Kitabı oku: «... und hinter uns die Heimat», sayfa 8
Am Ostermorgen gingen die beiden Frauen gemeinsam in die Kirche. Zum ersten Mal, seit Katharina die Vertretung des Kantors übernommen hatte, würde der Chor nach wochenlangem Proben beim Gottesdienst in ihrer Kirche singen. Katharinas Kollege, Herr Graudenz, sollte sie dazu auf der Orgel begleiten.
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt und sogar auf der Treppe zur Empore, auf der ebenfalls alle Sitzplätze besetzt waren, standen die Leute in Zweierreihe.
Katharina war nun doch aufgeregt, denn mit so vielen Gottesdienstbesuchern hatte sie nicht gerechnet, obwohl Marie sie bereits darauf vorbereitet hatte.
Nachdem der Pfarrer einen Psalm aus dem Alten Testament verlesen hatte, sprach die Kirchengemeinde das ‘Gloria Patri’, »Ehr’ sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist …« Nach dem anschließenden Gebet und der Verlesung eines Episteltextes erklang das erste Lied des Chores »Nun freut euch hier und überall«, da waren die Kirchenbesucher mucksmäuschenstill und jegliche Anspannung fiel von Katharina ab. Der anschließenden Verlesung des Evangeliums folgte das Glaubensbekenntnis, das von der gesamten Kirchengemeinde stehend gesprochen wurde. Daran schloss sich das zweite Lied des Chores an »Freudenvoll ist meine Seele«, das Katharina bereits mit souveräner Leichtigkeit dirigierte.
Nach diesem Lied erfolgte die Osterpredigt.
Noch in die Besinnlichkeitsphase der Menschen hinein erklang ein festliches Orgelstück, das Herr Graudenz mit viel Inbrunst spielte.
Sehr still wurde es, als der Pfarrer der Gefallenen der Gemeinde gedachte und ein anschließendes Fürbittgebet sprach. Hin und wieder war in den Reihen Schluchzen zu hören, weil die Mütter und die Ehefrauen nun ganz besonders an ihre Söhne und Ehemänner dachten.
Das nächste Lied des Chores »Ich geh zu deinem Grabe« verstärkte diesen schwermütigen Augenblick besonders und das »Vater unser« der Kirchengemeinde erklang zunächst recht leise, erst allmählich erhöhte sich die Lautstärke.
»Jauchzet Gott in allen Landen« sang die Kirchengemeinde dann gemeinsam mit dem Chor, danach erteilte der Pfarrer allen Kirchenbesuchern seinen Segen.
Ein letztes Mal ertönte an diesem Morgen die Orgel, bei deren Klängen die Kirchengemeinde das Gotteshaus verließ und am Ausgang dem »Verein zur Pflege verwundeter Krieger« eine reichliche Kollekte bescherte.
Obwohl Marie Schimkus im Chor mitgewirkt hatte, war sie von dem Gottesdienst so ergriffen, dass ihr bei der Nennung des Namens ihres Mannes die Tränen rannen. Katharina hatte das bemerkt, sie konnte ihre Freundin jedoch in jenem Moment nicht trösten. Erst beim Verlassen der Kirche hakte sie sich bei ihr ein und drückte Maries Arm.
Wenige Minuten später war die Schwermut jedoch wieder von Marie Schimkus abgefallen und sie schlug Katharina vor, einen kleinen Spaziergang durch die Wiesen zu machen, bevor sie sich zu Hause den gebratenen Hahn schmecken ließen, den die Lehrerin noch am Gründonnerstagabend von einem Bauern geschenkt bekommen hatte, weil sie sich so sehr für den Kirchenchor engagierte.
Wenige Tage nach Ostern kam die Aufforderung, dass alle Kinder in der Schule Uniformen zu tragen hatten, die Jungs braune Uniformen, die Mädchen weiße, gestärkte Blusen und dunkle Röcke. Damit alle Kinder diese Uniformen kaufen konnten, durften sich deren Mütter beim Bürgermeister des Dorfes melden. Dort bekamen sie neben einer bestimmten Summe Geldes ein Bild von Adolf Hitler ausgehändigt, das gut sichtbar im Haus aufzuhängen war.
Mit dem Geld hatten die Mütter nun in Zinten die Uniformen zu kaufen, in denen die Jungs fast wie kleine SA-Männer aussahen, mit hellbraunem Hemd, schwarzer Hose und Lederkoppel. Zugleich mussten sie Mitglied beim Deutschen Jungvolk werden und durften sich »Pimpf« nennen.
