Kitabı oku: «Der behauste Mensch», sayfa 4

Yazı tipi:

Architektur: Ausdruck der Seele
Im Gespräch mit Gerhart Hauptmann

Herr Hauptmann, Ihr Geleitwort zu Kurt Hielschers »Deutschland. Landschaft und Baukunst« enthält Elementares zu Architektur und Behaustsein des Menschen. Ein Freund amerikanischer Hochhauskonstruktionen waren Sie grundsätzlich nicht.

Hauptmann: Wenn die Eisenkonstruktion des amerikanischen Häuserturms den letzten romanischen, den letzten gotischen, den letzten der alten Renaissancebauten, profan oder sakral, ersetzt haben wird, dann freilich ist alles dahin, was wir heute bewegten Gemütes als Deutschland bezeichnen. Es ist dahin, ohne die leiseste Möglichkeit einer Wiedererneuerung.

Hielschers Fotos evozieren bei Ihnen eine fast schon nostalgisch melancholische Interpretation des Behaustseins.

Hauptmann: Man betrachte also mit Aufmerksamkeit jene Baugebilde, … betrachte sie im Ganzen und Einzelnen, in ihrer nützlichen Zweckhaftigkeit sowohl als in dem, worin sie nur Schönheit zum Zwecke haben. Man betrachte ihre äußere Form, mit der sie Wind und Wetter trotzen, und ihre innere, umfriedete Form: Überall wird man finden, dass sie Ausdruck des menschlichen Wesens, der menschlichen Seele, des menschlichen Schicksals sind. Da aber Ausdruck und Sprache ein und dasselbe ist, wird man sagen, dass diese Gebilde sprechen, dass sie menschliches Wesen, menschliche Seele, menschliches Schicksal auf eine nahezu universelle Weise aussprechen.

Was erfahren wir über den Menschen beim Blick auf diese Bauten?

Hauptmann: Medium des Entstehens dieser Gebilde ist die Kunst. Und auch darum sprechen sie, weil Kunst unter anderem durch und durch Sprache ist. Was aber sprechen sie über das menschliche Wesen, die menschliche Seele, das menschliche Schicksal aus? Sie sprechen aus, wie sich das menschliche Wesen zu gestalten sucht, wie sich die menschliche Seele gegen das Schicksal abzugrenzen, zu sichern und in Sicherheit zu entfalten sucht. Sie sprechen aus, wieweit das Schicksal solche Bestrebungen zuließ oder hinderte.

Konkret heißt das was hinsichtlich des Menschen als behaustem Wesen?

Hauptmann: Es handelt sich hier um die Sprache des menschlichen Kollektivwesens, seiner Kollektivseele und des menschlichen Schicksals überhaupt. Das Individuelle ist dabei nirgends rein herauszulösen, wenn man auch sagen kann, dass es im Innern eines Zimmers mehr als im ganzen Hause, im ganzen Hause mehr als in einer Stadt zum Ausdruck kommt.

Fallen Ihnen dazu konkrete Beispiele ein?

Hauptmann: Man sehe daraufhin das Lutherstübchen auf der Wartburg an oder das Eseltreiberstübchen oder auch Goethes Schlafzimmer. Man könnte weiter fortfahren und feststellen, es komme im Innenraum überhaupt mehr zum Ausdruck als im Außenraum, weil dieser im Wesentlichen Schutz und Hülle ist und das Intimste, Eigenste und Zarteste der Seele es ist, was geschützt und umhüllt werden muss.

Der Architekt als Psychologe?

Hauptmann: Über das Psychische der Architektur wird vielleicht einmal mehr als heute gesprochen werden. Man würde dabei die Beantwortung zweier Grundfragen versuchen müssen: inwieweit Architektur Ausdruck der Seele ist und wieweit sie rückwirkend Seelen beeindruckt und bildet.

Ich danke für das Gespräch.

