Kitabı oku: «Eruptionen: Soldnia, Band 1», sayfa 4
Ich trat auf der Stelle. Um meinen Geldbesitz stand es auch nicht gut. Ich musste aus meiner Wohnung in der Innenstadt ausziehen, da mein angesparten Mittel durch die anfallende Miete viel zu schnell zur Neige gehen würde und ich auf kein weiteres Gehalt hoffen durfte. Arbeitslos wollte ich mich noch nicht melden. Dies würde bedeuten, die Zwangsverwaltung meines Lebens hinzunehmen und das war mir zuwider. Ich kämpfte. Also mietete ich mir ein winziges Zimmer in einem heruntergekommenen Viertel, entlegen und abgeschieden. Während einer Ermittlung in einem Familienstreit war ich hierher geraten. Damals hatte mich die Verwahrlosung des Hauses und der Menschen angewidert. Jetzt waren mir solche Befindlichkeiten egal. Die Zeit der Eitelkeiten war vorüber. Ich suchte also, hörte mich um, doch ohne Erfolg. Niemand konnte irgendetwas mit dem Begriff Snake verbinden.
Zwei Wochen vergingen so.
Eines Morgens lief ich durch die Straßen und grübelte nach. Plötzlich durchfuhr mich ein seltsames Gefühl. Ich hielt plötzlich an und ein Mann stieß fluchend mit mir zusammen. Ich drehte mich nach allen Seiten um, zu verstehen woher das Gefühl kam. Dann sah ich einen kleinen Zeitungsstand am Straßenrand. In der Auslage hing eine Extraausgabe des Netlaer Tagesanzeigers. Die Schlagzeile durchfuhr mich mit ihren dicken, schwarzen Lettern:
Revolution ist ausgebrochen. Ein „Mr Snake“ als mutmaßlicher Anführer!
Die gesamte Titelseite war von den Blockbuchstaben ausgefüllt. Ich lief zu dem Stand, griff mir eine der Zeitungen und schlug sie auf. Der Leitartikel war mit einem Foto von einem brennenden Gebäude versehen. Darunter stand:
Netlar unter Beschuss!
Der Stadtteil Rillington wurde Ziel eines Anschlags einer terroristischen Gruppe. Die Attacke erfolgte am frühen Morgen des 17. Januars. Eine Kaserne der Eloby’schen Streitkräfte, die sich am Rande von Rillington befindet, wurde infiltriert und von Innen heraus ausgeräuchert. Auf den engen Straßen hatten sich stark gepanzerte Fahrzeuge einen Weg zum Tatort gebahnt und die Gebäude unter heftigen Artillerie-Beschuss genommen. Die Soldaten konnten nur bedingt Widerstand leisten, da das Waffenlager laut Aussagen des Sprechers bereits bei der ersten Angriffswelle zerstört worden war. Nach etwa einer halben Stunde zogen die feindlichen Truppen plötzlich ab und hinterließen einen erheblichen Sachschaden. Kein Gebäude der Kaserne blieb erhalten. Tote gibt es keine, jedoch etliche Verletzte. Die schwer Verletzten liegen derzeit im Ostkrankenhaus auf der Intensivstation. Die Terroristen verwendeten Betäubungsgeschosse.- so der Polizeisprecher.
Die Eloby’sche Kaserne in Rillington ist die größte militärische Einrichtung im Norden. Genau eine Stunde nachdem die Terroristen in die angrenzenden Wälder geflohen waren, erhielt die Polizei ein Bekenner-Video, in dem sich eine vermummte Gestalt mit verzerrter Stimme, die sich selbst Mr Snake nannte, zu dem Anschlag bekannte und deutlich sagte, dass weitere folgen würden, „sofern die Regierung nicht endlich die Wahrheit verkünde!“
Ich las den Artikel schnell zu Ende, doch fand ich sonst nichts Interessantes, nur Zeugenaussagen und eine klare Warnung der Regierung an die Bürger, sich vorsichtig zu verhalten und nicht in Panik auszubrechen. Es wurde außerdem verkündet, dass sich die Regierung nicht von Terroristen unter Druck setzen ließe und die ominöse ‚Wahrheit’, von der gesprochen wurde als Vorwand für Anarchie abgetan. Eine kleine Menschentraube hatte sich um den Zeitungsstand gebildet und die Leute murmelten aufgeregt durcheinander. An einen Zufall dachte ich keine Sekunde. Mir wurde in diesem Moment etwas klar: Ich musste meine Methoden verändern. War es paranoid gedacht, dass das Verschwinden von Franko und der Anschlag unmittelbar in Verbindung stehen könnten? Wenn ich auch noch keine Ahnung hatte, wie und in welchem Umfang, sagte mir mein Gespür, dass die Dinge miteinander in Bezug standen. Die Unterwelt ist wie eine schattige Spiegelung der Gesellschaft. Es gelten dieselben Hierarchien, dieselben Strukturen und Gesetze. Und eines davon war, dass man einen gewissen gesellschaftlichen Stand haben musste, um an die großen Fische herankommen zu können. Mr Snake wirkte wie ein ausgewachsener weißer Hai.
