Kitabı oku: «Das Erbe von Tench'alin», sayfa 7
»Ja ... na ja ... es scheint zumindest so, als habe mich mein Gedächtnis für einen Moment im Stich gelassen«, gab er widerwillig zu. »Wenn ich später ein wenig zur Ruhe gekommen bin, wird es mir sicher wieder einfallen.« Er wollte sich keine Blöße geben.
»Es ist so, sie werden sich nicht mehr erinnern, das können Sie mir glauben.« Sie sah auf die Uhr. »Bitte entschuldigen Sie mich, Jared, aber meine Pflicht ruft.«
Die Äbtissin erhob sich und reichte dem Farmer, der ebenfalls aufgestanden war, die Hand. Es war ein sanfter Händedruck.
Dabei sagte sie beiläufig: »Sie wissen wahrscheinlich, dass Saskia Lindström hier bei uns ist? Ein wunderbares Mädel ... so begabt. War sie nicht mit ihrem Sohn ... befreundet?« Es lag eine seltsame Betonung in dem letzten Wort.
»Wenn Sie mit ihr sprechen möchten, lasse ich sie rufen. Es wäre doch schade, wenn Sie die Nachricht ...« Sie ließ die Hand des Farmers los, als sie von ihm unterbrochen wurde.
»Vielen Dank, machen Sie sich bitte keine Mühe, ich werde erst einmal in mein Zimmer gehen und nach meinem Hund schauen. Dann werde ich in der Klosterschenke eine Kleinigkeit zu mir nehmen. Ich kenne den Wirt und möchte ihn begrüßen, wenn ich schon mal hier bin. Außerdem habe ich Hunger. Vielleicht ergibt sich ja später am Abend noch die Gelegenheit oder morgen. Es wird Zeit, dass ich nach Hause komme und meine Frau in die Arme nehme. Wir werden viel Kraft brauchen. Ich darf gar nicht daran denken, was passiert, wenn wir die Nachricht den Großeltern überbringen. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft ... und dafür, dass Sie mir Ihre wertvolle Zeit geschenkt haben.«
»Keine Ursache, Jared, fühlen Sie sich hier bitte wie zu Hause. Und wenn es Ihnen Ihre Zeit erlaubt … ich weiß, dass es auf einer Farm immer viel zu tun gibt … kommen Sie uns mal wieder besuchen und bringen Sie Ihre Frau mit ... vielleicht zu einem unserer Konzertabende? Es würde mich sehr interessieren, was ein Mann mit Ihrer Erfahrung zu unseren landwirtschaftlichen Einrichtungen sagt. Es gibt ja immer etwas zu verbessern, nicht wahr? Ich wünsche Ihnen viel Kraft für all das, was jetzt vor Ihnen liegt.«
Damit verschwand die Äbtissin und er bekam sie auch bis zu seiner Abreise nicht mehr zu Gesicht.
Das Letzte, was Jared wollte, war, Saskia zu begegnen. Sie war damals bei dem Trupp junger Leute gewesen, die mit ihren kläffenden Kötern den Spuren seines Sohnes gefolgt waren, nachdem er dieser komischen Seherin Brigit, einer Freundin Saskias, eine kräftige Beule verpasst hatte. Jared war sich nicht mehr so sicher, ob Vincent zu der Kundschaft dieser Frau gehört hatte, bei der man nicht erkennen konnte, ob sie überhaupt eine Frau war. Wahrscheinlich wäre die Nachricht vom Tod seines Sohnes Wasser auf die Mühlen des Mädchens und dann schon lange vor ihm in der Heimat angekommen. Bei Scotty konnte er sich sicher sein, dass der es nur Elisabeth und seiner Familie erzählt hatte.
Seines Wissens war Vincent zwar mit Saskia Lindström zur Schule gegangen, aber enger befreundet waren die beiden nicht gewesen. Sein Sohn hatte keine feste Freundin. Auf dem Weg in sein Zimmer dachte er darüber nach, wie die Äbtissin annehmen konnte, dass Vincent mit Saskia befreundet gewesen war. Jeder wusste doch, dass sie mit Effel Eltringham liiert gewesen war, und das schon seit langem.
