Kitabı oku: «... und hinter uns die Heimat», sayfa 9
Das Vibrieren ihres Körpers verstärkte sich, als ihr Liebster sie von ihrer Unterwäsche befreite und sie schließlich völlig unbekleidet vor ihm lag. Noch nie hatte ein Mann sie nackt gesehen, doch seltsamerweise überkam sie keinerlei Scham, sondern sie zeigte sich Wolfgang völlig unbekümmert und hatte nichts dagegen, als er die Knospen ihrer Brüste berührte und sie küsste.
In ihr war nur noch die Sehnsucht eins mit ihrem Liebsten zu werden und sie ignorierte den leisen Schmerz, als ihre Körper sich in tiefer Liebe vereinten. Sie wusste, dass Wolfgang der Mann war, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte, sollten das nur noch wenige Tage sein, oder so Gott wollte auch Jahrzehnte. Ungekannte Schauer durchrasten ihre Lenden, verstärkten ihr Vibrieren und schienen in ihrem Kopf kleine Explosionen auszulösen, der leise Schmerz war vergessen. Unbewusst drängte sie ihren Körper dem ihres Liebsten entgegen, passte sich seinem Rhythmus an und erlebte ein Wechselspiel der Gefühle. Ihr war im Augenblick des höchsten Glücks klar, dass sie nach Wolfgang nie wieder einen Mann so lieben könnte.
Allmählich ließ die Anspannung in ihrem Inneren nach, das Zittern ihres Körpers verebbte und sie schmiegte sich, wie ein Kätzchen Schutz und Zärtlichkeit suchend in die Arme ihres Liebsten. Ihr liefen Tränen über die Wangen, doch es waren Tränen des Glücks und Katharina wunderte sich, dass man vor Glück weinen konnte.
Keiner der beiden konnte später sagen, wieviel Zeit sie in ihrem Heubett verbracht hatten, doch als sie die Scheune verließen, hatte sich der Himmel bereits glutrot gefärbt und die Sonne ging mit einem grandiosen Abendrot hinter dem Hügel unter.
Als sie das Haus betraten, saß Marie am Küchentisch und stopfte Wolfgangs Militärsocken. Sie schaute dem Pärchen entgegen und wusste sofort, dass etwas ganz Entscheidendes im Leben der beiden geschehen war. Sie sah es Katharina an, dass sie an jenem Tag die Schwelle vom Mädchen zur Frau überschritten hatte, und freute sich mit ihr.
Als Wolfgang drei Tage später Abschied nahm, war der Schmerz für Katharina fast körperlich zu spüren. Obwohl ihr Liebster immer wieder beteuerte, dass sie sich wiedersehen würden, hatte sich in ihr eine innere Angst breitgemacht, die sie nicht mehr ablegen konnte. Wie sehr sie sich auch bemühte, beim Abschied nicht zu weinen, es gelang ihr nicht. Und Wolfgang nahm außer ihren Liebesschwüren den salzigen Geschmack ihres letzten Kusses auf den Weg.
»Katharina«, dieser Name durchzog tausendfach seine Gedanken bis er bei seiner Einheit südlich des Ladoga Sees angekommen war und die Geschehnisse keinen Gedanken mehr an zu Hause zuließen.
Der jungen Frau wurde nach Wolfgangs Abreise plötzlich bewusst, dass sie bereits seit einigen Wochen kein Lebenszeichen mehr aus Köln bekommen hatte.
Weder ihre Eltern noch Tante Ida hatten geschrieben und die Sorge breitete sich wie ein riesiges schwarzes Tuch über die junge Frau. Plötzlich schämte sie sich, dass sie während der letzten beiden Wochen, in denen das Glück sie eingenommen hatte, gar nicht an ihre Eltern gedacht hatte.
Umso größer war nun ihre Angst, und sie setzte sich noch am selben Abend an den Küchentisch, um einen Brief zu schreiben. Sie berichtete von der Heuernte, schrieb, dass der Sommer besonders schön war und fragte schließlich voller Angst, als wagte sie die Frage nicht zu auszusprechen, wie es den beiden geht. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie selbst so glückliche Tage verbracht hatte und ihre Eltern vielleicht gar nicht mehr am Leben waren, doch diesen Gedanken wagte sie nicht zu Ende zu denken.
Die folgenden Tage waren geprägt von der Sorge um ihre Eltern und von der Angst um Wolfgang. Täglich erwartete sie den Briefträger, doch es kam weder ein Brief aus Köln noch ein Brief von ihrem Liebsten.