Ich „bewarb“ mich daraufhin bei einem Kleingangster, den ich aus meiner Zeit als Streifenpolizist noch vom Namen her kannte. Zu meiner Erleichterung war er unvorsichtig genug, mich ohne weitere Fragen anzuheuern. Er sagte, es seien gefährliche Tage zurzeit. Niemand wisse, was da so genau vor sich ginge und es wäre unklug, als Springer, wie sich die Kleinkriminellen nannten, alleine zu agieren. Das Zimmer hatte ich gekündigt, alle meine restlichen Sachen verkauft und nun nur noch meine wichtigsten Dinge in einer Umhängetasche permanent bei mir. Meine Verwandlung ging immer weiter vonstatten. Neue Routine entstand. Kriminelle eben.
Eines Abends sollte ich mit ein paar anderen Gangmitgliedern einige Schuldner einschüchtern, sie durch Gewaltandrohung und erste Schläge zur Zahlungsbereitschaft zwingen. Wir zogen durch die nächtlichen Straßen, währenddessen schnüffelte ich unauffällig umher. Zunächst wusste niemand, woher Snake gekommen war. Nicht einmal die übelsten Gangsterbosse, so erzählten es sich die Männer, hatten vorher jemals von ihm gehört. Bis zum siebzehnten Januar hatte dieser Mann einfach nicht existiert. Das verwirrte mich umso mehr, da diese Hausbesetzer seinen Namen genannt hatten, schon Wochen vor dem Anschlag. Ein plötzlicher, unbegründeter Zweifel tauchte in mir auf. War Franko korrupt gewesen? Ich kannte ihn so gut. Wir waren zusammen auf der Polizeischule gewesen. Wir hatten alles geteilt und wenn ich über etwas sicher sein konnte, dann war es Frankos aufrichtiger und tiefer Sinn für Gerechtigkeit. Davon ließ mich nichts abbringen.
Weiterhin erfuhr ich, dass Mitglieder der Snake-Gruppe, wie sie jetzt inoffiziell hießen, jede Nacht durch die Gossen schlichen und eifrig rekrutierten. Keiner wusste, was sie vorhatten. Neue Teile für das ominöse Puzzle.
Als ich eines Abends wieder durch die Straßen gezogen war, nahezu mit jedem gesprochen hatte, der etwas hätte wissen können, und doch nicht mehr weiterkam, ging ich nochmals hinaus aus der Bar, die sich als so etwas wie eine Stammkneipe etabliert hatte, um einen klareren Kopf zu bekommen und abzuschätzen, ob ich etwas Wichtiges übersehen haben könnte. Ich steckte mir eine Zigarette an und blickte wie zufällig und gelangweilt die Straße auf und ab. Die kalte Luft tat im ersten Moment gut auf meiner schwitzenden Haut. Es roch nach Benzin und verschimmeltem Müll und ich atmete nur noch mit dem Mund. In einiger Entfernung sah ich, wie eine vermummte Gestalt über einem an einer Hauswand sitzenden Mann gebeugt stand. Der Maskierte blickte zu mir, sehr konzentriert auf einmal. Etwas daran alarmierte mich und instinktiv griff ich nach meiner alten Dienstwaffe, die ich nicht ohne Grund ständig bei mir trug. Der Mann war aufgescheucht wie ein Wildtier und rannte weg. Ich lief einer Eingebung folgend die dunkle Straße hinunter und kam keuchend bei dem Mann an, der stark blutend an einer Hauswand kauerte. Zuerst dachte ich schon, dass er tot sei, da rührte er sich ein wenig. Ich kniete mich nervös neben ihn. Er trug einen feinen blauen Anzug, fast durchweg mit Blut und Dreck bespritzt. Der Anblick ließ mich erschaudern.