Minuten später lag er auf seinem Bett in dem geschmackvoll eingerichteten Gästezimmer mit der Terrasse, auf die jetzt der eben aufgegangene Mond schien. Er wollte sich nur ein wenig ausruhen und über das gerade geführte Gespräch nachdenken, bevor er in der Schenke zu Abend essen würde, als ihm ein Gedanke kam. Vielleicht hatte Vincent doch heimlich von diesem Mädchen geschwärmt, weil er ... ja gerade, weil sie die Einzige war, über die er nicht in abfälliger Weise gesprochen hatte, jedenfalls nicht, soweit sich Jared erinnern konnte. Er hatte sich im Kreise seiner Freunde über sie auch nie lustig gemacht. Nicht dass der Farmer es gebilligt hätte, dass sein Sohn oder wer auch immer in dieser Weise über Frauen sprach, aber er rechnete das damals zu den Verhaltensweisen, die man einem heranwachsenden Mann, der sich seine Hörner noch abstoßen musste, gerade noch zubilligen konnte.
Inzwischen hatte er erkannt, dass das falsch gewesen war.
Dass Vincent viel zu sehr verwöhnt worden war, und zwar von allen Seiten, war ihm seit Langem klar und er hatte sich mehr als einmal vorgeworfen, sich nicht besser gegen alle Großeltern und in diesem Punkt auch gegen seine Frau durchgesetzt zu haben.
Bruder Jonas freute sich offensichtlich, als Jared die Klosterschenke betrat. Nach einem herzlichen Schulterklopfen und einer lauten Begrüßung: »Was führt denn den Herrn von Raitjenland hierher? Es geschehen ja noch Zeichen und Wunder!«, brachte der Wirt ihn an einen der Tische in der Nähe der Theke und empfahl ihm zunächst das Gericht des Tages. Das Rumpsteak mit Süßkartoffeln und heimischen Pilzen verspeiste der Farmer wenig später mit großem Appetit. Dazu brachte ihm die Kellnerin frisch gezapftes Bier in einem Glaskrug.
Ihm wurde bewusst, dass er seit Tagen keine richtige Mahlzeit mehr zu sich genommen hatte. Jesper bekam einen großen Knochen, den er lautstark abnagte. Als Jared mit dem Essen fertig war, setzte sich Bruder Jonas zu ihm an den Tisch. Er hatte Zeit, denn die meisten Gäste würden später kommen. Nachdem sie über den letzten Pferdemarkt in Angwat gefachsimpelt hatten und der Wirt ihm versichert hatte, nicht böse zu sein, weil er ihn damals bei diesem Prachtgaul überboten hatte, erzählte der Farmer nach dem zweiten Krug Bier vom Tod seines Sohnes. Dabei ließ er allerdings die näheren Umstände über das genaue Wo und Wie aus. Er erwähnte nur, dass er ihn in den Bergen gefunden habe und nun hier sei, um sich Rat von der Äbtissin einzuholen.
Bruder Jonas bemerkte sehr wohl, dass der Farmer nicht darüber reden wollte, und so beließ er es dabei, sein Beileid zu bekunden. Er wunderte sich allerdings darüber, dass der Farmer ausgerechnet die Äbtissin von Haldergrond um Hilfe bei der Aufklärung gebeten hatte.
So kam man bald darauf wieder auf Pferde zu sprechen.
Jared müsse, jetzt wo er schon einmal hier war, unbedingt seine Stallungen besichtigen. Nachdem Jared ihm dies zugesichert hatte, trennte man sich unter Schulterklopfen kurz vor Mitternacht.
Bruder Jonas dachte nach. Der Farmer besuchte Haldergrond nicht, weil sein Sohn gestorben war. Der Grund konnte nur der Umstand des Todes sein, also all das, worüber Jared nicht hatte sprechen wollen.
Er hat ihn irgendwo im Gebirge gefunden. Warum hat er nicht gesagt, wo das war? Und warum kommt er dann hierher, anstatt sofort nach Haus zu seiner Frau zu gehen? Was hat die Äbtissin damit zu tun? Was hat er sich von seinem Besuch bei uns bloß erhofft?, waren seine Gedanken. Seine Neugier war entfacht. Er würde in den nächsten Tagen Augen und Ohren noch weiter offen halten als sonst.
In der Nacht schlief Jared von Raitjenland tief und wachte um fünf Uhr auf. Er hatte nicht bemerkt, dass ein Phuka mitten in der Nacht in sein Zimmer geschlichen war, sich neben ihn gesetzt und ihm Dinge eingeflüstert hatte, die er im Wachbewusstsein für unmöglich gehalten hätte. Noch nicht einmal Jesper war aufgewacht.