Eines Tages kam Marie mit ernstem Gesichtsausdruck nach Hause und legte Katharina schweigend eine Zeitung auf den Tisch, die bereits zwei Wochen alt war. Fragend schaute Katharina Marie an, doch die Frau öffnete die Zeitung, zeigte auf einen langen Artikel und sagte leise: »Da, lies.«
Die junge Frau drehte die Zeitung zu sich und erkannte auf einem Foto den Kölner Dom, umgeben von Trümmern und Schuttbergen. Katharina hatte das Gefühl, als würde ihr der Fußboden unter ihren Füßen weggezogen.
Mit zitternden Händen nahm sie die Zeitung und las das für sie Unfassbare.
Bereits am neunundzwanzigsten Juni hatte der sogenannte »Peter und Paul-Angriff« der Alliierten stattgefunden, der den 1000-Bomber Angriff vom einunddreißigsten Mai 1942 weit in den Schatten gestellt hatte. Über 10.000 Menschen wurden getötet und über 230.000 Menschen waren obdachlos geworden. Vieles von dem, was den damaligen Angriff überstanden hatte, oder was die Menschen bereits wieder aufgebaut hatten, war nun völlig zerstört worden.
Zwei erneute Angriffe am vierten und am neunten Juli machten die Innenstadt Kölns dem Erdboden gleich. Allein bei diesen drei Angriffen wurde mehr Bombenlast auf die Stadt geworfen, als während der gesamten Angriffe zuvor.
Wiederum verloren zehntausende Menschen ihre Heimstatt. Köln war so schwer getroffen, dass sich für die Alliierten weitere Bombenangriffe nicht mehr lohnten. Die einst so stolze Stadt war quasi zu einer kleinen Provinzstadt zurück gebombt worden. Der Straßenverkehr war zum Erliegen gekommen, es fehlte an innerstädtischer Infrastruktur und Behörden oder Ämter waren nicht mehr existent oder auffindbar.
Die Versorgungslage der Stadt war katastrophal, trotzdem mussten tausende Menschen mit Essen versorgt werden. Fahrbare Küchen versuchten, an zentralen Orten Hunderte Menschen zu beköstigen, die in langen Schlangen mit einfachsten Behältern auf ein paar Kellen Suppe warteten.
Noch am einundzwanzigsten Juli brannten in Köln Häuser. Neben den 250.000 Flüchtlingen, die bereits nach den Februarangriffen die Stadt verlassen hatten, flohen nun zusätzlich die 280.000 Obdachlosen und unzählige weitere Menschen, die keine Zukunft mehr für die Stadt sahen.
Ungeahnte Menschenmassen wichen auf das Umland und die nahen Städte aus und stellten deren Bewohner vor riesige versorgungstechnische Probleme. Verschiedene Städte versuchten sogar, die »unliebsamen« Flüchtlinge so schnell wie möglich wieder los zu werden, indem die Verwaltungen ihnen die Nahrungsmittelbezugsscheine verweigerten.
Für Kinder und Jugendliche war die Gesamtsituation besonders prekär. Deshalb bemühten sich die Behörden Eltern zu überzeugen ihre Sprösslingezur Kinderlandverschickung in den Osten Deutschlands, nach Schlesien, Pommern oder Ostpreußen anzumelden, und sie so der unmittelbaren Gefahr zu entziehen.
Jugendliche ab dem Geburtsjahr 1927 wurden nun als Luftwaffenhelfer zur Wehrmacht eingezogen.
Ganze Schulklassen zogen als Flakhelfer in den Krieg. Ihnen wurde der Sinnspruch auf den Weg gegeben, in dem es hieß:
»Führer, du bist uns Wille, du bist uns Kraft,
du führst uns durch Licht, du führst uns durch Nacht,
du führst uns durch Freude und führst uns durch Not,
Führer, zu dir stehen wir bis in den Tod«.
Katharina war erschüttert, als sie diesen Bericht las. Sie zitterte am ganzen Körper. Marie nahm sie in ihre Arme und versuchte, sie ein wenig zu trösten, doch es gelang ihr nicht. Die junge Frau weinte hemmungslos und es dauerte lange, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte und rational zu denken begann.
»Ich muss sofort nach Köln!«, entschloss sie sich.