„Was ist passiert?! Was wollte der Mann von Ihnen?“, fragte ich ihn verzweifelt worauf der Verletzte offenbar orientierungslos zu mir aufblickte. Unterdessen versuchte ich auszumachen, wie schwer die Verletzungen waren.
„Er suchte jemanden … Er … Er wollte …“ Plötzlich schrak der Mann zusammen als er mir in die Augen blickte: „Das k-kann nicht sein!“
Ich blickte mich schnell auf der dunklen Straße um -niemand war zu sehen – und schleifte den Mann vorsichtig in eine Nische. Ich zog ihm sein Jackett aus und betrachtete mit Schrecken seine Brust. Das weiße Hemd war an mehreren Stellen zerfetzt und dunkles Blut quoll daraus. Ich hatte nichts zur Desinfizierung dabei, also riss ich ein langes Stück Stoff aus meinem Hemd und legte einen improvisierten Druckverband an. Mit geringem Erfolg, wie ich feststellen musste. Der Mann stöhnte dabei, doch weniger unter Schmerzen als um meine Aufmerksamkeit buhlend: „Hören Sie zu!“, blaffte er mich spuckend an und ich wunderte mich, dass er noch Kraft hatte, so laut sprechen zu können.
„Strengen Sie sich nicht so an. Alles wird gut! Sie kommen wieder auf die Beine!“, versuchte ich ihn zu beruhigen, doch er ließ nicht locker.
„Sie! Wie merkwürdig.“
„Was ist merkwürdig? Was wollte der Mann von Ihnen? Wer hat Sie so zugerichtet?“
„Ich kenne Sie! Sie sind Polizist. Kommissar Jean Louis Denouis!“, flüsterte er und dabei blickte er so tief und durchdringend in meine Augen, dass mein Magen gefror.
6.
Ruhe lag im kalten Kellerraum, seit scherbensplitternd eine Flasche an der harten Steinwand zerschellt war. Die Lampen an der Decke und die schmutzigen Heizungsrohre brummten kaum hörbar. Das einzige Geräusch das Umblättern von Seiten – dieses leise Rauschen, kaum zu verwechseln mit dem beruhigenden Geräusch von Wellen, die über den Strand in einem entfernten Land fließen. In der Mitte dieses unaufgeräumten Raums hockte ein Mann auf einem klapprigen Stuhl. Der zerschlissene Holztisch davor machte keinen stabileren Eindruck als der Mann selbst. Er trug einen schwarzen Anzug, doch war von der ursprünglichen Farbe kaum noch etwas zu erkennen, von oben bis unten war er mit verkrustetem Dreck bedeckt. Das Gesicht des Mannes strahlte etwas aus, das eine Steigerung von Trauer, Leid und Verzweiflung verkündete. Die Augenlider lagen schlaff über den blutunterlaufenen Augen. Er war schmutzig und hatte einen ungepflegten Drei-Tage-Bart. Auf dem Tisch vor ihm lag ein dickes breites Buch aufgeschlagen, über das die müden Augen wanderten. Auf den Seiten klebten alte Fotografien, manche schon angegilbt. Joshua Melson ließ eine weitere Welle durch den Raum rauschen, indem er die Seite langsam umblätterte und blickte auf das Buch hinab. Sein Blick blieb an einem Bild hängen. Darauf sah man eine junge Familie. Der Mann sah jung aus, mit braunen, kurzen Haaren und einem gepflegten Schnurrbart. Er trug ein edles weißes Hemd, dessen oberste Knöpfe offen standen, wodurch man seine von der Sonne gebräunte Brust sehen konnte. Zu seiner Seite stand eine Frau mit langem dunklem Haar und einem kleinen Jungen an der Hand, der mit glänzend-wachen Augen in die Kamera blickte. Sein blondes Haar war völlig verstrubbelt und stand nach allen Seiten ab. Die Familie lächelte. Joshua schlug sanft das Buch zu. Er verschränkte seine Arme darauf und legte seinen Kopf in die Mitte. Schlafen wollte er, für immer nur noch schlafen. In der befreienden Ruhe.
