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Kitabı oku: «Homchen», sayfa 5

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Die Schildkröte zog ihren Kopf und ihre Füße ein und versank lautlos in die Tiefe.

Homchen mußte sich bald wieder besinnen. Denn das Ungetüm drehte sich langsam unter ihm hin und her, und es mußte auf seinem Rücken hinklettern, um nicht ins Wasser getaucht zu werden. Und nun wurde es wenigstens von einer großen Furcht befreit. Bei dem Hin- und Herkriechen bemerkte es, daß dieses Ungetüm nichts andres war als ein abgestorbener großer Baumstamm mit zackigen Ästen, den der Fluß mit sich führte. Von ihm hatte es nichts zu befürchten.

Aber um so schlimmer war nun die andre Sorge. Wie sollte es an das andere Ufer gelangen? Unaufhaltsam rückte der Stamm flußab. Noch sah es das Ufer nicht weit von seiner Linken, aber der Stamm näherte sich ihm nicht. Und jetzt trat auch das Ufer zurück. Homchen kletterte auf einen der in die Höhe ragende Äste, um Umschau zu halten. Aber nur wenige Augenblicke blieb es in der Höhe. Denn unter seiner Last drehte sich der Ast mit dem ganzen Stamme, und es mußte schnell wieder nach dem Stamme zurück. Doch der Stamm hatte dadurch eine ruhigere Lage angenommen, und nun konnte es wenigstens ein Weilchen in einer Höhlung still sitzen und überlegen.

Oben von der Höhe hatte es gesehen, daß sich vor ihm das Meer unermeßlich ausdehnte. Im Schimmer der roten Wolke und des jetzt aufgehenden Mondes funkelten die Wellen in rotem Golde. Homchen aber schwamm hinaus — verloren — unrettbar — —

Über den Tieren

Wo hinaus? Wo hatte das Meer ein Ende? Konnte Homchen bis dorthin auf seinem Baumstamm treiben?

Aber das war ja nicht möglich — etwas anderes fiel ihm ein — wenn es hinauskam ins Meer, da schwammen die gewaltigen Meerechsen, da lauerte der furchtbare Hai — —

Und nun duckte sich Homchen zusammen in die Höhlung des Stammes und wagte nicht hinauszuschauen — hier saß es zitternd.

Homchen, das den Hohlschwanz tötete, das die Riesenseeschlange gefressen haben sollte — — Nein, nein, daran war es unschuldig, dessen hatte es sich nicht gerühmt, das hatten ihm die Tiere nur angedichtet — Aber wenn es sich nicht des Sieges über den Hohlschwanz gerühmt hätte, dann wäre ihm auch der falsche Ruhm nicht geworden. Hatte es sich nicht überhoben, sich gebläht im Selbstvertrauen? Zürnte ihm darum die rote Schlange? Wage zu denken, glaube an dich selbst! Wenn es nun falsch gedacht hatte, wenn es nun ebenso im Irrtum war wie die andern Tiere? Nein, die Zierschnäbel konnten nicht recht haben, aber vielleicht hatte es selbst auch nicht recht — was hatte es dann getan!

Welch fürchterliche Verantwortung hatte es auf sich geladen, indem es den Zorn der Echsen reizte!

»O meine armen Eltern, meine Brüder im Walde! Erst mußten sie den Schmerz erleiden, daß der Wald mich bannte, daß ich sie nicht sehen darf. Und nun werden die bösen Echsen kommen mit ihrer Riesenkraft, sie werden den Wald niederreißen, sie werden die Säuger alle aus ihren Nestern treiben und sie vernichten. Das Verderben wird hereinbrechen über die Tiere des Waldes durch meine Schuld! Durch meinen Frevel!«

So klagte Homchen in tiefer Reue.

Wenn es von der roten Schlange erfahren hätte, wie die Säuger zu befreien seien, dann wollte es zu ihnen eilen und ihnen die rettende Botschaft bringen. Dann würde man es mit Freuden wieder aufnehmen und den Bann lösen, und die Freunde würden es als Retter preisen. Und nun trieb es hinaus in den Schlund des Meeres, in den Rachen des Hais! Wie sollte es Botschaft senden von der furchtbaren Gefahr, die den Seinigen drohte? Wohl, sie hatten Homchen gebannt, aber trotzdem mußte es sie warnen. Wenn sie nicht anders zu retten waren, so konnten sie doch rechtzeitig flüchten. Aber hier gab es keine Boten.

