Kitabı oku: «Verteidigung in der Hauptverhandlung», sayfa 5
3. Verhältnis zum Angeklagten
28
Durch Nichts und Niemanden darf sich der Vertheidigerabhalten lassen, das für den Schutz seines Clienten Nothwendigevorzukehren, auch nicht durch den Beschuldigten selbst(Vargha Die Vertheidigung in Strafsachen, 1879, § 215) |
Das Verhältnis des Verteidigers zu seinem Mandanten, die „Vertrauensfrage“, der Umgang mit dem Tatverdacht und dem Zweifel, sind schwierige und grundsätzliche Fragen, die den Rahmen von Ausführungen zur Hauptverhandlung sprengen würden, und die in der Regel auch bereits bei der Anbahnung und der Begründung des Mandatsverhältnisses, jedenfalls nicht erst in der Hauptverhandlung, zu klären sind.[27] Sympathisch erscheint mir im Umgang mit dem Zweifel an scheinbar „unglaublichem“ Mandantenvorbringen die Auffassung, Strafverteidiger seien letztlich alle Agnostiker (oder sollten es sein), indem sie sich zum Zweifel bekennen und der Gewissheit verweigern.[28] Engagierte Interessenvertretung bedeutet indessen nicht die völlige Identifizierung mit dem Mandanten. Hat er Zweifel an der Sachverhaltsversion seines Mandanten, so muss er diese ihm gegenüber äußern. Über die Verurteilungswahrscheinlichkeit, die häufig vom Mandanten erfragt wird, muss der Verteidiger, wenn er dazu in der Lage ist, eine realistische Einschätzung abgeben. Alles andere wäre nicht nur ein Vertrauensbruch, sondern ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten.[29]
29
Der Verteidiger ist auch gegenüber dem Angeklagten selbständig und, was die Verteidigungsführung im Einzelnen angeht, nicht weisungsabhängig. Besonders wichtig ist daher eine rechtzeitig vor der Hauptverhandlung besprochene gemeinsame Verteidigungsstrategie, die vom Verteidiger und vom Mandanten getragen wird. Ist dies nicht möglich, so muss das Mandatsverhältnis beendet werden, und zwar so rechtzeitig, dass dem Mandanten hieraus kein Schaden entsteht.[30] Treten Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten während der Hauptverhandlung auf, etwa weil der Angeklagte zu einer dem Verteidiger bekannten Lüge greift, so sollte es jener im Interesse seines Mandanten tunlichst vermeiden, diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszutragen. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Spaltung die Verteidigungsposition insgesamt schwächt. Außerdem verbieten es die anwaltliche Beistands- und Schweigepflicht, dass der Verteidiger die Lügen seines Mandanten korrigiert, sich distanziert oder auf andere Weise zum Ausdruck bringt, dass der Angeklagte wahrheitswidrig aussagt.[31] Der Verteidiger kann in einem solchen Fall allenfalls eine kurze Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragen, um in einem Gespräch mit dem Mandanten unter vier Augen die Sache zu klären. Er muss sich hierbei seiner Führungsposition bewusst sein, die sich aus seiner professionellen Kenntnis und Erfahrung herleitet, und diese auch dem Mandanten nochmals deutlich machen. Lässt sich eine Klärung nicht herbeiführen, weil der Mandant auf seinem Standpunkt beharrt (z.B. entgegen der Prozessvorbereitung eine für ihn objektiv schädliche Erklärung abzugeben), so befindet sich der Verteidiger in einem Dilemma, das nur unter dem Gesichtspunkt des geringst möglichen Schadens für den Mandanten zu lösen sein wird. Eventuell kann eine Erklärung des Verteidigers etwas retten. Die Niederlegung des Mandats in der Hauptverhandlung sollte jedenfalls nicht vorkommen.[32]
Teil 2 Allgemeines › IV. Die Stellung des Verteidigers und sein Verhältnis zu den Prozessbeteiligten › 4. Verhältnis zu Verteidigerkollegen, gemeinsame Verteidigung
4. Verhältnis zu Verteidigerkollegen, gemeinsame Verteidigung
30
Zu geringe Aufmerksamkeit wird meist dem Verhältnis des Verteidigers zu den mitverteidigenden Kollegen geschenkt. Die Tätigkeit mehrerer Verteidiger in einem gemeinsamen Verfahren kommt in verschiedenen Konstellationen vor: Bei der Vertretung eines einzigen Angeklagten durch mehrere Verteidiger (gemäß § 137 Abs. 1 S. 2 höchstens drei) oder bei der Verteidigung verschiedener Angeklagter durch jeweils einen oder mehrere Verteidiger, wobei die Verteidigungsziele (ganz oder teilweise) konform oder konträr ausgerichtet sein können.