Gerhart Hauptmann, geboren am 15. November 1862 im schlesischen Kurort Obersalzbrunn, gestorben am 6. Juni 1946 in Agnetendorf (Agnieszków) in Schlesien, war ein deutscher Dramatiker, Schriftsteller, Dichter und Shakespeare-Übersetzer. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Die Baukunst –
das große Buch der Menschheit
Im Gespräch mit Victor Hugo

Ihrer Überzeugung nach wurde das große Buch der Menschheitsgeschichte in Stein gemeißelt bzw. mit Steinen gemauert, Monsieur Hugo?

Hugo: In Wahrheit bildet, vom Ursprunge der Dinge an bis einschließlich zum 15. Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung, die Baukunst das große Buch der Menschheit, das Hauptausdrucksmittel des Menschen in seinen verschiedenen Entwicklungszuständen, sei es nun als Macht oder sei es als Intelligenz … So ist während der sechs ersten Jahrtausende der Welt, von der urältesten Pagode Hindustans an bis zum Kölner Dom, die Baukunst die große Schreibkunst des menschlichen Geschlechtes gewesen. Und das ist dermaßen in der Wahrheit begründet, dass nicht nur jedes religiöse Sinnbild, sondern auch jeder menschliche Gedanke in diesem ungeheuern Buche seine Seite und sein Denkmal besitzt.

Mit einer erstaunlichen Entwicklungsgeschichte …

Hugo: Jede Zivilisation beginnt mit der Priesterherrschaft und endigt mit der Demokratie. Dieses Gesetz freiheitlicher Entwicklung, welches an die Stelle der Einheit tritt, ist in der Baukunst niedergeschrieben. Denn wenn wir auf diesen Punkt Gewicht legen, so muss man nicht glauben, dass die Mauerkunst vermögend sei, nur den Tempel zu bauen, nur den Mythus und die kirchliche Symbolik darzustellen, nur die geheimnisvollen Tafeln des Gesetzes auf seine steinernen Seiten in Hieroglyphenschrift einzutragen. Wenn es so wäre, wie ja in jedem menschlichen Gesellschaftszustande ein Augenblick eintritt, wo das geheiligte Sinnbild sich abnutzt und vor dem freien Gedanken verschwindet, wo der Mensch sich dem Priester entzieht, wo das Auswachsen der philosophischen Wissenschaften und Systeme die Grenzlinie der Religion durchbricht, so würde die Baukunst diesen neuen Zustand des menschlichen Geistes nicht wiedergeben können: Ihre auf der Vorderseite beschriebenen Blätter würden auf der Rückseite leer bleiben, ihr Werk würde verstümmelt und ihr Buch unvollständig sein. Das geschah nun freilich nicht.

Sondern? Die Baukunst – Kulminationspunkt aller Kräfte des Menschen?

Hugo: Alle physischen und alle geistigen Kräfte der Gesellschaft liefen in demselben Punkte, der Baukunst, zusammen. In dieser Weise und unter dem Vorwand, der Gottheit Kirchen zu bauen, entfaltete sich die Kunst in großartigen Verhältnissen …

Bis zur Erfindung des Buchdrucks …

Hugo: Bis zu Gutenbergs Auftreten war die Baukunst die hauptsächliche schriftliche Kunst, die Allgemeinschrift. Dieses granitene Buch wird im Orient begonnen, vom griechischen und römischen Altertum fortgesetzt, und das Mittelalter schreibt dessen letzte Seite. Übrigens zeigt sich jene Erscheinung einer Volksbaukunst, welche … die Baukunst einer Gesellschaftskaste verdrängt, bei ganz gleichartiger Richtung in der menschlichen Intelligenz, auch in andern großen Epochen der Geschichte. Also: Um ein Gesetz, welches verlangen könnte, in zahlreichen Bänden aufgedeckt zu werden, hier nur summarisch darzustellen, so folgte im Innern des Morgenlandes, an der Wiege der Urzeiten, auf die Baukunst der Hindus diejenige der Phönizier, als die reiche Mutter der arabischen Baukunst; im Altertum schloss sich an die ägyptische Baukunst, von welcher der etruskische Stil und die Zyklopenbauten nur eine Abart sind, die griechische an, von welcher der römische Stil nur eine mit dem karthagischen Gewölbe überlastete Verlängerung ist; in den neueren Zeiten trat an Stelle des romanischen der gotische Baustil. Und wenn wir diese drei Stilreihen trennen, so finden wir an den drei ältern Schwestern – der Baukunst der Hindus, der ägyptischen und der römischen – dasselbe Symbol wieder, das heißt: die Priesterherrschaft, die Kaste, die Einheit, das Dogma, den Mythos, Gott; und was die drei jüngern Schwestern – die phönizische, griechische und gotische Baukunst – betrifft, so finden wir, wie groß übrigens die Formenverschiedenheit, welche ihrer Natur anhaftet, auch sein mag, gleichfalls die nämliche Bedeutung, das heißt: die Freiheit, das Volk, den Menschen.

Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Victor-Marie Hugo, geboren am 26. Februar 1802 in Besançon, gestorben am 22. Mai 1885 in Paris, war Schriftsteller, Publizist und Politiker und gilt neben Molière, Voltaire und Balzac vielen Franzosen als ihr größter Autor überhaupt.

Architektur –
die am wenigsten geschätzte Kunst
Im Gespräch mit Ellen Key

Frau Key, von Ihren Zeitgenossen als »Kulturmenschen« hatten Sie keine allzu hohe Meinung. Ihr zum Teil äußerst negatives Urteil findet sich in allen Kunst- und Kulturbereichen – namentlich auch gegenüber der das Behaustsein prägenden Architektur. Nicht von ungefähr hatten Sie ja auch Ihr Wohnhaus selbst entworfen.

Key: Wenn man von dem Grenzgebiet der Kunst den Gedanken auf ihr großes Feld lenkt, so zeigt es sich, dass das ganze zeitgenössische Europa in ästhetischer Bildung so weit zurücksteht, dass die Kunst, die nicht bloß die am tiefsten in das tägliche Leben eingreifende ist, sondern auch die, welche während jeder starken Kunstblüte die natürliche Grundfeste der Skulptur und der Malerei war und im Ansehen ihnen ebenbürtig – nämlich die Architektur – jetzt die am wenigsten geschätzte ist.

Im Blick auf Stadtplanungsmaßnahmen etwa heißt das Ihrer Überzeugung nach in puncto der Wertschätzung der Architektur konkret was?

Key: Sie ist sogar derart vernachlässigt als Kunst, dass es Hauptstädte gibt, wie z. B. Stockholm, welche glauben, den Rat eines künstlerischen Architekten bei ihren Gebäudeanordnungen entbehren zu können, und in denen man, rücksichtslos gegen die Meinung der hervorragendsten Fachmänner, einzig dastehende Möglichkeiten zu schönen architektonischen Anordnungen zerstört; in denen man ein originelles Terrain zur Plattheit ebnet und wo dann ungebildete Baumeister den Raum mit einer »gefrorenen Musik« füllen, die Drehorgelmusik ist. Überall müssen die alten, stilvoll einfachen Landhäuser weichen, nicht dem edleren Geschmack einer neuen Zeit, nein, um einen Tummelplatz für das alles eher als dionysische Bacchanale der Stillosigkeit zu eröffnen, dessen Zug von den Städten hinaus in die Fluren führt. Auf keinem Gebiet entbehrt die Zeit so sehr eines eigentümlichen Ausdrucks ihres Lebens als auf dem der Architektur; auf keinem Gebiet wird die Bedeutung der schaffenden Phantasie mehr unterschätzt.

Das bedeutet im Umkehrschluss für gelungene Architektur in Gegenwart und Vergangenheit?