Vertraue dir selbst — sich selbst, dem kleinen Homchen? Ja, wenn es das getan und nur dabei an sich gedacht hätte, das wäre wohl Überhebung gewesen. Aber so war es ja gar nicht gemeint. Nur der Stimme hatte es geglaubt, die in ihm sprach. Und diese war nicht die eigne Stimme, es war die Stimme der roten Schlange, die Stimme, die nicht aus ihm allein sprach, sondern aus alledem, was mit ihm zusammen war, sein Geschlecht, der Wald, die Säuger rings um ihre Not, die Sonne, die Wärme, die Sehnsucht — —

Aber das Meer? War das Meer feindlich?

Was hatte die Schildkröte gesagt? Das Meer will Gehorsam, das Meer ist Eines. Es will nicht Klugheit, es will Gehorsam.

Aber das Land? Das Land war Vieles. Wem sollte man gehorchen? Schwebte nicht die rote Schlange über dem Lande? Und dann — ja, das war‘s! Das war‘s. Das Land war Vieles, und nur dem Einen konnte man gehorchen, und so mußte das Land Eines werden. Das Viele zum Einen machen! Das ist es, was wir müssen. Alles zusammenfassen, zusammenpassen. Das aber ist Denken, das ist klug sein! Klug sein müssen wir, damit wir wissen, wem wir gehorchen, damit wir Eines werden, wir alle am Lande, die uns widerstreben. Eines muß sein, in uns, das wir suchen sollen, und der Weg es zu suchen, das ist unser Nachdenken, und indem wir es alle suchen, sind wir Eines, und dieses Eine ist das Gesetz der roten Schlange.

Und wodurch allein kann das Eine in mir offenbar werden? Indem ich selbst in dem Einen bin, erkenn‘ ich‘s in mir selbst. Ich überhebe mich nicht, ich erkenne nur in mir selbst, was in allen ist, und in mir kann ich‘s erkennen. Dem will ich treu sein. Ein jeder in sich, aber für alle. Was in mir spricht, daß ich‘s versteh‘ und glaube, das muß es sein, was die rote Schlange in mir will. Das will sie mir sagen.

Und wenn ich so denken mußte, wie ich tat, daß ich den Hohlschwanz schlug, daß ich gebannt wurde, daß ich die Echsen belauschte, daß ich den Weg fand zur roten Schlange, so war‘s, damit ich das Eine fände, dem wir gehorchen sollen. Und wenn die Schildkröte mich verließ und der Baumstamm mich ins Meer führt und der Hai mich verschlingt und die Meinen vernichtet werden, so wird es doch der rechte Weg sein, damit das Eine werde. Vertraue dir selbst, und wenn das kleine Homchen vergeht, so wird das große Eine dadurch gefunden; und dann wird sich‘s zeigen, was gut ist.

Ganz groß waren Homchens Augen geworden; es sah nichts um sich her, es wußte nichts vom rauschenden Wasser, das den Baumstamm stärker und stärker schaukelte. Es war nicht mehr Homchen. In ihm lallte die Stimme des Ewigen, die Stimme, die in nachkommenden Geschlechtern sprechen sollte, bis sie einst das Wort finden würden für das, was Homchen jetzt nur das Eine nannte, was als die rote Schlange ihm auf dem Weg zu geahntem Ziele leuchtete.

Aus den schimmernden Sternen strahlte es, es,rauschte aus dem wogenden Meere, es dampfte im Glutstrom des Vulkans und es bebte im arbeitenden Hirn des kleinen Ahnen der Menschheit, noch eine Zauberformel, aber wirkend im Seelendunkel — die Idee!

Nun spritzte Wasser in Homchens Höhlung, und es fuhr empor aus seiner Entzückung, aber es ängstigte sich nicht mehr. Es kletterte am Aste empor, wie sehr der auch schwankte. Und, o Himmel, was sah es da? Der Baumstamm trieb rückwärts, vom Meere fort. Nahe vor ihm lag das waldige Ufer, die rote Wolke schwebte jetzt zu seiner Rechten.

Die Flut war gekommen.