31
Verteidigen verschiedene Rechtsanwälte einen einzigen Angeklagten, so ist es unerlässlich, dass die Verteidigungsstrategie und die Aufgabenverteilung unter den Verteidigern gemeinsam mit dem Angeklagten vor der Hauptverhandlung abgestimmt werden. In Bezug auf das gemeinsame Verteidigungskonzept gilt zunächst dasselbe, was für das Verhältnis zwischen Verteidiger und Mandant ausgeführt wurde: Eine gemeinsame Verteidigung hat nur dann Sinn, wenn über das Vorgehen grundsätzliche Einigkeit besteht. Ist diese nicht zu erzielen, so muss eines der beiden Verteidigungsverhältnisse möglichst frühzeitig beendet werden. Die Aufgabenverteilung unter Verteidigerkollegen in der Hauptverhandlung kann verschiedener Art sein. Eine Aufteilung nach Anklagepunkten oder Sachkomplexen bietet sich an, während die Trennung nach tatsächlichen und rechtlichen Fragen problematisch sein dürfte, da beide Komplexe meist eng verknüpft sind. Es sollte selbstverständlich sein, dass sich der Verteidiger in der Hauptverhandlung an das vereinbarte Konzept hält und nicht der Versuchung nachgibt, sich zu Lasten der gemeinsamen Verteidigungsstrategie und auf Kosten des Mitverteidigers zu profilieren.
32
Problematischer ist die Verteidigung verschiedener Beschuldigter. Verlaufen die Verteidigungsziele konträr, etwa weil ein Angeklagter die gemeinsame Tat einräumt, der andere sie bestreitet, so sieht sich der Verteidiger häufig entweder in der Rolle eines zweiten Staatsanwalts (vor allem dann, wenn die Überführung des Mitangeklagten unmittelbar zum Vorteil des eigenen Mandanten ausschlägt, etwa im Fall der Aufklärungshilfe nach § 46b StGB oder § 31 BtMG), oder er selbst ist durch seinen Kollegen mit einem zweiten Ankläger konfrontiert. Gerade im ersten Fall darf der Verteidiger nicht vergessen, dass er in erster Linie eben Verteidiger und nicht Ankläger ist. Nicht gerade überzeugend wirken daher Ausführungen (etwa: „Man weiß ja, was man von den Einlassungen eines Angeklagten im Strafprozess zu halten hat!“), die zu seinen sonst geäußerten Ansichten in diametralem Gegensatz stehen. Besser dürfte es allemal sein, an dieser Stelle Zurückhaltung zu üben und sich auf die Würdigung der festgestellten Tatsachen zu beschränken. Dies gilt umso mehr, als sich der Verteidiger in den Fällen widersprechender Sacheinlassungen der Angeklagten meist ohnehin sicher sein kann, auf wessen Seite der Staatsanwalt stehen wird.
33
Bei ganz oder teilweise konformer Verteidigungsstrategie stellt sich die Frage nach Art und Zulässigkeit der Zusammenarbeit in der Verteidigung mehrerer Beschuldigter, der sogenannten „Sockelverteidigung“,[33] die vor allem durch den Vortrag von Richter II auf dem 47. Deutschen Anwaltstag ins Bewusstsein gerufen wurde,[34] nachdem sie in Rechtsprechung und Literatur bis dahin ein ausgesprochenes Schattendasein geführt hatte.[35]
34
Den dort geäußerten Ansichten ist im Wesentlichen beizupflichten: „Sockelverteidigung“, veranlasst und notwendig geworden durch das Verbot der Mehrfachverteidigung,[36] bezweckt die Maximierung gemeinsamer Abwehrkräfte der Verteidigung und die Vermeidung von Gefahren, die sich aus der Widersprüchlichkeit des Verhaltens mehrerer Beschuldigter ergeben können.[37] Der Verteidiger muss sich darüber im Klaren sein, dass die Äußerungen und das Verhalten sowohl des eigenen Mandanten wie auch des Mitangeklagten Beweismittelqualität haben und damit zur (schlimmstenfalls gegenseitigen) Überführung beitragen können.[38] Hier gilt es rechtzeitig vorzubeugen.