Die Mädchen mussten sich dem BDM anschließen.
Oft wurden diese Uniformen nach der Schule gar nicht erst ausgezogen, sondern zweckentfremdet als Arbeitskleidung im Kuhstall benutzt.
Am Mittwoch kam ein Telegramm für Katharina. Der Postbote brachte es direkt in die Schule. Der jungen Frau drohten die Füße wegzusacken, denn sie ahnte Furchtbares. Mit zitternden Händen riss sie den Umschlag auf und drehte sich zur Seite, damit ihre Schüler nicht ihre Gemütsverfassung sehen konnten. Im Klassenraum war es mucksmäuschenstill.
Katharina las die wenigen Worte und ihr Gesichtsausdruck hellte sich schlagartig auf. Das waren keine schlechten Nachrichten, im Gegenteil, es war etwas ganz Schönes.
Bereits am Freitag wollte Mutter Kleinschmidt sie besuchen kommen. Katharina freute sich riesig. Das war damals nicht nur so von der Witwe dahingesagt, sie besuchte tatsächlich ihre Schwester und wollte von Elbing aus mit der Bahn über Braunsberg nach Heiligenbeil fahren und von dort aus mit der Kleinbahn über Deutsch Thierau nach Zinten. So hatten es die Frauen vor einigen Wochen besprochen. Da der Zug um fünfzehn Uhr zweiundvierzig in Zinten ankam, also nach Schulschluss, wollte Katharina versuchen, Mutter Kleinschmidt vom Bahnhof abzuholen.
Vielleicht hatte jemand aus dem Dorf zufällig etwas in der Stadt zu besorgen, sie würde sich da schon etwas einfallen lassen.
Noch immer war es im Klassenraum still, weil sich auf der Stirn der Lehrerin vom Nachdenken Falten gebildet hatten und die Kinder falsche Schlüsse zogen. Erschrocken legte die Lehrerin das Telegramm zur Seite und rief: »Es ist alles in Ordnung, Kinder. Ich bekomme am Freitag lieben Besuch aus Berlin und hatte gerade überlegt, wie ich zum Bahnhof komme, um meinen Besuch abzuholen, aber lasst uns nun weitermachen.«
Der Freitag kam schneller heran, als die junge Frau eine Lösung für ihr Problem gefunden hätte.
Kurzentschlossen nahm sie ihr Fahrrad und schob es auf die Straße, um wenigstens das Gepäck für Mutter Kleinschmidt von Zinten transportieren zu können, als plötzlich ein Pferdewagen vor dem Hoftor hielt.
»Tachche, ich habe geheert, dass Sie ejne Fahrjelejenhejt nach Zinten suchen. Wenns recht ist, kennse mit mir mitfahrn, ich hett was in de Stadt zu besorjen. Dauert auch nich lange und zurick kennse auch wieder mitfahrn.«
Der Bauer Kruschat lud Katharina vom Kutschbock seines Pferdewagens aus mit einer Handbewegung ein, zu ihm auf den Bock zu steigen. Erfreut stimmte sie zu, rollte ihr Fahrrad wieder in den Schuppen und beeilte sich, auf den Kutschbock zu steigen. Unterwegs erfuhr sie vom Bauern, dass sein Enkel den Opa um diesen Gefallen gebeten hatte, als der erfuhr, dass der Opa in die Stadt fahren wollte.
Die Pferde zogen den leichten Wagen flott in die nahe Stadt und die Lehrerin hatte sogar noch einige Minuten Zeit bis zur Ankunft des Zuges. Als der Zug am Bahnhof einfuhr, war Katharina aufgeregt. Sie freute sich riesig über den Besuch von Mutter Kleinschmidt, fast als würde ihre eigene Mutter sie besuchen kommen.
Der Bahnsteig war mit Menschen vollgestopft, die nach Preußisch Eylau oder gar nach Bartenstein fahren wollten, und Katharina befürchtete schon, Mutter Kleinschmidt zu übersehen.
Dementsprechend hoch war die Freude, als Katharina die ältere Frau aus dem Zug steigen sah, in der linken Hand einen kleinen Koffer.
»Jottchen nee, is det een Jedränge«, rief ihr die Frau statt einer Begrüßung zu, doch als Katharina in Reichweite war, riss Frau Kleinschmidt die junge Frau an sich, küsste sie auf beide Wangen und rief: »Tachchen meene Kleene, lass dir umarmen. Wat hab ick mir uf dir jefreut. Jut siehste aus, nich mehr so spittelig wie bei deinen ersten Besuch.«
Katharina lachte und zog Mutter Kleinschmidt aus der drängenden Masse auf den Bahnhofsvorplatz.
