Читайте только на Литрес

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Homchen», sayfa 4

Yazı tipi:

Auf dem Wege zur roten Schlange

Leise war es am Waldsaum hingehuscht durchs hohe Gras, vorsichtig die Leiber der schlafenden Drachen meidend, unfern dem Ufer des Moors nach Süden hin, immer nach Süden. Dort in der Ferne sollen Berge ragen, dort soll die heiße Wolke weilen, und hinter der heißen Wolke die rote Schlange. Vielleicht wohnt sie dort, vielleicht? Niemand weiß es. Aber wo sonst sie suchen? Und Homchen suchte die rote Schlange.

Zum Glück zeigte sich jetzt nichts mehr von der Nähe des Drachenmoors. Längst liegt der Heimatwald hinter Homchen. Die Schlucht ist passiert, die in den Wald von den Hügeln her einschneidet. Dann das Stück der Steppe, wo der Wald endet, von dem die Beutler überhaupt nichts wußten. Und nun hatte ein neuer Wald begonnen, ein ganz fremder Wald. Westlich davon erstreckt sich unabsehbar die Steppe. Aber Homchen hält sich im Walde. Denn zwischen den Ästen weiß es zu springen. Nur zweimal hatte es einige Stunden am Tage geruht. In der Nacht ist es sicher, da kommt es schnell vorwärts. Schon die dritte Nacht! Und in seinem Laufe denkt es zurück an den Anfang der Wanderung.

Welch eine Nacht war das, entlang am Drachenmoor! Was mußte es hören, als es sich duckte und verkroch im Grase und doch beinahe entdeckt worden wäre von den Echsen, die Nahrung für die Zierschnäbel suchten.

So also sahen die Zierschnäbel aus, von denen es bisher nur gehört hatte. Von Süden waren sie gekommen. Sie allein wußten ja, wo die rote Schlange wohnt — also wohl im Süden. Aber niemand sollte es wissen, niemand sollte zu ihr als die Zierschnäbel. Sie sollte gar nicht wohnen auf dieser Erde? Wie aber kamen denn die Zierschnäbel zu ihr? — Und wieder überkam Homchen das seltsame Gefühl, das es nun so oft beschlich, das die andern nicht verstanden — — —

Die Zierschnäbel wußten ganz genau, was die rote Schlange geboten hat. Und doch wußte Homchen es auch ganz genau, daß die Echsen nicht immer herrschen sollten; aber die Zierschnäbel sagten das Gegenteil. Freilich, die Zierschnäbel hatten mit der Schlange selbst gesprochen, und Homchen wußte nicht einmal wo sie wohnt. Wer hatte nun recht? Wenn sein Tun doch Sünde wäre?

In solchen Zweifeln schwang sich der junge Kala von Ast zu Ast, nach Süden zu, immer nach Süden. Dort mußte die Wahrheit zu finden sein.

Endlich wurde der Wald lichter, es war schwieriger von Baum zu Baum zu springen, und jetzt schien er ganz zu Ende zu gehen. Und zur Linken sah Homchen den Himmel sich röten. Der Morgen kündete sich an. Es war müde, sehr müde und hungrig. Es spähte nach Früchten aus, doch die schien es hier nicht zu geben, und für Insekten war es noch zu früh am Tage. Auf einer Araukarie fand es ein Plätzchen zum Ruhen. Hier wollte es ein wenig schlafen. Es kauerte sich zusammen.

Lange mochte Homchen nicht geschlafen haben, da erwachte es, weil ihm sein Fellchen so warm wurde. Es riß die Äuglein auf, aber es mußte sie sogleich wieder schließen. Die helle Sonne schien ihm gerade auf den Kopf.

Es kroch in die Schatten. Wie die Sonne brannte, so grell, so klar! Ganz anders als am Waldrand daheim, wo die Nebel am Flusse im Morgenwind hinjagen. Die Sonne! Merkwürdig. Wie konnte eigentlich die Sonne scheinen? Die Zierschnäbel hatten doch gesagt, die Sonne sei ein Ei, das die rote Schlange in den Tag gelegt habe, und aus dem Ei seien die Echsen gekommen, aus seiner Schale aber wurden das Meer und das Moor und der Schlamm und das helle Ufer. Wenn also die Schale fort war und das Ei, wie konnte dann die Sonne noch am Himmel stehn? Das war doch nicht möglich. Wie konnten nur die Echsen so dumm sein, das zu glauben?