»Überschlafe die Situation erst einmal!«, bat Marie. »Warte noch ein paar Tage ab, vielleicht kommt doch noch ein Brief von deinen Eltern.«
»Nein!«, sagte Katharina entschlossen. »Ich hätte keinen Tag mehr Ruhe, ich muss nach Köln. Noch sind Ferien und den Bildungskurs in Insterburg sage ich ab. Die Schulbehörde und die Kreisleitung in Heiligenbeil werden das einsehen.«
»Einverstanden«, sagte Marie, »ich kann dich verstehen. Soll ich dich begleiten?«
»Du darfst doch Ostpreußen ohne eine amtliche Sondergenehmigung gar nicht mehr verlassen«, erinnerte Katharina und stellte unumstößlich fest: »Ich reise allein!«
Zögernd fragte Marie: »Wirst du wiederkommen?«
Katharina schaute ihre Wirtin lange an und sagte dann ehrlich: »Ich weiß es nicht, Marie. Es kommt darauf an, was mich in Köln erwartet. Wenn ich meine Eltern in Köln nicht finden kann, werde ich sie suchen, bis ich etwas von ihnen gehört habe. Wie lange das dauert, kann ich dir jetzt noch nicht sagen.«
Wieder bat Marie: »Warte noch ein paar Tage, übereile jetzt nichts.« Katharina überlegte ein wenig und stimmte dann zu: »Einverstanden, bis zum Ende der Woche warte ich noch, am Montag fahre ich dann nach Köln.«
Marie war erleichtert, irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Katharina bis zum Ende der Woche Post bekommen würde, und sie sollte recht behalten.
Am Samstag, zwei Tage bevor Katharina nach Köln gefahren wäre, kam tatsächlich ein Brief von Katharinas Eltern, doch er kam nicht aus Köln, sondern aus Euskirchen.
In jenem Brief schrieb Katharinas Mutter, dass sie Aufnahme bei ihrer Cousine gefunden hatte, die mit ihrer Familie am Stadtrand von Euskirchen wohnte, und dass Vater bei den Aufräumungsarbeiten in Köln half. Alle arbeitsfähigen Männer, die nicht an die Front eingezogen wurden, mussten dieser Aufforderung Folge leisten. Sie wüsste gar nicht, wie es ihm geht, bisher hatte er sich noch nicht gemeldet, aber die Alliierten hatten die fast täglichen Bombardements auf Köln eingestellt.
Ihr selbst ging es gut, hungern musste sie nicht, auf dem Hof ihrer Cousine gab es genug Gemüse, Kartoffeln und Eier.
Ab und zu wurde ein Kaninchen geschlachtet oder eine Henne. Ein Segen, wer auf dem Land wohnte, und ein wenig Landwirtschaft betreiben konnte. Auch Tante Ida und Onkel Herbert hatten Köln verlassen und waren bei Tante Marianne und Onkel Hans in Düren untergekommen.
Das Haus in Köln stand zwar noch, aber die täglichen Angriffe hatten es beschädigt, und Düren war von Luftangriffen bisher verschont geblieben. Und dann schrieb sie in ihrem Brief, dass sie sehr froh war, dass Katharina in Ostpreußen sicher war.
Katharina senkte den Brief. Nun war sie beruhigt, dass es ihren Eltern gut ging, und sie hatte gar nicht bemerkt, dass ihr vor Erleichterung Tränen die Wangen herunter liefen.
»Na siehst du, alles ist gut«, sagte Marie. »Es war doch gut, dass du nicht gleich nach Köln gefahren bist, du hättest deine Mutter vielleicht gar nicht gefunden.«
»Doch, doch, so viele Verwandte haben wir nicht in der Nähe von Köln und nach Euskirchen wäre ich wohl als erstes gefahren, aber nun bin ich wirklich erleichtert.«
Es verging noch eine Woche, dann musste Katharina ihre Reise zum Weiterbildungskurs nach Insterburg antreten.
Den Kopf voller Ideen und Vorsätze, freute sie sich auf alte Bekannte und auf neue Begegnungen und vergaß sogar ein wenig die Sorgen um ihre Eltern.
In der Pestalozzi-Schule, einer dreiflügeligen Schule in der Kasernenstraße, hatte man für die Kursteilnehmer ein paar Klassenräume mit Betten und Schränke bestückt, damit die Kursteilnehmer gleich im Hause übernachten konnten und für das Schulamt keine Kosten durch Hotelübernachtungen entstünden. Waschräume und Toiletten waren ja vorhanden. Die Lehrerin war ein wenig enttäuscht, denn im jetzigen Kurs vermisste sie doch ein wenig den Hamburger Klavierspieler, der nach ein paar Gläsern Bier Seemannslieder gesungen hatte, die kesse Blondine aus Berlin, mit ihrem frechen Dialekt, oder den Witzerzähler aus Westfalen.