»Wir haben Glück, Mutter Kleinschmidt, wir werden gleich von einem Pferdewagen abgeholt, der uns nach Loditten mitnimmt. Einer meiner Schüler hat seinen Großvater darum gebeten.«
»Da musst du ja bei deinen Schülern ziemlich beliebt sein«, mutmaßte Frau Kleinschmidt.
»Hm, das ist relativ. Die einen können mich immer gut leiden und die anderen nur, wenn ich ihnen keine schlechten Zensuren verpasse«, lachte die Lehrerin.
Inzwischen fuhr Herr Kruschat mit seinem Gefährt auf dem Bahnhofsplatz vor, begrüßte die vornehm aussehende Frau höflich und lud das Gepäck der Berlinerin auf den Wagen. Dann half er der Dame sogar auf den Kutschbock hinauf. Auch die junge Frau setzte sich mit auf die Bank, die für drei Leute natürlich ein wenig eng war.
»Hast du genug Platz?«, fragte Katharina ihren Gast besorgt.
»Na ja, erst sitzt man wie eene Sprotte inne Dose im Zug und nu isses ooch nich ville besser. Aba wie sagt man doch imma, besser schlecht jefahren als jut jeloofen. Nee, nee, lass man, det is schon in Ordnung. So eene Fahrt of dem Kutschbock is ja ooch mal scheen. Man kann viel mehr sehen, als aus dem Auto und die Pferdchen sehen so hübsch aus.«
Bauer Kruschat nahm dies als Lob und schmunzelte vor sich her.
Die Begrüßung durch Marie Schimkus war zunächst etwas steif. Sie hatte ein wenig Berührungsangst vor der vornehm gekleideten Frau, doch die nahm Marie gleich den Wind aus den Segeln.
»Tach, ick bin die Frau Kleinschmidt aus Berlin und Sie sind also die Frau Schimkus, von der unse Kleene so schwärmt. Det is schön, det wir uns ma kennen lernen. Katharina lobt Ihren Kuchen in den höchsten Tönen und ick bin doch so eene olle Kaffeetante. Keen Tach bei mir ohne Kaffe und Kuchen.«
Das war das Stichwort für Marie. »Na, dann nehmen Sie mal Platz, ich habe nämlich für uns eine Eierlikörtorte gebacken.«
»Na, det is een Wort, da saje ick nich nee«, verkündete Frau Kleinschmidt erfreut und alle Dämme waren gebrochen.
Bis auf den für Marie gewöhnungsbedürftigen Dialekt, wurde es eine sehr lustige Gesprächsrunde und was Marie nicht auf Anhieb verstand, wiederholte Frau Kleinschmidt bereitwillig noch einmal auf Hochdeutsch, und das war sogar für Katharina neu.
Der nächste Tag war der 1. Mai, ein Samstag. Die Sonne strahlte und der Tag versprach, wunderschön zu werden. Bereits am Frühstückstisch beschlossen die drei Frauen etwas zu unternehmen.
Am Vormittag machten sie einen Spaziergang durch das Dorf. Jeder Hofeingang war von zwei kleinen Birken flankiert, die in mit Wasser gefüllten Einmachgläsern standen. An den Zweigen spross das erste zarte Grün. Die Bäumchen waren ein Frühlingsgruß und ein Zeichen für die Menschen, dass der harte Winter nun gottlob vorbei war.
Am Mittagstisch verriet Marie den beiden Frauen, dass es nach dem Essen eine Überraschung geben würde.
Marie führte die beiden Frauen wenige Minuten später zum Dorfplatz, auf dem mehrere Kremser standen und die Dorfbewohner zu einer Fahrt abholten. Die Kremser waren mit Birkengrün und bunten Bändern geschmückt und es ging auf ihnen bereits hoch her.
Frauen schnatterten wie die Enten und die Männer unterhielten sich ebenfalls lautstark. Da dampften die Knösel, aber auch Zigarren wurden von den Männern geraucht, deren Qualm die schöne Frühlingsluft »verpestete«, wie Mutter Kleinschmidt leise anmerkte.
Die Fahrt ging vorbei an Wiesen und durch Wälder zum Arnsteiner See. An der Gaststätte »Zum goldenen Hecht« wurde Halt gemacht, denn dort gab es die weithin bekannten leckeren Eierflinsen mit verschiedenster Füllung und Beilage.