Oder legte vielleicht die rote Schlange jeden Tag ein neues Ei? Wo kämen dann die alten hin? Es entstehen doch nicht jeden Tag neue Meere und Ufer? Und es heißt doch auch nur, sie legt ein Ei, das nannte sie Sonne? Da war nun etwas, worin die Zierschnäbel sicher nicht die Wahrheit sagten. Ob sie das wirklich von der roten Schlange hatten? Und wenn nicht, dann —

Wie ein unvermuteter Schlag durchzuckte es Homchen. Wenn die Zierschnäbel in der einen Lehre sich irrten, konnten sie nicht auch in der ändern sich irren? Und wenn das war, so konnte die Lehre gar nicht von der roten Schlange kommen. So sprach die rote Schlange zu ihnen wohl nicht anders, als sie auch zu Homchen gesprochen hatte, das heißt, ein jeder von ihnen glaubte nur, die rote Schlange spräche zu ihm, aber er konnte sich darin irren. Woher sollte er nun wissen, ob es wirklich die rote Schlange war, oder nur eine Täuschung der eignen Brust? War nun die Täuschung nicht vielleicht bei den Zierschnäbeln? Denn was die rote Schlange zu Homchen gesprochen, seinem Glauben nach gesprochen, das paßte doch zu dem, was es alle Tage sah. Die Sonne ging auf, so konnte sie nicht das Ei sein, aus dessen Schale das Meer kam. Die Waldtiere sollten nicht am Tage aus dem Walde gehen, sagten die Echsen; aber Homchen war hinausgegangen, und die rote Schlange hatte ihm doch den Sieg über den Hohlschwanz gegeben. So war es doch wohl keine Täuschung, was ihm die rote Schlange sagte? So würde sie ihm auch das Richtige sagen, was es tun müsse, damit die Echsen unterliegen und die Säuger die Herrschaft gewinnen. Ob der Taguan recht hatte, oder der Igel? Also auf nach Süden, zur roten Schlange!

Homchen sprang aus dem Walde heraus. Niedriges Gebüsch, durch das es sich winden mußte, verdeckte ihm die Aussicht. Eilig schlüpfte es hindurch. Der Boden ward abschüssig.

Aber plötzlich mußte es innehalten. Auf einmal brach das buschige Gelände ab. Steile Felsen senkten sich nieder. Und als Homchen nun vorsichtig am Rande eine vorspringende Stelle zur freien Umschau erreicht hatte, da stutzte es in verwirrter Überraschung.

Das war ja das Meer! Eine weite Meeresbucht, von der man nach Südwesten hin gar kein Ende sehen konnte. Aber ein anderes Meer, als Homchen es kannte. Still und klar, tiefblau schimmernd breitete sich seine Fläche. Dicht unter ihm nur rauschte die Brandung unmittelbar am Fuße der Felsen. Da war kein Sumpf und kein Strand mit ragenden Echsenhälsen. Und wie mild und lau wehte die Luft herüber. Nach Westen zog sich das steile Ufer hin, soweit Homchen zu sehen vermochte. Aber was war das im Süden, ihm gegenüber? Ein ragendes Gebirge stieg drüben, weit drüben aus der Flut, und aus diesem wieder hob sich ein einzelner Gipfel hervor, und dieser Gipfel war weiß, ganz weiß. Homchen starrte auf dieses Wunder, und als es genauer hinblickte, da begann es zu zittern, und ein tiefer Schauer ging durch seinen kleinen Leib. Ober dem weißen Gipfel lag eine leichte Wolke, die verwehte im Winde; aber immer neue Wolken stiegen aus dem Gipfel empor und breiteten sich in der Höhe aus und verschwanden langsam — eine weiße Wolke war es — ob es etwa die heiße Wolke war? Wohnte dahinter, vielleicht dort in dem weißen Gipfel, die rote Schlange? War es auf dem richtigen Wege?

Wie sollte es dahin kommen? Gab es einen Weg über das Meer? Und nun spähte es forschend nach links. Da schien das Ufer sich in weitem Bogen nach Süden zu ziehen. Zwar der Felsenrand setzte sich, immer höher aufsteigend, nach Osten fort, aber unter ihm breitete sich eine Ebene aus, und auch hinter ihr stiegen neue Berge empor, die mochten sich wohl allmählich bis zu den Bergen mit dem weißen Gipfel hin erstrecken.

