Kitabı oku: «Einführung in die Psychomotorik», sayfa 6

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Postulate

Die Postulate der von Epstein aufgestellten Selbsttheorie sind hierarchisch geordnet. Postulate unterer Ordnung sind sehr konkret und entstehen aus unmittelbaren Erfahrungen; sie werden zu übergeordneten Postulaten mit steigendem Abstraktionsgrad zusammengefasst. Auch diese werden wiederum höheren Postulaten zugeordnet. Ein Postulat unterer Ordnung ist beispielsweise: „Ich habe schöne Augen“; ein Postulat höherer Ordnung: „Ich bin ein gut aussehender Typ“. Je konkreter und verhaltensnäher die Postulate sind, desto eher sind sie überprüf- und veränderbar. Postulate höherer Ordnung sind situationsinvarianter und entstehen aus Generalisierungen. Die Entkräftung eines niedrigen Postulates hat kaum Auswirkungen auf die Selbsttheorie einer Person. Dagegen hat die Widerlegung eines höheren Postulates deutlichere Konsequenzen für eine Person, da wesentlich mehr Postulate betroffen sind. Jedoch erhöht der Generalisierungsgrad dessen Konsistenz. Eine breite Generalisierung schützt gewissermaßen die von der Person formulierte Selbsttheorie. Die Selbsttheorie des Menschen erfüllt damit nach Epstein drei wesentliche Funktionen:

■ Erfahrungsdaten zu assimilieren,

■ die Lust-Unlust-Balance über vorhersehbare Zeiträume zu maximieren und

■ das Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten.

Selbstwertgefühl

Dabei hat das Selbstwertgefühl entscheidenden Einfluss auf die Lust-Unlust-Balance und damit eine fundamentale Bedeutung für die Funktionsweise des Selbstsystems. Eine Veränderung der Selbstwertschätzung löst potentiell weitreichende Modifikationen innerhalb des Selbstsystems aus. Die Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls einerseits und die Stabilisierung des Systems andererseits sind zwei Systemeigenschaften, die miteinander in Konflikt geraten können. Treten Unvereinbarkeiten der beiden Systembedürfnisse auf, dominiert das Bedürfnis nach Konsistenz des Selbstsystems gegenüber der Erhaltung der situativen Selbstwertschätzung. Ist die Stabilität des Selbstsystems dennoch gefährdet, kann das Individuum auf zweierlei Art die kritische Situation bewältigen:

„Sobald das Selbstsystem bedroht wird, kann die Person das bedrohliche Ereignis entweder assimilieren und dadurch das Selbstsystem um den Preis momentaner Angstzustände erweitern; sie kann aber auch Abwehrmechanismen entwickeln, das Selbstsystem schützen und so Angst vermeiden" (Epstein 1984, 21).

Der Persönlichkeitstheorie Epsteins liegt ein integratives Verständnis entwicklungstheoretischer Positionen zugrunde, weil es sowohl die Relevanz unbewusster innerer Bedürfnisse und Konflikte als auch den zentralen Wunsch nach Selbstwertschätzung und Geschlossenheit des Systems, gestiftet durch interaktive Beziehungsprozesse, konzeptionell integriert.

2.3.2 Das Selbstkonzept nach Filipp

Die Informations- und handlungsorientierte Persönlichkeitstheorie von Filipp beschreibt das Selbstkonzept als ein Produkt der menschlichen Erfahrung und Informationsverarbeitung, das zusammen mit individuellen Vorstellungen über die Umwelt im Sinne einer Handlungstheorie wirksam wird. Danach ist der Mensch Konstrukteur seines Wissens und aktiver Gestalter und Planer seiner Handlungen. Dies geschieht auf der Basis selbstbezogener Informationen.

„Die Grundannahme, daß der Mensch als informationsverarbeitendes System und als aktiver Konstrukteur seines Wissens zu betrachten ist, impliziert zunächst, daß interne Selbstmodelle und die sie konstituierenden Einheiten [...] zu verstehen sind als die jeweils zu einem Zeitpunkt gegebenen Endprodukte, die aus dem Prozeß der Verarbeitung selbstbezogener Informationen resultieren" (Filipp 1984, 131).