Immer näher rückte das Ufer. Schnell war die Strömung; wenn der Stamm so fortschoß, so warf ihn die Woge gegen den Strand und Homchen mochte zerschellt werden. Aber Homchen war wieder voll Mut. Es kletterte und sprang kühn von Ast zu Ast, wie es das Gleichgewicht des treibenden Stammes erforderte, und nun, nun paßte es den Augenblick ab — auf dem ragenden Ast kauernd ward es in den weißen Schaum hinausgetrieben, der am Ufer aufspritzte, da schnellte es sich kräftig hinaus gegen den hohen Baum der jetzt ganz im Wasser stand und einen Ast weit hervorstreckte, und seine Krallen faßten den Ast, — da saß es, zitternd von Anstrengung und Freude — es war gerettet.

Und nun schnell weiter hinauf in den Wald, so müde es auch war. Von Ast zu Ast durch die Bäume, unbekümmert um die Stimmen der Tiere, bis der Wald lichter wurde. Da verkroch es sich in ein leeres Astloch, gerade als die erste Dämmerung sich verriet, und entschlief.

Als Homchen erwachte, war es lichter, warmer Tag. Es suchte sich eilends ein Frühstück und sprang dann hinauf durch den Wald, dessen Bäume immer weiter auseinander rückten. Steil stieg der Berg in die Höhe. Und nun kam ein kahles Trümmerfeld. Von dem weißen Berge konnte Homchen nichts sehen, nur eine schwache weiße Wolke hoch oben verriet ihm die Stelle. Und in dieser Richtung kletterte es unermüdlich bergan. Jetzt ging es wieder über Grashügel.

Es war seltsam. Wenn es daheim die Grashügel hinaufsprang, so dauerte es nicht lange und der Hügel senkte sich wieder herab. Auch hier kam wohl einmal eine kurze Senkung, dann aber ging‘s immer wieder hinauf und weiter hinauf, und kürzer wurde das Gras und heißer schien die Sonne. Die brannte auf das Fellchen. Hin und wieder kam noch ein dürftiger Waldstreifen, da erholte sich Homchen im Schatten. Nun schaute es wieder vor sich einen weiten, weiten Abhang, der schien gar kein Ende zu haben. Aber an dem Abhang rannen kleine Wässerchen herab, und da sah es noch etwas Seltsames, das war ihm noch nicht vorgekommen. Waren das Käfer die dort saßen? Doch sie saßen so still. Und Homchen sprang näher hinzu.

Da waren kleine blaue Sternchen, die hatten in der Mitte ein schönes gelbes Auge, mit dem sahen sie Homchen verwundert an und wiegten sich hin und her, aber flogen nicht fort. Und Homchen sah jetzt, daß sie an Stielen saßen, die am Boden wurzelten, gerade wie das Gras, und daß sie sich hin und her wiegten; das machte der Wind. Hatte das Gras hier Augen? Und da waren andere, die glänzten rosig und rot und wehten wie mit feinen Bärten.

Und wieder andere, weiße, die hatten gar ein Pelzchen über ihre Blätter gezogen, damit sie nicht froren. Denn kalt war‘s freilich hier an den Stellen hinter den Felsblöcken, wo die Sonne gerade nicht hinschien.

Vorsichtig schlüpfte Homchen weiter bergan, denn es wollte die Augen der Wiese nicht zertreten. Und zwischen den Augen summte es leise; das waren aber nicht Käfer oder Fliegen, wie Homchen sie gut kannte; wenn sie auch ähnlich aussahen, so waren sie doch feiner. Die schwebten um die Augen, und in manche krochen sie sogar hinein, und dann kamen sie heraus und ihre Beinchen waren mit gelbem Staub bedeckt; so flogen sie wieder in ein anderes Auge, das nickte ihnen freundlich zu, als wollte es sagen: Komm nur, komm zu mir!

Was war das aber da drüben? Da hatten sich ja die Augen von den Stielen gelöst und flatterten frei in der Luft umher! Und wie schön und groß waren die fliegenden Augen — gelb und blau und rot mit zierlichen schwarzen Zeichnungen, noch schöner schillernd als die glänzenden Panzer der kleinen Echsen —

Im Uferschatten kauerte Homchen sich nieder und trank von dem klaren, kalten Wasser. Und dann fragte es leise:

»Wer seid ihr denn, ihr schönen Augen, was tut ihr hier?«

Die Augen antworteten nicht. Sie blickten nur immer empor nach der goldenen Sonne und nickten leicht, und Homchen verstand wohl, das hieß: Wir sind zufrieden.