Diese Ebene war mit Wald bedeckt. Aber der sah auch anders aus als der heimische. Hohe Palmen breiteten ihre Fächerkronen aus, und dazwischen schimmerte es nicht einfach grün und grau, sondern roter und weißer Farbenglanz leuchtete, und Homchen wußte nicht, was es davon halten sollte. Doch es mußte gewagt werden. Eilig lief es bis nach der Stelle, wo das Meeresufer sich vom Felsenrande nach Süden hin abwandte und der Wald bis an das Wasser reichte.

Die Felsen hinabzuklettern hatte für Homchen keine Schwierigkeit. Aber nun in den fremdartigen Wald! Was für Feinde konnten dort lauern? Vorsichtig sah Homchen sich um. Da war zunächst etwas, das ihm höchst willkommen war. Hier gab es Ameisen, so viel man nur verzehren wollte. Wuchsen nicht auch Nüsse hier? Da waren ja die wunderbaren Früchte, die von oben so weiß und rot geleuchtet hatten. Aber als Homchen sie näher untersuchte, fand es, daß es nur glänzende, farbige Blätter waren, zu wunderschönen Büscheln zusammengestellt. Da blühten die Magnolien und die Tulpenbäume, das sah prächtig aus, aber es schmeckte nicht. Doch als Homchen eine der langen Schoten des Johannisbrotbaums kostete, das war gut, so etwas Herrliches hatte es noch nie gegessen. Dazu die fetten Emsen! Das gab ein Frühstück, das tröstete. Die rote Schlange mußte ihm doch gnädig sein.

Weit hinten im Walde hörte es Stimmen von Tieren und sah auch merkwürdige Gestalten am Boden und in der Luft umherhuschen. Aber hier, dicht am Meeresufer, wo Homchen sich ein Plätzchen gewählt hatte, zeigte sich kein größeres Tier. Ob sie sich hierher nicht getrauten? Ob doch vielleicht die Echsen am Ufer lauerten? Homchen wagte sich auf einen Ast, der bis über das Wasser reichte, und spähte hinaus.

Das Wasser war hier ganz ruhig und durchsichtig; denn ein Korallenriff, das weiter vorn, bis an die Oberfläche des Wassers reichend, sich vorlagerte, hielt die Bewegung des Meeres ab. Über diesen schmalen Streifen aber konnte Homchen von seinem Baume aus hinüberblicken auf das weite Meer. Und während es dort hinausspähte, hörte es unter sich im Wasser ein leises Gemurmel. Fast wäre es vor Schrecken hinabgestürzt, als es jetzt direkt unter sich blickte. Was es für große, runde, mit Algen bedeckte Steine gehalten hatte, das begann sich langsam zu bewegen.

Eine Kolonie von Rudistenmuscheln hatte sich hier angesiedelt. Mehr als doppelt so lang wie Homchen saßen sie unter dem Wasser wie riesige kegelförmige Kannen fest, die jetzt ihre flachen Deckel nach und nach öffneten. Homchen sah entsetzt auf ein schleimiges Gewirr von Fäden, Bändern und Wülsten, die sich hin und her wanden, daß sich das Wasser zu trüben begann.

Was murmelten die da unten?

»Sind sie da? Sind sie da?« so tönte es.

»Wir spüren nichts, wir spüren nichts«, antworteten andre.

»Gelobt sei der heilige Fisch, der heilige Fisch!« klang es dann von allen zusammen. Es war keine richtige Sprache, es war mehr wie ein Plätschern des Wassers. Aber Homchen verstand es wohl. Natürlich wollte es auch gern wissen, was der Gesang zu bedeuten hatte. Und da es sich auf seinem Sitze sicher fühlte, so rief es hinunter:

»Quih, quih! Was tut ihr dort unten? Wer soll da sein?«

»Wer bist du, der da fragt?« murmelten die Muscheln. »Bist du droben im Licht, so sage uns, was du siehst. Denn wir im Wasser vermögen nichts zu schauen.«

»Ich bin Homchen, der Kala, der die Echsen tötet.«

Das war wohl etwas übertrieben, denn Homchen hatte bis jetzt nur den Hohlschwanz getötet. Aber es dachte, ein wenig Selbstvertrauen kann in der Fremde nicht schaden. Und außerdem wollte es ja noch viele Echsen töten.

