zu rufen. Und nur zu dieser Stunde ließ Raven sie auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin allein. Tagsüber flogen sie oft weite Strecken hinaus, sammelten Rinden oder Kräuter auf dem Festland, oder jagten nach Fischen im Meer. Das war immer besonders lustig und machte beiden besonders viel Spaß, da Raven nur flog und Alina, die dabei ja immer unter ihm hing, die Fische schnell aus den Wellen packen musste. Das ging ziemlich oft daneben und beide wurden so immer sehr schnell nass dabei, aber es bereitete ihnen auch sehr viel vergnügen. So zogen die Tage im träumenden Schloss dahin und alle vergaßen darüber Karak oder die Gefahr durch die Menschen.
Der Tag war sehr warm und ruhig. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, aber es war bereits weit nach Mittag als Alina und Raven von einem ihrer Ausflüge nach Avalla heimkehrten und er, wie immer mit wildem Flügelschlag in mitten des Schlosshofes landete, und dabei die arbeitenden Frauen jedes Mal zutiefst erschreckte. Alina und er mussten wie jedes Mal sehr über das Gemecker derer lachen. Als er sie abgurtete lief ein kleines Mädchen mit lustig hüpfenden, kurzen blonden Locken über den Hof und sauste, geschickt die Anderen umkurvend, mit ausgestreckenten Armen auf Alina zu.
„Lina, Lina,“ rief die Kleine dabei immer wieder, und Alina wunderte sich jedes mal von neuem über Sassa. Und wie die Kleine es verstand, mit ihr, auch ganz ohne Worte, sprechen zu können. Die Kleine lief, was die kurzen Beinchen hergaben und jeder der sie sah, freute sich das es ihr wieder gut ging, sie wieder völlig gesund war.
„Lina,“ keuchte sie jetzt und flog in Alinas Arme, die sie jetzt hochhob und sich einmal, zweimal und noch einmal mit ihr im Kreis drehte. Sassa quietschte dabei fröhlich und schloss danach ihre kleinen, dicken Ärmchen um Alinas Hals. Raven sah den beiden mit glücklichem Blick zu und verstand jeden, der Sassa augenblicklich ins Herz schloss nur zu gut. Hatte die Kleine doch die Fähigkeit, jedem ins Herz zu schauen und alles Schlechte darin verblassen zu lassen. Sie hatte seiner kleinen Fee sogar einen Namen gegeben, und Lina schien auch ihr zu gefallen, vor allem wenn die Kleine den ganzen Tag lang diesen Namen plapperte.
Alina hielt sie auch weiterhin auf dem Arm als Sonja rasch zu ihnen kam.
„Sassa,“ sagte diese, übertrieben erbost, aber auch lachend, „du sollst doch nicht immer weglaufen, du Trollkind. Ach, du bist eine Qual.“ Damit nahm sie Alina die Kleine ab, die über die Worte ihrer Mutter aber nicht sonderlich beunruhigt war und Alina auch weiterhin fröhlich anlächelte.
„Bitte verzeiht, Raven, der Dragon möchte dich gern sprechen, und ich bräuchte in einer äußerst schwierigen Angelegenheit dringend Linas rat.“ Ihr grinst und Augenzwinkern sagte Raven alles und er verabschiedete sich übertrieben höflich und verbeugte sich noch grinsend vor ihnen.
„Meine Damen.“ Dann ging er lachend, aber nicht ohne noch dem Apfel auszuweichen, dem Sonja ihm ebenso lachend hinterherwarf, über den Hof ins Schloss. Raven betrat die große Halle wohlgelaunt, wurde aber, als er den Dragon und seine Söhne dort zusammensitzen und reden sah, etwas beunruhigt.
„Raven, endlich, komm mein Sohn und setzte dich zu uns, wir haben vielleicht schlechte Nachrichten für dich und deine Lina,“ sagte der Dragon ganz frei heraus und Ravens Unbehagen wuchs zusehends. Er blickte stumm in die Runde, konnte in ihren Gesichtern aber nichts ablesen. Der Dragon räusperte sich jetzt und man spürte, das es ihm nicht leicht viel die passenden Worte zu finden. Ernst blickte er ihn an.
„Hör jetzt gut zu, mein Sohn, ich muss dir etwas nicht sehr gutes Erzählen und wenn ihr uns danach verlassen wollt, werden wir euch zwar nicht aufhalten können, aber auch nicht sehr Erfreut darüber sein.“ Er blickte Raven immer noch ernst ins Gesicht.
„Ich möchte, dass du zuvor eines weißt. Ihr beiden, du und Lina, gehören für uns alle zur Familie und wir möchten nicht, dass ihr uns verlasst.“ Der Schlossherr strich sich über seinen vollen Bart, holte tief Luft und begann zu erzählen. Karak war fort.