Wissen über die eigene Person

Die Aufnahme und Verarbeitung aller selbstbezogenen Informationen sind verantwortlich für den Aufbau und Wandel interner Selbstmodelle. Dieser Begriff bezeichnet den Wissensbestand eines Individuums über die eigene Person. Als organisierende Einheiten innerhalb dieser Modelle werden Selbstschemata angenommen. Diese werden gemäß einer wahrgenommenen und erlebten Unveränderlichkeit der eigenen Person in der Selbsterfahrung aufgebaut. Quellen selbstbezogener Informationen können alle realen und/oder symbolischen Kontakte des Menschen mit Personen und Gegenständen seiner Umwelt sein, die von ihm in Abgrenzung von außenweltbezogenen Informationen als selbstbezogene Informationen eingestuft werden. Unterschieden werden die Informationsquellen nach folgenden Kennzeichen:

Direkte Prädikatenzuweisungen durch andere Personen: Es sind dies alle Merkmalszuschreibungen, die im Laufe einer Interaktion direkt verbal geäußert werden.

Beispiel: Jemand sagt zu einem Kind: „Du kannst aber gut klettern!“

Indirekte Prädikatenzuweisungen durch andere Personen: Darunter sind Informationen zu verstehen, die eine Person aufgrund eigener Schlussfolgerungen aus dem Verhalten anderer gewinnt.

Beispiel: Ein Heranwachsender wird von seinen Freunden häufig nach Hause eingeladen und schließt daraus: „Ich bin in meinem Freundeskreis sehr beliebt“.

Komparative Prädikaten-Selbstzuweisungen: Hierbei handelt es sich um selbstbezogene Informationen, die aus Vergleichen mit anderen Personen hervorgehen.

Beispiel: Nach einem Vergleich mit seinen Mitschülern kommt ein Schüler zu dem Ergebnis: „Ich treffe den Korb am besten!“

Reflexive Prädikaten-Selbstzuweisungen: Die Fähigkeit jeder Person, das eigene Verhalten beobachten zu können und aus dieser Beobachtung Schlussfolgerungen für sich selbst zu ziehen, ist eine weitere Quelle selbstbezogener Informationen. Solche reflexiven Selbstattribuierungen können sowohl zu einer Aufwertung als auch zu einer Abwertung des Selbst führen.

Beispiel: Ein Fußballspieler, der im Training das Tor nicht getroffen hat, denkt von sich selbst: „Ich bin kein guter Torschütze“.

Ideationale Prädikaten-Selbstzuweisungen: Jede Person ist in der Lage, über sich selbst nachzudenken und sich zurückliegende Erfahrungen in Erinnerung zu rufen. Werden solche memorezeptiven Informationen abgerufen, kommt es zu einer Rekonstruktion des Informationsmaterials, welches als Basis zur Konstruktion neuer Selbstattributierungen dient.

Beispiel: Erinnert sich ein Jugendlicher daran, dass er als Kind beim Fußballspielen ein erfolgreicher Torwart war, so wird er auch später davon ausgehen, diese Funktion gut erfüllen zu können und versuchen, diese Rolle zu übernehmen.

Prozess-Schema

Die Verarbeitung selbstbezogener Informationen lässt sich nach Filipp in einem allgemeinen Prozess-Schema darstellen, welches in vier Phasen unterteilbar ist: Zu Anfang des Prozesses (Vorbereitungsphase) werden die Informationen selektiert. In der Aneignungsphase werden diese subjektiv modifiziert und in der darauf folgenden Speicherungsphase im Gedächtnis festgehalten. Schließlich werden in der Erinnerungsphase die gespeicherten Nachrichten wieder hervorgerufen. Ebenso wie die Verarbeitung der Information umfasst der anschließende Handlungsprozess weitere Phasen, die in besonderer Weise von Selbstkognitionen beeinflusst werden: In der Antizipationsphase führt das Individuum auf der Grundlage individueller Einschätzungen seiner Handlungskompetenzen eine ideelle Verknüpfung von Handlungszielen mit sinnvollen Handlungsmitteln durch. Während der Realisationsphase richtet die Person ihre Aufmerksamkeit auf die Handlungssituation und entwirft handlungsbegleitende Kognitionen. Kommt es zu einer Unterbrechung oder zu Schwierigkeiten im Handlungsgeschehen, treten wieder selbstbezogene Kognitionen mit dem Ziel der Handlungskorrektur in den Vordergrund. In der sich jeder Handlung anschließenden Interpretationsphase nimmt das Individuum eine Bewertung des Ausgangs und eine Ursachenerklärung ihres Ergebnisses vor.