»Wenn du die Echsen tötest, so töte auch die große Schlange. Dann wollen wir dich preisen, wie den heiligen Fisch.«

»Was sagt ihr da?« rief Homchen. »Die große Schlange? Und töten? Ich verstehe euch nicht. Wißt ihr denn, wo die rote Schlange wohnt?«

»Jeden Morgen öffnen wir die Schalen, und wenn wir nicht spüren, daß die Schlangen kommen, so preisen wir den heiligen Fisch, der sie vertrieben hat. Sonst schlichen die bösen Seeschlangen sich heran, am schrecklichsten ist der große Python; und wenn wir unsere Klappen öffneten um zu frühstücken, so streckte er seine furchtbare Schnauze dazwischen und saugte uns aus. Nun aber ist es nur selten, daß der Python kommt; darum preisen wir jeden Morgen den heiligen Fisch.«

Die Muscheln murmelten wieder. Aber Homchen konnte sich nun wieder den Kopf zerbrechen. Es gab eine böse große Schlange, die wohnt im Meere? Das konnte wohl die rote Schlange nicht sein? Aber der heilige Fisch, der die große Schlange tötet? Heilig war doch die Schlange, und nun sollte es ein Fisch sein? Was doch die Tiere für seltsame Meinungen hatten. Wer ihnen glauben wollte, was mußte der nicht alles glauben. Und wieder ging es durch Homchen wie damals beim roten Stern, wie damals, als die Zierschnäbel fabelten,als spräche etwas in ihm: Mach auf die Augen und trau dir selbst.

Und es war ein Glück, daß Homchen die Augen aufmachte. Da drüben auf dem Meere bewegte es sich. Bald tauchte ein langer roter Rücken, bald ein Hals mit furchtbarem, von Zähnen starrendem Kopf aus der Flut und näherte sich mit großer Geschwindigkeit. Das war wirklich eine Schlange, eine schreckliche Schlange, länger als die größte Echse. Rötlich schimmerten ihre Schuppen in der Sonne, wenn sie den großen Bogen beschrieb, mit dem sie sich vorwärts schnellte. Die rote Schlange? Das konnte doch nicht sein. Und der Kopf sah ganz aus wie der einer Echse mit dem furchtbaren Rachen. Das alles ging im Augenblicke durch Homchens Kopf, und der Echsentöter schauerte zusammen und rief:

»Die Schlange kommt!«

Da hörten die Rudisten auf zu murmeln und begannen ihre Schalen zuzuklappen, so schnell das eben gehen wollte. Homchen aber zog sich noch höher hinauf am Baume und lugte unter dichtem Laub versteckt aufs Meer hinaus.

Die Schlange kam furchtbar schnell nahe, hoch aus den Wellen springend, als flöhe sie vor einem geheimen Feinde in der Flut.

Nun war sie ganz deutlich zu sehen. Sie steuerte auf das Korallenriff hin. Und nun hob sie sich hinauf. Da erkannte Homchen, daß es keine Schlange war. Das Tier hatte vier kurze Beine mit Ruderfüßen. Aber es konnte doch damit langsam über das Riff kriechen. Jetzt war sie herüber und glitt in das stille Wasser. Hier mochte sie sich vor ihrem Feinde sicher fühlen.

Es war wirklich der fürchterlichste Feind, der sich für ein im Wasser lebendes Tier erdenken läßt. Ein Hai verfolgte die Seeschlange. Aber was für ein Hai! Wenn er sich ausstreckte, so maß er an Länge nicht viel weniger als der riesige Python selbst. Und wenn er das ungeheuere Maul aufriß, so gähnten Reihen von spitzen Zähnen entgegen, doppelt so lang wie Homchens ganzer Körper. Vor diesem entsetzlichen Raubtier flohen die größten Drachen des Meeres, floh auch die Riesen- Seeschlange. Jetzt ringelte sie ihren langen Leib behaglich in der warmen, stillen Bucht umher —

Da sah Homchen auf einmal diesseits des Riffs einen Gegenstand aus der Flut ragen, der sich rasch näherte. Es war die hohe Rückenflosse des Hais. Es mußte dort weiter draußen einen Durchgang geben, durch den er hinter das Riff gelangen konnte. Nun erkannte Homchen deutlich, daß es ein riesiger Fisch sei, ein Fisch, wie es nie gedacht, daß er leben könne. Aber auch die Schlange hatte ihn bemerkt. Sie eilte aufs Ufer zu. Der Fisch hinter ihr her. Und er war schneller als sie. Gerade in der Richtung, wo Homchen saß, floh die Schlange. Nun bäumte sie sich zum letzten Schwunge, um mit den Vorderfüßen das Ufer zu erreichen. Der Fisch hatte sich auf den Rücken geworfen. Homchen sah seinen weißen Bauch glänzen — nun schnellte er sich mit einem krachenden Schlage seines Schwanzes in die Höhe, und der weit aufgerissene Rachen erfaßte die Schlange in der Mitte — die Zähne schlugen zusammen — in zwei Teile zerschnitten sank der Python ins Wasser zurück — Blut trübte rings das Wasser, darin die zerrissene Schlange sich bäumte, bis Stück auf Stück im Rachen des Hais verschwand —