Sowohl Frau Kleinschmidt, als auch Katharina hatten so gute Flinsen noch nie gegessen, das mussten sie zugeben, als sie nach einer guten Stunde wieder aufbrachen.
Diese Überraschung war Marie gelungen.
Auf den Kremsern ging der Machandel reihum und sorgte für Frohsinn. Schließlich stimmten die Mitglieder des Chores das Lied: »Hab’ mein Wagen vollgeladen« an. Alle sangen mit, und die Stimmung erreichte bald ihren Höhepunkt. Witze machten die Runde und heiterten die Leute auf.
Der preußische Humor war manchmal hintersinnig und auf jeden Fall sprichwörtlich.
Einmal schrieben zum Beispiel die Gumbinner Stadtbewohner, die sich über den anrüchigen Namen des Flusses »Pissa« ärgerten, der durch ihre Stadt fließt, ein Gesuch an ihren König Wilhelm IV. und fragten untertänigst, ob sie ihren Fluss umbenennen dürften.
Der König ließ dem Bürgermeister Gumbinnens antworten: »Umbenennung genehmigt, schlage meinerseits vor, den Fluss »Urinoko« zu nennen.«
Humor also auch bis in die höchsten Kreise.
Noch vor dem Sonnenuntergang kehrten die Kremser nach Loditten zurück und alle Beteiligten waren übereinstimmend der Meinung, dass dies ein sehr schöner Ausflug war.
Einige der Männer hatten allerdings noch nicht genug vom Frohsinn und vom Machandel und steuerten das Gasthaus an. Dort wurde dann ein »Kehlwaschtag« abgehalten, doch da der nächste Tag ein Sonntag war, konnten die Männer ihren Rausch ausschlafen.
Mutter Kleinschmidt konnte vier Tage bleiben, ehe sie wieder zu ihrer Schwester nach Elbing zurückfuhr.
Marie und Katharina zeigten ihr die Stadt Königsberg und machten eine Dampferfahrt auf dem Frischen Haff, dann war der kurze Urlaub schon wieder vorbei.
Obwohl Marie heftig protestierte, hatte es sich Frau Kleinschmidt nicht nehmen lassen, im Haushalt mitzuhelfen. Die drei Frauen verstanden sich bestens und aus der anfänglichen Eifersüchtelei um Katharina war in kürzester Zeit eine Zuneigung zwischen Marie und Mutter Kleinschmidt entstanden.
Beim Abschied flossen sogar Tränen und wenn auch das Versprechen gegeben wurde, sich gegenseitig zu besuchen, machte die voranschreitende Kriegsentwicklung das Versprechen doch ziemlich fraglich, denn niemand konnte deren weitere Entwicklung vorhersehen.
Katharina bat Mutter Kleinschmidt inständig, vorsichtig zu sein, und die Frau antwortete in ihrer unnachahmlichen Art:
»Ja, ja, ick werde uffpassen, det ick nich über meene Beene stolpere. Mehr kann ick nich machen, außer zu hoffen, det mir der Tommy nich eene Bombe offs Dach haut.«
Obwohl Katharina betrübt war, dass Mutter Kleinschmidt nun wieder fort fuhr, musste sie über ihre Worte lachen.
Der Abschied auf dem Bahnhof war für beide Frauen sehr schwer. Frau Kleinschmidt hatte das Mädchen lieb gewonnen und befürchtete für beide eine ungewisse Zukunft, allerdings wusste sie die junge Frau bei Marie gut aufgehoben.
DIE HEUERNTE
Der Mai hatte dem Land die fahle Blässe aus dem Antlitz gewischt und es in tausend strahlende Farben getaucht.
Am Himmel zog ein Bussard auf der Suche nach Beute einsam seine Kreise. Sein Schrei warnte andere Artgenossen davor, seinem Revier zu nahe zu kommen.
Lemminge, die nach dem Winterschlaf flink über den Waldboden huschten, warnten sich gegenseitig mit hellen Schreien und hasteten in sichere Verstecke. Mäuse eilten die Ackerfurchen entlang und suchten unter Erdklumpen und Steinen Schutz.
Dem sonnigen Mai folgte ein noch sonnigerer Juni.
Das erste Schuljahr als Lehrerin in Loditten neigte sich dem Ende zu. Man merkte es an den Temperaturen, die man als rekordverdächtig bezeichnen konnte, und an der Unkonzentriertheit der meisten Schüler, die sich in Gedanken bereits im See tummelten.
So war es auch kein Wunder, dass jeden Tag ein paar Schüler weniger am Unterricht teilnahmen, der Rest war baden.
