Kitabı oku: «Verteidigung in der Hauptverhandlung», sayfa 11

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bb) Besorgnis der Befangenheit

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Aus den gleichen Gründen, bei denen der Richter von der Ausübung seines Amtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, kann er auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 24 Abs. 1). Gemäß § 24 Abs. 2 kann ein Richter auch dann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Um die Erfolgsaussichten eines Ablehnungsantrags einschätzen zu können, muss der Verteidiger die nachfolgenden Grundzüge des Ablehnungsrechts sehr gut kennen.

(1) Allgemeines

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Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist, spielt dabei keine Rolle.[18] Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist somit gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflusst.[19] Entscheidend ist, ob ein „vernünftiger Angeklagter“[20] Grund zu einer solchen Besorgnis hat, nicht jedoch, ob sich der Richter selbst für befangen hält, oder ob er für Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt.[21]

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Bei der Frage der Befangenheit ist nach herrschender Meinung auch die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters zu berücksichtigen, wodurch ein zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen überwunden werden kann.[22] Umso wichtiger ist es aus der Sicht der Verteidigung, darauf zu bestehen, vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch diese Erklärung zur Kenntnis zu erhalten, um im Rahmen des rechtlichen Gehörs Stellung nehmen zu können.

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Die Ablehnung kann sich immer nur auf einen bestimmten Richter in einer bestimmten Strafsache beziehen,[23] nicht auf ein Kollegialgericht als Ganzes.[24] Möglich ist es jedoch, jedes einzelne Mitglied eines Gerichts abzulehnen, z.B. dann, wenn das Kollegialgericht eine die Ablehnung begründende Entscheidung gefasst hat, ohne dass es dem Beschuldigten möglich wäre zu klären, welche Richter im Einzelnen der Entscheidung zugestimmt haben.[25]

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Kein Ablehnungsgrund kann nach allgemeiner Meinung aus dem Verhalten des Angeklagten selbst hergeleitet werden, da er es ansonsten in der Hand hätte, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen.[26] Dasselbe gilt für Spannungen zwischen dem Richter und dem Verteidiger, die erst im Verlauf des Verfahrens entstanden sind.[27] Die Besorgnis der Befangenheit kann sich allerdings gleichwohl aus Reaktionen des Richters ergeben, wenn diese zu dem auslösenden Anlass in keinem vertretbaren Verhältnis mehr stehen[28] oder sich die Animosität des Richters auch auf den Angeklagten überträgt.[29]

(2) Konkrete Befangenheitsgründe

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Bei der Bewertung, ob sich ein bestimmter Vorgang eignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Diese entziehen sich weitgehend einer abstrakten Kategorisierung,[30] so dass sich in der Rechtsprechung eine sehr unübersichtliche Kasuistik entwickelt hat. Ablehnungsgründe können sich insbesondere aus den persönlichen Verhältnissen des Richters, seinem Verhalten und seinen Äußerungen vor oder während der Hauptverhandlung und aus seiner Vortätigkeit im Verfahren gegen den Ablehnenden ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf auch nur annähernde Vollständigkeit. Wegen der Fülle der zum Befangenheitsrecht ergangenen und sich ständig vermehrenden Einzelfallentscheidungen muss auf die Kommentierungen zur StPO und die jeweils aktuellen Fachzeitschriften verwiesen werden.

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Die persönlichen Verhältnisse des Richters begründen nur dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn zwischen ihnen und der Strafsache eine besondere Verbindung besteht.[31] In der Regel sind daher Religion, Weltanschauung und Mitgliedschaft in einer politischen Partei[32] oder in einer Gewerkschaft[33] kein Ablehnungsgrund. Das selbe soll gelten, wenn eine Schöffin im Falle der Anklage wegen des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs Mitglied bei „Wildwasser e.V.“ ist.[34] Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn das weltanschauliche, konfessionelle oder politische Engagement des Richters in einem inneren Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Sachverhalt oder Delikt steht[35] und von dem Richter aus diesem Grund eine neutrale Haltung in der Sache nicht zu erwarten ist. Ein Ablehnungsgrund kann weiterhin darin liegen, dass der Richter mit dem Angeklagten verfeindet oder mit dem Verletzten oder Zeugen eng befreundet ist.[36]