Bereits vor Sonnenaufgang brach der Farmer mit neu gestärktem Willen auf. Es würde sich alles aufklären. An diesem Morgen hatte er eine Zuversicht gefunden, wie er sie selten in seinem Leben gespürt hatte. Er wusste nun, wonach er suchen musste. Er war sich sicher, auch allen anderen Geheimnissen auf die Spur kommen zu können. Die Stallungen des Bruder Jonas, nach denen ihm im Augenblick nicht der Sinn stand, würden bis zum nächsten Besuch warten müssen, wenn es einen solchen jemals geben sollte. Dieses ganze Haldergrond war ihm suspekt, mehr als jemals zuvor.
Kapitel 7
Perchafta bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Tief im Inneren des Berges regte sich etwas. Es war zunächst nur ein sehr leises Geräusch gewesen, das er aber dann als ein tiefes Ein- und Ausatmen erkannte. Der Krull wusste im gleichen Augenblick, dass das erste der Siegel im Begriff war, nach seinem sehr langen Schlaf zu erwachen. Im Balgamon, den die Krulls in den Höhlen von Tench'alin seit vielen Generationen pflegten, stand geschrieben, dass dieses Aufwachen lange dauern konnte.
Dann geschah etwas Merkwürdiges an diesem lauen Spätsommertag.
Mit einem Mal waren alle Geräusche des Tales verstummt. Der Wind hatte aufgehört, die feinen Äste und Blätter der Bäume zu bewegen. Das Summen der Insekten war mit einem Schlag verstummt. Keines Vogels Flügelschlag teilte mehr die blaue Luft. Sogar die Glocken der Ziegen und Schafe hatten aufgehört zu läuten, so als ob deren Träger mitten in ihrer letzten grasenden Bewegung erstarrt wären. Das Erstaunlichste aber war, dass die Wasserfälle, die eben noch mit tosendem Geräusch den See speisten, nicht mehr flossen.
Das geschah sonst nur in sehr kalten Wintern, wenn die Natur das Wasser zu wundervoll bizarren Kunstwerken erstarren ließ, zu denen nur sie imstande war. Aber solche Winter waren hier äußerst selten. Den letzten dieser Art hatte es vor 730 Jahren gegeben.
Der Gnom hatte zwar für sich selbst und sein Volk nichts zu befürchten, erschauerte aber dennoch in diesem Moment, den er wie in einem Zeitraffer erlebte. Den ersten fernen Atemzügen folgte ein seltsames dunkles, röchelndes Stöhnen und Perchafta erkannte, dass das, was dort allmählich an die Oberfläche des Seins gelangte, mit diesem Vorgang nicht einverstanden war. Elliot, der gerade mit ihm unter einem großen Walnussbaum zusammensaß, um sich über die neuesten Ereignisse auszutauschen – er hatte seinen Bericht über Scotty und Jared gerade beendet – wurde auf einmal blass und die Gnome wechselten einen vielsagenden Blick. Sie hatten gerade den Hauch des Todes erlebt. Es hatte nur Sekunden gedauert und nach wenigen Augenblicken war alles wie zuvor. Perchafta erahnte, dass nichts mehr so bleiben würde, wie es einmal gewesen war.
Ganz sicher hätten die Emurks all das ebenfalls wahrgenommen, aber sie waren nicht mehr im Tal von Angkar Wat, das sie mehr als 300 Jahre lang bewacht hatten, denn ihre Verbannung war inzwischen beendet. Der Dritte, der an diesem Tag etwas von diesem Ereignis bemerkte, war ein Mensch.
Allerdings war Special Agent Steve Sisko weit davon entfernt, dessen Bedeutung zu erkennen. Die konnte ihm seine technische Ausrüstung nämlich nicht entschlüsseln. Er befand sich nur noch eine kurze Wegstrecke vor dem Zugang, den auch Scotty vor einigen Tagen gefunden hatte. Der Bildschirm seiner Brille leuchtete auf und das Gerät gab einen leise vibrierenden Ton von sich. Er blieb überrascht stehen.
Dann erschien eine Meldung: Warnung … Unterirdische Aktivität ... Ursache unbekannt … Warnung!