Katharina hatte von der Kreisleitung die Aufforderung bekommen, in den Sommerferien bei der Heuernte zu helfen. Sie als Stadtkind, die noch nie eine Sense in der Hand gehabt hatte, das konnte ja heiter werden.
Sie hatte nun die Wahl, mit dem Zug in ein kleines Kaff im Samland zu fahren und dort zwei Wochen zu helfen, oder auf den Wiesen der Familie von Lübzow in Loditten zu arbeiten. Die Entscheidung fiel ihr nicht leicht. Einerseits erschien es ihr reizvoll, sich einmal ein wenig andere Luft um die Nase wehen zu lassen, neue Menschen kennen zu lernen, vielleicht abends am Lagerfeuer zu sitzen und ein wenig das Gefühl des Abenteuers zu erleben. Das Haff war nicht weit und die Landschaft traumhaft, aber auf der anderen Seite würde sie Marie vermissen, ihre Gesellschaft, ihr Essen, die Bequemlichkeit ihres eigenen Bettes. Und es reizte sie, eventuell einmal die herrschaftliche Familie kennen zu lernen. Außerdem beteiligte sich Marie ebenfalls bei der Heuernte auf den Wiesen des Gutsherrn.
Ihr Entschluss fiel also für das Gut des Barons von Lübzow.
Nach alter Tradition wurde bei trockenem Wetter am Tag nach Johanni mit der Heuernte begonnen.
Vor der Lehrerin lagen zwei harte Wochen, ehe dann die Sommerferien wieder Erholung bringen würden.
Bereits morgens um drei Uhr war für Katharina und Marie die Nacht vorbei.
Die beiden Frauen erledigten ihre Morgentoilette und begaben sich hungrig und noch etwas verschlafen zum Gutshof. Dort warteten schon zahlreiche Frauen des Dorfes und die Helfer des Gutes auf die Abfahrt. Auch ein paar Schüler ihrer Klasse konnte Katharina unter der Helferschar ausmachen.
Etwas abseits standen vier französische und zwei polnische Kriegsgefangene, die der Baron auf Antrag von der Kreisleitung Heiligenbeil zugeteilt bekommen hatte.
Sie hatten in ihrem zuständigen Stalag 1 A in Preußisch Eylau eine »Nichtfluchtvereinbarung« unterschrieben, die ihnen somit gewisse Freizügigkeiten einräumte.
Ihre Arbeitgeber garantierten ihnen die gleiche Verpflegung, wie die der Gutsknechte und manchmal bekamen sie sogar eine geringe Entlohnung für ihre Arbeit.
Außerdem hatten die ausländischen Landarbeiter offiziell nicht mehr den Status eines Kriegsgefangenen. Sie dienten ihrer Gutsherrschaft mit ebensolcher Hingabe, wie die übrigen Landarbeiter, da ihre Behandlung auf den Gütern oft beispielhaft war.
Tagsüber durften sich die Gefangenen auf dem Gutsgelände in Ausübung ihrer angewiesenen Tätigkeiten frei bewegen, nur nachts wurden sie in einem separaten Schlafraum auf dem Scheunenboden eingeschlossen.
Eigentlich bestand keine Fluchtgefahr der ausländischen Zwangsarbeiter, denn sowohl die französischen als auch die beiden polnischen Helfer hatten vor den Sowjets mehr Angst als vor der deutschen Wehrmacht.
Auf den Wiesen angekommen, teilte der Vorknecht die Leute ein. Die großen Flächen wurden maschinell gemäht und mit dem Heuwender umgeschlagen, aber die kleineren Flächen, bei denen sich der Einsatz der Technik nicht lohnte, wurden wie seit Jahrhunderten mit den Sensen gemäht.
Auf einem Pferdewagen lag das Werkzeug, das verteilt wurde. Ohne weitere Verzögerung ging jede Truppe an die Arbeit.
Das Mähen erfolgte im Verband. Den ersten Schnitt setzte der erfahrenste der Mäher, die anderen folgten gestaffelt.
Sogar das Wetzen der Sensen musste aufeinander abgestimmt sein. Jeder Schnitter trug an seinem Gürtel einen Köcher aus Blech, in dem der Wetzstein im Wasserbad aufbewahrt wurde.
Obwohl der Morgen noch kühl war, floss der Schweiß schon bald in Strömen.
Von früh um vier Uhr bis um sieben Uhr wurde in einem Stück ohne Pause durchgemäht, ehe die Mägde vom Gut mit dem Frühstück erschienen. Zuvor hatten sie noch ihre Stallarbeit erledigt.