Handlungstheorie

Die Ausführungen zeigen, dass die Handlungstheorie eines Individuums einerseits aus der individuellen Bewertung seiner Handlungsvoraussetzungen und Handlungsabsichten und andererseits aus der subjektiven Interpretation der jeweiligen Situation besteht. Ebenso wie Epstein begreift Filipp den Menschen als einen naiven Handlungstheoretiker, der sich aufgrund seines Selbstmodells begreift und organisiert. Diese Tatsache spielt für das menschliche Handeln eine zentrale Rolle, da es die komplexe Wirklichkeit subjektiv ordnet und so Kontinuität und Identität vermittelt. Die Besonderheit des filippschen Modells besteht darin, dass sich das Selbst handlungsgebunden und interaktiv herausbildet. In dieser Parallele liegt die besondere Bedeutung für das aktional getragene Persönlichkeitskonzept der Psychomotorik.

Das Selbst im sozialen Kontext

In der jüngeren Konzeptdiskussion (Filipp/Mayer 2005; Siegler et al. 2016c; Spencer et al. 2015; Wendler 2015a) wird das Selbst als hierarchisches und multidimensionales Konstrukt beschrieben, das kognitive, emotionale und motivationale Aspekte integriert und sich ontogenetisch über Interaktions- und Kommunikationsprozesse entwickelt (Stiller/Alfermann 2008). Im Vordergrund steht zunehmend die Kontextabhängigkeit des Selbstkonzepts, also die Frage, wie sich das Selbst mit dem sozialen Kontext entwickelt (Hannover 2000; 2005). Darüber hinaus wird die besondere Bedeutung des Körpers im Selbst-Gewahrsein (self-awareness) für die Selbstkonzeptualisierung in der neueren Forschung evident. Filipp/Mayer (2005, 271; 312) stellen in einer Überblicksdarstellung dieses „agentic self“ nicht nur für die Phase der frühen Kindheit, sondern als altersübergreifenden Aspekt der Entwicklung von Selbstkonzepten heraus, der die gesamte Lebensspanne umfasst. Unter einer bewegungs-/sportwissenschaftlichen Perspektive (Conzelmann et al. 2011; Seyda 2011; 2013) wird damit vergleichbar vom physischen Selbstkonzept als Teilbereich des allgemeinen Selbstkonzepts gesprochen.

2.3.3 Körpererfahrung als Teilkonzept des Selbstkonzepts

Identitätssuche

In der Entwicklung des Menschen allgemein und in der Entwicklungsspanne der Kindheit im Besonderen ist die zentrale Thematik die Suche nach der eigenen Identität. Das Kind will wissen, wer und was es ist und wer und was es werden will.

„In diesem Sinne ist Identität das Ergebnis eines Prozesses der Selbstidentifizierung anhand des Wissens und der Erfahrungen über sich selbst, d. h. das Kind (Subjekt) macht sich selbst (sein Selbst) zum Gegenstand (Objekt) seiner Bewusstseinsprozesse" (Neubauer 1993, 303).

Auf dem Wege der sich ständig wandelnden Bewusstwerdungs- und Bewusstseinsprozesse stellt die Körpererfahrung eine wesentliche Prozessvariable dar. Die wichtigsten Aspekte dieses Konstrukts sollen im Folgenden spezifiziert werden. Dabei orientiert sich die Darstellung generell am Strukturmodell Bielefelds (1986, 17), der den Gesamtkomplex Körpererfahrung als Oberbegriff für die „Gesamtheit aller im Verlaufe der individuellen wie gesellschaftlichen Entwicklung erworbenen Erfahrungen mit dem eigenen Körper, die sowohl kognitiv wie affektiv, bewußt wie unbewußt sein können“ (s. Abb. 7).