Die einzigen Bekannten, die Katharina traf, waren die beiden Freundinnen aus München, die sie beim letzten Kursus im Flur einer Gaststätte beim Küssen ertappt hatte. Mit ihnen teilte sie sich nun sogar das Zimmer und freute sich darüber.
Der Weiterbildungskurs bestand allerdings letztlich zum größten Teil aus ideologischer Kopfwäsche, statt aus pädagogischen Schulungsmaßnahmen. Bereits den jüngsten Schülern sollte der deutsche Geist, die Überlegenheit der deutschen Rasse und die »Volk ohne Raum Politik« verinnerlicht werden.
Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeiterfront, formulierte es folgendermaßen, rassistisch und menschenverachtend:
»Es ist von Gott gewollt, dass eine höhere Rasse über eine mindere herrschen solle, und wenn für beide nicht genug Raum ist, dann muss die mindere Rasse verdrängt, und, wenn notwendig, zum Vorteil der höheren Rasse ausgerottet werden.«
Die Lektoren wechselten bei jener Schulungsmaßnahme, doch der Grundgedanke ihrer Reden war stets derselbe, und lehnte sich signifikant an das Gedankengut Robert Leys an.
Erneut wurde auch die Notwendigkeit dargelegt, dass sich jeder Lehrer außerhalb seiner Lehrtätigkeit politisch zu engagieren habe. Aufnahmeformulare als Ausbilderinnen beim BDM wurden vor Ort verteilt, doch da Katharina inzwischen verschiedene Funktionen beim Landfrauenverein bekleidete, kam sie um eine Mitgliedschaft beim BDM herum.
Die junge Lehrerin hatte sich diesen Kursus etwas anders vorgestellt. Nur abends gab es etwas Abwechslung. Es hatte sich eine kleine Runde gebildet, die ihren Feierabend gern im Gesellschaftshaus am Neuen Markt verbrachte. Nur die beiden Münchner Mädchen schlossen sich aus, gingen lieber ins Kino oder aßen in einem Lokal zu Abend.
Eine Kapelle spielte im Gesellschaftshaus allabendlich Unterhaltungsmusik, zu der die jungen Leute tanzten. Katharina tanzte gern, aber sie wusste sich auch geschickt vor den allzu stürmischen Annäherungsversuchen einiger Tänzer zu erwehren.
Wenn sie dann nachts in ihrem Bett lag, hörte sie manchmal das Flüstern der Freundinnen und eindeutige Geräusche und sie gab sich Mühe diskret wegzuhören.
Für Katharina war es schwer, sich vorzustellen, einem anderen Mädchen körperliche Liebe zu schenken und dabei etwas zu empfinden.
Sie gönnte den Mädchen jedoch ihre gegenseitigen Gefühle, und merkwürdigerweise erregten sie die Geräusche der beiden sogar.
Manchmal ging sie nachmittags am Rand der Inster spazieren oder überquerte die Angerapp über die Bogenbrücke, um am Ufer entlangzulaufen, oder um den Gawehnschen Teich zu umrunden.
Sie war gar nicht traurig, als der Kursus zu Ende war und freute sich auf Loditten.
»WIR BINDEN DEN PLON«
Als sie heimkam, war bereits die erste Augustwoche vergangen. Die Tage waren heiß und selbst die Nächte brachten kaum Abkühlung. Die Roggenernte ging in die Endphase und bald würde der Plon geschnitten werden. Die Mitglieder des Chores probten Ernte- und Volkslieder, denn sie waren zum Austbier auf das Gut eingeladen.
Am Morgen des letzten Erntetages versammelten sich alle Knechte und Mägde auf dem Gutshof. Auch vier russische und weitere vier französische Kriegsgefangene, die der Gutsinspektor bei der Kreisleitung für die letzten Erntetage beantragt hatte, standen dabei. Die Knechte hatten Sensen über den Schultern, die Mägde trugen Rechen.
Noch musste der Zug warten, denn drei wichtige Dinge an diesem besonderen Tag fehlten noch: Der Herr Baron, der Pfarrer und die Blechmusik. Doch da bogen die Musiker mit ihren Instrumenten schon auf den Hof ein, und auch der Pfarrer beeilte sich, ihnen zu folgen.