Die Schnitter legten ihre Sensen ab und suchten sich einen Platz am Wiesenrand. Sofort öffneten die Mädchen ihre Körbe und versorgten die hungrigen Männer mit Brot, Speck, Wurst, geräuchertem Fleisch und gekochten Eiern. Dazu tranken die Männer Malzkaffee oder Milch. Es gab nichts Köstlicheres, als das Frühstück bei der Heuernte, doch nach ein paar Minuten musste die Arbeit wieder aufgenommen werden, denn wenn es zu heiß wurde, konnte nicht mehr gemäht werden.
Die Frauen saßen abseits und stärkten sich ebenfalls.
Ihr Lachen drang zu den Schnittern hinüber und mancher der Gefangenen dachte wohl an seine Liebste zu Hause.
Die Mädchen hatten die geschlossenen Körbe in den Schatten der Bäume gestellt, denn für jeden Mann befand sich noch eine Flasche Bier darin, wenn sie die Arbeit beendet hatten. Auf die Frauen wartete Himbeerlimonade. Das war eine Tradition bei der Heuernte.
Dann griffen auch die Frauen wieder zu ihren Rechen, um das Gras auf der Wiese ein weiteres Mal umzuwenden.
Nach sechs bis sieben Stunden Mäharbeit durften die Schnitter ihre Sensen reinigen. Sie wetzten die Klingen, banden den Sensenschutz um und rauchten nun am Wiesenrand zu ihrem Bier genüsslich eine Zigarette.
Abends erklang dann weithin das helle Klingen der Hammerschläge, wenn die Knechte ihre Sensen dengelten.
Noch zweimal wurde an diesem Tag das Heu umgeschlagen, ehe es am Abend zusammengerecht und auf Hocken gestellt wurde, damit der Nachttau es nicht durchfeuchtete.
Während ein Teil der Erntekräfte sich am nächsten Tag den Wiesen zuwandte, verteilten die Frauen das Heu der Hocken breitflächig. Auch an diesem Tag wurde es mehrmals in der Sonne gewendet, und am Abend erneut auf Hocken geschichtet.
Erst am Nachmittag des dritten Tages wurde es für den Abtransport zusammengerecht.
Mit Peitschenknallen und lautem Rufen erschien der Großknecht mit zwei aneinander gekoppelten Leiterwagen, vor die zwei kräftige Pferde gespannt waren. Er hielt direkt neben den Heufudern. Nun wurde das Heu mit Hilfe von dreizinkigen Forken auf die Wagen geladen. Zwei erfahrene Knechte nahmen die ihnen zugereichten Garben von den Forken und verteilten sie auf dem Wagen. Das musste mit Geschick geschehen, denn nicht selten war es vorgefallen, dass die Hand des Fängers von einer Forkenspitze durchbohrt worden war.
Wenn der lange Leiterwagen beladen war, wurde das gesamte Fuder mit Stricken gesichert. Mitunter wurde auch längs über die gesamte Ladung ein sogenannter »Heubaum« gelegt und an beiden Enden fest mit dem Wagen verzurrt, so erhielt die Ladung Stabilität. Das seitlich herabhängende Heu wurde vor dem Transport mit Rechen sorgfältig abgekämmt, damit unterwegs keine Halme verloren gingen. Genauso geschah es mit dem zweiten Heuwagen und dann ging es zurück auf den Hof. Dort mussten die Fuder sofort in der Scheune untergebracht werden.
Früher geschah dies von Hand, seit einigen Jahren erleichterte diese Arbeit jedoch ein modernes Heugebläse.
Katharina machte die ungewohnte Arbeit ziemlich zu schaffen. Bereits am ersten Tag hatte sie Blasen an den Händen und am Abend schmerzte ihr jeder Muskel. Nach ein paar Tagen hatte sie sich jedoch an die Arbeit gewöhnt.
Am letzten Tag der Heuernte sangen die Mädchen und Frauen auf dem Nachhauseweg und auch Marie und die junge Lehrerin stimmten in den Gesang ein.
Auf dem Gutshof gab es für alle Beteiligten Kaffee und Kuchen und der Herr Baron dankte mit einigen Worten dem Herrn für das günstige Wetter und den Erntehelfern für ihre fleißige Arbeit. Bei der kurzen Rede hatte der Herr Baron der jungen Lehrerin lächelnd zugenickt und Katharina schaute ein paar Augenblicke in gütige, freundliche Augen. Das also war der Mann, der ihre Schule immer wieder helfend unter die Arme griff. Endlich konnte sie der Sympathie zu diesem Mann ein Gesicht geben, denn bisher hatte sie weder den Herrn Baron noch seine Ehefrau je aus der Nähe gesehen.