Ein Knall durchbrach die Stille und Staub rieselte von der Decke. Joshua schrecke auf und lauschte. Sein Herz raste. Für einen Moment dachte er, er wäre nur eingenickt und hätte schon träumerisch fantasiert, doch eben in diesem Moment erschütterte ein kleines Beben das Haus und ein weiterer Knall erfolgte. Es hörte sich an wie Stein, der zerfetzte und Staub, der leise auf einen Boden herabrieselte. Joshuas Herz klopfe schnell. Er stand leise auf, um jedes Geräusch genau zu hören, das von oben kam. Wenige Momente Sille. Bis plötzlich ferne Schritte zu hören waren. Über ihm. Mehrere Menschen, mindestens drei, nach dem lauten Getrippel der Schritte zu urteilen. Aber er konnte sich irren. Ohne darüber nachzudenken bückte er sich und griff nach dem kalten Metall des Gewehrs. Sein Blick taumelte, genau wie sein Körper und er musste sich konzentrieren, um nicht zu fallen. Sein erster Gedanke galt Alex, dass er wieder zurückgekommen war. Aber das ergab keinen Sinn. Was hatte der Knall zu bedeuten? Er stand still. Plötzlich hörte er Türen knallen und laute Schritte. Jemand suchte ihn! Wer auch immer es war. Joshua musste sich schützen. Hatte er die Kellertür offen gelassen? Wurde er paranoid? Wieder eine aufspringende Tür. Sie würden oben erst einmal genug zu tun haben, dachte er. Das Haus war schließlich weitläufig. Wieder hörte er laute Schritte und sein Atem stockte zunächst, als er glaubte, sie würden sich nähern und hätten die Kellertür gefunden. Er machte einen Schritt auf die Treppe zu und bemerkte das laute Geräusch seiner Schuhe auf dem harten Boden. Schnell zog er die aus und schlich auf Zehenspitzen weiter, das schwere, kalte Gewehr fest in seinen schwitzenden Händen. Als er einige Stufen erklommen hatte, hielt er inne. Ein Stimmengewirr wehte durch die angelehnte Tür zu ihm hinunter. Er konnte nichts verstehen und keine vertraute Stimme ausmachen. Sie klangen gereizt, wirkten ungeduldig. Dann erklang eine durchdringende Stimme, die ihn erzittern ließ: „JOSHUA MELSON! WIR WISSEN, DASS SIE HIER SIND. KOMMEN SIE SOFORT WIDERSTANDLOS HERAUS! IHNEN WIRD NICHTS GESCHEHEN!“
Unter normalen Umständen hätte er sofort klein beigegeben, doch die letzten beiden Tage waren zu voll mit verstörenden Geschehnissen, und sein Kopf zu benebelt vom Alkohol, als dass sein Misstrauen ihn nicht gewarnt hätte. Der Mann in der Gosse hatte ihm mit seinem allgegenwärtigen Misstrauen den Rest gegeben. Er hatte jetzt den Treppenabsatz erreicht, stieß die Kellertür leise auf und lugte um die Ecke. Der Flur war leer. Die Stimmen und Schritte waren nun leiser geworden. Anscheinend durchsuchten die Eindringlinge in diesem Moment das Obergeschoss. Die Wut kam in Schüben. Was war nur geschehen, dass sein Leben so völlig in Trümmern lag. Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Womit hatte er dieses Chaos verdient? Was hatte das alles zu bedeuten? Später. Leise schlich er über den Teppich durch den Flur zur nächsten Abzweigung. Der rechte Flur führte direkt in das Foyer, jedoch gefährlich nahe an den Treppen nach oben vorbei. Er musste den Umweg über die Esszimmer nehmen. Von dem Esszimmer zur Küche und dann –
Er blickte direkt in die Augen eines fremden Mannes, der lautlos um die Ecke vor ihm geschlichen kam. Er hatte einen dunklen Pferdeschwanz und sah jung aus, hielt eine große Pistole fest mit beiden Händen umschlossen. Die Sekunden schienen in Joshuas Kopf zu Stunden anzuschwellen, bis er, wie eine Marionette gesteuert, das Gewehr hob. Der Mann ihm gegenüber schrie etwas, wedelte mit den Händen in der Luft, doch die Angst benebelte Joshuas Sinne. Instinktiv zielte er mit dem schweren Gewehr in die Richtung des Mannes und drückte ab. Von dem unerwartet starken Rückstoß fiel er zurück auf den Boden. Er hatte gerade noch gesehen, wie der Mann in Deckung gegangen war. Joshua war noch nicht außer Gefahr und sein rationales Denken stieß ihn mit einem Mal den Gedanken in den Kopf, dass jetzt die anderen Einbrecher alarmiert waren. Er musste sich aufrappeln. Schon stand er. Seine Füße setzten sich wie von selbst in Bewegung. Er hatte alle Vorsicht abgelegt und rannte durch die Flure. Um jede weitere Ecke, die ihn näher an den Ausgang brachte. Lautes Gepolter erschreckte ihn, doch er schaute sich nicht um. Zu schnell bog er um eine Ecke. Dabei prallte er mit der Schulter hart an die Wand. Er blieb nicht stehen sondern lief weiter. Um die nächste Ecke ging es zur Küche, zur Garage, nach draußen.