Auf dem Hof wurde Aufstellung genommen und der Baron von Lübzow begrüßte alle Anwesenden. Dann führte der Gutsinspektor die Schnitter auf das Feld. Ihm folgten der Pfarrer, die Musikanten und alle Erntehelfer.
Lärmende Kinder liefen dem bunten Zug hinterher.
Der Herr Baron ließ sich mit seinem Jagdwagen auf das Feld fahren. Auf dem riesigen Feld angekommen hielt er vom Jagdwagen herab eine kurze Rede, verneigte sich vor dem Roggenfeld und dankte Gott für den reichen Segen.
Auf den großen Flächen hatte die Technik Einzug gehalten aber die kleineren Flächen wurden mit den Sensen gemäht, wobei zu jedem Schnitter eine Garbenbinderin gehörte.
Inzwischen hatte die Mähmaschine ihre Arbeit begonnen. Schwer sanken die letzten Schwaden zur Seite, der Roggen war in jenem Jahr besonders kräftig im Wuchs.
Bahn für Bahn zog der Schlepper die Erntemaschine, wendete am unteren Ackerrain und bugsierte das Mähwerk knatternd wieder die Anhöhe hinauf. Dichte dunkle Rauchschwaden verließen den Schornstein des Traktors. Helfer liefen hinter der Maschine her, um mit ihren Rechen die Schwaden in Reih und Glied zu legen oder an ungünstigen Stellen mit ihren Sensen zu mähen.
Am Feldrand blieb jedoch ein Streifen Roggen stehen. Absicht oder Unaufmerksamkeit beim Mähen? Nein, nein, das musste so sein, denn der Vorschnitter mähte die letzten Halme ab, die die Mädchen dann zu einer Garbe zusammenrafften, aus der die schönsten und kräftigsten Halme ausgesucht wurden, um aus ihnen den Plon zu binden. Diese Garbe wurde vom Pfarrer gesegnet, denn der letzten Garbe einer Ernte sprachen die Menschen besonders segenspendende Kräfte zu.
Traditionell begleiteten die letzten Schnitte des Vorknechtes das helle Klingen der Sensen der übrigen Schnitter, die mit ihren Wetzsteinen über ihre Sensenblätter fuhren, dass es weithin zu hören war.
Als auch der letzte Halm durch die Sense des Vorknechts gefallen war, ertönte Jubel auf dem Feld.
Der Plon wurde mit bunten Bändern und Strohblumen geschmückt, vom Sensenblatt des Vorschnitters eingekürzt und dann am Rechen der Vormagd befestigt.
Der Gutsinspektor und auch der Gutsherr zogen ihre Hüte vor den Arbeitern und der Pfarrer segnete die Arbeit, die Menschen und die Ernte. Die Kapelle spielte auf und aus den Kehlen der Leute schallte der Choral »Nun danket alle Gott«. Dann formierte sich der Erntezug, die Kapelle spielte wieder auf und das Gesinde bewegte sich singend in Richtung Loditten. Das Lied »Wir binden den Plon« schallte weit über das Feld hinaus.
Den Plon hoch über die Köpfe der singenden Menschen erhoben, schritt die Vormagd stolz an vorderster Stelle, sogar der Herr Pfarrer ließ ihr den Vortritt. Lustig flatterten die bunten Bänder im Wind.
Der Herr Baron bestieg seinen Zweispänner und ließ sich zum Gutshof fahren. Den Spaß und die Ehre, den Plon durch das Dorf zu tragen, wollte er denen überlassen, die monatelang hart dafür gearbeitet, und diesen Tag sehnsüchtig erwartet hatten.
Im Dorf kam langsam Unruhe auf. Wann wird denn nun endlich der Erntezug durch das Dorf ziehen? Angestrengt lauschten die Leute, ob nicht schon ein paar Takte Musik zu hören waren, doch der Wind verwehte die Klänge und trug sie in die Gegenrichtung. Aber die Kinder, die am Morgen den Zug auf das Feld begleitet hatten, liefen nun eilig als kleine Melder ins Dorf und schrien laut »sie kommen, sie kommen«. Da gingen die Fenster auf und die Hoftore, und die ersten Zuschauer stellten sich an den Straßenrand.
Vor dem Haus der Familie Baltruschat und auch gleich nebenan bei der Familie Nikoleit war ebenfalls eine gewisse Unruhe zu spüren.