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Ob das Verhalten des Richters und seine Äußerungen in oder vor der Hauptverhandlung die Besorgnis der Befangenheit begründen, ist vom konkreten Einzelfall abhängig. Unsachliche Äußerungen („Afrikaner lügen, dass sich die Balken biegen“)[37] und Beleidigungen gegenüber dem Angeklagten („Gangster“,[38] „Sie lügen nach Aktenlage unverschämt“,[39] die Sacheinlassung ist „schwachsinnig“[40]) oder dem Verteidiger „beim Lesen der Akten und Beiakten habe ich die Einlegung dieser für wenig aussichtsreich erachteten Berufung nahezu als ein Ansinnen an das vielbeschäftigte Gericht betrachtet“,[41] „Ihre erste Niederlage, Herr Verteidiger,“ nach dem Beschluss über die Zulassung der Nebenklage[42] oder im Rahmen eines Gesprächs mit dem Verteidiger über eine Haftbeschwerde die Bemerkung „Solche Leute haben in Freiheit nichts zu suchen“,[43] rechtfertigen in der Regel, anders als die bloße Äußerung einer Rechtsmeinung,[44] die Besorgnis der Befangenheit. Auch Äußerungen im Internet, etwa auf einem Facebook-Account können Anlass geben, an der Unbefangenheit des Richters zu zweifeln. Dies hat der 3. Strafsenat des BGH etwa angenommen bei einem Richter, der sich mit einem Bierglas in der Hand und einem T-Shirt mit der Aufschrift präsentiert: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“, insbesondere weil sich auf derselben Seite noch der Vermerk befand „2. Große Strafkammer beim LG Rostock“.[45]

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Grund für die Besorgnis der Befangenheit kann sich auch durch die einseitige Kontaktaufnahme zu anderen Verfahrensbeteiligten, etwa zu einem Mitangeklagten[46] oder zum sachbearbeitenden Staatsanwalt[47], ergeben. Verhandlungsführung und Verhandlungsstil können das Misstrauen in die Voreingenommenheit des Richters rechtfertigen, wenn diese grob rechtsfehlerhaft oder unsachlich sind, etwa bei Eröffnung des Hauptverfahrens vor Ablauf der Erklärungsfrist zur Anklage,[48] bei unberechtigter Beschränkung des Fragerechts,[49] bei massiver Einwirkung auf den Angeklagten, etwa im Rahmen von Gesprächen über eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens, ein Geständnis abzulegen,[50] die Berufung zurückzunehmen und sich lieber bei der Verletzten zu entschuldigen[51] oder bei der Einwirkung auf einen Zeugen, dieser solle von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch machen.[52] Auch die Weigerung des Richters, eine konkrete dienstliche Äußerung zu einem Befangenheitsantrag abzugeben, kann ihrerseits die Befangenheit begründen.[53] Die unsachliche Einstellung eines Richters kann sich auch nonverbal äußern, etwa im Verdrehen der Augen als Kommentar zu Ausführungen eines Prozessbeteiligten[54] oder durch die Beschäftigung mit der Urteilsabsetzung während des Verteidigerplädoyers.[55] Auch die Richterin, die in der Sitzung über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten mehrfach ihr Mobiltelefon benutzt und private Kurzmitteilungen schreibt, kann den Eindruck erwecken, sie habe kein uneingeschränktes Interesse mehr an der Beweiserhebung und sich damit hinsichtlich der Schuldfrage bereits festgelegt. Dies rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit.[56]

