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f) Unaufschiebbare Amtshandlungen

151

§ 29 enthält detaillierte Regelungen über Amtshandlungen, die auch ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs vornehmen kann. Zulässig sind grundsätzlich nur Handlungen, die keinen Aufschub gestatten (§ 29 Abs. 1). Dies sind solche, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis der Ersatzrichter an die Stelle des abgelehnten Richters treten kann,[125] z.B. die Erhebung von Beweisen, deren Verlust droht, unaufschiebbare Haftentscheidungen[126] und die Bestimmung eines Fortsetzungstermins.[127] Die Vernehmung von Zeugen ist in der Regel aufschiebbar,[128] es sei denn, der Zeuge wäre bei Zuwarten nicht mehr erreichbar.

152

Erfolgt die Richterablehnung in der Hauptverhandlung und wäre für eine Entscheidung die Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig, so kann diese so lange fortgesetzt werden, bis ein Beschluss über die Ablehnung ohne Verzögerung möglich ist. Eine Entscheidung hat dann spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages und in jedem Fall vor Beginn der Schlussvorträge zu ergehen (§ 29 Abs. 2). Den Zeitpunkt der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch trifft der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen,[129] gegen dessen Entscheidung der Verteidiger einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 herbeiführen kann.[130]

g) Weiteres Verfahren bei begründetem Antrag

153

Wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wurde, ist eine Wiederholung der Hauptverhandlung erforderlich (§ 29 Abs. 2 S. 2). Sie muss ausgesetzt und neu begonnen werden, wenn kein Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) an ihr teilgenommen hat.

Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu Sommer Rn. 998 ff., der nach einem Befangenheitsantrag dramatische Veränderungen in der Kommunikationsstruktur ausmacht und hinter der systemimmanenten Gegnerschaft zwischen Gericht und Verteidigung plötzlich „persönliche Feindschaft“ schimmern sieht.

[2]

Vgl. Krekeler AnwBl. 1981, 327.

[3]

Vgl. auch Sommer Rn. 1003.

[4]

Vgl. LG Mainz StV 2004, 531.

[5]

Vgl. OLG Koblenz zfs 2004, 186.

[6]

So geschehen im Verfahren zur Entscheidung BGH NStZ-RR 2001, 258.

[7]

BGHSt 14, 219.

[8]

BGH NStZ 2006, 646.

[9]

BGH NStZ 2009, 342; dazu Volkmer NStZ 2009, 371.

[10]

BGH StV 1998, 57.

[11]

BGH wistra 2006, 310.

[12]

Wegen der Einzelheiten der gesetzlichen Voraussetzungen ist auf die einschlägigen Kommentierungen zur StPO zu verweisen.

[13]

Vgl. auch BGH StraFo 2011, 152.

[14]

Vgl. KK-Pfeiffer § 24 Rn. 2.

[15]

Meyer-Goßner/Schmitt § 22 Rn. 21.

[16]

BGHSt 29, 351; BGH NStZ 1985, 464.

[17]

KK-Scheuten § 22 Rn. 17.

[18]

BVerfGE 20, 9, 14; BGHSt 24, 336, 338.

[19]

Z. B. BGH StraFo 2012, 222; BGH NJW 2006, 708; vgl. auch EGMR NJW 2009, 2870.

[20]

BGHSt 21, 334, 341; KK-Scheuten § 24 Rn. 3; a.A. Strate FS Koch, S. 263 ff.

[21]

BVerfGE 32, 288, 290; BayObLG DRiZ 1977, 244.

[22]

BGH NStZ 2004, 632; BGH NStZ 2006, 49; Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 32a.

[23]

Peters Strafprozess S. 149.

[24]

BVerfGE 11,1, 3; 46, 200.

[25]

BGHSt 23, 200.

[26]

BGH NJW 1952, 1425; einschränkend LR-Siolek § 24 Rn. 24; Arzt S. 53 ff.

[27]

Z. B. KK-Scheuten § 24 Rn. 11 m.w.N.

[28]

BGH StV 1993, 339.

[29]

Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 32a; zum Ganzen ausführlich Zwiehoff JR 2006, 415.

[30]

Meyer-Goßner/Schmitt § 24 Rn. 8.