Als die beiden Frauen später nach Hause kamen, erwartete sie der Briefträger am Hoftor. Er übergab Katharina einen Brief. Der Brief war von Wolfgang, und Katharina öffnete ihn noch auf der Straße. Beim Lesen erhellten sich ihre Gesichtszüge, was Marie mit Erleichterung registrierte.
Als Katharina den Brief senkte, fragte Marie ungeduldig: »Was schreibt er, na los, sag’ schon!«
Da jubelte Katharina los: »Wolfgang kommt auf Urlaub, am nächsten Freitag schon!«
Beide Frauen waren glücklich und für die Lehrerin konnte der Ankunftstermin ihres Liebsten gar nicht passender sein, denn am Freitag war der letzte Schultag vor den Sommerferien und den gesamten Juli hatte sie frei. Erst im August würde sie zu einem Bildungskurs nach Insterburg fahren, auf den sie sich schon lange freute.
Bei der Zeugnisvergabe waren fast alle Schüler anwesend.
Die Lehrerin wollte ihre Schüler nicht allzu lange auf die Folter spannen und hatte die Ausgabe der Zeugnisse für die zweite Schulstunde angesetzt. In der ersten Stunde las sie den Kindern lediglich ein paar lustige Geschichten vor.
Wie immer gab es bei der Zeugnisvergabe strahlende Gesichter, aber eben auch bedrückte Mienen, doch als die Lehrerin den Unterricht kurzerhand abbrach und den Kindern schöne Ferien wünschte, ertönte der Jubel aller Schüler.
Die Kinder einte nun die Freude auf die Sommerferien und die lärmende Schar stürmte aus dem Schulgebäude.
Auch Katharina hatte es ziemlich eilig, denn sie wollte sich noch schick machen, ehe Wolfgang eintraf.
Nachdem sie sich frisch gemacht und ihr neuestes Sommerkleid angezogen hatte, hielt es sie nicht mehr im Haus und sie lief die paar Meter zur Bushaltestelle, um dort auf Wolfgang zu warten, doch ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
Schließlich lief sie zum Gemeindebüro, um sich telefonisch auf dem Bahnhof in Zinten nach dem Zug zu erkundigen, mit dem Wolfgang ankommen wollte. Als sie ihren Fuß bereits auf die erste Stufe gesetzt hatte, hupte neben ihr ein Lastauto und durch die Scheibe des Seitenfensters erkannte sie ihren Wolfgang. Sie hätte jubeln mögen, doch zumindest strahlte sie über das ganze Gesicht.
Der Laster hielt und der Fahrer reichte dem Wehrmachtsangehörigen das Gepäck von der Ladefläche. Ein kurzer Gruß und schon entfernte sich das Fahrzeug in Richtung Gutshof. Katharina stürmte auf Wolfgang zu und fiel ihm um den Hals. Es war ihr egal, ob ihnen die Leute zuschauten.
Wolfgangs Gesicht war noch hagerer geworden. Um seinen Mund kerbten sich zwei tiefe Falten und seine Augen hatten den Glanz verloren. Katharina war von Wolfgangs Aussehen erschrocken. Was für schlimme Erlebnisse mag er wohl an der Front ausgestanden haben? Sie nahm sich vor, ihrem Liebsten während der kurzen Urlaubszeit die dunklen Schatten hinter seiner Stirn zu vertreiben und ihn, auch mit Hilfe seiner Mutter, wieder ein bisschen »aufzupäppeln«.
Marie umarmte ihren Sohn unter Tränen, denn auch ihr war Wolfgangs äußere Veränderung nicht entgangen. Die innere Veränderung machte sich besonders in den Nächten bemerkbar. Wolfgang wurde von Alpträumen gequält, war tagsüber oft still und abwesend und schreckte immer wieder hoch, wenn er von den Frauen angesprochen wurde.
Erst allmählich kehrte er zu seinem alten Wesen zurück, als hätte er seine Kriegserlebnisse wie einen unliebsamen Mantel abgelegt.
Er fuhr mit Katharina zum Baden an den See und sie genossen auf der Wiese die wärmenden Sonnenstrahlen. Der Sommer verwöhnte die Menschen in Ostpreußen im Juli 1943.