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Besondere Bedeutung hat die Frage der Befangenheit bei Entscheidungen oder Äußerungen des Richters im Rahmen von Verständigungen erlangt. Die Drohung mit der Sanktionsschere, die im Einzelfall auch die Grenze zur Aussageerpressung überschreiten kann,[57] stellt in jedem Fall einen Ablehnungsgrund dar.[58] Dasselbe gilt für die Ankündigung einer Erhöhung der schuldangemessenen Strafe für den Fall, dass der Angeklagte kein Geständnis ablegt.[59] Auch Absprachen mit anderen Verfahrensbeteiligten können die Befangenheit begründen. Ist die Hauptverhandlung durch die Konfrontation von Mitangeklagten geprägt, die sich gegenseitig falsche Sacheinlassungen vorwerfen, und sichert das Gericht dem einen Angeklagten bei einem „umfassenden, glaubhaften“ Geständnis eine bestimmte Strafe zu, ohne den gegen die Glaubhaftigkeit des Mitangeklagten gerichteten Beweisanträgen der Verteidigung Bedeutung zuzumessen, und trennt es daraufhin das Verfahren gegen den Mitangeklagten ab, so kann diese Verfahrensweise die Befangenheit der beteiligten Richter begründen, da der Angeklagte von einer bereits abgeschlossenen Meinungsbildung zum Sachverhalt ausgehen muss.[60] Haben Erörterungen mit einzelnen Verfahrensbeteiligten stattgefunden, muss der Vorsitzende auch bei ergebnislosem Verlauf die übrigen Beteiligten umfassend hierüber informieren. Tut er dies nicht, liegt die Besorgnis der Befangenheit nahe.[61]

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Die richterliche Vorbefassung vor oder außerhalb der Hauptverhandlung wird (allerdings unter Missachtung einfachster psychologischer Überlegungen!)[62] von der herrschenden Meinung in der Regel nicht als Befangenheitsgrund angesehen,[63] wenn nicht besondere Gründe hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen.[64] So ist ein Richter nicht allein deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung des Richteramts in einer vom Revisionsgericht zurückverwiesenen Sache ausgeschlossen, weil er bereits an der aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hatte.[65] Auch die Verurteilung eines Mittäters wegen derselben Straftat macht nach dieser Auffassung den Richter nicht voreingenommen.[66] Dies gilt auch dann, wenn Verfahren gegen Mitbeschuldigte aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung abgetrennt wurden und anschließend ein Schuldspruch wegen Beteiligung an später abzuurteilenden Taten erfolgt.[67] Etwas anderes muss aber jedenfalls dann gelten, wenn die Gründe des früheren Urteils mangelnde Objektivität befürchten lassen,[68] weil es unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über den Angeklagten enthält,[69] oder weil der frühere Mitangeklagte darin als glaubwürdig und der jetzige Angeklagte deshalb als unglaubwürdig bezeichnet worden ist.[70]

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Auch rechtsfehlerhafte Entscheidungen rechtfertigen nicht per se die Annahme der Befangenheit.[71] Etwas anderes gilt bei der Äußerung von völlig abwegigen oder den Anschein der Willkür erweckenden Rechtsauffassungen,[72] insbesondere wenn ein Verstoß gegen das Willkürverbot rechtskräftig durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist.[73] Auch die kategorische Weigerung des Richters, ohne sachlichen Grund einem Terminverlegungsantrag der Verteidigung zu entsprechen, kann die Besorgnis der Befangenheit begründen.[74] Dasselbe gilt für den Fall, dass der abgelehnte Richter objektiv falsche Angaben zur Terminslage der Kammer macht, um seinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu kaschieren.[75] Die Besorgnis der Befangenheit ist auch berechtigt, wenn der abgelehnte Richter wegen eines Verteidigerwechsels während laufender Hauptverhandlung[76] oder unter Hinweis auf konfrontatives Verhalten im Prozess einen Haftbefehl erlässt.[77] Dasselbe gilt, wenn der abgelehnte Richter sich weigert, einen über Monate untätigen Verteidiger eines inhaftierten Beschuldigten zu entpflichten, und trotz der Tatsache, dass der Verteidiger seinen Mandanten in der Hauptverhandlung das erste Mal sieht, diesen für „ordnungsgemäß verteidigt“ bezeichnet.[78]