Hinweis
In rechtlicher Hinsicht muss der Verteidiger wissen, dass der Informationsaustausch zwischen Verteidigerkollegen zulässig ist.[39] Die Einbindung des Mandanten unter vollständiger Offenlegung dessen, was zwischen den Verteidigern besprochen wurde, ist dabei nicht nur erlaubt, sondern zwingend.[40] Dies ergibt sich aus dem grundsätzlich privatrechtlich geregelten Vertrag zwischen Mandant und Anwalt. Vertraulichkeitszusagen gegenüber Verteidigerkollegen, die Mitbeschuldigte verteidigen, darf es daher nicht geben. Andererseits darf der Verteidiger aber auch nicht erwarten, dass die beteiligten Kollegen mit seinen Informationen anders umgehen. Es empfiehlt sich, im Hinblick hierauf den Mandanten eine Erklärung über die Entbindung von der anwaltlichen Schweigepflicht abgeben zu lassen. Das gleiche gilt für Absprachen über die Verteidigungsstrategie, insbesondere zur Frage des Schweigerechts oder zu Art und Inhalt der Sacheinlassung der Angeklagten. Die Grenze zulässigen Verteidigerverhaltens liegt dort, wo die Verteidiger ihren Mandanten eine bewusst wahrheitswidrige, aufeinander abgestimmte Aussage empfehlen.[41]
35
Die Verteidigung mehrerer Angeklagter durch Wahlverteidiger einer Sozietät stellt auch keine unzulässige Mehrfachverteidigung i.S.v. § 146 dar und rechtfertigt daher auch keinen Zurückweisungsantrag nach § 146a.[42] Notwendig ist allerdings, dass sich für jeweils einen Mitbeschuldigten nur jeweils bis zu drei bestimmte Verteidiger melden. In diesem Fall ist es unschädlich, wenn in der Vollmachtsurkunde keiner der darin genannten Rechtsanwälte durch Streichung seines Namens ausgeschlossen ist.[43]
36
Auch „Sockelverteidigung“ ist Individualverteidigung: Der Verteidiger kann eine einheitliche Verteidigungskonzeption daher nur mittragen, wenn sie für seinen eigenen Mandanten Vorteile, jedenfalls aber keine Nachteile, bringt.[44] Schon hieraus, aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen,[45] ergibt sich, dass die Verständigung unter Mitverteidigern keine Bindung im prozessrechtlichen Sinne bewirkt.[46] In taktisch-psychologischer Hinsicht sollte der Verteidiger darauf achten, dass er gegenüber dem Mitverteidiger bzw. Mitangeklagten seines Mandanten, die ja immerhin potentielle Prozessgegner sind, nicht einseitig in Vorleistung tritt. Vorab ist zu prüfen, ob überhaupt Bereitschaft und Interesse an einer Zusammenarbeit bestehen. Eine ablehnende Haltung kann in der Sache selbst, aber auch in der Person des Kollegen, des Mitangeklagten oder im Verhältnis der Angeklagten zueinander liegen. Besteht dagegen der Wille zur Kooperation, so sollten – stets aber unter voller Einbeziehung des Mandanten – die Verteidigungsziele definiert und die Möglichkeiten gemeinsamer Verteidigung erörtert werden. Bei diesen „Verhandlungen“, aber auch bei der späteren Realisierung des Vereinbarten, empfiehlt sich bedingt kooperatives Verhalten. Dies bedeutet, dass der Verteidiger nur um den Preis der durch die Zusammenarbeit errungenen Vorteile von einer möglicherweise (!) erfolgreicheren Konfrontationsstrategie Abstand nimmt, diese aber durchaus einzuschlagen bereit ist, wenn die Seite des Mitangeklagten vom Verabredeten abweichen will. Kündigt beispielsweise der Mitangeklagte entgegen der gemeinsamen Absprache, wonach beide Angeklagte von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, in der Hauptverhandlung unvermittelt an, er wolle ein Geständnis ablegen, um sich die Vorteile eines Geständnisses zu sichern, so wäre es in der Regel ein grober Fehler, sich weiterhin kooperativ zu verhalten und aus diesem Grund zu schweigen.