Körperschema

Der Begriff des Körperschemas erfährt einen kognitions- bzw. wahrnehmungspsychologischen Zugang, beschreibt er doch den Prozess der Gewahr- und der Bewusstwerdung der eigenen Körperlichkeit und damit auch eine Instrumentalisierung (Wahrnehmung des Körpers als Objekt). Ein Schema stellt das wesentliche, gemeinsame Charakteristikum einer Klasse von Elementen dar, dessen Funktion es ist, Neues in Bekanntes, Bestehendes zu integrieren und gegebenenfalls zu differenzieren. In diesem Sinne hat ein Körperschema die Funktion der Verarbeitung aktueller Afferenzen aus dem Körper auf dem Hintergrund vorhandener, gespeicherter Bewegungserfahrungen. Ohne dieses In-Beziehung-Setzen ist das Erkennen der Körperposition nicht möglich. Auf diesen Sachverhalt weisen schon Head/Holmes (1911, 185) hin: Eine direkte Wahrnehmung ist nicht möglich, in jedem Fall wird die neue Körperposition in Relation zur vorherigen wahrgenommen (Übersetzung K. F.). Man geht von der Annahme aus, dass nicht alle physiologisch möglichen Körperstellungen im Körperschema gleichermaßen repräsentiert sind. Es gibt eine bequeme Grundhaltung, die als Primärlage bezeichnet wird. Unter dem Körperschema dürfen wir uns nun kein statisches, unveränderliches Muster vorstellen, sondern ein dynamisches und flexibles Bezugssystem. Neu eintreffende, von der Grundhaltung abweichende Informationen, die das Kind über seine aktive Bewegungstätigkeit erzeugt, werden im Körperschema zentral verrechnet, d. h. es sind ständig Afferenzen und Rückkoppelungen erforderlich, um die Bewegungshandlung erfolgreich durchführen zu können. Das Körperschema kann als eine Art verinnerlichtes Koordinatensystem angesehen werden, in dem die Hauptachsen der Glieder (vorne/hinten; oben/unten; rechts/links) als Ganzes räumlich vertreten sind, während die Lokalisation einzelner Körperorte daraus sekundär abgeleitet wird (Joraschky 1986). Die Hauptkoordinaten entsprechen somit den horizontalen und vertikalen Raumdimensionen. Als Verarbeitungsmechanismus afferenter Informationen kommt dem Körperschema für die Wahrnehmung von Positionen und Bewegungsrichtungen im Raum sowie für die Bewegungskoordination eine besondere Bedeutung zu.

Abb. 7: Strukturierung des Gesamtkomplexes Körpererfahrung (Bielefeld 1986, 17, verändert)

Handlungsgebundene Körpererfahrungen

Das psychomotorische Paradigma nimmt Bezug auf diese Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung und Kognition und spezifiziert handlungsgebundene Förderangebote, die (entwicklungsverzögerte) Kinder spielerisch und beispielhaft die Entwicklungsschritte von der Erfahrung des Körperraumes zur Erfahrung des außerkörperlichen Raumes (nach-)vollziehen lassen (Vortisch/Wendler 1993; Fischer 2001d; Eggert et al. 2014; Lensing-Conradi 2015). Es sind dies handlungsgebundene Körpererfahrungen, die nicht allein (spätere) komplexe sportmotorische Handlungen vorbereiten, sondern ein Fundament für alle Orientierungsleistungen in Zeit und Raum darstellen: Also dafür, sich in einem unbekannten Gelände zurechtzufinden, einen Stadtplan oder eine Karte lesen zu können, für maßstabsgetreues Denken (etwa im Orientierungssport), dafür, Größen, Höhen, Tiefen, Abstände, Winkel, auch Geschwindigkeiten einschätzen zu können, die Schreib- und Leserichtung einzuhalten und das Symbolsystem der Schriftsprache und des Zahlenraumes zu verstehen.

Körperbild

Während der Begriff Körperschema eher die Struktur und den Prozess der Wahrnehmung des eigenen Körpers erfasst, spiegelt der Begriff Körperbild in erster Linie die subjektiv-erlebnismäßige Einordnung und Bewertung eben dieser Wahrnehmung wider. Es ist das unmittelbar erkannte, erlebte und bewertete Bild des eigenen Körpers, bei dem kognitive und affektiv-emotionale Faktoren gleichermaßen eine Rolle spielen. Der Forschungszugang zum Begriff des Körperbildes erfolgt primär von Seiten der Phänomenologie; diese bevorzugt die subjektbezogene Terminologie der Leiblichkeit als Bestandteil des Selbst (Körper-Sein) gegenüber dem Körper als Objektbezug (Körper-Haben) (Joraschky 1986, 35; Schache/Keßel 2016, 125). Im Gegensatz zum Körperschema entwickelt sich das Körperbild – quasi als emotionales Selbstbewertungssystem – aus der Vielfalt der (Bewegungs-)Erlebnisse. Im klinischen Bereich – etwa in der Bewegungsund Körperarbeit mit magersüchtigen Jugendlichen – wird beobachtet, dass das Bild vom eigenen Körper nicht immer mit dem physikalischen Organismus identisch ist. Magersüchtige sehen sich viel breiter, voluminöser als sie es wirklich sind, und können ihre Person mit ihrem Körper nicht in Einklang bringen. Diese Erfahrung führt zu der Annahme, dass zwischen dem physikalischen und dem wahrgenommenen Körper unterschieden werden muss. Bei der Wahrnehmung des eigenen Körpers spielen Erinnerungen, Erfahrungen, vorangegangene Erlebnisse sowie der aktuelle psychische Zustand des Kindes eine entscheidende Rolle. Dies bedeutet, dass die Widerspiegelung der Realität – in diesem Fall des eigenen Körpers – im Bewusstsein nicht ein Abbild der objektiven Welt, sondern ein Abbild des erkennenden (interpretierenden) Subjekts ist.