c) Ablehnungsberechtigte

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Gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 steht das Ablehnungsrecht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu.[79] Kein eigenes Ablehnungsrecht hat der Verteidiger. Zwar ist nach allgemeiner Meinung eine Richterablehnung durch den Verteidiger dahingehend auszulegen, dass dieser für den Angeklagten handelt,[80] auch wenn es um Vorgänge geht, die das Verhältnis zwischen Verteidiger und Richter betreffen.[81] Der Verteidiger sollte sich allerdings, bevor er einen Ablehnungsantrag stellt, mit dem Angeklagten besprechen und sich vergewissern, dass dieser mit seinem Vorgehen einverstanden ist. Wegen des fehlenden Antragsrechts des Verteidigers sind Spannungen zwischen ihm und dem Richter im Allgemeinen auch nicht geeignet, die Befangenheit zu begründen,[82] es sei denn, dass aus dem Verhalten des Richters gegenüber dem Verteidiger auf die Voreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten zu schließen ist.[83]

d) Zeitpunkt der Ablehnung

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Sind dem Angeklagten die Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit begründen, bereits bei Beginn der Hauptverhandlung bekannt, so kann der Ablehnungsantrag nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gestellt werden (§ 25 Abs. 1). Nach diesem Zeitpunkt ist der Antrag nur zulässig, wenn die Gründe dem Angeklagten erst später bekannt geworden sind und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird (§ 25 Abs. 2). Endgültig nicht mehr zulässig ist die Ablehnung nach dem letzten Wort des Angeklagten (§ 25 Abs. 2 S. 2). Aus diesem Grund können Äußerungen des Vorsitzenden zum letzten Wort des Angeklagten („Ich bin unschuldig.“ – „Das werden Sie gleich sehen!“) nicht mehr zum Gegenstand eines Befangenheitsantrages gemacht werden.[84]

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Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich geltend gemacht, wenn es so bald wie möglich, d. h. ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung, angebracht wird.[85] Bei neu eingetretenen oder bekannt gewordenen Umständen ist die Kenntnis des Angeklagten und nicht die seines Verteidigers maßgebend.[86] Dies gilt selbst dann, wenn die Kenntnisnahme durch den Verteidiger schuldhaft verspätet ist.[87] Wenn der Verteidiger früher als sein Mandant Kenntnis erhält, schadet es diesem nicht. Es kommt ihm aber auch nicht zugute, wenn das später der Fall ist.[88] Auch wenn grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist,[89] so muss doch dem Angeklagten stets eine gewisse Überlegungsfrist und ausreichend Zeit zum Abfassen des Gesuchs eingeräumt sowie Gelegenheit zu einer Besprechung mit dem Verteidiger gegeben werden.[90] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frist bei dem in Untersuchungshaft, womöglich in auswärtiger Haftanstalt befindlichen Angeklagten, großzügiger zu bemessen ist als bei dem auf freien Fuß befindlichen Angeklagten, der seinen Verteidiger ohne Mühe zu einer kurzen Besprechung aufsuchen kann. Entsteht der Ablehnungsgrund während einer Beweiserhebung in der Hauptverhandlung, so kann der Verteidiger deren Ende abwarten, bevor er den Antrag stellt.[91] Es darf auch eine Weile zugewartet werden, um festzustellen, ob sich der Eindruck der Befangenheit im Laufe der Hauptverhandlung verfestigt.[92] Wird die Sitzung nur für kurze Zeit unterbrochen, so kann der Antrag auch bei deren Fortsetzung gestellt werden.[93] Dauert dagegen die Unterbrechung längere Zeit, so darf nicht zugewartet werden. Das Ablehnungsgesuch muss in diesem Fall auch außerhalb der Hauptverhandlung zwischen zwei Verhandlungstagen angebracht werden, um das Gebot der Unverzüglichkeit zu erfüllen.[94]

e) Ablehnungsverfahren

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Gemäß § 26 Abs. 1 ist das Ablehnungsgesuch bei dem Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, anzubringen. Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz nicht vor. Gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 gilt auch nicht § 257a, so dass das Gericht dem Verteidiger nicht aufgeben kann, den Ablehnungsantrag schriftlich zu stellen. Das Gesuch kann daher nach freier Entscheidung des Antragstellers[95] innerhalb der Hauptverhandlung schriftlich oder mündlich gestellt werden, wobei der mündliche Antrag gemäß § 273 Abs. 1 zu protokollieren ist.