37
Bei der Umsetzung der gemeinsamen Verteidigungsstrategie in der Hauptverhandlung sollte der Verteidiger allerdings keine Zurückhaltung üben: Er kann auch dann fragen, beanstanden, ablehnen und Beweisanträge stellen, wenn vorrangig nur der Mitangeklagte betroffen ist.[47] Dies ist eine Konsequenz daraus, dass die einheitliche Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung für und gegen alle Mitangeklagten wirkt.[48] Der Verteidiger muss dann selbstverständlich auch das Recht haben, umfassend auf das Prozessgeschehen einzuwirken.
Teil 2 Allgemeines › IV. Die Stellung des Verteidigers und sein Verhältnis zu den Prozessbeteiligten › 5. Die Medien in der Hauptverhandlung
5. Die Medien in der Hauptverhandlung
38
Die Prozessberichterstatter und Vertreter der Medien sind im juristischen Sinne keine Prozessbeteiligten. Allerdings sind sie als Teil der Öffentlichkeit und über Art. 5 GG mit eigenen Rechten ausgestattet, ein gewichtiger Faktor im gesamten Strafverfahren, meist noch mehr im Ermittlungsverfahren als in der Hauptverhandlung. Der Verteidiger, der die Interessen seines Mandanten bestmöglich wahrnehmen will, darf sie nicht ignorieren.
39
Die in Art. 5 GG garantierte Pressefreiheit schützt auch die Medienberichterstattung aus einem Strafverfahren, denn zum Kern der Meinungsäußerungsfreiheit der Presse gehört auch, dass die Medien nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht.[49] Dies gilt unabhängig davon, ob sie, der staatstheoretischen Begründung folgend, öffentliche Kontrolle und Schutz vor Willkür durch die Justiz bieten soll,[50] oder ob sie, wie heute überwiegend angenommen wird, dem Informationsinteresse der Allgemeinheit dient.[51] Der Verteidiger muss die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls in Grundzügen kennen, um argumentativ gewappnet zu sein, wenn es darum geht, die Interessen seines Mandanten in der Hauptverhandlung zu schützen.[52]
40
§ 169 Satz 2 GVG verbietet Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen aus der Hauptverhandlung zum Zweck der Veröffentlichung und schränkt damit die Pressefreiheit ein. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß,[53] ja sogar verfassungsrechtlich geboten,[54] und auch zwingend, ohne dass dem Vorsitzenden bei einer entsprechenden sitzungspolizeilichen Anordnung ein Ermessenspielraum zustünde. Der Verteidiger muss daher, um seinen Mandanten zu schützen, gegenüber dem Vorsitzenden auf strikter Einhaltung dieses Verbots bestehen.[55]
41
Das Verbot des § 169 Satz 2 GVG umfasst allerdings nicht das Anfertigen von einfachen Bildaufnahmen (einerlei, ob in analoger oder digitaler Form) im Gerichtssaal während der Hauptverhandlung[56] (was nicht bei allen Gerichten bekannt ist) und außerhalb des Gerichtssaals,[57] und gilt auch nicht für Ton- und Filmaufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung.[58] Allerdings kann der Vorsitzende alle diese Aufnahmen im Rahmen seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse unterbinden. Die Zulässigkeit eines solchen Verbots richtet sich nach den §§ 22, 23 KUG. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Eine Ausnahme besteht dann, wenn es sich um ein Bild aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 KUG), wozu die Verhandlung schwerwiegender Fälle, etwa im Schwurgerichtsverfahren, gehören, und wenn nicht berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegenstehen (§ 23 Abs. 2 KUG). Bei der Anordnung des Vorsitzenden hat eine umfassende Abwägung öffentlicher und privater Interessen stattzufinden, bei der das Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs ebenso zu berücksichtigen ist wie die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten.[59] Bei schwersten Straftaten wird in der Regel das öffentliche Interesse vorgehen, ebenso bei Verfahren gegen sogenannte Personen der Zeitgeschichte. Für den Vorrang des öffentlichen Interesses ist auch ins Feld zu führen, dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat, wodurch die Unschuldsvermutung an Gewicht verliert.[60] Zu sehen ist aber auch, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit regelmäßig nicht allein auf den Angeklagten und die ihm zur Last gelegten Taten, sondern auch auf diejenigen Personen gerichtet ist, die in dem Fall als Mitglieder des Spruchkörpers, als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft oder als Strafverteidiger an der Rechtsfindung mitwirken.[61] Allerdings wird sich der Verteidiger, wie auch die Richter und der Staatsanwalt, mit einem geringeren Schutz seiner Persönlichkeitsrechte abfinden müssen als der Angeklagte, da die Teilnahme an einer öffentlichen Hauptverhandlung zu deren beruflichen Aufgaben gehört, und nicht, wie beim Angeklagten, primär Privatangelegenheit ist.[62] Der Vorsitzende hat die für die Entscheidung maßgebenden Gründe offenzulegen,[63] so dass der Verteidiger zunächst einmal Gegenvorstellungen vorbringen kann. Da die Handhabung bei den Vorsitzenden nicht einheitlich ist, sollte der Verteidiger in den entsprechenden Fällen (insbesondere wenn sich die Presse „angemeldet“ hat) bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung mit diesem Kontakt aufnehmen, um das Procedere abzuklären. So kann mit dem Vorsitzenden vereinbart werden, dass der Angeklagte erst dann den Gerichtssaal betritt, wenn die Pressevertreter ihre Aufnahmen aus dem Gerichtssaal und gegebenenfalls von den übrigen Prozessbeteiligten gefertigt haben.[64] Hierfür kann es angebracht sein, dem Angeklagten einen separaten Zugang zum Gerichtssaal zur Verfügung zu stellen, wenn die baulichen Gegebenheiten dies zulassen, oder einen frühzeitigen Aufschluss des Verhandlungssaales zu gewährleisten.[65] Der Vorsitzende kann auch anordnen, sofern Bildaufnahmen vom Angeklagten gestattet werden, dass diese so zu „verpixeln“ sind, dass dessen Anonymität gewahrt bleibt.[66]
42
Der formellere Weg ist derjenige über einen Antrag an den Vorsitzenden, bestimmte Verhaltensweisen von Pressevertretern zu untersagen, etwa Bild- und Filmaufnahmen in der Zeit unmittelbar vor und nach der Hauptverhandlung sowie in den Verhandlungspausen anzufertigen.
43
Gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen des Vorsitzenden ist grundsätzlich nicht die Beschwerdemöglichkeit gegeben, [67] sondern die Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses nach § 238 Abs. 2.[68] Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Anordnung Rechtspositionen des Betroffenen über die Hauptverhandlung hinaus beeinträchtigt, was bei der Gestattung von Bild- oder Filmaufnahmen zum Zweck der Veröffentlichung stets der Fall sein dürfte. Dann ist die Beschwerde zulässig.[69]
Hinweis
Soweit die Versuche von Bildreportern, den Angeklagten zu fotografieren oder zu filmen, gesetzwidrig sind (etwa § 169 Satz 2 GVG verletzen) oder gegen eine gerichtliche Anordnung verstoßen, darf durch den Angeklagten Notwehr in der Form ausgeübt werden, dass er dem Photographen die Kamera gewaltsam aus den Händen schlägt. Er muss sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, sondern darf die Art der Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendet.[70] Was für die Notwehr des Mandanten gilt, wird für die Nothilfe des Verteidigers nicht anders zu beurteilen sein.