Key: Ein schöner Neubau wirkt in seiner jetzigen Umgebung auf uns ebenso fremd wie eine Apfelsine in einem Kartoffelland, während die Schöpfungen der Architektur in den vornehmen Zeiten der Kunst organisch aus den Lebensbedürfnissen der Gesellschaft hervorwuchsen. Wenn man die Kenntnissumme zum Bildungsexponenten macht, dann ist ein Zeitungsjunge unserer Tage »gebildet« im Verhältnis zu einem Bürger des Mittelalters oder der Antike. Aber auf welchem anderen kulturellen Niveau als die führenden Männer der Gegenwart befanden sich zum Beispiel die Athener, die willig die Ausgaben für die Bauwerke ihrer Stadt auf sich nahmen, als ihnen von Perikles die Wahl gestellt wurde, von den Kosten befreit zu werden, aber dann auch der Ehre des Werkes verlustig zu gehen; oder die Männer, die sich freuten, den gotischen Dom und das Rathaus in reizvollem Zauber sich über ihre eigenen Wohnstätten erheben zu sehen? Die Seele des antiken, des mittelalterlichen Bürgers erhob sich mit jedem Pfeiler, mit jeder Spitze der öffentlichen Gebäude der Stadt, die so zu tief wirkenden Bildungsmitteln wurden. Die Gegenwart führt die geistesärmsten Gebäude auf; ja selbst die Kirche, von der es doch heißt, sie repräsentiere die heiligsten Zwecke, wird gewöhnlich durch den wohlfeilsten Unternehmer erbaut, der die Bestellungen nach dem Preiscourant annimmt und sie im Dutzend ausführt!

Der Architekt als Künstler erfährt keine Beachtung, geschweige denn Anerkennung?

Key: Wenn ausnahmsweise wirkliche Künstler den Auftrag erhalten, eine öffentliche Arbeit auszuführen, so wird die Kunst noch so wenig geschätzt, dass, während man für Gegenwart und Nachwelt die Namen der Donatoren des Werkes eingräbt, die Künstler kaum genannt werden! »Sie sind ja bezahlt«, wie bei einem solchen Anlass bezeichnend geäußert wurde. Dass der Teil seiner Seele, den der Künstler in sein Werk gelegt hat, das Unschätzbare ist, das ist kein Gesichtspunkt für den Geldmann der Gegenwart. Der Börsenfürst hebt nicht – wie einer der gekrönten Männer der Renaissance – den Pinsel des Malers vom Boden auf, sondern er klopft ihm auf die Schulter und bietet ihm Zigaretten an. Er gibt selten dem Künstler Gelegenheit, sein Haus zu bauen oder zu dekorieren, aber er dekoriert seine Soiréen mit dem Künstler. Und in diesem für die Künstler zeittötenden Umgang lernt er selten etwas von der künstlerischen Lebensanschauung, aber er lernt gewisse Kunstausdrücke, die sich auf Ausstellungen gut machen.

Ich danke für das Gespräch.

Ellen Karolina Sophie Key, geboren am 11. Dezember 1849 auf Herrenhaus Sundsholm, Gemeinde Västervik, gestorben am 25. April 1926 in dem von ihr selbst entworfenen Haus »Strand« am Vätternsee bei Ödeshög, war eine schwedische Reformpädagogin und Schriftstellerin. 1896 erschien ihre Schrift »Missbrauchte Frauenkraft«. In dieser, 1898 auch ins Deutsche übersetzten Abhandlung äußerte sie die Auffassung, der natürliche Platz einer Frau sei das Haus und ihre einzige Berufung diejenige zur Mutterschaft.

Geplagte Sklaven der drei M
Im Gespräch mit Friedrich Nietzsche

Herr Professor Nietzsche, eine allzu hohe Meinung haben Sie nicht von den Architekten und Stadtplanern in Ihrer Zeit?!

Nietzsche: Ich gehe durch die neuen Straßen unserer Städte und denke, wie von allen diesen gräulichen Häusern, welche das Geschlecht der öffentlich Meinenden sich erbaut hat, in einem Jahrhundert nichts mehr steht und wie dann auch die Meinungen dieser Häuserbauer umgefallen sein werden. Wir haben uns über unser Dasein vor uns selbst zu verantworten; folglich wollen wir auch die wirklichen Steuermänner dieses Daseins abgeben und nicht zulassen, dass unsere Existenz einer gedankenlosen Zufälligkeit gleiche.

Woran mangelt es?