Er war einfach verschwunden, wie in Luft aufgelöst. Alle Familienmitglieder hatten ihn in diesem Frühjahr überall gesucht, in den Wäldern oberhalb der Klippen, in den Mooren dahinter, die Strände rauf und runter. Im Schloss war im Laufe der Zeit jeder Raum mehrmals durchsucht worden, vom Speicher bis zum Verlies, aber sie bekamen ihn niemals zu Gesicht. Saalem machte sich schwere Vorwürfe, sollte er doch Karak seinerzeit im Auge behalten und hatte diese Aufgabe, da die Tage auf Avalla so ruhig und friedlich verliefen, schnell vernachlässigt.
Wer wähnte sich schließlich noch in Gefahr? Doch Markan, einer der mittleren Söhne des Dragons, merkte an, das Karak vor seinem Verschwinden noch zu verstehen gab, dass er wiederkommen, und das beenden wolle, was einst begonnen hatte. Raven dachte mit einem Schaudern an die kalten Blicke, mit denen sein einstiger Freund seine kleine Fee damals, beim ersten Zusammentreffen gemustert hatte. Der Dragon gab dabei noch zu verstehen, das Karak sich in den letzten Jahren sehr verändert hatte, und selbst er nicht wusste, ob man diesen Drohungen glauben schenken sollte oder nicht. Vielleicht sei dieser ja einfach nur fortgeflogen um sich einem anderen Clan anzuschließen. Auch solches sei durchaus schon vorgekommen, auch wenn sich dabei normalerweise noch verabschiedet wurde. Raven war jetzt sehr beunruhigt und schwor sich innerlich, noch vorsichtiger zu werden und zukünftig immer die Augen offen zu behalten. Auch die anderen Männer versicherte ihm, das auch sie jetzt sehr Wachsam bleiben würden, und sobald man Karak doch noch habhaft werden würde, diesen nicht mehr aus den Augen zu lassen.
Karak heulte laut und voller Inbrunst den vollen Mond an.
Nachdem Saalem es irgendwann leid wurde, ständig hinter seinem Bruder herzusuchen, war dieser eines Nachts in die Wälder oberhalb der Kippen geflogen. Er hatte sich in der kleinen Höhle, die er schon seid Kindertagen kannte, verborgen, um sich auf das vorzubereiten, was jetzt seiner Meinung nach geschehen müsste. Früher, bevor der Alte begann zu ihm zu sprechen, war er ein stolzer, harter und gerechter Mann gewesen, der gut und weise jedem in Not half. Doch dieser Mann war fort und an seiner Stelle stand nun ein schmutziges, nacktes, hasserfülltes Wesen, das durch irr funkelnde Augen in die Wälder blickte. Seine Veränderung begann schon lange Zeit vor Ravens und Alinas Ankunft, doch mit dieser beschleunigte sie sich. Als Alina am ersten Abend in diesem schönen Kleid die Halle betrat, konnte er sehen und fühlen, wie sie es darauf anlegte, ihn und alle Anwesenden zu verzaubern, sie alle zum Bösen zu Verführen.
Doch der Alte sprach zu ihm, saß in seinem Kopf und schützte ihn, riet ihm zu fliehen. Später, wenn sie sich sicher fühlten, sollte er zurückkehren und dieser Hündin geben, was sie verdiente. Ja, er würde wie der Teufel in Person über sie herfallen, würde sie zuerst gefügig machen, sich an ihr erleichtern und sie danach in Stücke reißen. Dann ist meine Familie von ihr befreit, dachte er wütend, dann bin ich von ihr befreit. Denn sie spuke noch immer in seinem Kopf herum, hier nicht mehr so stark wie im Schloss, aber immer noch verhärtete sich sein Schritt, auch wenn er nur flüchtig an sie dachte. Es machte ihn verrückt, sie machte ihn verrückt.
Er hatte vergessen, warum er seine Kleidung abgelegt hatte oder wo, es war ihm auch gleichgültig, wichtig war, einzig und allein seine Aufgabe, die ihm ständig von dem Alten in seine Ohren geraunt wurde. So kam der warme, stille Abend, an dem er ins Moor flog und sich voller Vorfreude mit dunklem Schlamm einrieb. Der Tag war richtig heiß gewesen und in der Höhle wurde es tagsüber doch recht stickig, so genoss er den kühlen Schlamm auf seinen entblößten Gliedern jetzt sehr. Doch plötzlich hielt er inne und, zum ersten Mal seit zwei Jahren, füllten klare Gedanken seinen wirren Kopf.