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Das Gesuch muss den abgelehnten Richter und die Ablehnungsgründe, auf die es gestützt wird, eindeutig bezeichnen. Im Fall des § 25 Abs. 2 müssen auch die Tatsachen, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des Antrags ergeben soll, angeführt werden.[96] Die zur Antragsbegründung vorgebrachten Tatsachen sind glaubhaft zu machen, d. h. so weit zu beweisen, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält, ohne dass es allerdings der vollen Überzeugung von ihrer Richtigkeit bedarf.[97] Der Glaubhaftmachung bedarf es aber nicht, wenn sich der Ablehnungsgrund aus den Akten ergibt oder dieser gerichtsbekannt ist.[98] Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters, der sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat (§ 26 Abs. 2 S. 3, Abs. 3), Bezug genommen werden. Wird das Ablehnungsgesuch ohne Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters verworfen, so begründet dies einen relativen Revisionsgrund, weil dem Revisionsgericht eine wesentliche notwendige Entscheidungsgrundlage fehlt.[99]

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Darüber hinaus steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wie es sich Kenntnis vom Bestehen oder Nichtbestehen der Ablehnungsgründe verschafft. Eine förmliche Beweisaufnahme findet nicht statt.[100] Da der Grundsatz in dubio pro reo im Ablehnungsverfahren nicht gilt,[101] nicht behebbare Zweifel daher zu Lasten des Antragstellers ausgehen, und das Gericht auch nicht verpflichtet ist, auf die weitere Glaubhaftmachung der Ablehnungsgründe hinzuwirken, kann nur angeraten werden, den Antrag so sorgfältig und ausführlich wie möglich zu begründen. Neben der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters kommen als Mittel der Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherungen und andere schriftliche Erklärungen von Zeugen, auch in fremder Sprache,[102] sonstige Bescheinigungen und Unterlagen sowie anwaltliche Versicherungen in Betracht. Die Benennung eines Zeugen reicht nur dann, wenn sich der Verteidiger nicht in der Lage sieht, dessen schriftliche Äußerung beizubringen. Liegt ein solcher Fall vor, der ebenfalls glaubhaft zu machen ist, hat das Gericht von Amts wegen Beweis zu erheben.[103] Teilt der Verteidiger die den Antrag begründenden Tatsachen als eigene Wahrnehmung mit, so bedarf es nicht der ausdrücklichen Angabe des Mittels der Glaubhaftmachung.[104]

Hinweis

Der Verteidiger sollte darauf hinweisen, dass er vor einer Entscheidung über den Ablehnungsantrag die – bei einer zulässigen Ablehnung zwingend vorgeschriebene – dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht haben will.[105] Dies erscheint umso wichtiger, als dem abgelehnten Richter die Möglichkeit eingeräumt wird, ein zu beanstandendes Verhalten durch Klarstellung und Entschuldigung zu beseitigen.[106]

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Muster 10 Antrag auf Ablehnung eines Berufsrichters

An das

Landgericht

In der Strafsache

gegen …

lehnt der Angeklagte den Herrn Vorsitzenden Richter X wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Begründung:

Der Angeklagte hat in der heutigen Hauptverhandlung nach Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht erklärt, er sei unschuldig, wolle aber zur Sache keine Angaben machen. Trotz dieser eindeutigen Erklärung des Angeklagten bedrängte ihn der abgelehnte Richter mit der Empfehlung, es sei besser, „jetzt zu dem, was geschehen ist, zu stehen“ und durch ein Geständnis „reinen Tisch zu machen“. Das Gericht werde dies sicherlich bei der Strafzumessung zu würdigen wissen.

Aufgrund der genannten Äußerungen muss der Angeklagte davon ausgehen, dass er für den abgelehnten Richter bereits als Täter feststeht. Er kann daher nicht mehr darauf vertrauen, dass dieser die Ergebnisse der Beweisaufnahme unparteiisch und unvoreingenommen würdigen wird.

Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Angeklagte auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters. Es wird gebeten, diese noch vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bekannt zu geben, damit Gelegenheit besteht, hierzu im Rahmen des rechtlichen Gehörs Stellung zu nehmen.