Nietzsche: Stille und Weite, weit gedehnte Orte zum Nachdenken, Orte mit hochräumigen langen Hallengängen für schlechtes oder allzu sonniges Wetter, wohin kein Geräusch der Wagen und der Ausrufer dringt und wo ein feinerer Anstand selbst dem Priester das laute Beten untersagen würde: Bauwerke und Anlagen, welche als Ganzes die Erhabenheit des Sich-Besinnens und Beiseitegehens ausdrücken.

Ihr Ideal eines Gebäudes?

Nietzsche: An einem griechischen oder christlichen Gebäude bedeutet ursprünglich alles etwas, und zwar in Hinsicht auf eine höhere Ordnung der Dinge: Diese Stimmung einer unausschöpflichen Bedeutsamkeit lag um das Gebäude gleich einem zauberhaften Schleier. Schönheit kam nur nebenbei in das System hinein, ohne die Grundempfindung des Unheimlich-Erhabenen, des durch Götternähe und Magie Geweihten, wesentlich zu beeinträchtigen; Schönheit milderte höchstens das Grauen – aber dieses Grauen war überall die Voraussetzung. – Was ist uns jetzt die Schönheit eines Gebäudes? Dasselbe wie ein schönes Gesicht einer geistlosen Frau: etwas Maskenhaftes.

… das schöne Gesicht einer geistlosen Frau: Kommen wir zu Ihrem Urteil über die Menschen, die in Gebäuden und Städten wohnen und arbeiten?

Nietzsche: Die geplagten Sklaven der drei M, des Moments, der Meinungen und der Moden.

Wie wirkt dieses moderne Sklaventum?

Nietzsche: Die Einzelnen denken mit einer Hast und Ausschließlichkeit an sich, wie noch nie Menschen an sich gedacht haben; sie bauen und pflanzen für ihren Tag, und die Jagd nach Glück wird nie größer sein, als wenn es zwischen heute und morgen erhascht werden muss: weil übermorgen vielleicht überhaupt alle Jagdzeit zu Ende ist.

Das Bild der Jagd: Was oder wer wird gejagt?

Nietzsche: Die gebildeten Stände und Staaten werden von einer großartig verächtlichen Geldwirtschaft fortgerissen. Niemals war die Welt mehr Welt, nie ärmer an Liebe und Güte. Die Gelehrtenstände sind nicht mehr Leuchttürme oder Asyle inmitten aller dieser Unruhe der Verweltlichung; sie selbst werden täglich unruhiger, gedanken- und liebloser.

Ihrer Einschätzung nach hat diese Geldwirtschaft erheblichen Einfluss auch auf die Wirtschaft im Allgemeinen und auf die Kultur.

Nietzsche: Da ist die Selbstsucht der Erwerbenden, welche der Beihilfe der Kultur bedarf und ihr zum Danke dafür wieder hilft, aber dafür freilich zugleich Ziel und Maß vorschreiben möchte. Bildung würde von den Anhängern derselben als die Einzige definiert werden, die der Mann, in Bedürfnissen und deren Befriedung, durch und durch zeitgemäß wird, mit der man aber zugleich am besten über Mittel und Wege gebietet, so leicht wie möglich Geld zu gewinnen.

Etwas präziser bitte: Was konkret heißt das für die Bildung und Ausbildung der Menschen?

Nietzsche: Jede Bildung ist hier verhasst, die über Geld und Erwerb hinaus Ziele steckt, viel Zeit verbraucht. Nach der hier geltenden Sittlichkeit steht gerade das Umgekehrte im Preise, nämlich eine rasche Bildung, um bald ein Geld verdienendes Wesen zu werden, und doch eine so gründliche Bildung, um ein sehr viel Geld verdienendes Wesen werden zu können. Den Menschen wird nur so viel Kultur gestattet, als im Interesse des allgemeinen Erwerbs und des Weltverkehrs ist, aber so viel wird auch von ihm gefordert.

Was ist Ihr Ideal hinsichtlich der Bildungsziele?