„HALT! BLEIBEN SIE STEHEN!“, schrie eine Stimme hinter ihm. Er konnte im Augenwinkel die schwache Silhouette eines Menschen sehen, der auf ihn zielte. Joshua zog beim Rennen den Kopf ein und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, wobei er gefährlich taumelte und stürzte. Keinen Moment zu früh, denn gerade da wurde die Wand über ihm von Projektilen durchlöchert und der Putz und Staub rieselte auf Joshuas Rücken hinab. Vor Schreck ließ er das Gewehr fallen. Mit einer Hand am Boden stütze er sich, um wieder auf die Beine zu kommen. Das Gewehr streifte er noch mit den Fingern, bekam es nicht wieder zu fassen Er rannte weiter um die Ecke, deren Mauer, gerade als er darum gelaufen war, krachend aufplatzte. Joshua konnte die Küchentür jetzt vor sich sehen. Schon stieß er sie mit der Hand hart auf und stand in dem vollgestellten Raum. Einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, doch eine platzende Porzellanschüssel direkt vor ihm riss ihn zurück in die Gegenwart. In die Garage! Ein benebelndes Gefühl durchfuhr seine Schulter. Jetzt war es aus, dachte er. Ich bin getroffen. Ich muss sterben. Sie haben mich! Im Schock blickte Joshua auf seine Schulter und sah, dass es nur ein Streifschuss war. Blut troff aus der offenen Wunde auf seinen Hemdärmel und ein merkwürdiges pfeilartiges Projektil hing schlaff von dem Hemdfetzen hinunter.
Sein Kopf schaltete in Sekundenschnelle. Mit dem Fuß trat er die Küchentür zu und zog mit letzter Kraft den schweren klobigen Kühlschrank vor die Tür. Die Blockade gab ihm ein kurzes Gefühl von Sicherheit. Mit einem bebenden Knallen krachte die Tür einen Spalt breit auf, als der Angreifer gegen sie gerannt war. Joshua hörte ein lautes Fluchen von der anderen Seite und sah gerade noch, wie sich eine Hand mit einer unförmigen Pistole durch den Spalt zwängte und nach allen Richtungen zu schießen begann. Joshua duckte sich weg und stellte sich neben die Tür. Der Außenstehende schoss wie wild in alle Richtungen. Das war die Chance. Joshua sprang nach vorne und rammte mit der blutenden Schulter, so hart es ihm möglich war, gegen die Tür, die mit einem grässlichen Geräusch und unter dem lauten Schrei des Angreifer dessen Hand einklemmte, worauf die Pistole klappernd zu Boden fiel. Joshua hob sie schnell auf und steckte sie in seine Hose. Mit kurzen Schritten war er schnell quer durch die Küche an die stählerne Garagentür gelangt. Er presste die Klinke herunter und wollte sie aufschieben doch die rührte sich nicht. Der Zorn und die Angst kochten in ihm hoch, so dass er die Pistole mit beiden Händen vor sich ausstreckte und aus voller Brust schreiend auf das Schloss schoss. Die Projektile waren wirkungslos. Was war das für eine Waffe? Da erkannte er, dass es Betäubungspfeile waren, die nun in der Garagentür steckten. Der Zorn kochte brennend in ihm hoch und mit unnatürlicher Kraft trat er gegen die Tür, direkt neben die Klinke. Sie sprang zu seiner Überraschung auf. Ein heftiger