Des Weiteren bitte ich darum, mir die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

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Gemäß § 26a verwirft das Gericht, in der Hauptverhandlung unter Mitwirkung der Schöffen,[107] und zwar ohne Ausscheiden des abgelehnten Richters, die Ablehnung als unzulässig, wenn der Antrag verspätet gestellt ist (Abs. 1 Nr. 1), ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben wird (Abs. 1 Nr. 2) oder durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (Abs. 1 Nr. 3). Verschleppungsabsicht liegt nur vor, wenn es dem Antragsteller ausschließlich auf eine Verzögerung der Hauptverhandlung ankommt,[108] was allerdings ohne weitere Nachforschungen feststellbar sein muss.[109] Verfahrensfremde Zwecke können vorliegen, wenn der Befangenheitsantrag aus rein demonstrativen Zwecken oder zur Verunglimpfung eines abgelehnten Richters gestellt wird.[110] Verfahrensfremd ist es auch, über einen Befangenheitsantrag einen Streit über das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme auszutragen.[111] Die Motive des Antragstellers müssen allerdings offensichtlich sein. Fälle des Missbrauchs des Ablehnungsrechts sind daher in der Praxis selten.[112]

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In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird allerdings dem Fehlen der Begründung der Fall gleichgestellt, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgrundes völlig ungeeignet ist.[113] Entscheidend soll hierbei sein, ob das Gesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis als gänzlich ungeeignet angesehen werden kann,[114] z.B. die Ablehnung bei bloßer prozessordnungsgemäßer Mitwirkung an einer Vorentscheidung oder einer bloßen Vorbefassung mit der Sache.[115] Diese Rechtsprechung ist problematisch, da bei genauer Betrachtung eine Begründetheitsprüfung im Mantel einer Zulässigkeitsprüfung durchgeführt wird. Überschreitet das mit dem Ablehnungsgesuch befasste Gericht die engen Grenzen, die die Rechtsprechung gesteckt hat, so kann dies wiederum die Besorgnis der Befangenheit begründen.[116]

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Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet das Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 27 Abs. 1). Betrifft die Ablehnung ein richterliches Mitglied der Strafkammer, so beschließt diese in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung (§ 27 Abs. 2), also ohne Schöffen (§ 76 S. 2 GVG). Werden mehrere oder alle Richter einer Strafkammer abgelehnt, so ist hierüber in einem einheitlichen Beschluss zu befinden[117] – es sei denn, die Ablehnungsgesuche gehen nacheinander ein und werden unterschiedlich begründet; für diesen Fall gebietet der Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 GG eine sukzessive Entscheidung in der Reihenfolge der Ablehnungsgesuche.[118] Nur wenn der erkennende Richter und außerdem ein Richter abgelehnt wird, der über das Ablehnungsgesuch als Vertreter zu beschließen hat, ist über das Gesuch gegen Letzteren vorab zu entscheiden und, wenn es für unbegründet erachtet wird, mit ihm eine Kammer zu bilden, die dann über das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Richter befindet.[119]

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Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts, außer der Abgelehnte selbst hält das Gesuch für begründet (§ 27 Abs. 3).

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Die Entscheidung, mit der die Ablehnung für begründet erklärt wird, ergeht durch Beschluss. Eine förmliche Beweisaufnahme über die Befangenheitsgründe findet nicht statt,[120] allerdings kann das Gericht im Freibeweisverfahren Zeugen vernehmen und andere Beweise erheben.[121] Der Beschluss ist nicht selbständig anfechtbar (§ 28 Abs. 1). Dasselbe gilt für die Verwerfung oder Zurückweisung der Ablehnung, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft und dieser im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch erkennender Richter ist.[122] Die Entscheidung betrifft auch dann einen erkennenden Richter, wenn das Ablehnungsgesuch vor Eintritt der Rechtshängigkeit gestellt wurde, die Entscheidung hierüber aber erst später ergeht.[123] War der abgelehnte Richter dagegen kein erkennender Richter, so ist gegen den Verwerfungs- oder Zurückweisungsbeschluss die sofortige Beschwerde zulässig (§ 28 Abs. 2). Das Beschwerdegericht prüft den Ablehnungsbeschluss umfassend.[124]

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