[31]

Meyer-Goßner/Schmitt § 24 Rn. 9.

[32]

OLG Frankfurt NJW 1986, 1272.

[33]

Vgl. Günther NJW 1986, 284.

[34]

OLG Celle NStZ-RR 2014, 346.

[35]

Vgl. OLG Karlsruhe StV 1995, 343.

[36]

LG Bonn NJW 1966, 160.

[37]

LG Köln StV 1992, 149.

[38]

AG Oldenburg StV 1990, 259.

[39]

BayObLG StV 1994, 116, 117.

[40]

LG Mainz StV 2004, 531.

[41]

OLG Hamm StV 1998, 64.

[42]

Brandenburgisches OLG StV 1997, 455.

[43]

BGH NStZ 2015, 46.

[44]

BGH NStZ 1991, 27 (M/K).

[45]

BGH StraFo 2016, 150.

[46]

BGH StV 1982, 99.

[47]

BGH StV 1984, 318.

[48]

LG Berlin StV 1993, 8.

[49]

BGH StV 1985, 2; AG Castrop-Rauxel StV 1994, 447.

[50]

BGH NJW 1982, 1712.

[51]

OLG Köln StV 1988, 287.

[52]

BGHSt 1, 34.

[53]

AG Bergheim StV 1998, 534.

[54]

Vgl. OVG Lüneburg AnwBl. 1974, 132.

[55]

BayObLG VRS 44, 206.

[56]

BGH NJW 2015, 2986; LG Koblenz, B. v. 28.9.2015, 2090 Js 29.752/10 – 12 KLs = BeckRS 2016, 12349 im Falle eines Schöffen.

[57]

Vgl. hierzu die Beispiele bei Malek StraFo 2005, 441, 443; zur Aussageerpressung bei Verständigungsgesprächen vgl. auch Kotsoglou ZIS 2015, 175; ausführlich Kubik Die unzulässige Sanktionsschere.

[58]

Z. B. BGH NStZ 2005, 526; BGH StraFo 2004, 349; vgl. hierzu auch Sommer Rn. 535.

[59]

OLG Stuttgart StraFo 2005, 167.

[60]

BGH StV 2011, 69.

[61]

Vgl. BGH StV 2011, 72.

[62]

Vgl. Sommer Rn. 538 ff.

[63]

Vgl. BGHSt 50, 212; BGH NJW 2009, 1287; BGH StraFo 2016, 289: Meyer-Goßner/Schmitt § 24 Rn. 12; a.A. Stange/Rilinger StV 2005, 579, die für atypische Vorentscheidungen von Befangenheit ausgehen; ebenso die Rechtsprechung des EGMR, der in Fällen der Vorbefassung regelmäßig einen Befangenheitsgrund sieht; vgl. hierzu auch Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 34, der zu Recht auf die innerstaatliche Bindungswirkung der Rechtsprechung des EGMR hinweist.

[64]

Z. B. BGH NStZ 2011, 44; vgl. aber auch EGMR NJW 2007, 3553, wo bei Vorbefassung regelmäßig ein Ablehnungsgrund gesehen wird.

[65]

BGH NStZ-RR 2016, 17.

[66]

BGHSt 50, 216, 221; a.A. Arzt S. 84 ff.

[67]

BGH NJW 2006, 2864, 2866.

[68]

Vgl. OLG Bremen NStZ 1991, 95; LG Heilbronn StV 1987, 333.

[69]

BGH NStZ 2011, 44.

[70]

LG Bremen StV 1990, 203.

[71]

BVerfG HRRS 2009 Nr. 218.

[72]

Vgl. BGH NJW 1990,1373; BayObLG StV 1988, 97; LG Hildesheim StV 1987, 12; LG Köln StV 1987, 381.

[73]

LG Hamburg StV 2004, 590.

[74]

OLG Bamberg NJW 2006, 2341.

[75]

OLG Karlsruhe StV 2005, 539.

[76]

BGH NJW 2014, 2372.

[77]

BGH NStZ 2014, 660.

[78]

AG Köln StraFo 2016, 208; vgl. auch OLG Düsseldorf NStZ-RR 2011, 48.