Schmerz durchzuckte bei dem Auftreffen sein Bein. Alles in ihm schmerzte jämmerlich und seine Aufmerksamkeit nahm mit jeder Sekunde ab, doch er musste durchhalten. Humpelnd lief er in die Garage, knallte die Tür wieder zu und drückte verzweifelt auf den Garagentüröffner. Das Tor hob sich langsam, viel zu langsam. Das Auto stand da. Aber die Schlüssel? Er hatte sie nicht bei sich! Er würde zusammenbrechen. Seine Nerven hielten dem Druck nicht mehr stand. Da hörte er, wie der Kühlschrank in der Küche quietschend über den Boden kratzte. Er hatte keine Zeit zu warten. Mit so viel Elan, wie er noch aufbringen konnte, sprang er auf den Boden und quetschte sich durch die Öffnung, die nur schleichend größer wurde. Seine offene Wunde an der Schulter scheuerte über den Asphalt und brannte höllisch, aber er war draußen. Hastig stand er auf und blickte sich zu allen Seiten um. Der Hof war leer, doch er hörte laute Stimmen vom Vordereingang. Mit der Pistole in der Hand humpelte er auf den Abhang gegenüber des Hauses zu. Joshua musste sich über den Zaun ziehen und landete unsanft auf dem stak abfallenden schneebedeckten Rasen. Durch den vielen Schwung rollte er vorn über mehrere Meter den Hügel hinab, bis er sich endlich wieder fangen konnte. Er war draußen, dieser ihm unbegreiflichen Todesfalle entkommen. Doch in Sicherheit war er noch nicht, mahnte er sich selbst. So humpelte er den Abhang hinunter, immer schneller, auch wenn sein Bein unendlich schmerzte, die Wunde an seiner Schulter brannte und er völlig vom klirrend kalten Schneematsch durchnässt fast die Besinnung verlor. An einem Baum vorbei stolperte er durch den frischen Schnee auf der Wiese das letzte Stück hinunter und landete auf der Straße am Fuße des Hügels, wobei er sich auch noch den Kopf anschlug. Ein Versteck brauchte er jetzt und er wusste genau, wo er eines finden konnte. Es gab eine versteckte Nische unter einer kleinen Treppe für Wanderer, die an einer anderen Stelle den Hügel hinaufführte. Sie war weniger als hundert Meter entfernt. Von Baum zu Baum humpelte er, immer Deckung suchend und über seine Schulter spinksend, ob seine Verfolger schon aufgeschlossen hatten. Doch die Straße am Rand des Hügels war leer.
Dann, so plötzlich dass Joshua durch den Schrecken zu Boden fiel, schoss ein Auto mit quietschenden Reifen aus einer Seitenstraße, nur wenige Meter von ihm entfernt. Der Wagen hielt federnd direkt vor Joshuas ausgestreckten Füßen. Im Augenwinkel konnte Joshua sehen, wie Gestalten, nicht weit von ihm, den Grashügel hinunter stolperten. Die Autotür schlug auf und Joshua mit einem Schlag k. o.
„Haben wir den Richtigen?“
„Ja, er ist es.“
„Ist er tot?“
„Nein …, nur bewusstlos.“
„Rein in den Wagen mit ihm. Lass uns nicht lange auf der Straße stehen. Wir müssen hier weg!“
„Ruf den General an. Sag ihm, es ist alles glatt gelaufen.“
„Naja … Glatt? Wand aufsprengen? Und dann das? Es hätte wesentlich einfacher laufen können. Wir hätten draufgehen können.