Körper als Abgrenzung zur Umwelt

Das Körperbild versetzt das Kind in die Lage, in seiner Vorstellung einen personalen Raum aufzubauen und sich von der sozialräumlichen Umwelt abzugrenzen. Dem als persönliche „Puffer-Zone“ bezeichneten Körperbereich, der bei jedem Kind anders ist, wird eine Schutzfunktion zugeschrieben, die einen regulierenden Einfluss auf das Verhalten bei psychischer und physischer Überforderung oder gar Bedrohung hat. Es wird deutlich, dass das Bild, das Kinder von ihrem eigenen Körper aufbauen, sich in enger Beziehung zur eigenen Gefühlswelt und zur Umwelt entwickelt. Nur wenn es dem Kind gelingt, eine innere Struktur aufzubauen, die es geradezu davor schützt, in dem es umgebenden Umweltraum aufzugehen, entwickelt das Kind eine eigene Persönlichkeit. Die Fähigkeit, zwischen Reizen aus dem Körperinneren und solchen aus der Umwelt zu unterscheiden, ermöglicht die Erfahrung und die Repräsentation der Wirklichkeit. In diesem Prozess wirken Körperschema und Körperbild wie zwei Komplemente eines Ganzen: „Im konkreten Handeln (...), das immer ganzheitlich verläuft, sind Wahrnehmungen und Empfindungen, sind neurophysiologische und phänomenal-erlebnishafte Prozesse nicht voneinander zu trennen“ (Bielefeld 1986, 32).

Körperkonzept

Dieses körperbezogene Ganze wird üblicherweise als Körperkonzept oder Körperselbst bezeichnet und bildet seinerseits ein Teilkonzept des Selbstkonzepts. Die Bedeutung der Körpererfahrung für die Entwicklung des Selbstkonzepts wird zunehmend anerkannt; die nachfolgende Übersicht soll die Zusammenhänge in komprimierter Form verdeutlichen. Dabei ist nicht beabsichtigt, ein Phasenmodell der Entwicklung des Selbst nachzuvollziehen, sondern das qualitative Veränderungsprofil zwischen Innenwelt und Außenwelt zu skizzieren.

■ Das Neugeborene verfügt über ein globales Selbstschema; es kann noch nicht zwischen Selbst und Umwelt differenzieren. Kernelement der Selbstentwicklung ist der Körper, über den der Säugling sehr schnell differenzierte Schematisierungen erwirbt. Diese beziehen sich sowohl auf die Wahrnehmung der materialen Umwelt („begreifen“), als auch auf die Ausbildung stabiler Personenbezüge, die zur Differenzierung von Ich und Nicht-Ich beiträgt. Die Entwicklung des Selbstkonzeptes in dieser Altersspanne ist primär wahrnehmungsgebunden. Das Ende der sensomotorischen Entwicklungsphase ist markiert durch zwei wesentliche Meilensteine: Durch ein stabiles Lageschema, d. h. durch die Fähigkeit der Lokalisation des eigenen Körpers im Raum und durch die Fähigkeit, das Selbst mit Hilfe des eigenen Namens identifizieren zu können. Die Folgezeit ist durch eine deutliche Abfolge von Entwicklungsschritten gekennzeichnet. Die Kinder sind zunehmend in der Lage, ihr eigenes Spiegelbild zu erkennen und von dem anderer zu unterscheiden (2./3. Lebensjahr).

■ Bis zum Beginn des Grundschulalters stehen körperliche Eigenschaften und Tätigkeiten im Mittelpunkt des Bewusstwerdungsprozesses. Auf die Aufforderung „Erzähl mir etwas von Dir!“ an Kinder im Vorschulalter erweist sich, dass die überwältigende Mehrzahl der Beschreibungen auf eigene Aktivitäten zielen: „Das Selbst ist also in erster Linie das handelnde Selbst: man erkennt sich als den Akteur“ (Filipp/Frey 1988, 422).