[79]

BVerfG NJW 2007, 1670 billigt dem Antragsteller im Adhäsionsverfahren, BGH (ER) NStZ 2006, 584 außerdem auch dem durch grundrechtsrelevante Eingriffe Betroffenen ein Ablehnungsrecht zu.

[80]

Z. B. KK-Scheuten § 24 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt § 24 Rn. 20; LR-Siolek § 24 Rn. 39.

[81]

Rabe NJW 1976, 172.

[82]

BGH MDR 1971, 897; NStZ 1987, 19.

[83]

Vgl. BGH StV 1993, 339.

[84]

Beispiel bei LR-Siolek § 25 Rn. 31.

[85]

BGHSt 21, 334, 339; BGH NStZ 1982, 291; BayObLG NJW 1992, 2342.

[86]

BGH StV 2011, 73; BGH bei Becker NStZ-RR 2007, 129; Meyer-Goßner/Schmitt § 25 Rn. 7; KK-Scheuten § 25 Rn. 7.

[87]

BGH StV 2011, 73.

[88]

LR-Siolek § 25 Rn. 22.

[89]

BGH NStZ 2006, 644.

[90]

BGH StV 1991, 49; BGH NStZ 1996, 47.

[91]

BGH StV 1986, 281.

[92]

OLG München NJW 2007, 449.

[93]

Meyer-Goßner/Schmitt § 25 Rn. 8.

[94]

BGH StV 1995, 396; BGH NStZ 1996, 47; BGH B. v. 10.6.2008, 5 StR 24/08.

[95]

BGH StV 2005, 531.

[96]

Meyer-Goßner/Schmitt § 26 Rn. 4.

[97]

BGH NStZ 1991, 144.

[98]

BGH NStZ 2007, 161.

[99]

OLG Hamburg StV 2015, 15.

[100]

BGH NStZ 2011, 228.

[101]

BGHSt 21, 334, 352; OLG Düsseldorf StV 1985, 223.

[102]

Vgl. OLG Bamberg NStZ 1989, 335.

[103]

KK-Scheuten § 26 Rn. 7.

[104]

BayObLG StV 1995, 7.

[105]

Vgl. hierzu BGHSt 21, 85, 87; BGH StV 1982, 457; BGH NStZ 1983, 354.

[106]

Vgl. BGH NStZ 2004, 632; BGH NStZ 2006, 49.

[107]

OLG München NJW 2007, 449.

[108]

OLG Naumburg StraFo 2005, 24.

[109]

KK-Scheuten § 26a Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt § 26a Rn. 6.

[110]

Vgl. BGH NStZ 1997, 331.

[111]

BGH NStZ 2004, 630.

[112]

Meyer-Goßner/Schmitt § 26a Rn. 6; vgl. allerdings BGH wistra 2009, 446.

[113]

Z. B. BVerfG NJW 1995, 2912; BGH NStZ 1999, 311; BGH NStZ-RR 2002, 66; zum Ganzen vgl. Gaede HRRS 2005, 319; Güntge JR 2006, 363; Meyer-Goßner/Schmitt NStZ 2006, 53.

[114]

BGH NStZ 2006, 51; BGH NStZ 2006, 644.

[115]

BGH NStZ-RR 2009, 85; BGH NJW 2006, 2864.

[116]

BVerfG NJW 2005, 3410; BVerfG NJW 2006, 3129.

[117]

BGHSt 44, 26.

[118]

BGH StV 1996, 129.

[119]

BGHSt 21, 334, 337.

[120]

BGH NStZ 2007, 51.

[121]

Meyer-Goßner/Schmitt § 27 Rn. 9.

[122]

OLG Hamburg NStZ 1999, 50.

[123]

OLG Düsseldorf NStZ 2003, 448.

[124]

BGH NStZ-RR 2006, 5.

[125]

Meyer-Goßner/Schmitt § 29 Rn. 4.

[126]

LR-Siolek § 29 Rn. 18, für den Fall, dass alle Richter eines Kollegialgerichts oder der Strafrichter abgelehnt sind.

[127]

KMR-Bockemühl § 29 Rn. 4.

[128]

BGH NStZ 2002, 429.