„Und was ist mit deiner Hand?“
„Wird schon wieder! Fahr du vor. Wir treffen uns später.“
„In Ordnung, Mann. So ’ne Scheiße hier.“
…
Erst wurde es lange dunkel und still um Joshua. Dann konnte er die Augen öffnen. Über ihm erstreckten sich weite Äste eines mächtigen grünen Laubbaums. Er konnte durch die vielen Äste und Schichten von Grüntönen das klare Blau des Himmels scheinen sehen. Die Sonne funkelte. Ihm war warm. Er fühlte sich wohl. Um sich umzusehen, setzte er sich auf. Er befand sich auf einer Lichtung, die sich über viele hunderte Meter um ihn herum erstreckte. Darum herum stand ein Wall aus dicht aneinander wachsenden Laubbäumen. In der Mitte der Lichtung ragte ein mächtiger Baum, dessen Stamm bestimmt drei Meter Durchmesser betrug, mindestens fünfzig Meter hoch in den Himmel hinauf. Ein merkwürdig brummender Vogel schien in dessen Krone zu hocken. Dann bemerkte Joshua plötzlich ein Haus, das ihm gegenüber zwischen den Bäumen stand. Es war kahl und sehr einfach gehalten. Ein einfacher Klotz bakte in der Landschaft, an dessen Front an jeder Seite je ein quadratisches Fenster, in dem zu beiden Seiten schwere Jalousien hinuntergelassen waren. In der Mitte befand sich eine Tür, die offen stand. Er konnte von weitem sehen, dass es innen samtschwarz dunkel war und das machte Joshua Angst. Da hörte er eine leise Stimme, die aus dem Haus zu ihm herüber wehte. Er rappelte sich auf und folgte der Stimme. Sie wurde lauter und deutlicher, je näher er dem Haus kam. Sie war ihm vertraut, schien ihn mit warmem Timbre einzulullen. Die Stimme von Josephine! Wie konnte das sein. Er beschleunigte seine Schritte. So weit entfernt war ihm das Haus doch nicht vorgekommen. Am Ziel angekommen stieg er drei Stufen hoch, die zur Eingangstür führten. Das Gebäude war alt und vermodert und etwas hielt ihn innerlich davon ab, das Unbekannte in seinem Inneren zu erforschen. Doch die Stimme schallte nun klar und deutlich, so hell wie Glocken aus dem Eingang oder Ausgang – je nachdem, von wo betrachtet. Kaum eingetreten bemerkte Joshua erst wie viele Geräusche draußen noch an ihn gedrungen waren, denn nun war es so still, dass es auf ihn drückte. Es war kalt, klamm und dunkel. Unendlich dunkel. Der Raum war viel weitläufiger, als es von außen den Anschein hatte. Durch die Dunkelheit konnte er weder bis zu den Wänden noch bis zur Decke sehen. Doch im Zentrum brannte Licht. Mit den Augen holte Joshua es an sich heran. Es war Josephine. So schön wie eh und je stand sie mit geöffneten Armen da und lächelte ihm zu. Er hatte keine Angst mehr vor dem Dunkel, das er überqueren musste, um zum Licht zu gelangen. Doch nicht wie erwartet, wurde es mit jedem Schritt, den er auf das helle Leuchten tat, heller, sondern dunkler und dunkler. Er blickte sich um und sah sich umrundet von unendlicher Düsternis, die die Tür, durch die er gekommen war, längst verschluckt hatte. Vor ihm schwebte immer noch das Licht, auch wenn es jetzt weiter entfernt sich befand. Joshua wollte es unbedingt erreichen und rannte los. Mit aller Kraft lehnte er sich nach vorn.
Doch etwas bremste ihn. Seine Beine bewegten sich zäh und wackelig und mit jedem Schritt wurde ihm bewusster, dass er das Dunkel nicht überwinden konnte. Vor Joshuas Augen wurde es immer deutlicher, je näher er Josephine kam, dass es überhaupt nicht sie war, die auf ihn wartete sondern ein furchtbares Ungeheuer, von entsetzlicher Größe und Erscheinung. Es wuchs und wuchs und durchbohrte Joshua mit seinem stechenden Blick. Die brennenden Augen fest auf ihn gerichtet, näherte es sich ihm. Joshuas Beine waren erstarrt. Die mächtigen Krallen der Kreatur kamen näher und näher. Der Schlund des Ungetüms öffnete sich weit und barg unendliche Dunkelheit, so tief, dass kein Licht darin zu leuchten vermochte. Er konnte nicht weg. Der Schlund kam näher. Nichts anderes sah er mehr. Er spannte seinen ganzen Körper an, in der Hoffnung, dem entgehen zu können, zwecklos.
Ein Blitz. Er musste schreien.
