Der Regen regnet tausend Tag und Nächte, Die Fenster sind von Graugespinst verhangen. Im See das letzte Licht die Fische fangen, Das Gute stirbt. Es triumphiert das Schlechte.
Wo ist der Heiland, der Erlösung brächte? Ich höre Mordgelächter. Räuber rangen Um Hunger, Geilheit, Goldgier, Pöbelprangen. Der Edle schweigtJm Sumpf schwärt das Geschwächte.
Ich geh von dannen, schliesse Aug und Ohren Und heb die Schale meiner Einsamkeit Zu dir, Irene, Sternbild unverloren!
Wie rauh die Rotte tobt, die Meute schreit: Werd ich in deinem Dienste neugeboren, So bin ich gegen diese Zeit gefeit.
X
Stets sah ich nur den Tod am Horizont Im Jägermantel übern Acker schreiten, Die braunen Rüden an der Leine leiten, Die breite Stirn vom Abendrot besonnt.
Ich sah ein Kind ihn auf dem Arm im Mond Auf einem weissen Pferd vorüberreiten, Ich sah ihn still im Kahn Stromübergleiten Und sah das Beinhaus, wo er steinern thront.
Mein Weib und ich: wir lauschten früh der Mette, Da riss die Türe jäh wie Spinngeweb. Er hob mein Liebstes lächelnd aus dem Bette
Und sprach zu ihr: Mein goldner Vogel, schweb! Ich schrie in Martern: Wo ist meine Stätte? Er sprach: Sie ist erlöst. Du, büsse! Leb!
XI
Ich will mein einsam künftig Leben leben, Als atmetest du neben mir im Lichte. Wie früher lese ich dir die Gedichte, Wenn deine Augen um die Lampe schweben.
Du bittest mich, dem armen Mann zu geben. Du sitzest über Hochmut zu Gerichte. Du wendest deinen Rücken, wenn die Wichte Nach Wichtigkeit und nach Bedeutung streben.
Hier ist am Tisch ein Sessel für dich frei. Du isst mit mir. Das Kind spielt mit den Horen. Du flüsterst ihm von Königssohn und Fei.
Mir jagt der Winterwind durch alle Poren. Er schlägt mit Hagel schier das Glas entzwei. So hart sind meine Tränen schon gefroren …
XII
Die Zeit wird niemals meine Wunden heilen: Sie ist verfault. Sie kann sie nur vereitern. Noch mehr das Herz zerreissen, und verbreitern Die vielen Messerstiche; dran sie feilen
Die Genien der Verzweiflung. Hüpfen, eilen Von Herz zu Hirn, von Hirn zu Herz auf Leitern Aus Blutgefaser. Und gleich kleinen Reitern Sitzen auf Blick sie und Gehör und peilen.
Die Zeit ist überreif wie eine Feige Vom vorigen Herbst. Sie stinkt in der Verwesung, Dass sie wie eine alte Hure zeige
Die eingefallne Brust zur letzten Äsung. Erscheine uns, Irene, neige, neige Dein schönes Haupt und lächle uns Erlösung!