Nietzsche: Ein tüchtiger Handwerker oder Gelehrter nimmt sich gut aus, wenn er seinen Stolz bei seiner Kunst hat und genügsam und zufrieden auf das Leben blickt. Nichts hingegen ist jämmerlicher anzuschauen, als wenn ein Schuster oder Schulmeister mit leidender Miene zu verstehen gibt, dass er eigentlich für etwas Besseres geboren ist. Es gibt gar nichts Besseres als das Gute! Das ist: irgendeine Tüchtigkeit haben und aus ihr schaffen, virtù im italienischen Sinne der Renaissance.

Ihr Urteil über Architekten?

Nietzsche: Der Architekt stellt weder einen apollinischen noch einen dionysischen Zustand dar: Hier ist es der große Willensakt, der Wille, der Berge versetzt, der Rausch des großen Willens, der zur Kunst verlangt. Die mächtigsten Menschen haben immer die Architekten inspiriert; der Architekt war stets unter der Suggestion der Macht. Im Bauwerk soll sich der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht versichtbaren; Architektur ist eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald überredend, selbst schmeichelnd, bald bloß befehlend. Das höchste Gefühl von Macht und Sicherheit kommt in dem zum Ausdruck, was großen Stil hat.

Herr Nietzsche, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Friedrich Wilhelm Nietzsche, geboren am 15. Oktober 1844 in Röcken bei Lützen, gestorben am 25. August 1900 in Weimar, begraben an der Kirchenmauer in seinem Geburtsort, Philosoph, Dichter, Philologe, Großdenker der ewigen Wiederkehr des Gleichen als Grundlage eines bejahenden Lebensprinzips – den einen geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus, den anderen prophetischer Deuter schlechthin der menschlichen Existenz in unserer Zeit.

Vom Nutzen, der Dauerhaftigkeit
und der Schönheit
Im Gespräch mit Andrea Palladio

Signor Palladio, wer Ihre Villa La Rotonda in Vicenza gesehen hat, weiß, dass Sie ein Baumeister im besten Wortsinn sind. Sprechen wir also über das Bauen. Was sind dessen wesentliche Kriterien?

Palladio: Bevor man zu bauen beginnt, muss man jedes Teil des Grund- und Aufrisses des Gebäudes, das man errichten will, sorgfältig bedenken. Drei Dinge müssen, wie Vitruv sagt, bei jedem Bau berücksichtigt werden, ohne die kein Bauwerk gelobt zu werden verdient, und zwar der Nutzen oder die Annehmlichkeit, die Dauerhaftigkeit und die Schönheit. Deshalb könnte man ein Bauwerk nicht vollkommen nennen, das dem Nutzen genügt, aber nicht von Dauer ist, oder von Dauer, aber nicht annehmlich, oder beides ist, aber keine Anmut besitzt.

Wie wird Annehmlichkeit erreicht, wie Dauerhaftigkeit, heute würden wir von Nachhaltigkeit sprechen?

Palladio: Annehmlichkeit wird man dann erzielen, wenn man jedem Glied den nötigen Platz gibt und einen passenden Ort, nicht kleiner, als die Würde es erfordert und nicht größer, als es dem Zweck entspricht, das heißt, wenn die Loggien, Säle, Zimmer, Vorratsräume, Kornspeicher den ihnen gemäßen Ort einnehmen. Der Dauerhaftigkeit wird man Genüge leisten, wenn alle Mauern lotrecht ausgerichtet und im unteren Teil dicker sind als im oberen und wenn sie gute und ausreichende Fundamente haben, wenn zudem die oberen Säulen genau über den unteren zu stehen kommen und alle Öffnungen, wie Ausgänge und Fenster, übereinander liegen: So soll Solides über Solidem, das Leere über dem Leeren zu liegen kommen.

Nicht zu vergessen ein Wort zur Schönheit?!

Palladio: Die Schönheit ergibt sich aus der schönen Form und aus der Entsprechung des Ganzen zu den Teilen, der Teile untereinander und diese zum Ganzen, sodass ein Bau wie ein ganzer, wohlgestalter Körper erscheint, in dem ein Glied dem anderen entspricht und alle Glieder notwendig dem entsprechen, was man vorhat.

Die Kosten spielen natürlich auch eine Rolle?!