Steve tippte ein paarmal an den Rand der MFB – wirkungslos – und auch das Display an seinem Handgelenk blinkte beharrlich weiter ... jetzt sogar noch eindringlicher warnend, wie ihm schien.
Das kann nicht sein, dachte er, was soll hier unbekannt sein? Dass der Vulkan aktiv ist, wissen wir ... aber eine Fehlermeldung hatte ich bisher noch nie.
Auch nach nochmaligem, diesmal etwas energischerem Klopfen auf das Display veränderte sich die Anzeige nicht.
Genervt schaltete er die Meldung kurzerhand ab. Die Rauchsäule des mächtigen Gork hatte ihm auf seinem Marsch sogar als Orientierung gedient und die MFB hatte sie bisher stets normaler, aber ungefährlicher vulkanischer Aktivität zugeordnet.
»Wenn du mir keine nützlicheren Informationen liefern kannst«, murmelte er dabei. Dann nahm er die Brille für einen Moment ab und setzte sie nach dem Verschwinden der Meldung wieder auf.
Dennoch vorsichtiger geworden, setzte er seinen Weg fort.
Kurz darauf entdeckte er die in den Fels gemeißelten Schriftzüge. Scotty hatte diese bei seinem Besuch vor einigen Tagen nicht deuten können, Steve Sisko aber las die Botschaft mithilfe seiner MFB, die wieder tadellos funktionierte.
Kommst du in Frieden, so tritt ein und fürchte dich nicht. Kommst du als Feind, wird dir keine Rettung sein.
Komische Formulierung … und was passiert wohl, wenn die Mission nicht friedlich ist?, dachte Steve und grinste. Er war für alles gerüstet. Dann fuhr er behutsam mit einer Hand über die Worte.
»Unglaublich«, flüsterte er jetzt, »das ist weit mehr als tausend Jahre her. Wahrscheinlich hat man damals so gestelzt geredet.«
Kurz darauf stand er auf der gleichen Anhöhe, die auch Scotty schon in Erstaunen versetzt hatte. Ihm erging es nicht anders, obwohl er dank Nikitas Berichten, so spärlich sie auch gewesen sein mochten, darauf vorbereitet war. Vor ihm breitete sich das Tal von Angkar Wat aus. Über seine MFB ließ er die Männer, die jetzt in Bushtown in dunklen Räumen vor großen Bildschirmen hockten, an diesem Blick teilhaben, der sich ihm präsentierte: Üppige Vegetation, bis hoch in die Berghänge hinauf, umschloss das Tal. Er sah einen See, der von mehreren Wasserfällen gespeist wurde und auf dessen Oberfläche sich jetzt glitzernd die Sonne spiegelte. Überall im Tal standen Bäume, die man sonst nur in sehr fruchtbaren Ebenen finden konnte. Zahlreiche Obstsorten wie Äpfel, Kirschen und Birnen, ja sogar Mandelbäume und Weinstöcke konnte er am Südhang erkennen. So hoch im Gebirge solch eine Vegetation, das ist schon mehr als merkwürdig, dachte er.
Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.
Vor zwei Tagen wäre er unweigerlich auf Jared gestoßen und wäre er noch früher gekommen, hätte er sein Eindringen in dieses Tal genau wie Vincent sicher mit seinem Leben bezahlt.
Auch nach weiteren Minuten konnte er kein Anzeichen menschlichen Lebens erkennen. Tiere hingegen gab es jede Menge. An den Hängen suchten Ziegen nach Futter und im Tal erblickte er Schafe und Hühner. Er hakte seine Daumen unter die Riemen des Rucksackes und begann den Abstieg, der von zwei sehr besorgten Krulls beobachtet wurde.
Bald traf er auf die ersten Ruinen und schreckte dabei ein paar Hühner auf, die im warmen Sand gedöst hatten. Aufgeregt gackernd und feinen Staub aufwirbelnd liefen sie davon, um kurz darauf ihre Futtersuche fortzusetzen.
Richtige Häuser ... tatsächlich, durchfuhr es ihn, massive Häuser ... aus Stein gebaut.
Nikitas Informationen stimmten soweit.
Hier haben wirklich Menschen gelebt, und als er die Burg erblickte, dachte er weiter, was immer sie hierher getrieben hat, sie sind lange geblieben ... oder hatten es zumindest vorgehabt.
