Kitabı oku: «Strafrecht Allgemeiner Teil», sayfa 2

Yazı tipi:

[Zum Inhalt]

|1|1. Kapitel Grundlagen und Grundbegriffe des Strafrechts
I. Strafrecht in der Rechtsordnung
1. Strafrecht als eigenständiger Teil des öffentlichen Rechts

1In der Rechtsordnung wird zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht unterschieden. Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern untereinander, während das öffentliche Recht Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat oder von Hoheitsträgern untereinander betrifft. Das Strafrecht ist ein eigenständiger Teil des öffentlichen Rechts, denn es regelt Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, die das staatliche Strafen zum Gegenstand haben.[1] Strafrecht ist derjenige Teil der gesamten Rechtsordnung, der die Voraussetzungen und die Folgen eines mit staatlicher Strafe (oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung) bedrohten Verhaltens zum Inhalt hat. Nicht vom Strafrecht erfasst werden privatrechtliche Strafen, wie z.B. Vertragsstrafen (vgl. §§ 339ff. BGB), die auf Beziehungen der Bürger untereinander Bezug nehmen.

2Das strafrechtliche Sanktionensystem ist zweispurig gegliedert. Den an die schuldhafte Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes anknüpfenden Strafen stehen die Maßregeln der Besserung und Sicherung gegenüber. Ihre Anordnung erfolgt aufgrund der vermuteten Sozialgefährlichkeit des Täters und setzt nicht voraus, dass er schuldhaft gehandelt hat.[2] Strafen sind Freiheits- und Geldstrafen (Hauptstrafen, §§ 38ff. StGB) sowie das Fahrverbot (Nebenstrafe, § 44 StGB). Anwendungsfälle einer Maßregel der Besserung und Sicherung sind bspw. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§§ 61 Nr. 2, 64 StGB) sowie die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§§ 61 Nr. 3, 66 StGB). Die Verwirklichung einer bloßen Ordnungswidrigkeit, die kein kriminelles Unrecht darstellt, kann gemäß § 1 Abs. 1OWiG lediglich mit einer Geldbuße geahndet werden.[3]

|2|2. Materielles und formelles Strafrecht

3In der Fallbearbeitung ist regelmäßig die „Strafbarkeit der Beteiligten“[4] zu klären. Strafbarkeit ist gegeben, wenn eine Straftat begangen wurde, also ein menschliches Verhalten vorliegt, welches die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllt. Angesprochen ist hiermit das sog. materielle Strafrecht, welches die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Straftaten regelt. Die Bezeichnung „materielles Strafrecht“ ist darauf zurückzuführen, dass dieses die mit Strafe bedrohten Verhaltensweisen zum Gegenstand hat, also auf die „Materie“ des Strafrechts Bezug nimmt. Hauptrechtsquelle des materiellen Strafrechts ist das Strafgesetzbuch (StGB), welches das Kernstrafrecht enthält. Daneben finden sich Regeln zum materiellen Strafrecht aber auch in den Vorschriften weiterer Gesetze, die das sog. Nebenstrafrecht bilden (vgl. etwa § 370 Abs. 1AO, §§ 29ff. BtMG). Das materielle Strafrecht ist Teil der „gesamten Strafrechtswissenschaft“. Diese umfasst neben dem materiellen Strafrecht als Normwissenschaften das Strafprozessrecht, das Strafzumessungsrecht, das Strafvollzugsrecht und das Jugendstrafrecht sowie als Wirklichkeitswissenschaft die Kriminologie.

4Wesentlich ist vor allem die Unterscheidung von materiellem Strafrecht und Strafprozessrecht, das auch als formelles Strafrecht bezeichnet wird. Das Strafprozessrecht dient der Feststellung und Durchsetzung staatlicher Strafansprüche im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Hauptrechtsquelle des Strafprozessrechts ist die StPO. Daneben enthalten jedoch eine Vielzahl weiterer Gesetze Vorschriften mit direktem oder indirektem Bezug zum formellen Strafecht (insbesondere GG, EMRK, GVG, EGGVG, JGG). Aber auch im StGB finden sich einzelne strafprozessuale Regeln, z.B. in den §§ 77ff. StGB zum Strafantragsrecht.

3. Systematik des Strafgesetzbuchs

5Das StGB als Hauptrechtsquelle des materiellen Strafrechts ist in einen Allgemeinen (§§ 1–79b StGB) und einen Besonderen Teil (§§ 80–358 StGB) gegliedert. Im Besonderen Teil des StGB sind die einzelnen Straftaten, also die mit Strafe bewehrten Verhaltensweisen, benannt. Die Vorschriften des Besonderen Teils zeichnen sich dadurch aus, dass sie die speziellen Voraussetzungen, d.h. diejenigen Elemente der Strafbarkeit benennen, hinsichtlich derer sich die einzelnen Straftaten voneinander unterscheiden. So hat der Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB) andere spezielle Voraussetzungen als der Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB): Während der Totschlag den Tod eines Menschen voraussetzt, bedarf es für die Annahme eines Diebstahls der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich diese selbst oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen.

6|3|Es gibt aber auch gemeinsame, allgemeine Strafbarkeitsvoraussetzungen, welche der Täter unabhängig von dem im konkreten Fall einschlägigen Straftatbestand verwirklichen muss. So setzen sowohl der Totschlag als auch der Diebstahl voraus, dass die Taten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen werden. Diese allgemeinen Voraussetzungen sind im Allgemeinen Teil des StGB „vor die Klammer gezogen“. Dieser gilt für alle Straftaten des Besonderen Teils sowie für diejenigen des Nebenstrafrechts und trifft Regelungen über Strafbarkeitsvoraussetzungen (§§ 1–37 StGB), Rechtsfolgen der Tat (§§ 38–76a StGB) und Strafverfolgungsvoraussetzungen (§§ 77–79b StGB).

7Für die Beantwortung der Frage nach der Strafbarkeit einer Person und somit für die juristische Fallbearbeitung ist innerhalb des Allgemeinen Teils des StGB vor allem der zweite Abschnitt „Die Tat“ (§§ 13–37 StGB) von Bedeutung. Darüber hinaus sind aber auch die Regelungen über den Geltungsbereich des Strafgesetzes (§§ 1–10 StGB), den Sprachgebrauch (§§ 11f. StGB) und die Konkurrenzvorschriften (§§ 52f. StGB) zu berücksichtigen.

4. Überblick: Einordnung des StGBAT

8Nach den vorstehenden Erörterungen kann die systematische Einordnung des StGBAT wie folgt grafisch dargestellt werden:

9Abb. 1: Einordnung des StGBAT


|4|II. Sinn und Zweck des Strafrechts
1. Rechtsgüterschutz

10Strafrecht ist Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols und wird als „schärfstes Schwert“ der Rechtsordnung bezeichnet.[5] Warum solch ein scharfes Mittel im Rechtsstaat? Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass das Strafrecht ein Schutzrecht ist, dass seine Aufgabe also darin besteht, Rechtsgüter zu schützen.[6] Rechtsgüter sind sozial anerkannte Güter wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Eigentum.[7] Sie erfahren rechtlichen Schutz – und werden so zu Rechtsgütern –, weil ihnen für das geordnete Zusammenleben in der Gesellschaft eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt. Man unterscheidet Individualrechtsgüter, die dem Einzelnen zustehen, und Kollektivrechtsgüter, die sich auf die Gesamtheit einer Gesellschaft beziehen. Innerhalb der Individualrechtsgüter kann insbesondere zwischen höchstpersönlichen Rechtsgütern, z.B. dem Leben (vgl. §§ 211ff. StGB), und Vermögenswerten, z.B. dem Eigentum (vgl. §§ 242ff. StGB), unterschieden werden. Kollektivrechtsgüter sind bspw. die Rechtspflege, die Umwelt oder die Sicherheit des Straßenverkehrs.

11Der Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht ist subsidiär und fragmentarisch: Das Strafrecht ist ultima ratio, d.h. letztes Mittel, das erst zur Anwendung kommen soll, wenn andere Konfliktlösungsmöglichkeiten, insbesondere diejenigen aus dem Verwaltungs- und Zivilrecht, keinen ausreichenden Rechtsgüterschutz bieten (subsidiärer Rechtsgüterschutz).[8] Nur besonders schadensträchtige oder gefährliche Verhaltensweisen sollen vom Strafgesetz erfasst werden. So werden bewusst Schutzlücken in Kauf genommen (fragmentarischer Charakter des Strafrechts).[9]

2. Sinn der Strafe

12Unterschiedlich wird die Frage beantwortet, auf welche Weise Rechtsgüterschutz gerade durch die Verhängung von Strafen zu erreichen ist. Bei der Bestimmung des Sinns bzw. des Ziels der Strafe werden in der strafrechtswissenschaftlichen Diskussion sog. absolute und relative Straftheorien sowie Vereinigungstheorien unterschieden.[10]

13|5|Abb. 2: Straftheorien


a) Absolute Straftheorie

14Die absolute Straftheorie (vertreten z.B. von Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel) sieht den Sinn der Strafe in der gerechten Vergeltung und Sühne zum Ausgleich von Unrecht und Schuld.[11] Damit wird die Strafe als rein repressives (Straf-)Übel zur Reaktion auf ein bereits begangenes Übel (die Straftat) begründet. Daraus erklärt sich auch die Bezeichnung als absolute Theorie: Die Strafe soll sich allein (absolut) deshalb legitimieren, weil die in der Vergangenheit liegende Rechtsverletzung die Strafe zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit nach sich ziehen müsse.[12] Von gesellschaftlichen Wirkungen ist die Strafe „losgelöst“ (lat. absolutus). Der Versuch einer Rechtfertigung der Strafverhängung durch andere Zwecksetzungen, bspw. der Erreichung einer präventiven Wirkung, würde in den Augen der Vertreter der absoluten Straftheorie demgegenüber eine unzulässige Instrumentalisierung der Strafe darstellen.

15Kant sieht in seiner Schrift „Metaphysik der Sitten“ das Strafgesetz als kategorischen Imperativ. Es müsse gegen jeden Straftäter eine Strafe verhängt werden, die seiner Tat entspricht. Damit hat die absolute Straftheorie eine befriedende Begrenzungswirkung: Der Staat übernimmt das Strafen, entlegitimiert also Selbstjustiz des Bürgers, und die Strafe ist nicht unbegrenzt, sondern muss der Schuld entsprechen, darf also nicht darüber hinausgehen. Schwierigkeiten begegnen jedoch, wenn man in der Praxis die Entsprechung von Schuld und Strafe allein anhand der verwirklichten Straftat bestimmen möchte. So widerspräche es rechtsstaatlicher Verhältnismäßigkeit, wie sie in |6|der Abschaffung der Todesstrafe gem. Art. 102GG ihren Ausdruck gefunden hat, einen Totschlag mit dem Tode zu bestrafen.[13] Vor allem aber spricht gegen eine absolute Strafbegründungstheorie, dass sie Vergeltung auch dort fordert, wo diese zum Rechtsgüterschutz nicht erforderlich ist. Dann aber würde Strafe um ihrer selbst willen zu einem Übel (dem Strafübel) führen, ohne dass dies jemandem nützt. Zuletzt setzt Sühne immer eine freiwillige Auseinandersetzung mit der Tat voraus, die bei einer vom Staat zwangsweise festgesetzten Strafe jedoch nur schwer zu erwarten ist.

b) Relative Straftheorien

16Die relativen Straftheorien haben gemeinsam, dass nach ihnen die Strafe einem über die bloße Vergeltung hinausgehenden Zweck dienen soll, nämlich der Prävention in Form der Verhinderung zukünftiger Straftaten. Unterschieden wird herkömmlich zwischen Spezial- und Generalprävention einerseits und negativen und positiven Präventionswirkungen andererseits.[14]

17Unter Spezialprävention versteht man die Einwirkung auf einen Einzelnen zur Verhütung von Straftaten. Zum einen kann das Ziel der Spezialprävention durch den Schutz der Allgemeinheit vor dem einzelnen Straftäter erreicht werden, indem dieser im Freiheitsstrafenvollzug oder in der Sicherungsverwahrung von der außerhalb der Haftanstalt existierenden Sozialgemeinschaft ferngehalten wird. Ausdruck dieser sog. negativen Spezialprävention ist insbesondere § 2 S. 2 StVollzG, wonach der Vollzug der Freiheitsstrafe (auch) dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dient.[15] Zum anderen kann Spezialprävention auch dadurch bewirkt werden, dass das Verhalten des (potenziellen) Straftäters positiv beeinflusst wird (positive Spezialprävention), indem er gebessert oder abgeschreckt wird.[16] Während Besserung durch erzieherische Gestaltung der Strafe, insbesondere des Strafvollzugs (zur sog. Resozialisierung vgl. auch § 2 S. 1 StVollzG), möglich ist, erfolgt Abschreckung durch die Warnfunktion von Strafen. Als bedeutsamster Vertreter einer spezialpräventiven Strafzwecklehre wird gemeinhin Franz v. Listz angesehen.[17] Der Begründer einer soziologisch und empirisch geprägten Strafrechtslehre in Deutschland lehnte in seinem „Marburger Programm“ von 1882 die Vergeltung als Strafzweck ab und ersetzte sie durch die Zweckorientierung an Sicherung, Besserung und Abschreckung von Straftätern.

18Auch nach dem Strafzweck der Generalprävention soll die Verhängung von Strafen eine Reduzierung der in der Zukunft begangenen Straftaten bewirken. In Abweichung zur Lehre der Spezialprävention soll sich diese präventive Wirkung jedoch auf die Mitglieder der Gesellschaft insgesamt und nicht auf |7|den einzelnen Straftäter beziehen.[18] Nach der insbesondere mit Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach in Verbindung gebrachten negativen Generalprävention soll die kriminalitätsmindernde Wirkung durch die Abschreckung der Allgemeinheit, insbesondere durch die Androhung von Strafe im Gesetz, erzielt werden.[19] Demgegenüber soll eine positive Generalprävention dadurch erreicht werden, dass die Normtreue in der Gesellschaft und das Vertrauen der Allgemeinheit in die staatliche Rechtspflege bestärkt wird, indem normwidriges Verhalten bestraft und so die Geltung der Normen innerhalb der Rechtsordnung bekräftigt wird.[20]

19Gegen die relativen Straftheorien spricht, dass es ihnen an einem begrenzenden Prinzip fehlt.[21] Denn auch gegenüber nur geringfügigen Straftaten wirkt eine drastische, unverhältnismäßige Strafe spezial- und generalpräventiv. Dies aber ist mit den Vorgaben des Grundgesetzes, das die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1GG), die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 Abs. 1GG) sowie das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 und 28 Abs. 1GG) als Eingriffsgrenzen statuiert, nicht in Einklang zu bringen.

c) Vereinigungstheorie

20Im Hinblick auf die soeben aufgezeigten Kritikpunkte an (rein) absoluten und relativen Strafzwecklehren hat sich heute weitgehend ein integrierender Ansatz durchgesetzt, der im Sinne einer Vereinigungstheorie die Aspekte der Repression und Prävention kombiniert:[22] Hiernach hat die Strafe im Sinne der relativen Theorien spezial- und generalpräventiven Zwecken zu dienen, wird aber durch den aus der absoluten Theorie abgeleiteten Aspekt begrenzt, dass sie das Maß der Schuld nicht überschreiten darf. Für diese Kombination der Strafzwecke spricht insbesondere, dass das geltende StGB nicht an ein bestimmtes Konzept zur Bestimmung des Sinns der Strafe gebunden ist, sondern vielmehr Elemente einzelner Ansätze aufgreift: [23] Solche der absoluten Theorie in § 46 Abs. 1 S. 1 StGB, der die Schuld als Grundlage der Strafzumessung erklärt, ebenso wie spezialpräventive Aspekte in § 46 Abs. 1 S. 2 StGB („Wirkungen … für das künftige Leben des Täters“) sowie generalpräventive Gesichtspunkte (z.B. „Verteidigung der Rechtsordnung“ in § 47 Abs. 1 StGB). Nach dem BVerfG kann eine angemessene Strafsanktion auf Aspekte von „Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht“ gestützt werden.[24] Auch nach Auffassung des BGH liegt dem aktuellen StGB der Gedanke zugrunde, dass „die Strafe nicht die Aufgabe |8|hat, Schuldausgleich um ihrer selbst willen zu üben, sondern nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich zugleich als notwendiges Mittel zur Erfüllung der präventiven Schutzaufgabe des Strafrechts erweist.“[25]

III. Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2GG; §§ 1, 2 StGB; Art. 7 Abs. 1EMRK)

21Da die Strafgesetzgebung ebenso wie die Strafrechtsanwendung besonders eingriffsintensive Formen staatlichen Handelns darstellen, bedürfen sie einer eindeutigen Begrenzung. Diese soll insbesondere das Gesetzlichkeitsprinzip liefern, welches in § 1 StGB nicht nur an den Beginn des Strafgesetzbuches gestellt, sondern in Art. 103 Abs. 2GG auch verfassungsrechtlich verankert ist. Ferner begründet Art. 7 Abs. 1EMRK auch auf völkerrechtlicher Ebene eine Verpflichtung zur Achtung des Gesetzlichkeitsprinzips.[26] Gegenstand des Gesetzlichkeitsprinzips ist gemäß § 1 StGB, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde – nulla poena sine lege. Daraus werden insgesamt vier zentrale Schutzprinzipien für die Adressaten der Verbots- und Gebotsnormen des Strafrechts abgeleitet, die teilweise durch den Gesetzgeber, teilweise durch die Organe der Judikative zu beachten sind:

 keine Strafe ohne (formelles) Gesetz, d.h. der Ausschluss strafbegründenden (sowie strafschärfenden) Gewohnheitsrechts (lex scripta),

 das Bestimmtheitsgebot (lex certa),

 das Rückwirkungsverbot (lex praevia),

 das Analogieverbot (lex stricta).

1. Keine Strafe ohne (formelles) Gesetz

22Nach § 1 StGB muss die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein. Das Strafrecht ist auf Gesetze im Sinne geschriebener Rechtsnormen (lex scripta) beschränkt. Dies bedeutet, dass Strafbarkeit (und Strafen) in einem parlamentarischen Gesetz festgelegt sein müssen („Parlamentsvorbehalt“).[27] Ausgeschlossen ist damit der Rückgriff auf strafbegründendes oder strafschärfendes Gewohnheitsrecht. Unter Gewohnheitsrecht versteht man dasjenige Recht, das nicht durch einen formellen Rechtssetzungsakt, sondern durch eine langdauernde, von der Rechtsüberzeugung der Beteiligten getragene Übung entstanden ist.[28] Nach § 1 StGB scheiden gewohnheitsrechtlich entwickelte Vorschriften als strafbegründende bzw. -schärfende Rechtsquellen aus.

23|9|Wie alle Teilgrundsätze des Gesetzlichkeitsprinzips ist auch der Ausschluss von Gewohnheitsrecht ein Schutzprinzip zugunsten des Täters.[29] Führt das Gewohnheitsrecht zu einem Ausschluss oder einer Einschränkung der Strafbarkeit, so stellt es auch für den Strafrechtsanwender eine zu beachtende Rechtsquelle dar. Gewohnheitsrecht kann so zu einer Aufhebung überholter Strafbarkeitsnormen führen, eine einschränkende Auslegung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale seine Begründung im Gewohnheitsrecht finden und es können Strafausschließungsgründe gewohnheitsrechtlich anerkannt werden (z.B. die rechtfertigende Einwilligung des Verletzten).

2. Bestimmtheitsgebot

24Das Gebot, dass die Strafbarkeit bestimmt sein muss, richtet sich an den Gesetzgeber. Das Bestimmtheitsgebot soll verhindern, dass es infolge unklarer Strafgesetze zu Manipulationen in der Rechtsanwendungspraxis kommt. Im Gesetz selbst müssen das strafbare Verhalten und die angedrohte Strafe so genau beschrieben sein, dass Strafbarkeit und Strafdrohung für den Normadressaten erkennbar sind und er sein Verhalten darauf abstimmen kann.[30] Bestimmtheit kann zwar auch gewahrt sein, wenn Raum zur Auslegung und Weiterentwicklung der Rechtsanwendung verbleibt, so dass auch in der Strafgesetzgebung die Verwendung von Generalklauseln und wertungsbedürftigen Begriffen nicht gänzlich unzulässig ist.[31] Der Gesetzgeber hat seine ihm nach Art. 103 Abs. 2GG; § 1 StGB obliegende Pflicht aber erst erfüllt, wenn er aufgrund der Genauigkeit der gesetzlichen Vorgaben darauf vertrauen darf, dass „der Richter der ihm übertragenen Aufgabe“ der Rechtsanwendung gerecht werden kann.[32] Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liegt immer dann vor, wenn der Anwendungsbereich der betroffenen Norm inhaltlich unklar bleibt, was bspw. für eine Vorschrift mit dem Wortlaut „Wer gegen die öffentliche Ordnung verstößt, wird bestraft“ anzunehmen ist.[33]

3. Rückwirkungsverbot

25Die Strafbarkeit muss nach § 1 StGB gesetzlich bestimmt sein, bevor die Tat begangen wurde. Dieses Rückwirkungsverbot wird in § 2 StGB näher ausgestaltet.[34] § 2 Abs. 1 StGB bestimmt, dass sich die Strafe nach dem Gesetz richtet, das zur Zeit der Tat gilt. Eine Strafe darf nicht zeitlich rückwirkend begründet oder verschärft werden. Das Rückwirkungsverbot gilt nur für Gesetze, nicht für deren Auslegung. Änderungen in der Rechtsprechung zu |10|einer unveränderten Norm werden vom Rückwirkungsverbot also nicht erfasst.[35] Auch gilt das Rückwirkungsverbot nur für materielle strafrechtliche Regelungen, nicht jedoch für prozessuale Vorschriften zur Verfolgbarkeit von Straftaten, selbst wenn sich diese im StGB befinden.[36] So ist eine rückwirkende Veränderung von Strafantrags- und Verjährungsvorschriften auch im Hinblick auf die §§ 1, 2 StGB; Art. 103 Abs. 2GG zulässig.[37]