Kitabı oku: «Homchen», sayfa 7
»Fort von hier?« sagte Mea nachdenklich. Aber Knappo rief lebhaft:
»O Taguan, wer hätte gedacht, wie weise du raten kannst! Ja, laß uns in den warmen Wald mit den süßen Früchten wandern. Hier können wir doch nicht bleiben. Warum hat niemand daran gedacht?«
Der Taguan schmunzelte. »Sie wissen nichts von der Welt«, sagte er. »Sie sind nicht hinausgekommen über diese Eichen und Buchen und die harzigen Fichten.«
»Ich will zur Versammlung«, rief Knappo, »ich will ihnen sagen, was der Taguan rät.«
»Und ich will dich begleiten«, sagte der Taguan.
Sie brachen auf. Aber als sie an die gewohnte Stelle kamen, wo man die Versammlung abhielt, fanden sie niemand der Alten mehr da. Man hatte sich nicht einigen können, wer zum Iguanodon gehen sollte, und so ward beschlossen, daß die ganze Versammlung an den Waldrand ziehe. Beim Morgengrauen, wenn der Iguanodon zur Weide ginge, dann wollten sie ihn anreden, ob er sie höre. Dort saßen sie alle ängstlich auf den Baumästen und warteten, bis die Sonne und der Iguanodon sich zeigten.
Gescheiterte Pläne
Als Grappignapp und Kaplawutt den Iguanodon verließen, suchten sie ihre Gefährten auf dem kürzesten Wege zu erreichen. Der Abend war nahe, und die Nebel, die vom nahen Flusse über die Hügel zogen, erschwerten den Umblick. Dabei gerieten sie an eine Stelle, wo die stachligen Sträucher so dicht standen, daß sie nicht hindurch konnten. Sie waren gezwungen, auf die zwischen den Sträuchern zerstreuten Felsplatten zu springen und hier von Fels zu Fels ihren Weg zu suchen. Vorsichtig blickte Grappignapp sich um; er konnte nichts von den Hohlschwänzen bemerken und glaubte daher, die kurze Strecke bis zum schützenden Gebüsch ohne Gefahr zurücklegen zu können.
Aber noch hatten die Zierschnäbel kaum die Hälfte des Weges hinter sich, als es in der Nähe auf einem höheren Felsen rauschte und eine große Schar Hohlschwänze hervorstürzte. In hastigen Sätzen suchten die Zierschnäbel zu enteilen, aber die schnellen Hohlschwänze schnitten ihnen den Weg ab. Ringsum lagerten und lauerten sie auf den Steinen, so daß es unmöglich war, an ihnen vorbei zu kommen, falls sie es feindlich meinten. Ja sie hatten sogar die beiden Führer von den etwas zurückgebliebenen Dienern getrennt.
Grappignapp und Kaplawutt hielten an und drängten sich zusammen.
»Wir sind verloren«, flüsterte Kaplawutt.
»Sie werden es nicht wagen, sie verhalten sich still«, sagte Grappignapp.
»Sie warten nur ab, wie viele wir sind. Wenn sie sicher sind, daß nur wir vier hier wandern, werden sie über uns herfallen.«
»Die rote Schlange wird es nicht zulassen, daß wir hier zu Grunde gehen. Ein zu großes Werk steht auf dem Spiele. Ein solcher Zufall, daß die Hohlschwänze uns hier treffen, kann nicht entscheiden darüber, ob die Echsen siegen und herrschen, oder die Beutler. Und wenn wir nicht zu den Echsen zurückkehren, so werden sie sich nicht zum Vorgehen aufraffen. Wir müssen hindurch. Die Schlange wird uns schützen.«
»Meister«, sagte Kaplawutt feierlich, »ja, die rote Schlange wird entscheiden. Aber wer sagt ihr, daß sie unsre Klugheit braucht? Sie kann die Echsen vertilgen oder die Waldtiere auch ohne uns. Wer sagt ihr, daß sie unsere Herrschaft erhalten will?«
Grappignapp sah den Genossen zornig an.
»Wie anders sollen die Tiere gebändigt werden, als durch die Herrschaft der Klügsten? Mein Plan ist aufs feinste durchdacht und erwogen. Auf ferne Zeiten blick‘ ich hinaus und jeden Umstand weiß ich,zu benutzen.«
»So klug du bist, so fein dein Plan gesponnen ist — wenn er der Schlange nicht gefällt, kann der dümmste Hohlschwanz ihn umstürzen.«
»Tor! Was ich erstrebe, ersann ich zum Siege der geheimen Lehre. Darum, muß es das allein Richtige sein und muß geschehen.«
»Meister«, erwiderte Kaplawutt, »die Lehre ist mir zu groß. Warum müssen die Säuger sterben, warum der weise Iguanodon? Sind sie nicht auch die Kinder der roten Schlange? Vielleicht ist es besser, daß wir sterben, die wir wenige sind.«
»Wie, du wagst es, an der Lehre zu zweifeln?«
»Ich glaube an die rote Schlange, aber ich weiß nicht, ob sie die Zierschnäbel so Gewaltiges gelehrt hat. Ich weiß, daß ich darum sterben muß.«
»Das mußt du!«
»Ich beuge mich, wie es die Schlange will.«
»Verräter!«
»Ich verrate nichts. Hier ist ein enger Spalt. Einen von uns kann er bergen, nicht mehr. Schlüpfe hinein. Schon wird es dunkel. Ich will versuchen, durch die Hohlschwänze zu entfliehen. Komm‘ ich zu den Genossen, so werden die Hohlschwänze nicht wagen dich anzugreifen, denn sie würden von den Echsen vertilgt werden. Sie werden sich zerstreuen, und du bist gerettet. Komme ich nicht hindurch —«
»Die Hohlschwänze nähern sich«, schrie Grappignapp. »Sie haben die Diener ergriffen —«
Der Todesschrei der beiden Zierschnäbel gellte herüber.
»Verbirg dich!« rief Kaplawutt. Und mit schnellen Sprüngen eilte er nach der Seite, wo er glaubte, den Hohlschwänzen entgehen zu können.
»Nein!« schrie Grappignapp. »Das würde wenig nützen. Ich bändige die Hohlschwänze.«
Und mit lauter Stimme rief er:
»Hierher, hierher, ihr Hohlschwänze! Höret was ich euch zu künden habe! Bereut euer furchtbares Verbrechen! Oder die Geister der Nacht werden euch töten — sie werden —«
Ein wildes Geschrei verschlang seine Worte.
»Eierfresser, Eierfresser!« brüllten die Raubtiere.
»Keiner von euch wird der Strafe der roten Schlange entgehen, keiner wird —«
Grappignapp kam nicht weiter. Der Rachen eines Hohlschwanzes hatte von hinten seinen schlanken Hals erfaßt und durchbissen.
»Verklage uns bei der roten Schlange«, schrien die Hohlschwänze, indem sie sich um den toten Körper rissen.
Andere stürzten Kaplawutt nach. Sie waren viel schneller als er. Er sah, daß er verloren war. Da duckte er sich zusammen.
»Ich muß sterben«, sprach er für sich. »Ich wußte es, daß ich mit dem Geheimnis der Zierschnäbel nicht leben konnte. Das Gewaltige wissen und nicht künden dürfen, dann ist es besser —«
Die Hohlschwänze begruben das Geheimnis in ihren Mägen.
Lange wartete die Schar der Zierschnäbel in ihrem Schlupfwinkel auf ihre Anführer. Als sie auch am dritten Tag nichts von ihnen vernahmen, trieb sie der Hunger heraus. Ein Teil suchte im Gebüsch. Sie fielen alle nach und nach den Hohlschwänzen zum Opfer. Der Hauptteil gelangte glücklich an das Moor zurück. Aber als sie dort merkten, daß man von ihren Anführern auch nichts wußte, gaben sie sich nur als einen Vortrupp aus und ermahnten die Echsen, auf Grappignapp und die Botschaft von Iguanodon zu warten.
Die Botschaft kam nicht. Und so kamen auch die Echsen nicht zum Iguanodon. Zwar wollte der Atlanto nach dem Walde aufbrechen, aber unterwegs fand er so herrliche Bäume, daß er fraß und fraß, bis er in der Dämmerung einschlief. Und als er am Morgen erwachte, wehte der Nebel so rauh, der Wind so kalt, daß er wieder nach dem wärmeren Meere zurückstieg. Hier hatte allmählich die Großechse neuen Mut gefaßt, und was nicht gefressen werden wollte, mußte sich fern von ihr halten.
Inzwischen wartete der Iguanodon ungeduldig auf die Ankunft der Echsen. Und als noch immer niemand erscheinen wollte, dachte er weiter nach und sagte sich:
Warum soll ich eigentlich auf die Echsen warten? Bin ich nicht mein Ideal? Bin ich nicht selbst genug, die Waldtiere zu ihrem Glück zu führen? Ich will es tun.
Und so machte er sich eines Morgens in der Frühe auf und schritt über die Wiese nach dem Walde zu.
Hoch wie ein Turm ragte sein Hals in die Lüfte, und wo er den angeschwemmten schlammigen Sand überschritt, drückten sich seine breiten Fußspuren auf Jahrmillionen ein. So stand er vor dem Waldrand und rief mit lauter Stimme; denn er meinte, er brauche nur den Schnabel zu öffnen, und der ganze Wald werde ihn hören bis drüben an die Hügel der sinkenden Sonne.
»Nachttiere des Waldes, kleine Säuger, hört das Wort des Iguanodon, des weisesten der Tiere, dem es zuerkannt ist von der roten Schlange, daß er nicht irrt, wo er verkündet. Lasterhaft ist die Welt, große Untaten geschahen, die ihr büßen müßt. Die Echsen werden heranziehen und euren Wald zerbrechen und fressen. Auch euch wollen sie fressen. Aber ich will euch wohl. Ich will euer Glück. Ihr sollt alle glücklich werden wie ich. Kommt heraus aus dem Walde, damit ihr nicht Schaden nehmt, wenn er gebrochen wird. Kommt heraus auf die Wiese, ich will euch zeigen, wie man die Gräser weidet. Ihr sollt nicht mehr fressen die lebendigen Emsen, und die da auf Raub ausgehen, sollen nicht mehr fressen vom Fleische der Tiere. Auch die harten Nüsse sind nicht gut für eure Zähne, denn spitze, starke Zähne machen euch wild und hindern euch, klug zu werden. Ihr sollt nicht mehr zusammensitzen im Walde, sondern ihr sollt nun auch in der Sonne leben dürfen, weit auseinander auf der saftigen Wiese. Ihr sollt ähnlich werden eurem großen Vorbilde, das die rote Schlange im Iguanodon euch aufgestellt hat. So will ich euch versöhnen mit den mächtigen Echsen, auf daß alle Tiere der Welt glücklich werden und sich nicht stören. Und damit ihr euch nicht im Walde heimlich zusammengesellt, werden wir den Wald brechen, und ich werde den Echsen gebieten, keines von euch anzugreifen, die ihr kein Fleisch esset. Die aber von euch ferner Fleisch fressen, die sollen vertilgt werden von der Erde. Nun kommt heraus und gehorchet.«
Darauf wandte sich der Iguanodon um und ging seiner Weide nach. Denn er war überzeugt, daß diese Kundgebung ausreiche, die Frage zu erledigen. Er hatte sich die Sache überlegt, und so war sie richtig; im Denken war ihm niemand überlegen. Es stand jetzt fest bei ihm, daß er den richtigen Ausweg gefunden habe und daß die Echsen ihm ohne weiteres gehorchen würden.
Die Waldtiere aber wagten nicht sich zu zeigen. Sie zogen wieder in den Wald zurück, um sich zu beraten. Graukopf und seine Sippe waren geneigt, dem Iguanodon zu folgen, wenigstens die älteren, deren Zähne schon ziemlich abgenagt waren. Aber die Mehrzahl, alle jüngeren und alle, die auf Raub gegen die kleinen Winkeltiere ausgingen, widersprachen lebhaft. Und während sie so stritten, trafen sie Knappo und den Taguan. Als der Taguan vernommen, was der Iguanodon gesagt hatte, sprach er entrüstet:
»O ihr Toren, wie könnt ihr nur einen Augenblick daran denken, euch dem Iguanodon zu ergeben. Euern schönen Wald wollt ihr vernichten lassen, wollt euch zerstreuen lassen in die kalte Wiese, statt auf den luftigen Ästen zu springen? Wollt eure Familien aufgeben und einsiedlerische Grastiere werden? Glaubt ihr denn, daß das möglich ist? Daß eure Mägen das vertragen? Herunterkommen würdet ihr und aussterben, wenn euch die Echsen nicht vorher fressen. Wie könnt ihr dem Iguanodon glauben, daß die Echsen ihm gehorchen werden? Die tun, was sie wollen. Ja, wenn wir die Macht hätten, Tagtiere zu werden, so hielte ich das auch für einen Fortschritt. Aber hier können wir das nicht, weil die Echsen zu mächtig sind. Das ist ein Zukunftstraum. Wir müssen den Schutz des Waldes suchen.«
»Und wenn er vernichtet wird«, schrie Graukopf.
»Nun darum eben bin ich gekommen euch zu sagen, was ihr tun sollt. Ihr müßt einen anderen Wald, einen schöneren und sicheren aufsuchen. Ihr müßt auswandern!«
Ein allgemeines Durcheinander der Stimmen unterbrach den Taguan. Er ließ die Tiere eine Weile reden, und Knappo erklärte, was ihm der Taguan gesagt hatte. Dann legte dieser ausführlich seinen Plan dar.
An diesem Tage schliefen die Waldtiere nicht. Durch den ganzen Wald flutete das Neue, nie Erhörte. Auswandern, in einen anderen Wald. Und die Idee fand immer mehr Anklang. Enthusiastisch wurde sie von den Jungen aufgenommen. War nicht Homchen auch ausgewandert? Hatte er nicht vielleicht, klüger als die anderen, vorausgesehen, was kommen würde? Und warteten nicht auch ihrer große Taten?
In der Nacht erwog man wieder alle Möglichkeiten; es war doch schwer, einen so umwälzenden Beschluß zu fassen, und als der Morgen dämmerte, krochen die Tiere noch unentschlossen in ihre Nester. Aber sie sollten nicht lange ruhen. Vom Rande des Waldes her kamen aufgeschreckte Flüchtlinge und weckten die schlummernden Säuger. Ein gewaltiges Krachen war am Waldrand entstanden.
Als der Iguanodon den Tag über vergeblich auf die Wirkung seiner Rede gewartet hatte, beschloß er bei sich, daß der Wald nun gebrochen werden müsse. Die großen Echsen, so meinte er, müßten ja nun bald kommen, um ihn zu unterstützen. Inzwischen wollte er das Seine tun. Und als er nun am anderen Morgen wieder keine Waldtiere auf der Wiese fand, als auch eine zweite Rede niemand aus dem Walde hervorlockte, da trat er an die nächsten Buchen heran, umklammerte sie mit seinen mächtigen Armen und riß die Äste nieder. Und dies setzte er eine ganze Weile fort.
Die Tiere am Rande aber, die es vernahmen, trugen die Nachricht in den Wald. Und bald hieß es, nicht nur der Iguanodon, nein, das ganze Heer der Echsen komme herangezogen. Niemand traute sich an den Waldrand, zu sehen, wie groß der Schaden sei. Alle fürchteten schon, der Atlanto oder die Großechse werden jeden Augenblick durch den Wald brechen. Und dei Entschluß, vor dem alle gezögert hatten, wurde jetzt unter dem Eindruck der Furcht sofort gefaßt. Die Familien sammelten sich, die Nester blieben verlassen. Von Ast zu Ast hüpfte, drängte es sich. Die Ältesten sammelten ihre Sippen und suchten Ordnung in den Zug zu bringen. Und so wälzte sich die Masse der Waldtiere, noch immer anwachsend, durch den Wald nach Süden.
Homchens Gesicht
Regungslos lag Homchen im Aufruhr der Elemente.
Es hatte keine Furcht mehr. Die beizende Luft tat ihm nicht weh, der Donner rollte nicht, es war alles still — so hell und frei, und doch ganz anders als sonst. Nun war es wohl tot?
Es war nicht mehr traurig. Das war es vorher, als es wußte, daß es sterben sollte. Alles aufgeben, Wald und Sternennacht, Emsen und Echsenstreit, und die Lieben daheim, und alle die großen Taten, mit denen es die Beutler befreien wollte, und all das Weise, was es ihnen sagen wollte von der großen Schlange — das alles nun nicht zu können, das war sehr traurig — und die eigenen Schmerzen und das Leid der andern und die Sorge um ihr Geschick — Aber das war nun vorbei. Wie etwas ganz Fernes lag es hinter ihm. Es tat nicht mehr weh.
Hinter ihm! Was war das überhaupt? Es wußte nichts mehr von Vergangenem. Aber vor ihm! Vor ihm lag alles. Was noch nicht war, jetzt konnte man es wohl sehen?
Ob es überhaupt noch Homchen war?
Es sah einen kleinen, weiß gebleichten Schädel, der lag weich gebettet unter einem durchsichtigen Deckel. Und eine Stimme sprach:
Das ist der Schädel eines kleinen Beuteltiers, eines unsrer direkten Vorfahren, gefunden unter ganz merkwürdigen Umständen, an einer Stelle, wo nirgends Ähnliches vorkommt, in einer dünnen fossilen Aschenschicht. Rings eruptives Gestein. Es ist nicht zu erklären, wie er dahin kam, aber er ist da.
Welch eine lange Ahnenreihe noch von ihm bis zu uns! Und doch in ihm schon lebendig das Gesetz der Bildung, in ihm schon die Einheit der Kräfte, die zu uns heraufführt.
Furchtsam mochten seine Genossen im dichten Buchenurwald sich bergen an den Ufern des Meeres, darin langsam, langsam in Jahrmillionen die mikroskopischen Kalkschalen der absterbenden Seetierchen niedersanken und die Kreidefelsen in unserm Norden aufbauten. Ein schwaches Völkchen mit kleinem Hirn, aber doch gerüstet für die Zukunft, die ihnen gehören mußte, den warmblütigen, pelzgeschützten, beweglichen, die den Kampf aufnehmen konnten mit der kommenden Not, den Kampf, den die gewaltigen Riesendrachen nicht bestanden. Und vor ihnen zitterten sie, vor den wutschnaubenden Herren der Erde.
Arme Tiere! Wie unglücklich hätten sie sein müssen, wenn sie hätten ahnen können, daß es dereinst ein höheres, ein selbstbewußtes Leben geben würde, das ihnen versagt war! Daß sie nur die Vorstufe waren, die Ahnen, die noch in Millionen von Geschlechtern vergehen mußten, bis ihrer Nachkommen Glieder erstarkt, ihr Gehirn mächtig genug geworden, um nun ihrerseits die Erde zu beherrschen mit den Mitteln des Geistes, den man die Freiheit nennt? Oder hätte solcher Glaube sie froh gemacht?
Wo war sie, die Idee, die uns trägt, die uns eint, die uns formt zu ihren Organen, die Natur wandelt zum wissenden Tun, und doch auch uns immer noch verborgen bleibt in ihren fernsten Zielen? Wo war sie, als die Drachen die Erde beherrschten? Sie war, wie sie ist, wie sie sein wird, denn sie ist nicht in der Zeit. Und es gibt Seher auch unter uns, in denen sie aufblitzt, ihnen eine Welt zeigt in rosige Schleier gehüllt, um wieder zu versinken, erdrückt von den Massen, für die ihre Zeit noch nicht gekommen ist. Ob nicht auch in längst abgelebten Geschlechtern hin und wieder ein frühreifes Gehirn entsprossen ist, wie wohl einmal ein Falter in vorzeitigem Wintersonnenschein aus der Hülle schlüpft, um zu erfrieren?
War‘s vielleicht ein unverstandener Traum, kleines Beuteltier, der dich herlockte, dem ausbrechenden Vulkan entgegen, in dessen Feuersäule du die Macht deiner Nachkommen ahntest? Wer hätte dir zu erklären vermocht, wie diese Flammengluten, unter deren Asche deine Neugier erstickte, der erlösende Zauber sind, die deine nachfolgenden Geschlechter frei machen sollten von der Gewalt der Erde und ihrer minder klugen Geschöpfe? Wir könnten dir jetzt wohl sagen, wie deine Welt sich heraufbaute zu der unsern — wer aber sagt uns, wie wir die unsre bauen sollen zu dem höheren Werden, das wir erträumen?
Was ist‘s im Grunde? Was wirkt das Göttliche in die Natur? Was formt das ewige Werden und Vergehen zur Dauer bewußten Wollens? Einheit ist es! Zusammenfassen des Vielen, das Viele zu halten und doch Eines sein in ihm, unterscheidend bestehen, weilen im Wandel!
Aus dem Hirn in diesem kleinen Kopfe gingen einst die Nervenfasern hinaus an die Grenzen des Körpers und einten die Wirkungen, die sie träfen, zu einer Gesamtheit. Wenn die Sonne zu warm schien, bewegten sich seine Beine so, daß es im Schatten des Baumlaubs hockte; wenn das Bild der Ameise in sein Auge fiel, streckte es die Zunge hervor und fing sie. Ein Bild weckte das andere, eine Erzitterung der Nerven eine andre. Aber es reichte nicht immer aus, sogleich zu fliehen, sogleich auf die Beute zu stürzen. Vorteilhafter war‘s, die rechte Zeit zu erwarten. Das leistet das Gehirn; es sammelt die Reize, es hält die Erregungen zurück, Um sie dann und dort zu entfesseln, wo die Wirkung ihr Ziel erreicht. Ihr Ziel! Vorstellung des Einen, Erinnerung an das Erreichte, das wieder erreicht, werden soll. Und so Zusammenfassung, Einigung dessen, was war, und was noch nicht ist. So hat die Einheit ein Mittel zur Verwirklichung. Auf das Eine spannt sich alles zu — das Fremde wird zurückgedrängt, wird gehemmt. Nun ist das kleine Tier kein Spielball mehr des Augenblicks, nun ordnet es den Andrang des Wirklichen, nun wählt es aus der Fülle der Erfahrung das Nützliche.
Immer weiter wächst der Kreis der Erfahrung, der zu bewältigen ist; immer verwickelter ziehen sich die Fäden vom Vergangenen zum Zukünftigen. So baut sich von Geschlecht zu Geschlecht feiner ausgearbeitet das Organ, das die Wirkungen der Dinge zusammenfaßt, das im Unerschöpflichen die geordnete Einheit herausschneidet, die sich ein Ich fühlt. Eine Welt für sich. Von Sternenweiten Licht und Wärme, von Erdennähe Luft und Wasser und der Stoffe wechselnde Verbindung, was ziellos durcheinander flutet, nun sich bindend und lösend in einem Gefühle: Es ist etwas. Nun sich klärend in einem Gedanken: Ich bin! Nun sich fordernd in einem Bewußtsein: Ich will sein!
Eine Einheit in der Welt, aber nicht einmal, nein, millionenmal, überall dieselbe Einheit im Willen der lebendigen Wesen, die Einheit der ganzen Gattung, zusammenschließend alle einzelnen zur gemeinsamen Wirkung, und diese Wirkung steigernd ohne Grenze. Die Welt ein Mittel durch die Einheit für diese Einheit!
Nun rollt der Stein nicht durch Zufall hernieder; nun spielt die Hand nicht zufällig mit dem Baumast; nun lodert die Steppe nicht zufällig vom Blitzschlag. Ein Ich ist da, das damit etwas erreichen will. Diese Wirkung vergeht nicht, wie der schnelle Einfall, sie bleibt bestehen, sie folgt ihrem eignen Gesetz, der geschwungene Ast, die wärmende Flamme. Es gibt Gesetzgeber in der Welt, es gibt eine Macht über die Natur. Von diesem Gehirn aus werden die Dinge verbunden zum zweckvollen Werkzeug. Das Sinnvolle gewinnt die Macht über die rohe Gewalt. Das Kleine wird groß, und das Große wird klein. Vor dir liegt der Weg zur Freiheit.
Vielleicht ahntest du, kleines Tier, daß es ein Besseres gebe? Vielleicht blitzte dir die Idee auf, daß es eine Macht gibt, die Freiheit heißt? Daß das Lebendige berufen ist, das Viele zu einen zu einer Selbstbestimmung, zu einem Vertrauen, das in dir selbst spricht und sonst nirgends? Aber diese Ahnung wirklich machen in der Welt und bei den andern? Das Gesetz verstehen lernen, das die Dinge bindet und eint? Dazu den Weg zu bauen, das konntest du nicht wissen.
Da mußte diese Einheit, die sich als lebendiger Körper zeigt, schon vor der Geburt sorgfältiger gebildet sein. Da mußte ein kräftigeres Geschlecht erstarkt sein, zu ertragen die Hitze des Tags wie die Kälte der Nacht, bis es lernte, daß der Pelz nicht fest zu hängen braucht am eignen Leib, daß die Waffe nicht angewachsen zu sein braucht der Hand, daß die Wärme sich erhalten läßt in der glühenden Kohle des blitzgetroffenen Baumes, die du in der Felsenhöhle hegst und nährst, ja daß der Funke auch sprüht aus dem harten Stein, aus demselben Stein, der sich schärfen läßt, um besser zu schneiden als dein Zahn. Aber dieser Stein ist ja noch gar nicht da! Noch wächst er in dem Meere an deinem Heimatstrand als Riesenschwamm, noch haben deine Enkelgeschlechter viel Zeit zu erstarken, ehe eine neue Flut ihnen das versteinte Gehäuse aus dem versteinten Meere herauswächst.
Wohl uns, daß du dir den kleinen Schädel nicht zerbrochen hast! Zu frühe wäre deine Klugheit in die Welt gekommen!
Nun hörte Homchen nichts mehr von der Stimme. Es kam wieder über sein Herz wie eine dunkle Angst, und doch schien es ganz licht rings umher. Wieder spürte es den schwefligen Dampf in seiner Lunge, und wie ein fernes Keuchen und Rollen klang es ihm in den Ohren. Und doch war das der Berg nicht mehr, auch nicht das Meer, auch nicht der Wald. Etwas Regelmäßiges, grüne Streifen, gelbe Streifen, graue Streifen. Und quer hindurch eine lange, gerade Straße. Das Rollen kam näher.
Was war das? War der grausige Python ans Land gestiegen? Da kam in furchtbarer Eile das furchtbarste Tier. Feuer glühte in seinem Haupte, sein Atem dampfte wie die Wolke über dem heißen Berge — welch grausiger Drache reckte seine Glieder? So lang war keine Echse, keine Schlange, so schnell schoß keine dahin. Und wie bewegte es sich? Wo waren seine Füße? Schien es nicht, als wäre der feuerspeiende Berg lebendig geworden und eile durch das Land? Homchen zitterte wieder — So war‘s doch wahr, was der Taguan bestitten hatte, — so wohnte das doch hinter der heißen Wolke, bei der roten Schlange, was einst kommen sollte, das rollende Tier, das nicht lief, noch schwamm, noch flog? Das war das rollende Tier! — Aber wie? Die rote Schlange, das wußte es doch jetzt, die rote Schlange wohnte nicht hinter der heißen Wolke, die rote Schlange wohnte in ihm selbst, wohnte überall, wo man sie ehrte, wo man sie verstand. Wohnte dort auch das rollende Tier? Jetzt sauste es vorüber — und da saß Homchen selbst auf dem rollenden Tier und fuhr mit ihm dahin. Es hatte keine Angst mehr, es fühlte sich groß und kräftig — das Tier gehorchte ihm, es raste mit ihm durch die Länder und es stand still, wo Homchen wollte — keine Echse konnte es einholen.
Aber hier gab‘s gar keine Echsen. —
Was glänzte da so seltsam wie Felsen, aber so weiß und glatt? Und nun verschwanden sie im Dunkel, doch sie sahen noch heraus mit leuchtenden Augen. Wie hell diese Augen glänzten! Waren es noch Augen? Das waren wohl Sterne? Das war der rote Stern, der strahlte über das Heimatmeer, der strahlte treu und hoffnungsvoll und unverändert, und alles andere war dunkel, nur der Stern sprach mit seinem milden Lichte: Dich grüßt die Zukunft.
Ein stechender Schmerz durchzuckte Homchen — und nun konnte es auf einmal wieder atmen. Es lag eine schwere, dichte Hülle über ihm, aber der Stern glänzte noch, und die Luft war freier. Es versuchte sich zu schütteln. Da fiel die Hülle von seinem Haupte. Der Tag blickte in sein Auge. Aber dort, wo der Stern geschienen hatte, sah es jetzt einen breiten Feuerstreifen. Homchen schüttelte sich wieder und wieder. Die Asche stäubte von seinem Pelzchen. Es war frei. Das Schlangental war ein feuriger See, die Berge sahen verändert aus. Und vorsichtig suchte es einen Weg rückwärts.
Dichte Wolken verdeckten den weißen Berg. Aber der herabgestürzte weiße Sand, der Homchen die Flucht vor der Schlange abgeschnitten hatte, war jetzt überschüttet mit einer Schicht von Asche und Steinen, so daß Homchen darüber fortlaufen konnte. Es suchte die Wiese, wo die Immen gesummt hatten. Nun erkannte es wohl die Felsen wieder, von wo es hinausgeblickt hatte in die weite Welt, wo es sich so klein gefühlt hatte und so groß, wo es geglaubt hatte, daß es bei der roten Schlange sei, wo es die rote Schlange in sich gefunden hatte. Da war auch die Stelle der Wiese. Aber der Bach rauschte schmutzig und grau über neue Felstrümmer, keine Blumenaugen sahen aus Staub und Schutt, keine Immen und Falter spielten im Sonnenschein. — —
Und nun kletterte es noch einmal die Felsen hinan, um sich umzuschauen, wie es über das warme Meer gelangen könne. Es war ein schwieriger Weg, denn Homchen war müde und hungrig. Endlich der letzte Steinblock. — Oh, wie erschrak es da! Vor ihm stürzte der Fels steil in die schwindelnde Tiefe. Wohin waren die grünen Wiesen, die Wälder, die sanften Hügel, wohin die Nachbarberge mit ihren dunklen Kuppen? Verschwunden. Unmittelbar unten brandete ein wildes Meer an ödem Strande. Und dieser öde Strand zog sich jetzt hinüber bis an den Felsrand, über den Homchen zu den Muscheln hinabgestiegen war. Aber weiter im Osten, wo der Wald gewesen war mit den rosigen Blätterbüscheln und den süßen Früchten, wie sah es da aus? Eine Wasserflut war hinübergegangen und hatte den Strom gestaut, und nun lag alles vernichtet wie in einem Sumpfe. Weiterhin konnte Homchen nicht sehen, denn dort wogten weiße und graue und schwarze Wolken, und mitunter schimmerten sie rötlich, wenn der Wind sie trieb, im Widerschein des Glutsees, der durch das Schlangental floß.
Das Große wird klein und das Kleine wird groß! Homchen dachte an seinen seltsamen Traum, aber es durfte ihm jetzt nicht nachhängen. Es mußte hinüber bis über jenen Felsabhang, von dem es zuerst den weißen Berg gesehen, dorthin lag die Heimat, freilich wie fern, wie fern! Und doch — dort allein konnte es Rettung geben. Und nun hatte ja die Zerstörung selbst die Brücke gebaut.
Rettung für sich, Rettung für die Seinen! Also hinunter!