Als er den Burghof betrat, erschien erneut die Meldung auf dem Display seiner MFB und wieder schaltete er sie aus.
Bisher war alles gut gegangen, wenn man davon absah, dass es länger als geplant gedauert hatte, bis Dennis, der ihn in einem kleinen Boot an Land hatte bringen sollen, eine geeignete Stelle gefunden hatte. Schließlich hatten sie in der Nähe der Stadt Sardi, so besagten jedenfalls die Karten, die auch schon in Nikitas MFB gespeichert gewesen waren, einen geeigneten Platz gefunden. Der Marsch vom Strand bis hierher war denkbar einfach gewesen. Nur zu Beginn war er in einem leichten Trab, den er ohne große Mühe einige Stunden lang beibehalten konnte, unterwegs gewesen. Die MFB hatte ihn dabei sicher geführt. Da er sich nicht mit Nahrungssuche aufhalten musste – für die ersten Tage hatte er genügend dabei – war er schnell vorangekommen.
Von Nikita Ferrer, vielmehr deren Brille, war man über die Ansiedlungen von Menschen informiert, die auf dem Weg lagen. Irgendwann hatte sich Frau Ferrer dem Befehl ihres Vorgesetzten widersetzt gehabt und die Brille nur ab und zu getragen. Man hatte darüber die wildesten Spekulationen betrieben, wie er wusste. Wahrscheinlich würde sie bei einem Verhör in der Heimat irgendeine fantasievolle Geschichte zum Besten geben. Die Wahrheit würden sie nicht herausbekommen, davon ging er aus.
Damit, dass sie sich hier in diesem armseligen Teil der Erde verlieben würde, hatte man nicht gerechnet. Das war einfach absurd. Es war offensichtlich doch geschehen, wie man von Professor Rhin erfahren hatte, und schon aus diesem Grund würde er nicht alles glauben, was sie berichtet hatte. Er würde nicht nur dieses Tal genauestens unter die Lupe nehmen müssen.
Sein Instinkt sagte ihm, dass Nikita Ferrer nicht alles erzählt hatte. Dass Liebe die Wahrnehmung gehörig verzerren kann, war ihm durchaus bekannt, und wer wusste schon, wie weit sie mit den Menschen in diesem Teil der Welt, die sie ganz offensichtlich um den Finger gewickelt hatten, bereits solidarisch war. Sie schwärmte in ihren knappen Berichten geradezu von dieser Welt. Demnach war sie hier sehr herzlich aufgenommen worden.
Steve kannte alle Tonprotokolle der Gespräche, die sie mit ihrem Vorgesetzten, Professor Rhin, geführt hatte, und er hatte ihre Emotionen genau herausgehört, obwohl sie diese sicher hatte verbergen wollen. Einer dafür programmierten Software hatte sie allerdings nichts vormachen können. Er hätte sie gerne an Bord kennengelernt, um ihr noch etwas auf den Zahn zu fühlen. Sein Befehl hatte aber gelautet, direkt an Land zu gehen – noch bevor man sie an Bord der U-57 aufnehmen würde.
Er war mehr als fünf Jahre intensiv vorbereitet worden und es war ihm inzwischen klar geworden, dass das nur für diesen Auftrag geschehen war. Eines hatte er neben vielem anderen gelernt: nur sich selbst zu vertrauen, denn selbst die ausgereifteste Technik konnte versagen, was ihm ja eben unter Beweis gestellt worden war. Die Sprache, die hier gesprochen wurde, sprach er wie ein Einheimischer.
Seinen Zwillingsbruder, der gerade dabei war, eine große politische Laufbahn einzuschlagen – er gehörte mit seinen 23 Jahren zu den jüngsten Senatoren – hatte er in den letzten Jahren so ziemlich aus den Augen verloren. Sie telefonierten zwar hin und wieder und trafen sich bei Familienfesten, aber die Nähe, die sie als Kinder gehabt hatten, war zwischen ihnen nie wieder entstanden. Sie hatten sich vollkommen unterschiedlich entwickelt. Damals hatte sie ihre Entführung nur für kurze Zeit noch zusammengeschweißt.