Aber die Boten, die zwischen den Wiesenaugen flogen, summten um Hörnchen und sangen vernehmlich:

»Wir summen und saugen

An Blumenaugen,

Wir suchen den Honig, den süßen Raub.

Wir holen und bringen

Auf duftenden Schwingen

Von Blüte zu Blüte den segnenden Staub.«

Und eine große, dicke Hummel, die auch ein Pelzchen anhatte und gelbe Höschen von Blütenstaub, setzte sich gerade vor Hörnchen hin und sagte behaglich:

»Wo kommst du denn her, du großes Pelztier, daß du uns nicht kennst? Weißt du nicht, was die Blumen sind? Wie groß müssen die bei euch sein, wenn so ein Riese, wie du, hineinkriechen soll?«

»Blütenstaub, den kenn‘ ich wohl, von den Weidenkätzchen fliegt er im Winde. Aber die lieben, kleinen, bunten Blumen hab‘ ich noch nicht gesehn. Was tun die hier?«

»Honig tragen sie, der uns gut schmeckt. Und damit wir immer Honig haben und immer leichter die süße Pforte finden, so tragen wir ihnen zu Gefallen den Blütenstaub von einer zur andern, denn dann werden sie immer schöner und bunter, die Blumen.«

»Und was tun sie selbst, die Blumen?«

»Schön sein und süß sein.«

»Und weiter nichts?«

»Ist das nicht genug? In die goldene Sonne schauen sie, da werden sie schön und süß.«

»Und die Blumen, die dort herumfliegen, das sind doch die schönsten. Die haben wohl den süßesten Honig?

»Die? O du törichtes Pelzriesentier! Das sind ja Schmetterlinge, die gehen uns nichts an. Das sind Nichtstuer.«

»Das sind keine Blumen? Aber was seid denn ihr?«

»Vergnügt und fleißig.«

»Und die Schmetterlinge?«

»Vergnügt und verliebt.«

»Da habt ihr hier keine Sorgen? Fürchtet ihr euch nicht vor den Echsen?«

»Echsen? Was ist das?«

»Ihr kennt die Echsen nicht? Oh, so könnt ihr freilich vergnügt sein. Das sind die bösesten Tiere und die stärksten. Aber —«

»Was ist böse?«

»Das weißt du nicht? Böse ist, wer gegen das Gesetz handelt von Meer und Moor, von Wald und Berg, von Echsen und Säugern, das die rote Schlange gegeben hat.«

»Das versteh‘ ich nicht. Was ist Gesetz? Wer ist die rote Schlange?«

»Du kennst die rote Schlange nicht? Du weißt nicht, was böse ist? Und doch lebt ihr, und seid froh und vergnügt, und eßt süßen Honig, und fürchtet nichts, und alles ist schön um euch, und tausend Wiesenaugen lachen euch an? Das versteh‘ ich nicht. So denkt ihr wohl auch nicht nach?«

»Ich glaube nicht, denn ich weiß wenigstens nicht, was das ist. Wenn die Sonne scheint, so blühen und duften die Blumen, und der Honig fließt, und die Immen summen. Und wenn sie nicht scheint, so sitzt man im Dunkeln und schläft, da fühlt man nichts, da weiß man nichts. Man ist froh, oder man ist überhaupt nicht. Was soll es da noch weiter geben? Aber jetzt scheint die Sonne, da muß ich summen. Ade, ade, ade!«

Die Hummel flog fort. Die Blumen dufteten und leuchteten, und Frieden lag über den Höhen im klaren Sonnenschein, und der Wind wehte sanft um die summende, flatternde Welt. Homchen blieb still sitzen, es wußte nicht, was es denken sollte. Und während es so vor sich auf den Boden starrte, sah es etwas Längliches, Braunes daliegen, als ob‘s irgendeine Frucht sei. Aber auf einmal schien es sich zu bewegen. An dem einen Ende zeigte sich eine Öffnung, und es kam etwas herausgekrochen, ein kleines längliches Tier. Das blieb eine Weile still sitzen. Dann rollte sich ihm an den Seiten etwas auseinander, zwei bunte, schimmernde Flügel, die breiteten sich aus. Und nicht lange dauerte es, da bewegte es die Flügel hin und her, und auf einmal flog es in die Luft als ein leuchtender Schmetterling und setzte sich oben auf einen Felsblock in die strahlende Sonne.