[129]

BGH NStZ 2002, 429.

[130]

Meyer-Goßner/Schmitt § 29 Rn. 11.

Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge › 2. Ablehnung von Schöffen und Urkundsbeamten

2. Ablehnung von Schöffen und Urkundsbeamten

154

Gemäß § 31 können unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Richterablehnung auch Schöffen und Urkundsbeamte abgelehnt werden.

155

Auch für die Schöffen gelten die Ausschließungsgründe der §§ 22, 23. Ihnen steht die Amtsunfähigkeit nach den §§ 31 S. 2, 33, 77 Abs. 1 GVG gleich. Im Wesentlichen finden bei der Ablehnung die gleichen Grundsätze Anwendung, die für die Besorgnis der Befangenheit beim Berufsrichter gelten.[1] Eine durchaus bekannte Erscheinung in der Hauptverhandlung ist der gegen den Schlaf kämpfende oder gar schlafende Schöffe. Wird dadurch der Eindruck erweckt, das Schicksal des Angeklagten sei ihm gleichgültig, kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen.[2] Befangen ist auch der Schöffe, der offen ein Bekenntnis zum Recht auf Selbstjustiz abgibt.[3] Harmloser scheint der Schöffe, der dem Vertreter der Staatsanwaltschaft vor der Hauptverhandlung Schokoladennikoläuse auf den Tisch legt; dennoch gibt auch ein solches Verhalten dem Angeklagten einen berechtigten Grund zur Ablehnung.[4]

156

Muster 11 Antrag auf Ablehnung eines Schöffen

An das

Landgericht

In der Strafsache

gegen …

lehnt der Angeklagte den Schöffen A wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Begründung:

Der Angeklagte hat in der soeben beendeten Verhandlungspause auf dem Gerichtsflur ein Gespräch zwischen dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und dem Schöffen A teilweise mitgehört. Auf die Bemerkung des Staatsanwalts, es sei ihm unverständlich, wie der Angeklagte darauf hoffen könne, im vorliegenden Verfahren mit einer Bewährungsstrafe wegzukommen, äußerte der Schöffe A: „Ja, in seiner Heimat würde er dafür am Galgen hängen!“

Aufgrund der Äußerung des Schöffen A muss der Angeklagte davon ausgehen, dass dieser bei seiner Entscheidung nicht unvoreingenommen urteilen wird. Darüber hinaus kann der Angeklagte nicht ausschließen, dass der Schöffe ihm gegenüber Straffolgen für angemessen halten könnte, die nach den allgemeinen Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit nicht mehr vertretbar sind.

Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Angeklagte auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Schöffen und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft. Es wird gebeten, diese Äußerungen noch vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bekannt zu geben, damit Gelegenheit besteht, hierzu im Rahmen des rechtlichen Gehörs Stellung zu nehmen.

Des Weiteren bitte ich darum, mir die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

Anmerkungen

[1]

KK-Scheuten § 31 Rn. 2.

[2]

LG Bremen StV 2002, 357.

[3]

BGH U. v. 28.4.2010, 2 StR 595/09.

[4]

LG Koblenz NJW 2013, 801.

Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge › 3. Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern

3. Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern

157

Gemäß § 74 kann ein Sachverständiger aus den gleichen Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Aus Gründen des Sachzusammenhangs sind die Einzelheiten bei der Sachverständigenvernehmung abgehandelt. Auf die Ausführungen zu Rn. 604 ff. wird verwiesen.

158

Dasselbe gilt gemäß § 191 GVG für Dolmetscher, über deren Ablehnung das Gericht entscheidet, das den Dolmetscher zugezogen hat. Befangenheit des Dolmetschers kann insbesondere dann vorliegen, wenn dieser seine Übersetzungen mit eigenen Wertungen versieht.[1] Im Einzelnen vgl. Rn. 325 f.

Anmerkungen

[1]

LG Darmstadt StV 1995, 239; vgl. auch LG Berlin StV 1994, 180.

Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge › 4. Ablehnung des Staatsanwalts

4. Ablehnung des Staatsanwalts

159

Die Ausschließung oder Ablehnung von Staatsanwälten ist in der StPO nicht geregelt. Die §§ 22 ff. gelten nach h.M. auch nicht entsprechend,[1] so dass die Prozessbeteiligten kein Recht auf Ablehnung eines ausgeschlossenen oder befangenen Staatsanwalts haben.[2]

160

Unter welchen Umständen der Sitzungsstaatsanwalt in rechtlich erheblicher Weise befangen ist und wie die Mitwirkung des disqualifizierten Staatsanwalts verfahrensrechtlich geltend gemacht werden kann, ist im Einzelnen noch in der Diskussion.[3] In der Hauptverhandlung hat der Verteidiger die Möglichkeit, beim Vorsitzenden des Gerichts auf die Auswechslung des Staatsanwalts hinzuwirken. Allerdings kann auch das Gericht diese Maßnahme nicht gegen den Willen des Leitenden Oberstaatsanwalts durchsetzen.[4] Dessen Entscheidung und Aufgabe ist es, den Sitzungsvertreter zu ersetzen, wenn von diesem die notwendige Objektivität bei der Ausführung seiner Aufgaben nicht zu erwarten ist. Die Entscheidung des dienstvorgesetzten Staatsanwalts, den Sitzungsvertreter nicht auszutauschen, kann vom Angeklagten nicht im Wege der §§ 23 ff. EGGVG angefochten werden, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern um eine Prozesshandlung, die wegen ihrer funktionalen Bedeutung für das Strafverfahren sachlich dem Bereich der Rechtsprechung zuzuordnen ist.[5] In Betracht kommt allenfalls die Geltendmachung in der Revision, wobei der zwingende Aufhebungsgrund des § 338 Nr. 5 nicht gegeben ist, so dass das Rechtsmittel überhaupt nur begründet sein könnte, wenn nicht auszuschließen wäre, dass das Urteil auf der Mitwirkung des von der Verteidigung abgelehnten Staatsanwalts beruht. Der Verteidiger tut ohne Zweifel gut daran, die Erfolgsaussichten einer solchen Revision nicht in sein Verteidigungskalkül einzubeziehen.[6]

161

Muster 12 Antrag auf Auswechslung des Staatsanwalts

An das

Landgericht

In der Strafsache

gegen …

b e a n t r a g e

ich, beim Leiter der Staatsanwaltschaft darauf hinzuwirken, dass der Sitzungsvertreter im vorliegenden Verfahren, Herr Staatsanwalt X, von seiner Tätigkeit abgelöst und durch einen anderen Staatsanwalt ersetzt wird.

B e g r ü n d u n g

Der Angeklagte wird beschuldigt, in einem Koffer ein Kilogramm Heroin von Indien nach Deutschland eingeführt zu haben. Er hat sich dahin eingelassen, dass ihm die Droge während seines Ferienaufenthalts in Indien unbemerkt in den Koffer gesteckt worden sei. Die Verteidigung hat daraufhin angeregt, Nachforschungen nach dem vom Angeklagten benannten indischen Bekannten über Interpol anzustellen. Dies ist nicht geschehen. In der heutigen Hauptverhandlung vom Verteidiger darauf angesprochen, erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, er werde sich um die vom Angeklagten benannte Person nicht kümmern. „Der Spatz in der Hand“ (offensichtlich der Angeklagte) sei ihm lieber als „die Taube auf dem Dach“ (womit wohl der vom Angeklagten benannte Inder gemeint sein soll).

Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass mein Mandant von Herrn Staatsanwalt X, dem die Verurteilung des Angeklagten offensichtlich wichtiger ist als die Wahrheitsfindung, nicht die von einer Strafverfolgungsbehörde zu fordernde Objektivität bei der Erforschung und Beurteilung des Sachverhalts zu erwarten hat. Die weitere Sitzungsvertretung durch Herrn Staatsanwalt X würde daher das Gebot eines fairen Verfahrens verletzen.

Anmerkungen

[1]

BGH NStZ 1991, 595; BGH HRRS 2006 Nr. 14; KK-Scheuten Vorb. § 22 Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt vor § 22 Rn. 3.

[2]

Vgl. OLG Hamm NJW 1969, 808; OLG Karlsruhe MDR 1974, 423; KK-Scheuten Vorb. § 22 Rn. 1; KMR-Bockemühl § 22 Rn. 23; LR-Siolek § 22 Rn. 11.