Die Noaberschen kadreierten vor dem Hoftor, die alte Baltruschat saß mit ihrer rot gefleckten Katze auf der Holzbank vor dem Haus und hielt als Hörhilfe eine Hand hinter ihr rechtes Ohr, damit ihr nichts entging. Von Zeit zu Zeit nickte sie zustimmend zu dem, was sich die Nachbarn erzählten und ihr Mann, der alte Baltruschat, stand in Klompen ein paar Meter weiter hinter dem Gartenzaun, im Mund den dampfenden Knösel mit stinkendem Knaster, die Arme auf die Zaunlatten abgestützt. Er hatte seinen Deppke in den Nacken geschoben, kratzte sein unrasiertes Kinn und schaute interessiert die Dorfstraße entlang, ob der Erntedankzug nicht bald zu sehen sein wird.
»Wird mal wieder Zeit für ein Austbier«, warf er munter in die Runde, doch von den Frauen erhielt er keine Zustimmung, nur die alte Baltruschat murmelte: »Oller Suffkopp!«. Doch sie meinte es nicht böse, denn ihr Mann plagte sich mit seinen zweiundsiebzig Jahren noch jeden Tag im Stall und auf dem Feld, wo doch die jungen Männer im Krieg waren. Da gönnte sie ihm schon mal ein Glas Bier und ein Quartierchen Korn.
Für die Dorfbewohner nicht einzusehen, waren auf dem Gut des Herrn Baron von Lübzow eifrige Vorbereitungen im Gange. Die Knechte hatten am Vortag bereits die Tenne aufgeräumt und die Mägde hatten sie gefegt und mit Patscheimer und Wischkodder aufgewischt. Anschließend wurden zahlreiche Tische und Stühle hinauf getragen.
Am Morgen wurde der Speicher mit Strohgarben, Girlanden, bunten Blumen und Bändern geschmückt. Sensen und Rechen wurden mit Getreidehalmen und bunten Bändern umwickelt und schmückten die Wände. Riesige Tische mussten am Abend die Speisen und Getränke aufnehmen. Bier gab es aus dem Fass und Schnaps wurde aus Kruken ausgeschenkt, die mit Weidenruten umflochten waren.
Für die Kinder, die an jenem Tag länger aufbleiben durften, gab es natürlich Himbeerlimonade und Pudding.
In der Mitte des mit Feldsteinen gepflasterten Gutshofes stand ein großer Tisch, auf dem zahlreiche Gläser aufgereiht waren, Henkelgläser für das Bier und Stamper für den Hochprozentigen, der in darunter stehenden Wassereimern kühlte. Der Herr Baron machte keinen Unterschied, ob Bauer oder Knecht. Sogar die polnischen, russischen und französischen Kriegsgefangenen, würden ihren Anteil erhalten. An so einem festlichen Tag war es oft mehr als ein Quartierchen Korn, das sich die Männer die Kehlen hinunter laufen ließen.
Durch die Baumkronen war bereits aus der Ferne die Blasmusik des Erntezuges zu hören. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis die fröhliche Gesellschaft die Dorfstraße erreicht hatte.
Die Straße füllte sich langsam mit Neugierigen.
So ein Erntezug ist doch jedes Jahr ein ganz besonderes Ereignis, auf das die Leute warten. Nicht nur für die Beteiligten selbst, die das ganze Jahr schwer geschuftet und sich das Plonfest mehr als verdient hatten, nein, auch für die Alten war es etwas ganz Besonderes, denn an ihnen zog im Geiste nun auch ihre eigene Jugend vorüber, ihre eigenen Erinnerungen an frühere Zeiten, als sie selbst, blumengeschmückt und mit Strohhalmen der letzten Garbe in der Schürzentasche lachend durch das Dorf gezogen waren.
In Ostpreußen wurde schon immer gern gefeiert, und so ein Fest, dass nur einmal im Jahr stattfindet, hat dabei natürlich einen ganz besonderen Stellenwert.
Auch Baltruschats Schäferhund Arco schien neugierig geworden zu sein. Durch die laute Musik geweckt, verließ er sein Lieblingsplätzchen an der Scheunenecke und trottete bedächtig zum Gartenzaun an der Straße. Er stieß seine Schnauze gegen den Oberschenkel des alten Baltruschat und genoss zufrieden, dass sein Herrchen ihm das Fell im Nacken puscheite.