Ein grelles Licht leuchtete ihm mitten in die Augen. Er atmete sehr schwer und zitterte am ganzen Körper, noch im Zustand, in dem er nicht klar erkennen konnte, was Traum war und was Realität. Zur Beruhigung schloss er die Augen wieder, sie offen zu halten, erforderte in Anbetracht der grell erleuchteten Welt um ihn herum zu viel Anstrengung. Der Schmerz in seinem Körper, der langsam wieder zu wüten begonnen hatte, war sehr wohl real. Zunächst bewegte er seine Hände. Das funktionierte, auch wenn plötzliche Schmerzen in beiden Schultern ihn erschreckten. An der linken spürte er noch immer die Schusswunde. Sie schmerzte jedoch nicht mehr so sehr. Er tastete voll Mühe mit seinem rechten Arm darüber und spürte einen Verband. Seine rechte Schulter fühlte sich geprellt an. Jetzt, da seine Gedanken wieder festere Konturen annahmen, erinnerte er sich wieder an das, was geschehen war. Er war geflohen, entkommen, hatte sich in Sicherheit gefühlt. Doch dann?! Was war dann passiert? Er versuchte sich krampfhaft zu erinnern --- doch nur ein Auto erschien ihm.
Gerade da vernahm er, dass die Tür zu dem Raum, in dem er sich befand, geöffnet wurde und jemand eintrat. Es war offensichtlich kein besonders großes Zimmer. Fürs Erste wollte er so tun, als wäre er noch ohnmächtig und abwarten. Ein Rascheln von Kleidung drang ganz aus der Nähe an sein Ohr. Offenbar hatte sich die Person über ihn gebeugt, den Geräuschen nach war es ganz offensichtlich ein Mann. Die Schritte waren schwer und polternd und er hörte dessen tiefen Atem. Dann erklangen wiederum Schritte – jedoch von weiter weg und schneller. Jemand lief in diese Richtung auf einem Flur. Abrupt stoppte die Person vor der Tür und öffnete sie ächzend. Er hörte jemand schwer atmen:
„Jack! Was machst du schon hier? Wir hatten klare Anweisungen, dass keiner zu ihm geht, bevor der General da ist. Das gilt auch für dich, Jack! Auch wenn du dir nicht so viel aus Anweisungen machst.“
Die Stimme klang jung und klar. Es war eine angenehme Männerstimme. Joshua ließ sich sogar dazu verleiten, sie ein wenig, und das intuitiv, sympathisch zu finden, selbst im Anbetracht seiner misslichen Lage.
„Ich hab nix angerührt, hörst du? Ich wollte ihn mir nur mal anschauen. Nur so.“
Die tiefe Stimme des Mannes, der zuerst in den Raum gekommen war, passte gut zu den Schritten, die Joshua gehört hatte. Sie klang rau, unsanft und grimmig.
„Komm jetzt, Jack! Wir wollen keinen Ärger. Du so wenig wie ich. Also lass uns hinüber gehen und warten!“ Jack brummte etwas und stapfte dann, offensichtlich sehr unerfreut, zurück zur Tür, die laut klickend ins Schloss fiel und den Raum in seine vorherige Stille tauchte. Joshua lauschte angestrengt, doch konnte er nichts anderes als die sich entfernenden Schritte auf dem Gang hören. Er wagte es jetzt, die Augen zu öffnen, die sich an das grelle Licht gewöhnt hatten. Es stammte von den vielen Leuchtdioden, die an der Decke in gleichmäßigen Abständen befestigt waren. Joshua setzte sich hastig auf und schaute an sich herab. Er hatte noch dieselbe Kleidung an und war nur an der Schulter verbunden worden. Nur seine Krawatte fand er nicht um seinen Hals gebunden wieder, jedoch auf dem Boden vor seinem Feldbett, das ihn sehr an ein provisorisches Lazarettlager erinnerte. Ein mulmiges Gefühl durchströmte seinen Bauch. Zögernd rutschte er auf die Füße und spürte den kalten Steinfußboden, hob die Krawatte auf und steckte sie in seine Hosentasche. Der Raum war sehr spärlich eingerichtet. Es gab zwei Schränke auf jeder Seite, einen kleinen Nachttisch neben dem Bett, das in der Mitte des kleinen Raumes stand. Die Wände waren vollkommen kahl und weiß. Jetzt verfluchte er es, dass er seine Schuhe ausgezogen hatte.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein Mann trat ein. Joshua erschrak, mit einer Mischung aus der Freude, wenigstens ein bekanntes Gesicht zu sehen und der gleichzeitigen Sorge, aufgrund der Person, der das Gesicht gehörte.
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