■ In der mittleren Kindheit erfährt das Denken dezentrierte Züge; die sechs- bis achtjährigen Kinder können ihr Verhalten von dem anderer Kinder unterscheiden und gewinnen allmählich eine Vorstellung personentypischer Verhaltensweisen. Sukzessive entwickelt sich die Einsicht, dass der Mensch über ein psychisches Innenleben verfügt. Mit etwa elf Jahren stabilisiert sich eine selbstreflexive Haltung: Die Person ist nun in der Lage, über das eigene Tun nachzudenken, sich quasi außerhalb das eigene Selbst zu stellen und eine Existenz unabhängig von der konkreten Handlung anzuerkennen. Aber erst der Jugendliche verfügt über das Potential, zwischen der verborgenen Wirklichkeit seiner psychischen Innenwelt (dem gesicherten Bild von der eigenen Person) und den Zuschreibungen (Attributionsmustern) der Außenwelt zu unterscheiden. Das Erwägen und die Einnahme einer Position zwischen Selbstkonzept und Fremdkonzept führt zu einem Selbst-Bewusstsein.

Körperbild und Weltbild

Der Weg von der ursprünglich undifferenzierten symbiotischen Beziehung des Säuglings zu seiner Umwelt bis hin zu den selbstbewussten Handlungen des Jugendlichen entspricht einem komplexen Entwicklungsgeschehen, dessen Sinn darin zu finden ist, ein realistisches Weltbild aufzubauen, das ein subjektiv sinnvolles Leben sichert. In Anlehnung an die weiter oben beschriebenen Konzepte von Epstein (1984) und Filipp (1984) sowie von Paulus (1986) gehe ich davon aus, dass der Mensch seine Erfahrungen in konzeptionellen Systemen organisiert. Als „naiver Theoretiker“ konstruiert er sein Weltbild aufgrund von Erfahrungsdaten über die eigene Person (Selbsttheorie), über die Außenwelt (Umwelttheorie) und über die Wechselwirkung zwischen den Subtheorien. Die Körpererfahrung wird dabei als integraler Bestandteil einer solchen Realitätstheorie verstanden; in den frühen Lebensabschnitten ist sie vorherrschend und wird mit zunehmendem Entwicklungsalter in die komplexe kognitiv-emotionale Persönlichkeitsstruktur integriert. Das Körperkonzept erhält aber zeitlebens seine spezifische Bedeutung als Träger des Prozesses, in dem das Individuum (das Subjekt) Daten aus der Umwelt in seine subjektive Erlebniswelt transferiert. Der Körper steht immer – physisch wie psychisch – an der Nahtstelle zwischen Person und Außenwelt. Damit erhält das Körperkonzept eine tragende und bleibende Bedeutung für das Selbstkonzept.

2.3.4 Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit in der Psychomotorik

Selbstkonzept

Die Psychomotorik formuliert den Aufbau eines positiven Selbstkonzepts als zentrales Anliegen in der Arbeit mit ihrer Klientel. Unter dem Selbstkonzept lassen sich alle Einstellungen und Überzeugungen zur eigenen Person fassen, die das Individuum aus den bisherigen Lebenserfahrungen gezogen hat. Integriert werden primär jene Informationen, die für eine Person emotional bedeutsam sind – hier liegt die besondere Bedeutung der Emotionalität für den Menschen (vgl. Eggert et al. 2014). Das Konstrukt des Selbstkonzeptes beschäftigt sich im Kern mit den Fragen: „Wer bin ich?“ bzw. „Wer bin ich im Vergleich zu anderen?“ (vgl. Zimmer 2012, 50ff.; 2015a). Die Autorin differenziert das Konstrukt des Selbstkonzepts in zwei Teilkomponenten, die als Selbstbild und Selbstwertgefühl bezeichnet werden. Das Selbstbild gilt dabei als kognitive Komponente und beinhaltet ein neutrales Wissen über die eigene Person (Ich bin sehr groß; Ich kann gut zeichnen; Singen kann ich nicht so gut). Das Selbstwertgefühl bzw. die Selbstwertschätzung stellt hingegen eine bewertende, affektive Komponente dar. Hier kommt zum Ausdruck wie zufrieden das Kind mit seinen Fähigkeiten ist. Beim Aufbau des Selbstkonzepts greift das Kind auf unterschiedliche Informationsquellen zurück. Zimmer (2012,61) geht dabei von den folgenden vier Bereichen aus:

■ Informationen über die Sinnessysteme (das Körperselbst oder das sensorische Selbst);

■ Erfahrungen der Wirksamkeit des eigenen Verhaltens;

■ Folgerungen aus dem Sich-Vergleichen und Sich-Messen mit anderen;

■ Zuordnung von Eigenschaften durch andere.