Von Grausen erfaßt Baß Homchen wie gebannt in seinem Versteck. Aus der größten Nähe hatte es den Kopf des Pythons gesehen. Gewaltiger waren auch die gefährlichsten Echsen nicht. Und diese Riesenschlange zerstückelte, verschluckte der Hai. Nun wußte es, warum es an diesem Ufer keine Echsen gab. Aber es wußte noch etwas. Es gab noch ein stärkeres Tier als die Gewaltigen im Drachenmoor. Wenn der Hai kam — Und in seinem grausigen Schreck durchzuckte es Homchen wie ein erlösendes Gefühl — es ist nicht wahr, daß die Echsen die Herren der Erde sind! Die Zierschnäbel haben wieder nicht recht!

Aber freilich, ist es denn darum besser um die Säuger bestellt? Doch gewiß! Die Fische können ja nicht auf das Land. Aber ob sie in das Moor können, in das flache Wasser der Echsen?

Wehe dann den Echsen! Und ob etwa dann die Echsen auf das Land getrieben werden, gar in den Wald?

Und warum war der große Fisch noch nie ans heimische Gestade gekommen? Schwamm er nur im warmen Meere? Warum war das Meer warm?

Ach, es gab so viel, so viel zu denken.

Und wie weit war die Welt!

Und Homchen schaute mit großen Augen wieder über das Meer.

Das warme Meer

Der Hai hatte sich entfernt.

Ruhig und klar lag wieder die Flut und spiegelte die grünenden, blühenden Zweige der Bäume.

Homchen sprang auf den Boden und wagte sich an den Uferrand. Da lag etwas Schreckliches. Im Todeskampf war der vordere Teil der Schlange bis ans Ufer geschnellt, und das spitzige Gebiß hatte sich in den Wasserpflanzen dort festgezahnt. Soweit der Hai sich dem Ufer hatte nähern können, hatte er den Hals abgerissen und verschlungen. Aber der gewaltige Kopf, doppelt so groß als Homchen, war hängen geblieben. Den mußte Homchen natürlich näher betrachten. Ein geschickter Sprung brachte es auf den Kopf, der senkte sich unter seinem Gewicht ein wenig tiefer zwischen den Blättern und schwankte dort im Wasser auf und ab. Homchen schaukelte sich darauf hin und her, als säße es auf einem jungen Buchenast. Es freute sich, daß ein so grimmiges Geschöpf aus dem Geschlecht der bösen Säugerfeinde unter seinen Füßen lag.

Da vernahm es wieder das Murmeln der Rudisten, jetzt dicht unter sich. Die ungeschlachten Seemuscheln hatten ihre Riesendeckel aufs neue geöffnet. Homchen wußte, daß es von ihnen nichts zu befürchten hatte, und blieb ruhig sitzen. Zu seiner Verwunderung vernahm es den Wassersang der Muscheln.

»Gelobt sei Homchen, der Schlangentöter! Der die Echsen schlug, der tötete die große Schlange des Meeres! Gelobt sei Homchen!«

»Aber ich war es ja gar nicht«, rief Homchen, »der die Schlange tötete. Es war der Fisch —«

Die Rudisten ließen sich nicht stören. Sie murmelten weiter.

»Die Schlange kam, uns warnte Homchen, der kluge Held. Die Schlange kam, wir schlossen die Schalen. Es war Nacht. Wir sehen nicht den Fisch. Wir sahen im Wasser die Zähne der Schlange. Die Schlange ist fort, Homchen hat sie gefressen.«

»Ich die Schlange gefressen? Ihr törichten Muscheln! Wie soll die Schlange in mich hinein, in das kleine Homchen, die Schlange, die hundert Mal so groß ist?«

»Es sieht‘s die Sonne, es rauschen‘s die Wasser, Homchen sitzt auf dem Haupte der Schlange. Homchen, der Sieger, er sei gepriesen! Lasset uns singen den Sang von Homchen! Homchen ist groß, ist größer als die Schlange! Homchen ist weise. Es ist klein, es ist groß. Es ist klein bei den Freunden, es ist groß, wenn der Feind kommt. Homchen ist heilig wie der Fisch! Lasset uns singen den Sang des Dankes!«

Homchen schüttelte den Kopf. Aber die Muscheln sangen weiter, und das wollte es doch hören. So blieb es auf seinem Platze sitzen. Es rief nur noch einmal:

»Wenn ihr mir Dank sagen wollt für die Warnung, so sagt mir, wie ich zu der roten Schlange gelange.«

»Die rote Schlange ist tot—«

»Oh, ihr versteht mich nicht. Ich meine, wie komme ich drüben zu dem weißen Berg mit der Wolke?«

»Wir kennen nicht die Tiere des Landes und nicht die Berge. Aber wir kennen den Sang des Wassers.