Der Entführer hatte während der drei Monate ihrer Gefangenschaft ein paarmal seine Maske abgelegt. Diese wenigen Momente hatten aber genügt, dass stahlblaue Augen und eine Raubvogelnase selbst heute noch hin und wieder in Steves seltenen Träumen auftauchten. Dass sie entführt worden waren, wussten sie lediglich aus Erzählungen. Man hatte den Brüdern gesagt, dass es wohl das Beste für sie gewesen sei, dass sie dieses traumatische Erlebnis vergessen hätten. Einer der Spezialisten, die seine Eltern konsultiert hatten, hatte damals einen weitschweifenden Vortrag über das Unterbewusstsein des Menschen, über Amnesie und Traumaverarbeitung gehalten. So würden sie ihre Zukunft unbeschwerter erleben und frei von Ängsten gestalten können, hatte er gemeint. Dass sie sich eines Tages daran erinnern würden, hielt er praktisch für ausgeschlossen.
»Sie könnten sich höchstens erinnern, wenn sie ihrem Entführer doch eines Tages gegenüberstehen sollten, aber das ist ja nicht möglich, da der sich umgebracht hat, wie man in den Nachrichten hören konnte«, hatte er die besorgten Eltern noch beruhigt.
Nur ein schmales ledernes, an den Rändern metallverziertes Armband mit einem eingefassten Diamanten, das er immer trug, erinnerte ihn stets daran. Seine Mutter hatte jedem ihrer Söhne ein solches Band als, wie sie es nannte, Schutzband geschenkt, kurz nachdem sie wieder zu Hause waren.
Er begann sofort mit der Erkundung, denn er wollte keine Zeit verlieren. Zunächst stellte er seine MFB auf eine starke Fernglasoption und das Auffinden von Hohlräumen ein, gab einen kurzen Befehl und begann, die Berghänge abzusuchen.
Das Objekt sollte sich ja in einer Höhle befinden. Nach ein paar Minuten hatte er schon einige davon ausgemacht, obwohl mit der Brille irgendetwas nicht zu stimmen schien.
Immer mal wieder hatte es kleine Aussetzer in der Übertragung gegeben. Schließlich wurde ihm der Eingang zu einer besonders großen Höhle gezeigt, die offensichtlich hinter einem der Wasserfälle lag, die den See speisten.
Wenn ich etwas in Sicherheit bringen wollte, würde ich es genau dort verstecken, dachte er. In dieser Höhle würde er gleich am nächsten Morgen die Suche beginnen.
Plötzlich stutzte er. Da war eine Bewegung gewesen, keine hastige, wie vielleicht von einem flüchtigen Tier, sondern eine langsame und ruhige. Er hatte etwas Grünes gesehen, das sich in dem Bereich, wo der bewachsene Teil in den felsigen Bereich überging, bewegt hatte. Das Objektiv der Brille war gut. Er war sich inzwischen sicher, dass es eine Frau in einem grünen Kleid gewesen war, obwohl seine MFB keine menschliche Anwesenheit registriert hatte, was ihn wunderte. Es war nur ein kurzer Moment gewesen und so sehr er sich jetzt auch anstrengte, die Frau war wie vom Erdboden verschluckt. Es war auch kein Busch dort oben in der Nähe, wo sich jemand hätte verstecken können, und dass sich Menschen einfach so in Luft auflösen können, das hatte er vielleicht als kleiner Junge einmal geglaubt. Die Entfernung bis dorthin gab seine Brille mit 250 Yards an. Sollte er sich doch getäuscht haben?
Also, auf gehts, wollen doch mal schauen, wer dort herumschleicht … vielleicht ist es ja nur eine Hirtin, die ihre Tiere sucht. Er nahm die Armbrust und vorsichtshalber auch seine Dienstwaffe an sich. Vorsichtig, jede Deckung nutzend, schlich er weiter und hatte kurz darauf die Stelle erreicht, wo die Frau in Grün gewesen sein musste. Weit und breit konnte er niemanden ausmachen. Sie blieb verschwunden. Plötzlich zuckte er zusammen, als eine große Eidechse vorüberhuschte, unter einem großen Felsen verschwand und dabei kleinere Steine lostrat.
Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.
Als er sich sicher war, niemanden mehr vorzufinden, richtete er sich auf und als er ein paar Schritte gegangen war, entdeckte er einen kleinen, frisch aufgeworfenen Erdhügel, der mit Steinen verziert worden war. Daneben sah er Spuren eines großen Hundes und mehrere Stiefelabdrücke. Die Brille zeigte an, dass es sich um zwei Männer gehandelt hatte, die vor Kurzem hier gewesen waren. Einer der Männer musste nach Angabe der Brille über 190 cm groß und knapp über 100 Kilo schwer gewesen sein, der andere dagegen kleiner und leichter.