Die Informationen über das Körperselbst können als elementar bezeichnet werden, da diese als Basis zur Bewusstwerdung der eigenen Person notwendig sind. Das Kind lernt durch diese Wahrnehmungen zwischen Ich und Nicht-Ich (Umwelt) zu differenzieren. Die Körperlichkeit des Kindes gewinnt als Bindeglied zwischen „innen“ und „außen“ die zentrale Bedeutung im Identitätsbildungsprozess (vgl. Zimmer 2012, 62).

Selbstwirksamkeit

Hatte sich Zimmer in ihrem ursprünglichen Konzept (1999) auf die kognitiven und emotionalen Elemente des Selbstkonstrukts konzentriert, erweitert sie ihren Ansatz später (2005; 2006b, 51ff.) um den motivationalen Aspekt der Selbstwirksamkeit. Diese repräsentiert die Gewissheit einer Person, Kontrolle über das eigene Leben zu haben und sich seiner Kompetenzen zur Bewältigung möglicher Probleme gewahr zu sein. Kontrollüberzeugungen bzw. Selbstwirksamkeiten entstehen, wenn Kinder sich selbst als Urheber von Handlungen oder als Verursacher von Handlungseffekten erleben. Durch sein Handeln kann sich das Kind ein Bild von seinen persönlichen Möglichkeiten machen, „ein erstes Konzept eigener Fähigkeiten“ konstruieren.

Die positiven oder negativen Erfahrungen, die ein Kind bezüglich der Erreichung oder Verfehlung von Handlungszielen macht, haben Auswirkungen auf sein Selbstwertgefühl sowie auf seine Leistungsmotivation (vgl. Krus 2004a, 54f.); als (Miss-)Erfolgserwartungen sind sie auf zukünftige Ereignisse gerichtet und modifizieren das Verhalten. In Abhängigkeit von hoher oder niedriger Kompetenzeinschätzung erfolgt die neuerliche Herangehensweise an Aufgaben und Anforderungen durch die einbindende Kultur. Bei einem negativen Selbstkonzept sind die Erfolgserwartungen einer Person eher niedrig gesteckt und unbekannte Situationen und Anforderungen erscheinen häufig bedrohlich und wenig kontrollierbar. Im Gegensatz hierzu führt ein positives Selbstkonzept zu einem offenen und selbstbewussten Umgang mit neuen Herausforderungen und zu einer positiven Selbstwirksamkeitsüberzeugung (vgl. Zimmer 2012, 64f.). Es wird deutlich, dass insbesondere im Kindesalter die Handlungserfahrung als Strukturierungshilfe der kindlichen Persönlichkeit anzusehen ist. Jedoch ist bei allen Überlegungen die soziale Dependenz kindlicher Kompetenzbildung zu berücksichtigen.

In jüngerer Zeit hat sich die Psychomotorik intensiv mit Fragen der Wirksamkeit (z. B. Behrens 2011; Amft et al. 2013; Seyda 2013; Ruploh et al. 2013; Irmler 2015; Martzy et al. 2015) mit anspruchsvollen qualitativen und quantitativen methodischen Designs auseinandergesetzt und überzeugende Ergebnisse präsentieren können. „Aufgrund der multidimensionalen, hierarchischen Struktur des Selbstkonzepts kann davon ausgegangen werden, dass die Erweiterungen der Bewegungserfahrungen und das damit einhergehende Kompetenzerleben zu einer positiven Beeinflussung des physischen Selbstkonzepts (sog. Körperkonzepts) führen (Valkanover 2015, 33). Es zeigt sich, dass die weitaus wirkungsvollsten Ergebnisse weniger in der motorischen Leistungsentwicklung selbst liegen, sondern vielmehr kann die Bedeutung von Körper- und Bewegungserfahrungen im Sinne von Selbstwirksamkeitserfahrungen für den Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls nachgewiesen werden. Diese positiven Veränderungen auf Seiten der Kinder gehen oft einher mit einer positiven Veränderung der Bewertungsqualität und Einstellungsveränderung von Eltern und Pädagogen/Therapeuten (vgl. Fischer/Behrens 2010, 309). Aber genau dieses sind die Erklärungsbausteine eines dynamisch-interaktionistischen Entwicklungsverständnisses des Selbstkonzepts (Seyda 2015, 1).