Was hatte sie ihm eigentlich getan? Für was sollte sie bestraft werden? Was tat er hier überhaupt, völlig entblößt und schmutzig? Er schämte sich, seiner Äußerlichkeit wie seiner Verwirrung wegen und überlegte kurz, fort von Avalla zu gehen. Fort von seiner Familie und allem anderen und noch einmal neu zu beginnen. Dieser klare Moment war kurz und hier tat sich eine Kreuzung des Weges vor Karak auf, dem ersten Sohn und Erben des Dragons. Eine letzte Möglichkeit, wieder den richtigen Weg einzuschlagen, dem Bösen in ihm zu entkommen. Doch fast augenblicklich brüllte der Alte machtvoll in seinem kranken Geist auf, und er brach, voller Schmerz und sich den dröhnenden Kopf haltend, zusammen und lag danach stöhnend im Morast des Moores. Als er sich wenig später wieder erhob und in Richtung Avalla blickte, lag wieder dieser irre, entrückte Glanz in seinen kalten, funkelnden blauen Augen. Sein Weg war für ihn nun klar, und er würde ihm begeistert folgen.
„Heute Nacht,“ flüsterte er und hob wie in Trance wieder eine Hand voll Morast, „heute Nacht, kleines Mädchen, werde ich kommen um mein Versprechen zu halten.“ Der Mond funkelte kalt auf ihn nieder, als er sich nach und nach in den Dämonen verwandelte, der jetzt schon so lange und tief in ihm schlummerte. Sein erneutes Heulen klang schaurig über das nächtliche Moor.
Alina hatte sich an diesem Abend schon früh von der Abendtafel verabschiedet um in ihren Gemächern, wie jeden Abend allein zu meditieren. Raven sah dies nicht gern und war entsprechend unruhig, blieb aber dennoch bei dem Dragon und dessen Familie sitzen. Er wusste das Alina gern allein war, wenn sie die anderen nach Avalla rief. Doch er schaute immer wieder zur Treppe, die nach oben führte und lauschte jedem Geräusch sensibel nach. Die anderen am Tisch unterhielten sich, wie eigentlich jeden Abend, über die große Wanderung. Der Dragon erklärte grade, das wohl auch seine Sippe ihnen nach Baruth folgen müsse, da das Leben hier zu unsicher geworden war.
„Es wird mir sehr schwer fallen, Avalla, meine Heimat, zu verlassen, doch mir liegt auch das Wohl meiner Familie am Herzen und die Menschen rücken jetzt immer weiter hierher vor.“
„Aber Vater,“ meinte einer seiner jüngeren Söhne, Ristaar, mutig, „wir können doch Kämpfen, sie einfach verjagen, wenn sie vor unseren Toren stehen. Wir sind doch starke und mutige Männer.“
„Ja,“ erwiderte der Alte ruhig, „sicher könnten wir das, aber was, frage ich dich, geschieht danach? Glaubst du, danach hätten wir wieder Frieden? Nein, sie würden wiederkommen, immer zahlreicher, immer stärker und irgendwann würden sie die Mauern einreißen und uns alle Töten. Sieh deine Mutter an,“ damit deutete er auf Sonja, die etwas entfernt mit Sassa auf dem Schoß dasaß und spiele,
„Glaubst du, ihr würde es gefallen dich sterbend in den Armen zu halten?“ Ristaar senkte beschämt seinen Blick und der Dragon sprach weiter.
„Nein, ich bin euer Familienoberhaupt, Führer des Drachenclans, ich trage die Sorge um euer Wohl und deshalb müssen wir........“
Doch er sprach nicht weiter, denn alle hoben aufhorchend ihre Köpfe als der helle, markerschütternde Schrei klar und laut durch die weiten Korridore bis zu ihnen hallte. Instinktiv erhoben sich zuerst die Frauen, klang er doch so hilflos, so verzweifelt, so kindlich einsam, das ihre innersten Mutterinstinkte geweckt wurden. Die Männer der Runde erhoben sich auch, doch sie verharrten nicht wie die Frauen, sondern stürzten ihm nach. Sie hetzten durch die finsteren Gänge, nach ihren Waffen greifend, dem Schrei entgegen. Allen voran Raven und der Dragon. Dann verstummte er plötzlich, doch Raven beschlich eine dunkle Ahnung woher er gekommen sein könnte und er rannte ungebremst weiter den Weg auf seine und Alinas Gemächer zu. Die Männer folgten ihm ohne zögern. Der Schrei erklang wieder, doch dieses mal in Todesangst und Raven wusste plötzlich, dass seine kleine Fee dort um ihr Leben schrie.