Die Musik wurde lauter und nun waren auch die Musikanten schon zu sehen. Sie liefen direkt hinter der Vormagd, die an ihrem Rechen den aus Ähren geflochtenen Plon trug.
Musik und Plon wurden von den Dorfbewohnern begeistert beklatscht, nur Nikoleits Kater Franz hatte sich unter die Bank verzogen, einen Buckel gemacht und seinen Schwanz zwischen die Beine geklemmt. Er war offensichtlich kein Liebhaber von Blechmusik.
Die Knechte und Mägde, auch freiwillige Erntehelfer und Kinder hatten sich in den lustigen Zug eingereiht und sangen zur Musik der Kapelle.
Marjellchens mit weißen Kniestrümpfen und mit bunten gestärkten Leinenkleidchen und kleine Lorbasse in ihren Matrosenanzügen sprangen ausgelassen zwischen den Erwachsenen herum. Man sah allen Beteiligten die Freude an, nach monatelangem Plagen, die Ernte so reichlich eingebracht zu haben. Die Menschen an den Gartenzäunen winkten und einige Frauen sangen sogar mit.
Begeistert stampfte der alte Baltruschat mit seinen Klompen im Takt der Musik und brummte die Melodie mit, ohne seinen Knösel aus dem Mund getan zu haben.
Dieses Austbier war schon ein Ereignis und auch die Bauern im Dorf durften daran teilhaben, denn der Herr Baron hatte ein riesiges Fass im Dorfkrug abliefern lassen. Und in der Wirtshausküche warteten Pfannen voller Fleisch, Gemüse und Schmorkohl auf hungrige Mägen.
Aus dem Dorf heraus ging es auf die Lindenallee, die zum Gut des Barons führte. Dort wurde der Umzug bereits erwartet.
Der Gutsherr stieg vom Zweispänner herab und trat zu seiner Frau, die in der Mitte des Gutshofes stand. Hinter ihr hatten sich die Bediensteten des Schlosses aufgestellt. Die Mamsell hatte darauf geachtet, dass die Küchenmädchen frisch gestärkte Schürzen umgebunden hatten. Der Diener des Herrn Baron stand hinter dem Tisch, auf dem die Gläser und die Getränke abgestellt waren, und wartete darauf, die Aufgabe des Mundschenks auszuüben.
Etwas abseits standen die Kriegsgefangenen, die der Herr Baron vom Kreisverband als Ersatz für die Bauern erhalten hatte, die nun an der Front kämpften.
Dann endlich bog der Festzug auf den Gutshof ein und es schien, als würden die Musikanten noch lauter spielen. Direkt vor den Herrschaften kam die Menge zum Stehen.
Aus ihrer Mitte heraus trat die Vormagd vor die Herrschaften, in der Hand den Rechen, an dessen Ende der Plon gebunden war. Stolz sagte sie ihren Spruch auf:
»Ich bringe vom Korn den goldenen Plon,
gewachsen zwischen Disteln und Dorn’,
bei Wind, Schnee, Hagel und Regen,
wir wünschen der Herrschaft viel Glück und viel Segen.
Und alle die vom Korn werden essen,
sollen den lieben Gott nicht vergessen!«
Der Herr Baron zog vor dem Gesinde seinen Hut zum Dank, schaute seine Leute an und antwortete:
»Wir danken dem Herrgott für all seine Treu,
und bitten, ˏOh Herr, steh weiter uns bei’.
Vor Unwetter magst du das Feld bewahren,
dass wir das Korn in die Scheun’ können fahren.
Wir danken den Händen, die gebunden das Korn,
die geflochten von Ähren den goldenen Plon,
wir danken den Leuten, denn die Arbeit war schwer,
drum laden wir zum Austbier her«.
Die begeisterte Zustimmung aus zahlreichen durstigen Männerkehlen war die Antwort auf die Aufforderung des Herrn Baron.
Auf den Tischen standen die gefüllten Biergläser bereit, die der Herr Baron und seine Gattin an alle Anwesenden verteilten und die der Diener des Herrn Baron immer wieder auffüllen musste.
Die Zwangsarbeiter bekamen ebenfalls jeder ein Henkelglas voll Bier in die Hand gedrückt und stürzten den Inhalt hastig hinunter, als hätten sie Angst, man könnte es ihnen wieder wegnehmen. Erst als auch ihre Gläser erneut gefüllt wurden, tranken sie langsamer. Die Schnapsgläser wurden randvoll mit Bärenfang eingeschenkt und ebenfalls verteilt.