»Also doch«, murmelte er, »es war jemand hier ... vor gar nicht langer Zeit ... sieht aus wie ein … Grab. Lassen wir doch mal die MFB weiter ihre Arbeit machen.«
Es dauerte nicht lange, bis ihm angezeigt wurde, dass sich vor ihm in der Erde zwischen den Felsen ein menschlicher Torso im Stadium früher Verwesung befand. Steve Sisko hatte das Grab schnell freigelegt und zuckte dann doch zusammen, als er einen Leichnam ohne Kopf vorfand. Er hatte schon viele Tote gesehen, manchmal auch solche, die aufgrund von Waffengewalt entstellt gewesen waren, aber hier, in diesem so friedlichen Tal, hatte er nicht mit so etwas gerechnet. Er hatte das Grab geöffnet, weil er wissen wollte, wie dieser Mensch ums Leben gekommen war. Er musste alles über dieses Tal erfahren. Die Anzeichen von Verwesung waren auch mit bloßem Auge bereits deutlich zu erkennen. Dass es sich bei dem Toten um einen recht jungen Mann gehandelt haben musste, hatte Steve sofort erfasst. Er machte ein paar Fotos mit seiner MFB, aber auch das funktionierte nicht einwandfrei. Fast alle Aufnahmen waren verschwommen.
Sollten sie sich drüben darum kümmern, sie sollten die Bilder ja nachbearbeiten können.
Wer immer den Körper bestattet hatte, musste eine besondere Beziehung zu ihm gehabt haben. Das zeigte sich Steve an den Blüten, die über den Leichnam gestreut waren. Diese Vermutung wurde bestätigt, als er einen Zettel fand, der in den über der Brust gefalteten Händen des Getöteten steckte. Steve nahm ihn vorsichtig und las: Mein Sohn, ich werde deinen Mörder finden. In Liebe, dein Vater.
Er untersuchte daraufhin die Stelle, an der der Kopf vom Rumpf abgetrennt worden war. Dass er mit einer unglaublichen Kraft abgerissen worden sein musste, war klar. Sorgsam brachte er danach das Grab in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Während er das tat, dachte er darüber nach, wer zu einer solchen Tat imstande gewesen sein mochte. Die einzige logische Erklärung, die er fand, war eine Begegnung mit einem der großen Bären, denn er wusste, dass diese in dem Gebirge vorkamen. War wohl etwas unvorsichtig bei der Jagd gewesen, der junge Mann, und sein Vater hatte ihm auch nicht mehr helfen können.
Da er bis zum Einsetzen der Dunkelheit noch Zeit haben würde, beschloss er, seine Erkundung des Tales fortzusetzen.
Die Banshee hatte ihn aus einer nahen Höhle heraus die ganze Zeit beobachtet. Sie wusste, dass er sie gesehen hatte, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Die nächste Überraschung erlebte Steve Sisko, als er eine Stunde später eines alten Segelschiffes gewahr wurde. Er hatte zwar durch die Berichte Nikitas Kenntnis davon, doch so hatte er es sich doch nicht vorgestellt. Er umrundete das Schiff mehrere Male, laut MFB handelte es sich um eine Brigg von 35 Yard Länge und neun Yard Breite, und betrachtete sich dann genau die merkwürdige Figur am Bug.
Welchem irren Hirn ist denn die entsprungen?, dachte er bei sich. Irgendwie alles ein wenig verrückt hier. Auch hier um den Segler herum waren die Spuren des Hundes und der beiden Männer noch deutlich zu sehen. Die Spur des größeren Mannes führte zu dem Haus. Steve umrundete das lang gestreckte Gebäude und entdeckte die aufgebrochene Tür.
Der war wohl sehr neugierig, dachte Steve und besichtigte, wie Jared vor ihm, die Schule der Emurks. Kopfschüttelnd verließ er sie nach einigen Minuten wieder.
Was hat hier stattgefunden? Wo sind diese merkwürdigen Leute, die solche Bilder malen? Wahrscheinlich verstecken sie sich irgendwo in den Bergen und bleiben hoffentlich auch dort.
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Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.