Es war Homchen, als müßte es dem Schmetterling noch länger zusehen, und so kletterte es auch auf den Felsen. Aber als es hinauf kam, war der Schmetterling schon fortgeflogen. Nun sah es jedoch, daß hinter dem Felsen wieder andre Felsen aufstiegen, und daß es hier viel schneller in die Höhe käme, als wenn es auf der Wiese fortliefe. Und so kletterte es immer weiter und wußte kaum, was es tat. Es war in ihm wie ein leises Klingen, das es noch nie vernommen. Es hatte den Wald vergessen und das Moor, es wußte nichts mehr von rasselnden Drachen und vom grausigen Hai und nichts von den Reden der Zierschnäbel und von den klugen Gedanken des Igels. Und auf einmal merkte es, daß es hier nicht weiter in die Höhe ging. Da blickte es sich um.

Es erschrak. Es war ihm, als wenn es herabstürzen müßte, und es klammerte sich fest. Und doch hatte es keine Furcht. War denn das die Welt, was es da sah? Und war es denn ganz allein in der Welt? Da war kein Gras und keine Blume mehr, keine Imme und kein Tier, und kein Laut ringsum. Aber unter ihm, tief unten lagen grüne Wiesen und dunkle Wälder und dahinter der Himmel — alles Himmel — nein, das war das Meer und der Himmel, die zusammenflössen in eine kristallene Wölbung.

Es drehte sich weiter zur Seite — da blendete ein Glanz seine Augen, daß sie sich eng zusammenzogen, und dann kam es über Homchen, als wollte über ihm der Himmel einstürzen, und es duckte sich, und es schien ihm, als wäre es ganz, ganz klein wie eine Emse, und wuchs doch wieder, als wäre es ganz, ganz riesengroß wie der Himmel, und die Sonne war sein Auge, mit dem strahlte es über die Welt — Und so klein und groß, ein Nichts und ein All, bebte es in einem Schauer, den es nicht verstand.

Vor ihm senkte sich ein Absturz, dann aber türmten sich neue Berge, und darüber, jetzt ganz nahe, stieg es immer höher und höher, bis man kaum glauben mochte, daß dort noch etwas sein könne, in glänzender Weiße in die blaue Luft. Und daraus strömte hoch oben eine graue Säule und darüber breitete sich die weiße Wolke —

In seliger Angst drückte sich Homchen zwischen die Steine — es wagte nicht aufzuschauen und mußte doch wieder den Blick bewundernd erheben zu dem, was es nicht begriff —

Es war bei der roten Schlange.

Die rote Schlange

Und das Große wird klein und das Kleine wird groß!

Ja, nun wußte es, wie das ist.

Vor der Wohnung der roten Schlange saß es, wie klein war es da! So verschwindend, so ohnmächtig. Wohin war der Mut, mit dem es den Hohlschwanz schlug? Die Säuger wollte es von der Herrschaft der Echsen erlösen. Verstehen wollt‘ es den Weg, den die rote Schlange allein kennt, den Weg, wie man klug wird und mächtig über die Welt. Und diese Welt war so groß, so riesengroß — hier sah es zum ersten Male, wie groß sie war — und Homchen war so klein.

Aber war es denn nicht seine Welt? War es nicht durch die Wälder gesprungen, durch Fluß und Meer geschwommen, über die Wiesen gerannt, über die Felsen geklettert, und leuchtete nicht ihm das weiße Riesendach der roten Schlange hernieder, strahlte nicht ihm das weite Meer entgegen, sprach nicht in ihm mit dem Wallen der weißen Wolke die rote Schlange selbst? Saß es nicht hier durch die Kraft seines Willens, hoch über Meer und Land, über Pflanzen und Tieren, einsam auf ragendem Fels? Stiegen nicht seine Taten in ihm auf als das Eine, das ihm gemeinsam war mit dem übergroßen, gewaltigen Willen der roten Schlange? Wohl war es klein gegen die rote Schlange, aber ihre Größe gehörte ihm zu, sie war auch in ihm, dem Kleinen, und so war es groß und mächtig.

Aber wie kam es nur, so nahe der roten Schlange blühten die schönen Blumen, summten die heitern Immen, und wußten doch nichts von ihr? Kannten sie nicht? Und waren glücklich und froh. Und Homchen, das sie kannte, das zu ihr betete, schwankte so oft in Zweifeln, lebte zwischen Freude und Not, zwischen Hoffnung und Furcht. Sie dachten nicht, so fürchteten sie nichts. War es nicht ein Glück, nichts zu denken?

»O rote Schlange, bist du‘s, die hinter der heißen Wolke wohnt, so gib mir ein Zeichen!«

Homchen spähte und lauschte angstvoll.

Nichts rährte sich.

»Ich bin wohl noch nicht würdig«, seufzte Homchen, »dich zu sehen. Aber doch weiß ich‘s, du bist in mir, du zeigst mir meinen Weg.«

Da dröhnte es dumpf — Homchen schrak zusammen. War das Donner? Nein, es klang aus der Erde. Es dröhnte wieder — und nun — was war das? Nun stürzte Homchen wirklich hinab? Es erhielt einen Stoß, daß es sich an den Stein klammerte. Aber die Steine wankten selbst, der ganze Berg zitterte, und Steine und Felsblöeke lösten sich und rollten zu Tale. Nur einen kurzen Augenblick dauerte die Erschütterung. Dann war‘s wieder still. Ein Glück, daß Homchen hier oben saß, hier konnte wenigstens kein Stein es treffen; der Boden unter ihm hatte wohl geschwankt, aber er war fest geblieben.

Leicht mögt ihr vertrauen, die ihr am breiten, sonnigen Grashang wohnt und Honig schlürft am klaren Tag und die Echsen nicht kennt und ruhig schlaft, wenn die Sonne vergeht, um wieder zu wachen, wenn sie wärmt; wohl mögt ihr vertrauen im festgesponnenen Hause, die ihr mit den bunten Falterflügeln ausschlüpft zum schimmernden Sonnenreigen.

Auch wir müssen vertrauen, die wir zur Höhe klettern, denen die rote Schlange die Sehnsucht gab nach dem andern, das noch nicht ist; auch wir vertrauen, daß sie uns den Weg zeigt. Aber sie gab uns noch mehr. Sie gab uns die Feinde, die im Moore lauern, und sie gab uns den Mut und den raschen Sprung und die scharfen Zähne, daß wir uns wehren. Und wenn wir ruhen wollen in Muße und Trägheit, so gab es uns die Gefahr, daß wir wach werden und klug; gab uns Verstand, daß wir die Welt umfassen, damit wir helfen, daß das komme, was noch nicht ist. Und wenn wir‘s errangen, zu sitzen auf der Höhe vor ihrer Wohnung und anzubeten ihre Herrlichkeit, so schüttert sie die Berge zu unsern Füßen, daß wir nicht müßig werden vor ihrer Große.

So dachte Homchen, als der Erdstoß vorüber war, und kletterte die Abhänge hinab und an der andern Seite wieder hinauf und immer weiter an glatten Felsen hin, über die es nur selten hinweg zu klimmen vermochte, über Steine, die ihm die Füße wund stießen. Und dann stand es an einer hohen, weißen Mauer, die oben überhing, so daß es nicht hinüberkonnte. Und wieder lief es an ihr entlang, bis dahin, wo sich ein Felsband hinzog, an dem der weiße Sand sich flach anschmiegte.

Und nun wollte es hinan auf die Höhe zur heißen Wolke.

Aber als es in den weißen Sand hineinsprang, da sank es tief hinein, daß es kaum mit dem Köpfchen hervorragte. Und es wühlte, und arbeitete darin mit den Füßen, aber es konnte keinen Grund fassen und kam nicht weiter. Ach, wie kalt war der Sand! Trotz seines warmen Pelzchens fühlte es, wie die Kälte immer tiefer drang. Und wie merkwürdig! Dort, wo Homchen ruhte, da wurde der Sand naß, ganz naß und schwer, und da fror es erst recht. Solch einen Sand hatte es noch nicht gesehen.

Hier konnte es nicht weiter. Es arbeitete sich rückwärts, und das ging leichter, denn es rutschte von selbst hinab. Und nun saß es wieder auf den Steinen.