[3]

Vgl. hierzu KK-Scheuten Vorb. § 22 Rn. 5; Schneider NStZ 1994, 457; Pawlik NStZ 1995, 309; Hilgendorf StV 1996, 50.

[4]

Vgl. LR-Siolek vor § 22 Rn. 10.

[5]

LR-Siolek vor § 22 Rn. 11.

[6]

Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt vor § 22 Rn. 7.

Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › XI. Aussetzungsanträge

XI. Aussetzungsanträge

Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › XI. Aussetzungsanträge › 1. Aussetzung und Unterbrechung der Hauptverhandlung

1. Aussetzung und Unterbrechung der Hauptverhandlung

162

Das Gebot eines rechtsstaatlichen Verfahrens und der Grundsatz der Waffengleichheit im Strafverfahren verlangen in bestimmten Prozesssituationen die Möglichkeit der Verteidigung, eine Aussetzung des Verfahrens zu erzwingen. Die Aussetzung ist teilweise gesetzlich geregelt (vgl. §§ 217 Abs. 2, 265 Abs. 3, Abs. 4), teilweise ergibt sie sich aus allgemeinen Grundsätzen, etwa der gerichtlichen Fürsorgepflicht[1] oder der Sachaufklärungspflicht[2].

163

Unterbrechung der Hauptverhandlung: Eine Hauptverhandlung darf grundsätzlich durch Anordnung des Vorsitzenden (§ 228 Abs. 1 S. 1) bis zu drei Wochen unterbrochen werden (§ 229 Abs. 1),[3] jede darüber hinausgehende verhandlungsfreie Zeitspanne stellt eine Aussetzung dar, über die das Gericht durch Beschluss zu entscheiden hat (§ 228 Abs. 1 S. 1). Ob die Hauptverhandlung ausgesetzt oder unterbrochen wird, richtet sich jedoch entgegen der bislang herrschenden Meinung[4] nicht alleine nach der Dauer der verhandlungsfreien Zeit. Das Gesetz regelt nämlich, abgesehen von den Fällen, in denen das Verfahren zwingend auszusetzen ist, nicht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sonst eine Hauptverhandlung, die innerhalb der Unterbrechungsfrist fortgesetzt werden könnte, ausgesetzt werden darf. Bei dieser Gesetzeslage ist nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[5] die Zulässigkeit der Aussetzung mit einem Neubeginn innerhalb der Unterbrechungsfrist, jedenfalls dann, wenn in der Hauptverhandlung „noch keine Erträge erzielt“ wurden, mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze des Prozessrechts, insbesondere unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes und der Konzentrationsmaxime, zu entscheiden. Soweit sich durch die Aussetzung der Hauptverhandlung an Stelle der Unterbrechung die Gerichtsbesetzung ändert, kann allerdings das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 GG berührt sein. Dieses Recht ist in jedem Fall dann verletzt, wenn das Gericht durch seine Entscheidung bewusst auf die Gerichtsbesetzung Einfluss nehmen will. Dann ist die Grenze zur Willkür überschritten.[6]

164

Die Aussetzung bedeutet den Abbruch der Verhandlung mit der Folge, dass diese vollständig neu beginnen muss. Auch bereits durchgeführte Teile der Hauptverhandlung sind dann zu wiederholen.