Das Meer ist mächtiger als das Land. Aus dem Meere kommen die Tiere alle. Aus dem Meere kommen die Echsen. Aber die Fische wurden mächtiger als die Echsen. Da flohen die Echsen vor ihnen ins Moor, und vom Moor flohen sie auf das Land. Und es ward ein Wall um das warme Meer, da hinüber konnten die Fische nicht. Doch es rauscht das Meer und zerbricht das Land, und der heilige Fisch wird schwimmen mit dem warmen Wasser nach dem kalten Lande, und das kalte Meer wird fließen nach dem warmen Lande, und die Echsen werden erfrieren, oder sie werden gefressen vom heiligen Fisch. Und das Kalte wird warm, und das Warme wird kalt. Gepriesen sei Homchen, der Sieger.«

»Das versteh‘ ich nicht«, sagte Homchen. »Ihr scheint mir eine etwas verworrene Gesellschaft.«

Die Muscheln raunten weiter, es klang jetzt wie eine Klage:

»Das Kleine wird groß und das Große wird klein. Das Meer ist mächtiger als das Land. Aber es kommt die Zeit, da wird das Land mächtiger als das Meer. Wir singen den Sang des Strandes. Einst schwammen wir frei, nun sitzen wir fest. Homchen springt auf dem Lande. Es ist klein, es wird groß. Wir sind groß, wir werden klein. Homchen frißt die Schlange, Homchens Söhne fressen die Muscheln. Und das Land wird herrschen über der Meer, und Homchens Söhne schwimmen über das Meer und töten den heiligen Fisch. Gepriesen sei der Mächtige, der größer wird als der Fisch!«

Da rief Homchen laut: »So sagt mir doch schon, wie komm‘ ich zum weißen Berge?«

»Geh hinab am Strande des Meeres, bis an den großen Fluß. Jenseits des Flusses beginnt der Berg, der bis in den Himmel geht.«

»Aber wie soll ich über den Fluß gelangen?«

»Setze dich ans Ufer und singe den Sang des Wassers: »Das Kalte wird warm, und das Warme kalt.« Dann wird die große Schildkröte kommen und dich hinübertragen. Gepriesen sei Homchen, das die Schlange fraß!«

Und die Muscheln fingen wieder an zu singen. Da rief Homchen: »Habt Dank und lebt wohl!« und sprang fort am Ufer des Meeres entlang, nach Süden.

Einen so schönen Berg war Homchen noch nicht entlang gesprungen. Der Schatten der Bäume reichte bis ans Ufer, dort aber war ein schmaler Streifen moosiger Felsen, auf deren weichem Rücken Homchen schnell von Rundung zu Rundung setzen konnte. Zur Rechten lag das weite Meer tiefblau glänzend, nur von dem weißen Streifen der leichten Brandung draußen am Korallenriff durchzogen. Wild wehte die Luft herüber. Zur Linken dehnte sich der dunkle Urwald. Schlinggewächse zogen sich von Baum zu Baum, und bunte, duftende Blätterbüschel, die Homchen nicht kannte, glühten zwischen den Zweigen. Drinnen im Walde hörte wohl Homchen die Stimmen großer Tiere. Es sah auch in der Luft etwas hin und her huschen, das es für Käfer oder Libellen hielt. Aber auf diesem schmalen Streifen zeigte sich kein Tierleben. Es war, als wäre hier ein heiliger Weg, wie für Homchens Pilgerfahrt bereitet. Homchen hatte jetzt keine Zeit darüber nachzudenken, warum sich kein Tier hier zeigte. Der dumpfe Gesang der Rudisten summte ihm im Kopf; aber auch darüber sann es jetzt nicht nach, es blickte nur auf den Weg und schaute um, ob irgendeine Gefahr drohte. Und dazwischen sah es nach dem weißen Gipfel mit der weißen Wolke, der sich halb rechts von seiner Wegrichtung erhob. Kam er denn näher? Oder sank er fort? Andere Berge vor ihm schoben sich höher und höher empor, und nur noch die äußerste Spitze ragte herüber.