»Habe ich dir eigentlich schon einmal meinen Lieblingsweg um Loditten gezeigt?«, fragte Wolfgang, als sie auf der Decke lagen. Als Katharina das verneinte, schlug er vor, das so schnell wie möglich nachzuholen.
Bereits am nächsten Tag liefen sie, noch früh am Morgen Hand in Hand in leichter Wanderbekleidung zum Dorf hinaus. Der Tau glänzte im Licht der Morgensonne wie tausende Kristalle. Das Pärchen gelangte am Dorfausgang auf einen Weg, der die beiden durch Wiesen führte, auf denen unzählige bunte Blumen wuchsen. Vorbei an Kornfeldern, an deren Rändern roter Mohn wuchs.
Vorbei auch an Kartoffeläckern und eingezäunten Weiden, durch deren Zäune sie als Kinder gestiegen waren und die Pferde auf den Weiden gestreichelt und mit Brotresten gefüttert hatten. Auf manchen Weiden standen Kühe, die das Pärchen mit ihren runden Augen argwöhnisch betrachteten und sich dann wieder dem saftigen Gras widmeten.
Zwischen den Wiesen befanden sich Entwässerungsgräben, die im Sommer jedoch trocken waren. Aber ein Stück weiter begleitete ein munteres Bächlein ihren Weg.
Aus ihm erfrischte sich das Pärchen mit klarem Wasser, ehe der Bach in einen dichten Wald abbog.
Auf dem Weg, der nun wieder dem Dorf entgegen führte, passierten sie Obstgärten, aus denen Wolfgang als Kind Äpfel oder Birnen stibitzt hatte, doch kein Besitzer hatte ihm das übel genommen, die Bäume hingen ja mit Früchten voll.
Den gesamten Weg über begleitete das Pärchen der Gesang der Vögel und Wolfgang lächelte, als er Katharina die Streiche aus seiner Kindheit erzählte. Sie war glücklich, ihren Schatz so sorglos zu sehen. Ein paar Tage ostpreußischer Frieden hatten aus ihm wieder den Lausbuben gemacht, der er vor vielen Jahren sicher einmal war.
Eines Abends ging das Pärchen spazieren und lief über die Wiesen und durch den angrenzenden Wald, ihren Spaziergang immer wieder durch Küsse unterbrechend. Beide waren glücklich, obwohl Wolfgang nur noch drei Tage seines Urlaubs blieben und er dann wieder zu seiner Einheit, in der Nähe Sinjawinos, am Ladogasee zurückkehren musste.
Doch während dieser drei Tage wollten die beiden keine trüben Gedanken aufkommen lassen.
Bei ihrem Spaziergang kamen sie an einer Scheune vorüber, in der die Knechte und Mägde das frisch getrocknete Heu eingelagert hatten. Vor dem Scheunentor blieben sie stehen und küssten sich lange. Wolfgang schaute Katharina in die Augen und erkannte ein verräterisches Funkeln in ihren Pupillen. Er schob den Riegel aus der Halterung und öffnete das große Tor einen Spalt, der Geruch frischen Heus drang nach außen.
Wolfgang zog Katharina an der Hand hinter sich her in das Innere der Scheune und beide sanken küssend auf den Boden, der dick mit Heu bedeckt war. Katharina vertraute Wolfgang bedingungslos und überließ sich ihm ganz und gar.
Wolfgang küsste Katharinas geschlossene Augen, ihre Nasenspitze und schließlich ihren Mund. Ihr Körper schien unter Strom zu stehen, denn nur so ließe sich das ungewohnte, jedoch angenehme Kribbeln unter ihrer Haut erklären.
Noch nie hatte sie so intensiv gespürt, wie sehr sie sich zu Wolfgang hingezogen fühlte und sie wollte ihm in jenen Minuten so nahe sein, wie sie noch nie einem Mann nahe gewesen war.
Sie zitterte vor Erregung und genoss die zarten Hände ihres Liebsten auf ihrem Körper. Katharina wehrte sich nicht, als Wolfgang ihr das Sommerkleid über ihren Kopf streifte und sie nur noch mit Unterwäsche bekleidet im Heu lag. Auch Wolfgang entledigte sich seiner Oberbekleidung. Er bedeckte den Körper seiner Liebsten mit Küssen und Katharinas Atem wurde heftiger. Wolfgangs Hände erkundeten Katharinas Körper und streichelten sie an den Schultern, am Rücken, an den Hüften und an Stellen ihres Körpers, die zu berühren sie sich bisher fast geschämt hatte.
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