Da trat der Gutsinspektor vor und sagte seinen Spruch auf, der von den Anwesenden ebenfalls mit lauten »Hoch« Rufen aufgenommen wurde:
»Musikanten, nun spielt, dass die Balken sich biegen,
Marjellchens, nun tanzt, dass die Röcke hoch fliegen,
Jungs schmeißt die Klompen, die Arbeit hat Ruh,
denn heute gibt’s Austbier und wir tanzen dazu!«
Die Kapelle ließ sich nicht zweimal nötigen und begann sofort, einen Galopp zu spielen. Im Nu hatte jeder Knecht ein Mädchen an der Hand. Nur die Zwangsarbeiter nutzten die Gelegenheit, sich noch einmal die Gläser füllen zu lassen.
Der Baron schmunzelte, doch er gönnte den armen Teufeln die kleine Freude. Allzu oft verrichteten sie schwere und ungeliebte Arbeiten ohne zu murren, und er hätte von keinem seiner Leute einen Einwand hören wollen, der den Zwangsarbeitern ihre Quartierchen nicht gönnte aber da musste er keine Befürchtung haben. Auf seinem Gut wurden die Zwangsarbeiter anständig behandelt, und das wussten auch seine Knechte.
Eine Stunde lang wurde nun ausgelassen getanzt und gefeiert. Als das Bier und der Schnaps alle waren, mahnte der Hausherr, dass jetzt jeder in seine Behausung gehen und sich noch ein wenig ausruhen soll, ehe am Abend das große Fest auf dem Tennenboden stattfinden würde.
Leicht schwankend, nach dem Genuss der ungewohnten geistigen Getränke, strebten die Zwangsarbeiter ihrem Schlaflager zu, wo sie sich sofort auf ihre Pritschen warfen. Nur das Gesinde dachte nicht daran, sofort in ihre Unterkünfte zu gehen, denn nun folgte etwas, das an diesem Tag nicht fehlen durfte.
Plötzlich schoss nämlich aus einer Stalltür ein Knecht mit einem Eimer in der Hand heraus und überschüttete damit mehrere Mädchen mit Wasser. Auch aus den anderen Türen sprangen Knechte und spritzten die Mädchen nass, die mit lautem Gekreische versuchten, sich in Deckung zu bringen. Doch auch die Frauen hatten gefüllte Wassereimer versteckt und jagten nun den Burschen hinterher, deren Eimer leer waren. So geschah es, dass bald kein einziger aus dem Gesinde mehr trocken war. Sogar die Herrschaft hatte es nicht geschafft, trocken in das Gutshaus zu gelangen, doch das war ja für das Gesinde der größte Spaß an diesem Tag, dass sie einmal ungestraft ihre Gutsherrschaft mit Wasser begießen durften, und die Herrschaft nahm es lachend hin.
So war es Brauch in Ostpreußen, und obwohl die Standesgrenzen immer sehr streng beachtet wurden, war man beim Erntefest fast wie eine riesige ausgelassene Familie. Dieser Brauch war der symbolische Dank für das lebenspendende Nass, das das Korn wachsen und reifen ließ.
Nun galt es aber, aus den nassen Kleidern zu kommen und sich noch ein wenig für den Abend auszuruhen, denn das Fest würde nicht vor dem Morgengrauen enden.
Am Abend füllte sich der Tennenboden mit Gästen. Den Giebel des Tennenbodens zierten zwei gekreuzte Giebelbretter, an deren Enden sich je ein Pferdekopf befand, das Zeichen für Ostpreußens Reichtum. Auf dem Dachfirst prangte erhaben an einer langen Stange der geschmückte Plon.
Die Kapelle hatte an der Giebelwand einen Extratisch bekommen, der Chor des Dorfes einen Tisch daneben.
Auch Marie Schimkus und Katharina saßen in dieser Runde und freuten sich auf einen lustigen Abend bei Lieder und Tanz.
Schwere Tische waren mit Pfannen voller Speisen randvoll gestellt. Knuspriger Schweinebraten war ebenso aufgetischt, wie Wildbraten oder geselchtes und gekochtes Fleisch. Schmorkohl duftete aus mehreren Schüsseln aber auch gedünstetes Gemüse und die obligatorischen Königsberger Klopse und das besonders bei Kindern und älteren Frauen beliebte Hühnerfrikassee fehlten nicht.
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