Schon näherte die Sonne sich dem Spiegel des Meeres, da wendete sich der Waldrand nach links und Homchen stand vor einem Meeresarm. Das war wohl die Mündung des Flusses. Hier gönnte es sich Ruhe. Zwischen den vordem Bäumen des Waldes suchte es sich vorsichtig seine Abendmahlzeit. Dann setzte es sich, an einer süßen Frucht knabbernd, auf einen Vorsprung des Ufers, um nach der Schildkröte Ausschau zu halten.

Aber es konnte nichts entdecken. Und als es mit seiner Mahlzeit fertig war, wendete es sich daher am Ufer entlang, das jetzt nach links ging. Es war nicht mehr so bequem zu wandern. Homchen mußte sich auf die Bäume schwingen, deren Wurzeln zum Teil im Wasser standen. Dazu ging die Sonne unter. Homchen sah aber an der Farbe des Wassers, daß hier nicht mehr das blaue Meer wogte. Es war also richtig an den Fluß gekommen, von dem die Muscheln gesprochen hatten. Gelblich wälzten sich seine Fluten und führten Baumstämme und Grasbüschel mit sich herab. Jetzt durfte es nicht weiter am Flusse hinauf, es mußte hinüber.

Der starke Ast eines Baumes streckte sich dicht über dem Wasserspiegel aus. Auf diesem kroch es vorsichtig hinaus. Die letzten dünneren Zweige bogen sich unter seinem Gewicht bis auf das Wasser. Homchen dürstete. Es neigte sich herab und kostete das Wasser. Es war süß, es löschte den Durst.

Erfrischt zog sich Homchen ein Stück auf dem Aste zurück und schaute sich um. Es war dunkel geworden. Weit drüben standen die Bäume des andern Ufers wie ein schwarzer Streifen, nach dem Meere vermochte man nicht mehr hinauszusehen.

Aber über dem schwarzen Streifen, am Nachthimmel, was war das? Rotglühend erhob es sich, ein Feuerstreifen, und breitete sich dann aus, in rosigem Glanze wogend, eine große leuchtende Wolke, in immer neuen Gestalten quoll es nach den Seiten, nach der Höhe, hier rund und voll wie der Rücken des Iguanodon, dort spitzig und scharf wie der Kopf der Echsen, und da lang und gewunden wie — wie eine Schlange — die rote Schlange — so mächtig, so groß, so geheimnisvoll —

Und der dunkle, leis rauschende Fluß, und der einsame schwarze Streifen, und drüber, drüber die rote Schlange —

Homchen bebte in heiligem Schauer. War sie es doch, die rote Schlange, die nun vor ihm auftauchte? Die große, geheimnisvolle, der die Welt gehorchte? Und ihres Anblicks ward Homchen gewürdigt? Sie selbst ward ihm sichtbar, ihm, das sich nach ihr gesehnt, zu ihr gebetet aus innerstem Herzen? Heilige, rote Schlange, erhöre mich! Weise mir den Weg, der erlöst von der Gewalt, der uns frei macht, die wir dich ehren!

Und kaum wissend, was es tat, summte es den Sang des Meeres: »Das Kalte wird warm und das Warme wird kalt! Und das Große wird klein, und das Kleine wird groß —«

Da rauschte unten das Wasser, ein breiter Kopf hob sich herauf, und dann eine große, schwarze Schale. Zwei gewaltige Ruderfüße, die fast wie Flügel aussahen, drängten das Wasser zurück. Und von der nassen, spiegelnden Schale glänzte die rote Wolke dunkel schimmernd wider.

Homchen schauderte zurück. Auf dieses wunderbare Panzertier sollte es sich wagen, und hinein in die dunkle Flut?