Hinauf konnte es nicht, aber hier konnte es auch nicht bleiben. Es mußte bald daran denken, sich Nahrung zu suchen. So schlich es mühsam weiter und klomm endlich einen Steinhügel hinan um Umschau zu halten, was es weiter beginnen könne. Jetzt war es oben.

Aber was war denn das, was es da unten sah?

Ein breiter Talkessel. Der steile Geröllabhang ging bald in eine hier und da mit Graswuchs bedeckte Senkung über, weiter unten aber am Talboden wuchs nichts. Gelblich glitzerte es in Flecken und Streifen. Dazwischen zogen sich seltsame Spalten hin. Und an einigen Stellen stiegen aus diesen Spalten kleine weiße Wölkchen auf.

Ging das hier zur heißen Wolke?

Homchen spürte mit der Nase in die Luft. Es lag darin wie ein unangenehmer, beizender Geruch. Und wenn es sich dicht auf den Boden legte, so fühlte es, daß es wie ein leises, unaufhörliches Zittern durch die Erde ging.

Ob es sich hier hinab getraute?

Schon wollte es nach einer der Grasflecken hinabsteigen, da sah es, daß sich dort in der Nähe etwas bewegte. Ein langes, rotbraun schimmerndes Tier mit einer schleimigen Haut wand sich zwischen den Steinen hin. Jetzt begann Homchen in Furcht zu zittern. Hatte man doch gesagt, hinter der heißen Wolke wohnt die rote Schlange. Und das war wirklich eine Schlange. Und diesmal sprach nichts zu Homchen, war hier das ersehnte Ziel? Nahte ihm die rote Schlange? Oder war hier eine Gefahr? Sollte es fliehen? Die Schlange war noch fern. Es war wohl noch Zeit zur Flucht. Aber wenn es doch die rote Schlange war?

Während es so zögerte, vernahm es plötzlich ein donnerndes Getöse hinter sich. Und als es zu dem weißen Berge erschrocken hinüberblickte, sah es, daß dort eine hohe Wolke des weißen Sandes aufwirbelte und ein breiter Strom dieses Sandes den Berg herabstürzte. Immer gewaltiger wuchs die gleitende Masse an, und nun erreichte sie das Ende des weißen Abhangs und stürzte über das steile Felsenband herab, über das Homchen gekommen war. Mit Donnerkrachen sauste sie über die Steine, nach allen Seiten stäubten die weißen Massen empor, und als die Staubwolke sich gelegt hatte, sah Homchen, daß die ganze Rückseite des Hügels jetzt von der herabgestürzten Masse bedeckt war. Dort konnte es nicht mehr hinüber, es wußte ja, daß es durch den kalten Sand nicht hindurchzudringen vermochte. Der Rückweg, die Flucht war ihm abgeschnitten. Wollte das die rote Schlange? Was wäre ihm geschehen, wenn der Sturz früher erfolgt wäre, ehe es den emporragenden Hügel gewonnen hatte?

In ratloser Scheu sah es sich nun wieder um, was aus der Schlange geworden sei. Sie war ihm, den Berg herauf kriechend, bedeutend näher gekommen. Mit starren Blicken folgte Homchen ihren Bewegungen, die auf eine der grasbewachsenen Stellen gerichtet waren. Und nun erblickte dort Homchen ein zweites Tier. Es war eine große Kröte mit weit vorstehenden Augen und breitem Maule; sie war nicht viel kleiner als Homchen selbst. Sie saß am Rande des Grasflecks und hatte die Schlange noch gar nicht entdeckt. Wo blickte sie denn hin? Es mußte dort hinter den Steinen noch etwas sein, was Homchen nicht sehen konnte.

Und nun fuhr die Schlange mit geöffnetem Rachen auf die Kröte zu, die jetzt erst die Gefahr bemerkte. Es war zu spät. Schon hatte die Schlange sie an einem Bein gepackt, nun umschlang sie das Tier mit den Windungen ihres Körpers. Homchen stieß einen Schrei des Schreckens aus. Das konnte die rote Schlange nicht sein, die sich anschickte, die Riesenkröte langsam zu verschlingen.

Aber da kam erst das Schlimmste. Hinter den Steinen kroch eine zweite Schlange hervor. Sie war es offenbar gewesen, nach der die Kröte hingestarrt hatte. Die merkte nun, daß ihr die Beute entgangen war; aber zugleich hatte sie auch ihrerseits Homchen erspäht, das oben auf den Steinen ängstlich hin und her lief. Es dachte noch an Flucht, aber der Felskamm, der das dampfende Schlangental von dem Lawinenfeld schied, war von breiten, senkrechten Spalten zersetzt, über die Homchen nicht hinweg konnte. Es mußte hier oben bleiben. Und die Schlange kroch den Berg herauf. Sie kam ihm näher und näher.

Da erhob sich wieder ein tiefes Rollen, diesmal aus der Erde, und der Berg schwankte wieder unter Homchens Füßen, einzelne Steine lösten sich und sprangen in schnellen Sätzen, auf den Boden aufschlagend, den Berg hinab — Homchen blickte ihnen nach, es sah, wie einer der Steine unten auf die schlingende Schlange traf, wie sie zusammenzuckte, ein zweiter Stein folgte und schmetterte auf den Kopf der Schlange nieder — und sie rührte sich nicht mehr.

Da durchzuckte es Homchen wie ein Blitz. Es tauchte etwas Neues, ganz Neues in seinem Kopfe auf, eine dunkle Vorstellung, daß das noch nie in der Welt gewesen sei, was es jetzt dachte — es wußte eigentlich nicht, was es sei. Es dachte jetzt nur, daß fallende Steine Schlangen zerschmettern, und wie die eine Schlange, so konnten sie auch die andre treffen. Die andre, die schon ganz nahe heran war, die schon den Kopf aufrichtete und den glatten Körper zusammenzog — und es betete nur: Rote Schlange, triff auch diese —

Und doch schien ihm das wieder unverständlich — Schlange sollte die Schlange treffen — wie sollte das sein — war nicht die rote Schlange in ihm selbst — das wußte es doch jetzt — in ihm selbst — das ging alles blitzschnell durch Homchens Gehirn — da hatte es den nächsten Stein, so groß seine Tatze ihn fassen konnte, emporgehoben und gegen die Schlange geschleudert — Und der Stein traf den Körper der Schlange und verwundete ihn — die Haut war glatt und ohne Schuppen — und die Schlange stutzte und schnappte nach einem scheinbar von hinten kommenden Feinde. Das benutzte das gewandte Homchen; im Mute der Verzweiflung schleuderte es Stein auf Stein nach der überraschten Schlange, bis der eine in ihren geöffneten Rachen flog und die Schlange niederstürzte —

Und die Erde bebte, der Donner rollte, aus dem Gipfel des Berges brach eine rote Feuersäule, und unten im Tal öffnete sich breit eine Spalte, daraus quoll es feurig rot, eine glühende flüssige Masse, Dämpfe stiegen auf — — Immer dunkler wurde der Himmel, immer heißer stieg es herauf aus dem Tale — War es der Atem der roten Schlange, den sie im Zorn oder im Tode ausstieß beim Zucken der Erde? — Ging die Welt zu Grunde —?

Homchen hatte die rote Schlange erschlagen —

Ja es hatte sie erschlagen, eine Welt ging zu Grunde — aber eine neue Welt war erstanden —

Es war etwas geschehen, das noch nie gewesen war — nicht mit den Zähnen, nicht mit den Krallen, nicht mit des eignen Körpers Gliedern war der Feind bezwungen — hingestreckt lag er, besiegt durch den geschleuderten Stein — durch die erste Waffe.

Und über den kleinen Erfinder brach die Rache der zerschmetterten Welt herein — Rache dafür, daß der rohen Kraft ein bisher unbekannter Gegner erstehen sollte — ein siegreicher Gegner im Gedanken.

Vom verdunkelten Himmel zuckten Blitze, ein Aschenregen senkte sich nieder. Unter dem Felsvorsprung geduckt kämpfte Hörnchen mit der Not des Atems — seine Sinne verwirrten sich —

Was war es, das Glänzende mit dem wehenden Schweif, das an ihm vorüberflog? Was waren das für seltsame, singende Töne? Oder war es nur ein Traum?

Weiter donnerte es vom Berge, heiß wehte es vom Tale — regungslos lag Hörnchen im Aufruhr der Elemente.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
170 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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