44
Das Verhältnis des Verteidigers zu den Medien ist nicht unproblematisch. Die Schwierigkeiten wurzeln in erster Linie darin, dass hier ganz unterschiedliche Interessen und Sichtweisen aufeinandertreffen. Während sich das Gericht (idealerweise) über die streng rechtlich geregelte Wahrheitssuche zur Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit verpflichtet fühlen soll, und der Verteidiger einseitig den persönlichen Belangen seines Mandanten dient, orientiert sich die Presse im harten Kampf um Marktanteile ausschließlich an wirtschaftlichen Prinzipien,[71] d.h. der Zahl ihrer Leser und Zuschauer.[72] „Zentrales Kampfinstrument“ ist die neue interessante Nachricht.[73] Das Konsumenteninteresse gilt mehrheitlich jedoch nicht der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dessen Regeln überwiegend ohnehin nicht bekannt sind.[74] Hier regiert nicht die Unschuldsvermutung, sondern die „Schuldvermutung“.[75] Die Berichterstattung verkommt so zum Medienspektakel.
45
Entsprechend schlecht ist häufig die Qualität der Berichterstattung. Dabei sind sachliche Entgleisungen wie die vom Verteidiger gegen die lebenslange Freiheitsstrafe angekündigte „Berufung“ oder die dreijährige Bewährungsstrafe noch leichter zu ertragen als die oft herabwürdigende und vorverurteilende Berichterstattung über die Person des Angeklagten. Der Verteidiger muss sich darüber im Klaren sein, dass die Presse die Macht hat, in existenzvernichtender Weise über das Verfahren und über seinen Mandanten zu berichten. Dies muss nicht mittels unwahrer Tatsachenbehauptungen geschehen, gegen die man immerhin, wenn auch häufig mit zweifelhaftem Erfolg, juristisch angehen kann. Schon eine süffisante Bemerkung über die Weigerung des Angeklagten oder seines Verteidigers, sich zur Sache zu äußern oder zumindest eine Stellungnahme gegenüber der Presse abzugeben, kann suggerieren, der Angeklagte werde wohl etwas zu verbergen haben.[76] Mit anderen Worten: „Angeklagte werden verbal bereits verurteilt, bevor das Gericht entschieden hat.“[77]
46
Aus diesen Gründen sollte der Verteidiger neben der Beherrschung des strafrechtlichem Instrumentariums zumindest auch die Grundzüge des Presserechts kennen oder einen darin bewanderten Kollegen zur Seite haben, wenn es darum geht, Unterlassungs- oder Gegendarstellungansprüche geltend zu machen.[78] Nicht selten hilft in entsprechenden Fällen aber auch ein Gespräch mit dem verantwortlichen Redakteur oder dessen Vorgesetzten, wobei auch für ein solches Gespräch die Kenntnis des Presserechts von Vorteil sein wird.
47
Die Gefahr schlechter oder verzerrender Berichtserstattung muss der Verteidiger im Auge behalten, wenn Pressevertreter mit Interviewwünschen oder der Bitte um eine Stellungnahme, etwa zu Beginn oder am Ende eines Hauptverhandlungstages, an ihn herantreten. Meist wird es, wenn ein Interview für einen Fernsehbericht gewünscht wird, lediglich darum gehen, diesen mit ein wenig Lokalkolorit aus dem Gericht anzureichern, wozu Statements der Akteure immer ein gutes Mittel sind.[79] Andererseits besteht im Kontakt mit der Presse auch die Möglichkeit, zugunsten des Mandanten gestaltend auf die Berichterstattung einzuwirken. So wie es im Ermittlungsverfahren nützlich sein kann, „flankierend“ zu verteidigen,[80] etwa durch Gespräche mit Pressevertretern oder durch Presseerklärungen, um vorverurteilender Berichtserstattung entgegenzuwirken, kann es auch noch bei laufender Hauptverhandlung von Nutzen sein, durch Stellungnahmen zum bisherigen Verlauf des Verfahrens die Position der Verteidigung zur Geltung zu bringen. In geeigneten Fällen sollte sich der Verteidiger (das Einverständnis des Mandanten wie immer vorausgesetzt) auch nicht scheuen, den interessierten Gerichtsreportern Kopien der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge zur Verfügung zu stellen und diese ggf. zu erläutern. So steigt jedenfalls die Chance, dass die Verteidigung nicht falsch zitiert wird. Dasselbe gilt für Erklärungen zu Beginn der Hauptverhandlung oder für Stellungnahmen nach § 257 Abs. 2, sofern diese schriftlich vorliegen.