Da klang es dumpf von unten:

»Bist du Homchen?«

»Ich bin es.«

»So springe!«

Homchen zögerte. Da sprach die Schildkröte noch einmal:

»Springe auf meinen Kopf, so will ich dich tragen. Über meinen Rücken flutet leicht das Wasser, du könntest hinabgespült werden. Aber merke wohl: Wenn du auf meinem Kopfe sitzt, so sprich nicht und frage nicht. Denn nur am Strande dürfen die Tiere des Meeres reden. Fern dem Ufer ist der Laut der Stimmen verboten. Wenn ich aber wieder sage: Springe!, so spring eilend von meinem Kopfe, wohin es sei. Denn dann ziehe ich den Kppf ein und versinke.«

»Aber wohin denn soll ich springen, wenn es mitten im Wasser ist?«

»Ich werde es nicht sagen, bis du in Sicherheit springen kannst, es sei denn, daß du das Gebot verletzt und redest. Denn dann muß ich versinken.«

»Warum aber ist dir das geboten?«

»Frage nicht, was wir nicht wissen. Wir dienen dem Meere in Gehorsam. Die Gebote prüfen den Gehorsam. Wer klug sein will, statt gehorsam, der wird im Meere nicht geduldet. Denn das Meer ist Eins.«

»Sind die Rudisten so klug gewesen, so daß sie jetzt am Strand angewachsen sein müssen?«

»Was sind das für fortwährende Fragen? Die Rudisten sind Narren und Schwätzer. Sie werden klein werden am Lande. Ich aber werde sinken in die. Tiefe, und in der Tiefe werden meine Enkel leben für alle Zeiten.«

»Und nie klüger werden als du?«

»Das will ich hoffen. Doch jetzt komm und springe.«

Noch immer zögerte Homchen. Wie durfte es sich dem Meere anvertrauen? Es wollte ja doch klüger werden.

Da blickte es wieder auf die rotschimmernde Wolke. Vor ihm stand der Entschluß: Zur roten Schlange! Und wenn es sein Verderben sein sollte! Und es dachte daran: Die Tiere können irren, glaub an dich selbst, wage, was du für recht hältst. Und mit einem entschlossenen Sprunge setzte es auf den Kopf der Schildkröte. Da gab es allerlei Hervorragungen, an denen es sich festhalten konnte. Und kaum saß es dort, so begann die Schildkröte zu schwimmen.

Die Fahrt ging langsam. Nur der Kopf der Schildkröte ragte über das Wasser. Da saß Homchen dicht an den Wellen, die bis nahe an seine Füße spielten. Jetzt, ganz zwischen dem Wasser schaukelnd, sah es bald nichts mehr als den Himmel und ein Stück der im Sternenlicht und im Schein der roten Wolke schimmernden Wasserfläche. Noch nie war es auf dem Wasser gewesen. So ganz allein auf der Welt! So verlassen, so gefesselt von der tödlichen Flut, die es verschlang. Und nicht reden dürfen, nicht fragen.

Mitunter tauchte etwas Dunkles in seinem Gesichtskreise auf. Dann hielt die Schildkröte in ihrem Schwimmen inne, bis es vorüber war. Gar zu gern hätte Homchen gefragt, was das sei. Waren es Tiere? Waren es Baumstämme? Aber es zwang sich zur Ruhe. Wenn die Schildkröte versank, war es verloren. Sein einziger Trost war die rote Wolke, zu ihr blickte es andächtig empor.

Und nun stieg unter der roten Wolke — eine Stunde mochte vergangen sein oder zwei, Homchen wußte es nicht — ein dunkler Streifen wieder auf — das andere Ufer. Höher rückte er hinauf, immermehr von der roten Wolke verdeckend. Hoffnungsfroh blickte der kühne Seefahrer hinüber.

Da plötzlich, wie sich die Woge hob, sah Homchen ganz in der Nähe ein schwarzes Ungetüm auftauchen, ein breiter Rücken, zackige Arme oder Füße ragten hervor — auch die Schildkröte hatte es gesehen, sie hielt inne, aber der schwimmende Koloß war schon zu nahe, er rückte gerade auf die Schildkröte zu, die nicht schnell genug wenden konnte. — Es schien Homchen als ob sich einer der zackigen Arme nach ihm ausstreckte, und in seinem Schrecken rief es, alle Gebote vergessend:

»Halt, halt! Was ist das?«

»Springe!« dröhnte es dumpf aus der Schildkröte.

Homchen wußte, im nächsten Augenblick würde die Schildkröte ihren Kopf zwischen ihre Schalen ziehen. Dann war es verloren. Es mußte sogleich springen, sonst hatte es keinen Boden mehr unter sich, um sich den Schwung zu geben. Und was es begriff, das tat es sogleich. Es schwang sich todesmutig in die Höhe, auf das Ungeheuer zu, das jetzt unmittelbar vor ihm schwamm. Es kam auf seinen Rücken und klammerte sich an. Der Rücken war naß und weich. Es konnte seine Krallen tief einschlagen. So verharrte es eine Weile in angstvoller Betäubung.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
170 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre