Kitabı oku: «Wirklichkeiten», sayfa 3
In der ersten Ausgabe seines Werkes »Mysterium Cosmographicum« (1596) nimmt Kepler noch an, daß die Planeten durch Seelen bewegt werden, die entweder in ihnen selbst oder in der Sonne ihren Sitz haben. Da sich die entfernteren Planeten langsamer bewegen, so meint er, daß entweder die bewegenden Seelen der Planeten um so schwächer sein müssen, je weiter sie von der Sonne entfernt sind, oder daß es eine bewegende Sonne geben müsse, welche die näheren Planeten kräftiger anregt. Auch in den »Paralipomena ad Vitellionem« (1604) schreibt er der Sonne noch eine Seele zu. In der Schrift über den Planeten Mars dagegen, die unter dem Titel »Astronomia nova« 1609 erschien und die beiden ersten der berühmten nach ihm genannten Gesetze enthält, bestreitet er ausdrücklich, daß es bewegende Seelen der Planeten gäbe. Er faßt seine Gesetze als physische auf, die Bewegung als beruhend auf einer körperlich vermittelten Anziehung, als eine reine Wechselwirkung. Schon in einem Briefe an Fabricius im Jahre 1605 hatte er die irdische Schwere, die den geworfenen Stein herabfallen läßt, als eine Kraft betrachtet, die wie der Magnet Ähnliches zusammenzieht; nun überträgt er diese Vorstellung auch auf kosmische Verhältnisse. Die Anziehung ist eine gegenseitige zwischen allen Körpern. Wenn zwei Steine sich irgendwo ohne äußere Beeinflussung befänden, würden sie sich ähnlich wie zwei magnetische Körper einander nähern. Dies gelte ebenso von den Planeten und der Erde in Bezug auf die zu ihnen gehörigen Körper wie auch in Bezug auf den Mond, und wechselseitig von diesem auf die Erde, deren Wasser er erhebt; ja es gelte auch für die Sonne in bezug auf die Erde.
Die Ursache der langsameren Bewegung der Planeten sucht Kepler jetzt in ihrer Trägheit, und in der zweiten Ausgabe des »Mysterium Cosmographicum« macht er endlich folgenden höchst belehrenden Zusatz:
»Wenn man für das Wort »Seele« das Wort »Kraft« einsetzt, so hat man das eigentliche Prinzip, worauf die Physik des Himmels in der Abhandlung über den Mars begründet und im 4. Buche der Epitome Astronomiae ausgebaut ist. Ehemals glaubte ich, daß die bewegende Ursache der Planeten durchaus eine Seele sei, da ich nämlich vollgesogen war von den Lehren J. C. Scaligers über die bewegenden Intelligenzen. Aber als ich erwog, daß diese bewegende Ursache mit der Entfernung sich abschwäche, daß auch das Licht der Sonne mit der Entfernung von derselben sich verringere, so schloß ich daraus, daß diese Kraft etwas Körperliches sei, wenn nicht im eigentlichen, so doch wenigstens im übertragenen Sinne.«
Was könnte bezeichnender sein für die Vertreibung der Weltseele durch das Gesetz der Mechanik als dieses Selbstbekenntnis Keplers? Die Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse fordert eine Erklärung der Naturerscheinungen, die sich aus den tatsächlichen Messungen bestätigen laßt.; eine solche kann die Seelentheorie nicht gewähren. Die Astronomie will von nun ab nach Prinzipien der Mechanik behandelt sein. Und diese bot ihr Galilei dar. In derselben Zeit, in welcher Kepler sich für die mechanische Erklärung der Planetenbewegung entschied, entdeckte Galilei die Grundgesetze der Bewegung.
In Galilei ist die Auffassung überwunden, daß die Wechselwirkung der Körper in einer Betätigung der Weltseele bestehe. Die Bewegung gilt ihm als ein Vorgang, dessen Realität eine Gesetzlichkeit besonderer Art darstellt, die sich mathematisch ausdrücken läßt. Wenn ein Körper in Bewegung ist, so geschieht dies nicht weil ein Lebensgeist in ihm steckt und die Bewegung erhält, verzögert oder beschleunigt, sondern die Bewegung ist selbst eine intensive Größe, sie ist bestimmbar als Wirkungsfähigkeit des bewegten Körpers. Wie diese Erhaltung, Veränderung und Zusammensetzung der Bewegungen meßbar sind, das lehrte Galilei; damit schuf er die neue Wissenschaft, die Mechanik, und damit vertrieb er die Seelenkräfte aus der Materie, indem er eben die neue Realität der Wirkungsfähigkeit der Materie als das Prinzip der Wechselwirkung einführte, woraus der Begriff der Energie sich entwickelt hat. Galileis Weltanschauung ist daher durchaus mechanisch. Die Dinge und ihre Eigenschaften beruhen ganz allein auf der Verteilung der Materie im Räume und ihrer Bewegung, d.h. auf der Wechselwirkung der bewegten Materie mit unserm eigenen Körper. Hiermit ist der Übergang von der organisch-beseelten Körperwelt zur mechanischen Naturauffassung vollzogen. Die Natur hat ihre eigenen Gesetze, und wir erkennen sie.
Diese Grundlage der modernen mathematischen Naturwissenschaft gewinnt ihren vollständigen Sieg im weiteren Verlaufe des siebzehnten Jahrhunderts. Bewegung ist der Inhalt der Wirklichkeit. Aber wir sehen Wirkung auftreten auch dort, wo sinnlich keine Bewegung wahrnehmbar ist, durch den scheinbar leeren Raum hindurch und zwischen den unsichtbaren Teilchen der Körper. Die Weltseele hat ihre bewegende Kraft eingebüßt, die Bewegung jedoch bedarf eines Trägers, der zwischen den Körpern ihre Mitteilung ermöglicht. Somit wird die Weltseele zum Weltäther. Sie verliert ihre psychische Qualität, behält aber die physische Eigenschaft der Ausdehnung und Raumerfüllung. Noch immer stellt sie den feinsten aller Stoffe dar, der aus den kleinsten, mit der größten Geschwindigkeit sich bewegenden Teilchen besteht. Aber sie ist nur noch Stoff, der von Anfang an, von der Weltschöpfung her mit bestimmten Bewegungen begabt ist, und diese nun nicht mehr nach Maßgabe von Lebensgeistern, sondern lediglich nach mechanischen Gesetzen im Räume von Körper zu Körper überträgt.
Auch dieser Begriff des Weltäthers hatte seine Quelle in der griechischen Philosophie und zwar in der Atomistik Demokrits, die, wie schon erwähnt, durch Epikur aufgenommen worden war. Die antike Atomistik bietet eine durchaus mechanische Welterklärung dar. Es gibt nichts als die im leeren Räume nach Gesetzen der Bewegung durch einander wirbelnden und von einander abprallenden Atome. Alles Werden und Vergehen besteht in dem Zusammenfluß und der Trennung dieser Teilchen; die Wechselwirkung zwischen den Dingen ist also durchaus stofflich, sie besteht in den gegenseitigen Aus- und Einströmungen der Atome.
Die mechanische Weltauffassung der Atomistik hatte jedoch gegenüber dem System des Aristoteles nicht aufkommen können. Auch diejenigen, welche die anschauliche atomistische Vorstellung der Materie wohl als vorteilhaft erkannten, konnten sie doch nicht anders zur Naturerklärung verwerten, als indem sie die Wechselwirkung der Atome sich durch eine geistige Kraft, eine Weltseele vermittelt dachten. Denn wie sollten sonst die Atome sich durch den leeren Raum hindurch beeinflussen? Diese Schwierigkeit trug mit zu der früher erwähnten Vorstellung bei, sich den Raum als Weltseele zu denken. Sobald nun aber die Weltseele durch das mechanische Gesetz verdrängt wurde, sobald die Bewegung der Körper als eine selbständige Form des Seins sich auffassen ließ, konnte die atomistische Struktur der Materie wieder zur Naturerklärung benutzt werden. Und die großen Vorteile dieser Theorie zeigten sich dann sofort. Die Atomistik wurde unter dem Namen der Korpuskulartheorie die herrschende Erklärungsform der Natur im siebzehnten Jahrhundert. Und sie ist es bekanntlich, im großen und ganzen bis heute geblieben. Im siebzehnten Jahrhundert waren es die Philosophen Descartes, Gassendi und Hobbes und die Physiker Boyle, Guericke und Borelli nebst vielen anderen, die der Atomistik zum Siege verhalfen. Ihre wissenschaftliche Vollendung jedoch erhielt sie durch Christian Huygens, gestorben am 8. Juli 1695; er gründete die Gesetze der Atombewegung auf Prinzipien der Mechanik, indem er als Grundgesetze aller Wechselwirkung in der Bewegung der Atome die Erhaltung der Summe der Energie aufstellte. Damit beseitigte er die Einwände, welche gegen die Atomistik auf Grund der Eigenschaften der Atome gemacht zu werden pflegen, weil man sich diese weder starr noch elastisch denken könne. Denn im ersteren Falle könnten sie beim Stoße nicht ihre Bewegung zurückerhalten, im letzteren Falle müßten sie aus verschiebbaren Teilchen bestehen. Merkwürdigerweise kann man diesen Einwurf auch heute noch überall hören. Aber auf die Beschaffenheit der Atome kommt es gar nicht an. Ob die Atome starre Körperchen sind, ob sie sich stoßen, oder nicht, das sind Fragen der Veranschaulichung, die die mathematische Konstruktion der Erscheinungen nichts angehen. Wissenschaftlich kommt es nur darauf an, daß die tatsächlichen Bewegungen im mathematischen Gesetze beschrieben sind, d.h. daß man aus der gegebenen Lage und Bewegung der Teilchen die Lage und Bewegung im nächsten Zeitabschnitt berechnen kann. Einen solchen gesetzlichen Ausdruck hat Huygens für die kinetische Theorie der Materie geliefert, wie ihn Newton in seinen berühmten Fernkräften für die dynamische schuf.
Alle diese atomistischen Theorien der Materie bedurften nun eines Weltäthers zur Vermittelung der Bewegungen, insbesondere zur Erklärung der Schwere und der kosmischen Bewegungen. Da gibt es zahllose Hypothesen, bald höchst scharfsinnig, bald wunderlich, bald konsequent, bald ganz phantastisch. Hier will ich nur von Huygens erwähnen, daß er zur Erklärung der wesentlichen Naturerscheinungen mehrere Arten von seinen Materien oder Äthern aufstellte, von denen sich bis jetzt nur die eine ihren siegreichen Platz in der Wissenschaft für die Dauer errungen hat und als der Weltäther schlechthin bezeichnet wird; es ist das Huygens' Lichtäther.
Neben andern unsterblichen Verdiensten um die theoretische wie technische Mechanik – allgemein bekannt ist die Erfindung der Pendeluhr – knüpft sich an den Namen Huygens vor allem die Wellentheorie des Lichts. Indem er annahm, daß der Lichtäther mit seinen Atomen überall zwischen den Poren der wägbaren Körper und im Raum überhaupt sich befände, zeigte er, wie durch Erregung und Fortpflanzung von Schwingungen sich die wesentlichsten bekannten Eigenschaften des Lichts, Reflexion, Brechung, Doppelbrechung erklären ließen. Mit einigen Modifikationen ist diese Hypothese bekanntlich noch immer die Grundlage der mechanischen Theorie des Lichts.
Während in der Theorie des Lichts die Nachwelt den Gedanken Huygens' gegenüber Newtons Emissionstheorie Recht gegeben hat, war er weniger glücklich, obwohl nicht weniger scharfsinnig, in zwei andern Hypothesen, die dazu dienen sollten, einerseits die Gravitation, andrerseits die Kohäsion zu begreifen. Beide Erscheinungen erklärte er ebenfalls durch Stoß oder Druck der Ätheratome. Anfänglich nahm er als Ursache für die Schwere, welche die Körper zur Erde fallen laßt, ein besonderes Gravitationsfluidum an, dessen Teilchen in allen möglichen Richtungen die Erde umkreisen und die Körper gegen das Zentrum drücken. Nachdem Newton die Identität der irdischen Schwere mit der Kraft, welche die Himmelskörper in ihren Bahnen bewegt, nachgewiesen hatte, dehnte Huygens seinen Gravitationsäther durch das ganze Sonnensystem aus, wobei er jedoch zur Erklärung der Abnahme der Gravitation mit dem Quadrate der Entfernung seine Hypothese ungünstig komplizieren mußte. Er ließ es dann unbestimmt, ob nicht das Gravitationsfluidum mit dem Lichtäther identisch sei. Einen besonderen Äther – wobei sich die verschiedenen Äther immer nur durch die Größe und Bewegung ihrer Teilchen unterschieden – mußte er jedoch zur Erklärung der Kohäsion annehmen, derjenigen Kraft, welche die kleinsten Teile der Körper in ganz anderer Weise verbindet, als es durch die Schwerkraft allein möglich ist. Leider war es ihm nicht vergönnt, die Theorie der Kohäsion so weit durchzuführen, als er es für das Licht und die Schwere ermöglicht hatte. Im Briefwechsel mit Leibniz erwähnt er außer dem Druck des Äthers noch »einen andern Umstand«, den er zur Erklärung der Kohäsion verwenden wolle; aber er hat auf die Anfrage seitens Leibniz nicht mehr angegeben, worin dieser andere Umstand bestehe; es blieb ihm keine Zeit zur weiteren Ausbildung seiner Theorie, da ihn der Tod inzwischen abberief (1695). Wir können nicht ermitteln, was Huygens speziell im Auge gehabt hat.
So groß dieser Verlust für die Wissenschaft sein mag, jedenfalls bleibt für Huygens das Verdienst, die mechanisch-atomistische Theorie der Natur auf den Höhepunkt geführt zu haben, den sie nach dem Standpunkt der Mathematik am Ende des 17. Jahrhunderts, überhaupt erreichen konnte. Und das Wort, das sein großer Gegner Leibniz an ihn richtete, wird bestehen bleiben: »Von allen, welche jemals die Atome als Behauptung aufrecht erhalten haben, hat, wie ich glaube, es niemand mit größerer Kenntnis der Ursachen getan, und mehr zur Beleuchtung der Sache beigetragen, als Sie, mein Herr.«
Huygens war der Vollender der Galileischen Gedankenwelt. Galilei hatte die Bewegung des einzelnen Punktes auf Gesetze gegründet und dadurch von der Weltseele emanzipiert. Huygens übertrug diese Emanzipation auf das gleichzeitige Zusammenwirken von Körpern, wie sie z. B. im physischen Pendel, im Stoß der Körper, in der Übertragung der Geschwindigkeiten zwischen Äther- und Körperatomen vorliegt. Anstatt durch die Weltseele wurde die Anpassung der gegenseitigen Bewegungen nunmehr durch Prinzipien der Mechanik bestimmt. Ausreichende Grundgesetze waren aufgestellt, um die Natur als Mechanismus zu definieren, und im Weltäther war das Mittel gefunden, auf mechanische Weise die Wechselwirkung durch den unendlichen Raum zu verbreiten. Wenn später die Fortschritte in der Erforschung der Erfahrungstatsachen zur Energetik, zur elektromagnetischen Lichttheorie und zur Elektronentheorie geführt haben, so beruhen doch auch diese erkenntniskritisch auf denselben Denkmitteln wie die sog. klassische Mechanik, darauf nämlich, daß die Zustände der einzelnen Raumteile und ihre Veränderungen durch Gleichungen zwischen mathematischen Größen gesetzlich zu definieren sind.
Die Weltseele hatte ihre historische Schuldigkeit getan; sie konnte gehen.
III.
Weltseele und Naturgesetz
Wäre die Naturerkenntnis das einzige Interesse der Menschheit, so hätte mit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts die Weltseele ein für allemal abgedankt werden können. Da aber gerade auf dem psychischen Gebiete der Schwerpunkt des Daseins, nämlich Wert und Zweck des Lebens liegt, so kann die mechanische Auffassung der Natur nicht mehr verlangen, als daß sie für die Naturwissenschaft ihre Selbständigkeit behauptet. So wenig sie sich anmaßen darf, zu einer mechanischen Auffassung der Welt sich auszuwerfen, so wenig darf sie andererseits gestatten, daß ihr die Weltseele wieder unberechtigterweise in ihr Reich der Notwendigkeit des räumlichen und zeitlichen Geschehens hineinpfusche. Daß zu diesem Reiche auch die Tatsachen des organischen Lebens gehören, mag hier nur vorläufig bemerkt werden. Bedürfen dagegen andere Rücksichten der Annahme, daß die Dinge beseelt seien, so steht hierbei kein Recht des Einspruchs zu, so lange nur die Gesetzlichkeit der Natur nicht von der Willkür der Phantasie gestört wird.
Diese Grenze der mechanischen Naturerklärung wurde nun sogleich durch einen neuen Einbruch der Weltseele in die Herrschaft des Raumes bedroht. Die Prinzipien und Hypothesen von Huygens lieferten zwar eine wissenschaftliche Grundlage der Naturwissenschaft; aber um von ihnen aus noch weiter ins einzelne zu dringen und über die Erscheinungen Rechenschaft zu geben, bedurfte es einer verfeinerten Ausbildung der mathematischen Hilfsmittel. Diese schufen Leibniz und Newton durch die Erfindung der Differenzialrechnung. Es kam darauf an, die unendlich kleinen Veränderungen in den räumlichen Ausdehnungen und in den Geschwindigkeiten während eines Zeitmoments in Rechnung zu ziehen, weil nur dadurch das Gesetz der Wechselwirkung der Körper sich unmittelbar mathematisch ausdrücken läßt. Dies leistete die neue Rechnungsmethode. Aber gerade hiermit verlor sich das Bedürfnis, dem die Hypothese des Weltäthers entsprungen war; dieser sollte ja ein Mittel sein, die Übertragung der Bewegung von Teil zu Teil der Materie zu veranschaulichen. Die vervollkommnete Form der Mathematik gestattete nunmehr, direkt aus einer gegebenen Beziehung zwischen den Körpern die daraus folgende zu entnehmen. Die Bewegungsgesetze konnten in eine Formel zusammengefaßt werden, die wirklich stattfindende Bewegung und ihr weiterer Verlauf waren damit ausreichend beschrieben. Das aber ist es, was die Naturwissenschaft verlangt. Die Gesetzlichkeit der Bewegung ist garantiert. Isaac Newton hat das unsterbliche Verdienst, nachgewiesen zu haben, daß die Bewegungen der Himmelskörper sich erklären lassen, wenn man annimmt, es sei zwischen ihnen eine Kraft tätig, deren Wirkungsweise und Größe identisch ist mit der Schwerkraft auf unserer Erde, die wir als Ursache des Fallens der Körper betrachten. Je erfolgreicher in der Astronomie die Methode Newtons sich bestätigte, um so fester gründete sich die Autorität seines Namens, der gegenüber die Bestrebungen derer nicht aufkommen konnten, die nach dem Vorgänge von Descartes, Gassendi, Huygens die Erscheinungen durch den mechanischen Stoß der Atome erklären wollten. Die Hypothesen über die Wirkungsweise der Schwerkraft büßten nunmehr an Interesse ein, das mathematische Gesetz genügte den Astronomen.
Freilich bleiben zahllose andere Gebiete übrig, in denen ein solches Gesetz noch nicht bekannt war. Hier war eine Hypothese über die Form der Wechselwirkung erforderlich. Da aber trat nun durch Newton eine völlige Veränderung in den Anschauungen ein. Nie Wechselwirkung nahm eine neue Gestalt an, sie wurde zur Fernwirkung; und eine merkwürdige Verkettung der Umstände bewirkte so, daß, nachdem durch die Physik des 17. Jahrhunderts die Weltseele aus der Natur vertrieben war, sie jetzt in einer neuen Form zurückkehrte.
Die chemischen und physischen Erscheinungen, unter ihnen vornehmlich die Festigkeit, Flüssigkeit oder Gasförmigkeit der Stoffe und der Zusammenhang dieser Aggregatzustände mit der Wärme, erforderten zu ihrer Erklärung, daß man sich über die Wechselwirkung zwischen ihnen eine bestimmte Vorstellung bildete. Die Korpuskulartheorie, die in der Gestalt und Bewegung der kleinsten Körperteilchen die Ursache der Veränderungen der Körper erblickte, konnte in diesem Falle keine Fortschritte erzielen, die sich mit denen der Astronomie vergleichen ließen; einerseits, weil das Tatsachenmaterial noch zu wenig messend durchforscht war, andererseits, weil die mathematischen Handhaben fehlten. Nun hatte Newton seinen immensen Erfolg durch die Annahme erreicht, daß sich die Körper so bewegen, als zögen sie sich mit einer Kraft an, die im direkten Verhältnis zu ihren Massen und im umgekehrten Verhältnis zum Quadrate ihrer Entfernungen stehe. Nichts lag näher, als diese Annahme in passender Weise auf die kleinsten Teilchen der Körper zu übertragen. Es konnte nur die ästhetische Befriedigung über die in der ganzen Natur herrschende Einheit erhöhen und zugleich die Aussicht auf den Fortschritt der mathematischen Naturwissenschaft fördern, wenn man es als eine Grundeigenschaft der Materie überhaupt betrachtete, daß die Atome durch anziehende oder auch durch abstoßende Kräfte aufeinander einwirken. So wurde denn unter dem Schutze des ruhmvollen Namens Newton der Begriff der Zentralkraft in die Natur eingeführt. Das Gesetz wurde nicht bloß als eine Methode angesehen, die Bewegungen zu beschreiben, sondern als eine in den Atomen selbst steckende physische Ursache, die durch den leeren Raum hindurch von Teilchen zu Teilchen wirkt. Die mechanische Erklärung wurde dadurch in eine dynamische verwandelt: an der mathematischen Methode der Naturerklärung brauchte indessen im Grunde nichts geändert zu werden. Das Gesetz blieb ja als die Realität bestehen, auf welcher alles Naturgeschehen beruht; und die Auffassung, daß jede Veränderung notwendig bedingt ist, wurde nicht dadurch berührt, ob diese Veränderung durch eine den Atomen ursprünglich einwohnende aktuelle Bewegung oder durch eine potenzielle Kraft bewirkt würde. Im Gegenteil bedeutete die Einführung der Newtonschen Fernkräfte einen neuen Fortschritt in der Auffassung der Natur als einer eigenen Gesetzlichkeit, deren Bewegung nicht von dem Leben und der Beseeltheit ihrer Teile abhängig ist. Hier aber traten andere Motive als naturwissenschaftliche dazwischen.
War die Natur ein in sich selbst nach dem eigenen Gesetz der Notwendigkeit ablaufender Mechanismus, so schien es unvermeidlich, daß die naturwissenschaftliche Welterklärung in Materialismus ablaufen mußte. Wie konnte dann das Gebiet der Freiheit, das sittliche und religiöse Leben noch aufrecht erhalten werden, wenn es nur die blinde Notwendigkeit des Naturgeschehens gab? In der Tat haben wir ja erst durch Kant gelernt, das Nebeneinanderbestehen von Naturnotwendigkeit und Freiheit wissenschaftlich zu begreifen. Es wurden daher gegen jene neue Methode der Naturerklärung sehr lebhafte religiöse Bedenken rege. Man fragte sich, wie die Gefahr abzuwenden sei, die dem Glauben an Gott aus der Naturwissenschaft zu drohen schien. Im Interesse der theistischen Weltauffassung lag es, alle Gründe aufzubieten, um das rein mechanische Geschehen als unzureichend für die Naturerklärung zu erweisen und wieder, wie es der Platonismus getan hatte, eine beseelte, geistige Welt als tiefer reichende Realität in das Naturgeschehen hineinzudeuten. In England, wo der Orthodoxismus mit der Gedankenwelt der Forscher am innigsten verbunden war und daher theologische Beweggründe am stärksten wirkten, zeigten sich die Bestrebungen am lebhaftesten und entschiedensten, die Materie hylozoistisch, d. h. als beseelt und lebend, aufzufassen.
Hier vertrat Francis Glisson (1587-1677) einen ausgeprägten Hylozoismus, indem er annahm, daß die Naturerscheinungen aus der gegenseitigen Durchdringung lebendiger Substanzen, die sich ihrer Bewegung bewußt sind, zu erklären seien; er nannte dies die »energetische Natur« der materiellen Teile, derzufolge sie sich ausdehnen, zusammenziehen und bewegen können. Die Willkür, die in seiner Annahme lag, machte es jedoch unmöglich, von dieser Beseelung der Teile aus zu einer exakten Naturerklärung zu gelangen, und somit wurde dieser Standpunkt der mechanischen Auffassung weniger gefährlich, weil er einer solchen zu wenig entgegenzusetzen hatte. Viel bedenklicher wurde eine andere Lehre, die Philosophie Henry Mores (1614 – 1687), weil sie die Berechtigung der mechanischen Theorie bis zu einem gewissen Punkte anerkannte, die Bewegungsgesetze und die atomistische Grundauffassung der Materie bestehen ließ und nur darüber hinaus die Wechselwirkung auf ein geistiges Wesen zurückführen wollte. Nach More besteht die Körperwelt aus unendlich kleinen, undurchdringlichen, sich berührenden und beweglichen Atomen, die er physische Monaden nennt. Aber diese Atome sind nicht bloß alles Lebens und aller Empfindung, sondern auch jeder selbständigen Bewegung bar. Alle Bewegung rührt allein von der geistigen Substanz, dem »hylarchischen Prinzip« her, das immateriell ist, Leben besitzt, jedoch kein bewußtes Denken, und sich spontan, von innen heraus, bewegen kann. Das gemeinsame Band, wodurch dieses hylarchische Prinzip oder dieser mit einem plastischen Vermögen begabte » Spiritus naturae« auf die leblosen Atome wirkt, ist nur der Raum. Denn auch jener immaterielle Spiritus ist ausgedehnt, besitzt jedoch nicht, wie die Körper, Undurchdringlichkeit seiner Teile; wobei es freilich schwer ist, sich eine »immaterielle Ausdehnung« vorzustellen. Die Teile dieses Spiritus, die Geister, erfreuen sich der Freiheit, sich nach Belieben auszudehnen oder zusammenzuziehen; die Anwesenheit eines solchen oder mehrerer Geister im Raume hindert nicht die Aufnahme eines Körpers, was More die »vierte Dimension« nennt. Die Geister schalten und walten hier zum Besten der Naturordnung. So hat sich More eine zweite Welt hinter der physischen Natur konstruiert, in der er nun freilich vor sich gehen lassen kann, was er will. Alles, was physikalisch nicht erklärbar scheint, wird einfach in diese ätherische Geisterwelt hineinverlegt, und damit muß man sich beruhigen.
Trotzdem hat die Sache eine Art theoretischen Anstrichs. Die Geister sind ausgedehnt, sind Teile des Raumes und besitzen somit eine gemeinsame Einheit, indem sie die Gesamtheit des unendlichen Raumes erfüllen. Dieser Weltraum ist also ein unendlicher Geist, der alle endlichen Geister umschließt und durch sie die Körper bewegt; er ist Gott. Mit dieser Vorstellung erhält die Philosophie Mores ein Gepräge, das sie als eine Vermittlung zwischen Naturwissenschaft und religiösem Glauben erscheinen läßt. Man wird an neuere, spiritistische, ganz ähnliche zugestutzte Theorien erinnert, die ja auch den Beifall einzelner Naturforscher gefunden haben.
Von diesen Anschauungen Mores aus wurde nun Newton beeinflußt, und so zeigte sich das seltsame Schauspiel, wie ein theologisches Motiv es bewirkte, daß durch Newtons Autorität ein neues physikalisches Erklärungsmittel in die Naturwissenschaft eingeführt wurde, die oben erwähnte unvermittelte Wirkung in die Ferne.
Es ist keine Frage, daß Newton selbst die Hypothese der unvermittelten Fernwirkung gebilligt hat und sie nicht bloß, wie behauptet worden ist, bei seinen Schülern duldete. Der zweiten Auflage seines grundlegenden Werkes »Mathematische Prinzipien der Naturlehre« ließ er eine längere Vorrede seines Freundes Roger Cotes vorangehen, in welcher die Schwere geradezu eine »einfachste« Ursache genannt ist, von der eine weitere mechanische Erklärung nicht mehr gegeben werden könne. Daß dies Newtons eigener Ansicht entsprach, ist nicht zu widerlegen. Allerdings hatte Newton es unentschieden gelassen, ob vielleicht die Schwere noch auf eine andere Grundlage zurückzuführen sei, nämlich auf die Elastizität eines den Weltraum erfüllenden Äthers. Aber diese Hypothese, die er übrigens nie recht ernst genommen hat, widerspricht nicht der Ansicht, daß, wenngleich noch vielleicht die Schwere, so doch keineswegs die Fernwirkung überhaupt – und auf diese nur kommt es an – mechanisch zu erklären sei. Denn jener elastische Äther übt seine Wirkung nicht durch Druck oder Stoß, sondern durch abstoßende, also fernwirkende Zentralkräfte, die in den Atomen ihren Sitz haben. Das Prinzip der Bewegung bleibt demnach ein übermechanisches, und in einem Briefe an Bentley erkennt Newton ausdrücklich an, daß man die Attraktion in dem ganz allgemeinen Sinne jeder fernwirkenden Kraft verstehen könne.
In diesem Briefe an Bentley findet sich auch die viel zitierte Stelle, die irrtümlich dahin gedeutet worden ist, daß Newton eine fernwirkende Kraft überhaupt für absurd gehalten habe. Sie lautet: »Daß Schwere eine ursprüngliche, inhärente und wesentliche Eigenschaft der Materie sein sollte, so daß ein Körper auf einen anderen in der Entfernung durch den leeren Raum ohne anderweitige Vermittelung wirke, ohne etwas, wodurch seine Wirkung und Kraft übertragen werde, das erscheint mir als eine so große Absurdität, daß ich glaube, niemand, der in philosophischen Dingen ein kompetentes Urteil hat, könne darauf verfallen.«
Aus diesen Worten sind wir, die wir innerhalb der mechanischen Naturauffassung stehen und keine anderen Wirkungen als mechanische in der Naturerklärung zulassen, natürlich gezwungen zu schließen, Newton habe sagen wollen, die Attraktion sei mechanisch zu erklären. Er wollte aber sagen: Die Attraktion ist nicht mechanisch zu erklären, und deshalb darf man sie nicht für eine ursprüngliche Eigenschaft der Materie halten. Der Ton liegt auf dem Wort Materie. Die Tatsache der unvermittelten Attraktion steht für Newton sicher; Materie als »unbeseelter, roher Stoff«, kann nicht in die Ferne wirken; also muß die Attraktion auf einem nicht materiellen Prinzip beruhen, auf einem immateriellen Wesen geistiger Art. Das ist der Schluß, den Newton zog.
Und wo und wie wirkt die Attraktion? Im Raume. Überall ist sie gegenwärtig. Durch keinen Körper läßt sie sich absperren, sie durchdringt die Körper, sie ist mit ihnen zugleich im Raume. Sie wirkt nicht wie Körper in der Berührung, denn für die Berührung wäre die Oberfläche maßgebend; sie wirkt proportional der Masse, also nach Maßgabe des ganzen vom Körper erfüllten Raumes. Sie ist immateriell und doch im Raume, kein Körper und doch Körper bewegend – also wirkt sie wie ein den Raum durchdringender und erfüllender Geist. Und sie wirkt durch den ganzen unendlichen Raum in unendliche Ferne; also ist sie Wirkung des unendlichen Geistes, der die Einheit der gesamten Welt durch seine Tätigkeit umfaßt und ordnet. Attraktion, Feinwirkung, Raum, Gott als Weltseele, das sind nur verschiedene Ausdrücke für denselben Gedanken: das Prinzip der Wechselwirkung. Das ist Mores Philosophie im Newtonschen Gewande.
Newton war ein streng kirchlich gesinnter Mann; nichts konnte ihm willkommener sein als ein Ausweg, die mathematische Naturauffassung, die er durch seine Lebensarbeit wie wenig andere gefördert hatte, vor dem dogmatischen Materialismus zu bewahren, der sich aus ihr mit Notwendigkeit zu ergeben schien. Und er war eine mystisch angelegte Natur, wie die Richtung seiner Studien in seinen letzten Lebensjahren zeigt. So ist es zu verstehen, daß ihm der Gedanke behagte: Die Wechselwirkung der Körper beruht im letzten Grunde auf einer geistigen Natur des Raumes, in welcher die weltordnende Macht des Schöpfers selbst als Weltseele zur Geltung kommt.
So hat denn die Weltseele triumphiert über das mechanische Gesetz. Und so hätte Platon Recht behalten, wenn er ein geistiges Prinzip als das Mittel erklärte, wodurch die Wechselwirkung der sinnlichen Erscheinungen allein zu verstehen sei? Dann gäbe es in der Tat keine naturwissenschaftliche Erkenntnis der Dinge, und nur wahrscheinliche Vermutung wäre gestattet über die Realität der Empfindung, nicht eine Wissenschaft, sondern ein geziemendes und verständiges Spiel? Dann wäre die Arbeit des siebzehnten Jahrhunderts nur ein solches Spiel gewesen?
So liegt die Sache doch nicht, und das war auch Newtons Meinung keineswegs. Der Mann, der das stolze Wort sprach, »Hypothesen ersinne ich nicht«, konnte unmöglich sein eigenes Werk durch eine Hypothese vernichten wollen, welche die Naturerkenntnis aufhob. Nicht in einem Kreise führt die neue Auffassung der Weltseele zur alten zurück, nein, wie in einer Schraubenlinie hat sich das Verständnis der Natur auf eine weitere Stufe erhoben. Von hier vermag es auf seine eigene Bahn zurückzuschauen und zu erkennen, daß diese Bahn zwar aus der Macht des Bewußtseins nicht hinausführt, aber innerhalb derselben durch ihr eigenes Gesetz bestimmt ist. Die Weltseele, die im letzten Grunde die Wechselwirkung bedingen soll, ist allerdings kein Gegenstand der Erkenntnis, aber sie soll es und braucht es auch nicht zu sein. Sie ist ein Gegenstand des Glaubens, und alle Realität beruht zuletzt auf einem Glauben, auf einer inneren Gewißheit des Gefühls; denn alles, was die Erkenntnis zu leisten vermag, ist Widerspruchslosigkeit ihres Inhalts; daß aber nur die Widerspruchslosigkeit uns zu befriedigen, uns Sicherheit im eigenen Bewußtsein zu geben vermag, das ist eine ursprüngliche Realität, die nicht wieder aus der Erkenntnis stammt; daß die Naturgesetze widerspruchslos sein müssen, setzen wir voraus. Und nur insoweit wird, selbst in der Newtonschen Auffassung der Wechselwirkung, der Glaube in Anspruch genommen. Die Weltseele als Bedingung der Wechselwirkung bedeutet jetzt nur, daß es Naturgesetze gibt; das ist eine Realität von jener Ordnung, zu der auch unser eigenes Bewußtsein gehört. Aber es gibt Naturgesetze. Dies ist der Schritt, den das moderne Bewußtsein in der Zeit von Galilei bis Newton über Plato hinausgetan hat; das ist die Sicherung der Naturwissenschaft.