165

Unzulässig ist die Unterbrechung der Hauptverhandlung unter Durchführung sogenannter „Schiebetermine“ zur fristwahrenden Fortsetzung, eine häufig von den Instanzgerichten ohne größere Bedenken geübte Praxis.[7] Eine Verhandlung zur Sache, und damit eine Unterbrechung der Frist nach § 229 Abs. 1, liegt nur dann vor, wenn das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hin gefördert wird,[8] nicht dagegen, wenn die Verhandlung nur „formal“ und „zum Schein“ fortgesetzt wird, um die Vorschrift des § 229 zu umgehen. Diesem Anspruch genügt nicht die bloße Entpflichtung oder Bestellung eines Pflichtverteidigers oder eine Feststellung nach § 249 Abs. 2 S. 3.[9] Andererseits soll die Verlesung des Bundeszentralregisterauszuges oder einer sonstigen Urkunde als Verhandlungsgegenstand ausreichen[10], ebenso die Anordnung der Ladung von Zeugen.[11] Bei Einführung eines minimal neuen, willkürlich aufgeteilten Prozessstoffs, die offenkundig nur zu dem Zweck erfolgt, die fristwahrende Wirkung herbeizuführen, hinter der der Gesichtspunkt der Verfahrensförderung als völlig bedeutungslos zurücktritt, ist dagegen stets eine Umgehung des § 229 Abs. 1 gegeben,[12] so etwa bei Verlesung eines zweiseitigen Briefes in mehr als zwanzig Hauptverhandlungsterminen[13]. Nach diesen Kriterien unzulässige Fortsetzungstermine sind nicht geeignet, die Fristen des § 229 zu unterbrechen. Wird dadurch die Unterbrechungsfrist überschritten, ist in der Regel die Revision begründet.[14] Nach der gesetzlichen Verlängerung der Unterbrechungsfrist von 10 Tagen auf drei Wochen wird man die Praxis der Schiebetermine noch kritischer betrachten müssen als früher.[15] Nach der bisherigen Erfahrung mit der Gesetzesänderung hat sich die Praxis allerdings nicht wesentlich geändert. Riskante Terminierungen „auf den letzten Drücker“ sind immer noch an der Tagesordnung.

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Daher wird die Auffassung vertreten, dass die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 auch dann gewahrt ist, wenn die für den Fortsetzungstermin in Aussicht genommene weitere Förderung des Verfahrens in der Sache infolge unvorhersehbarer Ereignisse nicht stattfinden kann.[16] Im Hinblick auf den Zweck des § 229, nämlich der Wahrung der Konzentrationsmaxime,[17] erscheint dies bedenklich. In dem Fall, dass das Gericht ausschließlich infolge der Erkrankung des geladenen Zeugen daran gehindert ist, die Beweisaufnahme wie vorgesehen fortzusetzen, kommt eine Überschreitung der Frist jedoch nicht in Betracht, denn dieser Fall ist Gegenstand der besonderen und abschließenden Regelung in § 229 Abs. 3.[18] Eine Hemmung der Unterbrechungsfrist wegen Erkrankung eines Zeugen ist dort nicht vorgesehen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Bekanntgabe einer Erkrankung als Sachverhandlung i.S. einer Fortsetzung der Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 4 S. 1 gewertet wird, durch die die Unterbrechungsfrist gewahrt wird.[19]

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Aus dem Beschleunigungsgebot ergibt sich, dass die Aussetzung des Verfahrens über drei Wochen hinaus die Ausnahme sein muss und nicht zulässig ist, wenn der gleiche Zweck durch eine kürzere Unterbrechung der Verhandlung erreicht werden kann.[20] Im Aussetzungsantrag des Verteidigers liegt daher als Minus stets der Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung. Ob eine solche im Hinblick auf das Anliegen der Verteidigung ausreichend ist, ist stets anhand des konkreten Falles zu beurteilen. An der früher gegen die herrschende Meinung[21] geäußerten Auffassung, in den Fällen, in denen das Gesetz eine Aussetzung des Verfahrens vorschreibt, sei das Ermessen des Gerichts insoweit eingeschränkt, als nicht lediglich eine Unterbrechung als ausreichend angesehen werden könne, wird in Anbetracht der zwischenzeitlich erfolgten Verlängerung der Unterbrechungsfristen nicht festgehalten.

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Es ist in der Regel angebracht, Aussetzungsanträge so früh wie möglich zu stellen. Je nach dem Grund der Aussetzung kann dies vor, zu Beginn oder während der Hauptverhandlung geschehen. Wegen des Sachzusammenhanges werden im Folgenden allerdings bereits auch solche Aussetzungsanträge behandelt, die normalerweise erst während der Hauptverhandlung relevant werden können, z.B. der Antrag gemäß § 265 Abs. 3. Der Gerichtsbeschluss, durch den ein Aussetzungsantrag abgelehnt wird, ist mit Gründen zu versehen (§ 34).

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