2.4 Bedeutung und Entwicklung sozialer Kompetenzen

Ein ausgewiesenes Ziel des Sozialisationsprozesses ist die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Dabei handelt es sich um ein Bündel von Verhaltensweisen und Eigenschaften, die ein Individuum benötigt, um soziale Interaktionen für sich und andere erfolgreich und zufriedenstellend zu bewältigen (vgl. Hinsch/Wittmann 2003). Der Fachdiskurs unterscheidet zwei Dimensionen, die sich aus einer Vielfalt von Unterscheidungen ergeben und die sich den komplementären Bereichen Durchsetzung und Anpassung zuweisen lassen (vgl. Perren et al. 2016). Zum einen ist ein Individuum dann sozial kompetent, wenn es in zwischenmenschlichen Interaktionen in der Lage ist, die eigenen Wünsche und Interessen zu befriedigen. Dazu zählen Hinsch/Pfingsten (2007, 4, zit. n. Vierhaus 2014, 118) ein Repertoire von „kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führen“. Andererseits erfordert soziale Kompetenz die Notwendigkeit der Anpassung an die sozialen Normen und Werte der Gesellschaft. Von einem Mitglied der Gesellschaft werden Rücksichtnahme und Respekt gegenüber anderen erwartet; das Verhalten muss „allgemein anerkannten Standards genügen“ (Schmidt-Denter 1999, 123). Das Konstrukt soziale Kompetenz lässt sowohl gesellschaftlich und kulturell vermittelte Verhaltensweisen (soziales Miteinander) als auch sozial-emotional entwickelte personale Fähigkeiten (Feinfühligkeit gegenüber eigenen Bedürfnissen und den Bedürfnissen anderer) aufscheinen (Schmidt-Denter 2005; Pfeffer 2012).

2.4.1 Selbstbehauptungs- und Anpassungsfähigkeit als Grundlage sozialer Kompetenz

Emotionale Selbstständigkeit

Selbstsicherheit und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung sind basale Faktoren für die Entwicklung sozialer Fähigkeiten und sind bedeutsam für gelingende zwischenmenschliche Interaktionen. Emotionale Selbstständigkeit ist Bedingungsfaktor für den Aufbau sozialer Kompetenzen und zeigt sich im Bestreben zu eigenständiger Kontaktaufnahme und am Interesse an Freundschaftsbeziehungen. Ein emotional selbstständiges Kind braucht keine permanent beschützende Nähe zu seinen Bezugspersonen und ist in der Lage, ohne deren emotionale Unterstützung eigenaktiv zu handeln und gemeinsame Spiele mit anderen Kindern zu initiieren. Ist ein Kind hingegen auf die Unterstützung durch die Bezugspersonen angewiesen, wird die Aufnahme von Interaktionskontakten zu Gleichaltrigen u. U. erheblich erschwert (vgl. Wittmann 1991, 111f.).

Beziehungsaufbau zu Gleichaltrigen

Wird ein Kind durch den Eintritt in Kindergarten und Schule mit neuen Gruppenkonstellationen konfrontiert, sind bei allen Kindern veränderte soziale Verhaltensweisen festzustellen. Der Verlauf des Anpassungsprozesses an die neue Situation hängt von der Flexibilität des kindlichen Verhaltens ab. Bei gut entwickelter Anpassungsfähigkeit wird ein Kind sich schon nach kurzer Zeit am Spielgeschehen beteiligen. Ein lang anhaltendes zurückgezogenes Verhalten behindert das Kind beim Aufbau von Spielkontakten. Die Art der Herangehensweise an Beziehungen zu Gleichaltrigen sowie der Grad der emotionalen Selbstständigkeit sind in Abhängigkeit der Bindungsbeziehungen zu den Bezugspersonen zu sehen. Ein Kind, das auf der Grundlage einer stabilen Bindungsbeziehung Selbstsicherheit entwickeln konnte, kann sich von seinen Bezugspersonen vorübergehend lösen und offen auf andere Kinder zugehen. Einem durchsetzungsfähigen und selbstsicheren Kind gelingt es, die eigenen Wünsche, Emotionen und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren sowie auf kompetente Weise auf die psychische Verfassung des Gegenübers zu reagieren.

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