Palladio: Wenn man diese Dinge in der Zeichnung und im Modell bedacht hat, muss man sorgfältig alle Ausgaben berechnen, die auf einen zukommen können, sogleich das Geld bereitstellen und das benötigte Material vorbereiten, damit nichts während der Arbeit fehlt, das die Fertigstellung des Werks behindern könnte. Dem Bauherrn wird kein geringes Lob zuteilwerden, wenn der ganze Bau keinen bescheidenen Nutzen hat, wenn er mit der gebotenen Zügigkeit ausgeführt ist und alle Mauern auf gleiche Weise hochgezogen sind und entsprechend aufsteigen, damit sie nicht Risse bekommen, wie man sie an den Bauten zu sehen pflegt, die über längere Zeit und ungleichmäßig hochgezogen wurden.

Ihre Ideen zur Konzeption eines Hauses im Besonderen?

Palladio: Damit die Häuser dem Nutzen der Familie entsprechen …, soll man große Sorgfalt verwenden nicht nur auf die wesentlichen Teile wie die Loggien, die Säle, prächtig ausgestatte Zimmer und geräumige Treppen, hell und leicht zu ersteigen, sondern auch, dass die kleinen und unansehnlichen Teile zum Dienst an den größeren und würdigeren an den dazu geeigneten Platz gelegt sind. Weil nun, so wie beim menschlichen Körper, einige Glieder schön sind und edel, andere hingegen hässlich und unedel, und weil wir sehen, dass jene dennoch der Letzteren durchaus bedürfen, ja ohne sie nicht bestehen können, so müssen auch im Bauwerk einige Teile ansehnlich und würdevoll, andere dagegen weniger elegant sein, ohne die jedoch die schönen Teile nicht funktionieren könnten und so einen Teil ihrer Würde und Schönheit verlieren würden. Aber wie der gnädige Gott, der diese unsere Glieder derart angeordnet hat, dass die schönsten so gesetzt sind, dass sie gesehen werden, die weniger edlen aber an verborgenen Stellen, so werden auch wir beim Bauen die hauptsächlichen und wichtigen Teile augenfällig anordnen, die weniger schönen jedoch an Orte, die dem Auge so viel wie möglich verborgen sind, denn dort wird man alles Hässliche unterbringen und all das, was Verlegenheit verursachen könnte und selbst das, was schön ist, hässlich erscheinen ließe.

Und eine gehörige Portion Pragmatismus steckt natürlich auch in Ihrer Architektur-Konzeption!?

Palladio: Darum finde ich es gut, wenn man ganz unten im Hause, in Teilen, die ich manchmal unter der Erde anlege, die Keller, die Lager für Holz, die Vorratskammern, die Küchen, die Speisezimmer, die Waschküchen, die Öfen und all das andere unterbringt, das man für das tägliche Leben braucht. Daraus ergeben sich zwei Vorteile: Zunächst der, dass der obere Teil des Hauses von dergleichen ganz frei bleibt. Sodann ein nicht minder wichtiger, sofern es sich in einem Obergeschoss gesünder lebt, denn sein Fußboden liegt fern von Bodenfeuchtigkeit. Dazu kommt, dass es, indem es höher liegt, einen schönen und gefälligen Anblick wie Ausblick bietet. Auch wird man dafür sorgen, dass das Gebäude im Übrigen auch große, mittlere und kleine Räume hat, die nebeneinanderliegen, sodass man sich ihrer abwechselnd bedienen kann. Die kleinen Räume teilen sich in Studierzimmer, Bibliotheken oder solche zum Aufbewahren von Reitzeug oder von Geräten für andere Beschäftigungen, die wir alltäglich brauchen, die man aber in Räumen, in denen wir schlafen, essen oder Gäste empfangen, nicht gut aufbewahrt. Der Bequemlichkeit dient auch, wenn die Zimmer für den Aufenthalt im Sommer weit und geräumig sind und gegen Norden liegen, die für den Winter gegen Süden oder Westen. Sie sollen eher klein sein, denn im Sommer suchen wir Schatten und Wind, im Winter die Sonne, die kleinen Zimmer erwärmen sich schneller als die großen. Die Räume aber, die wir im Frühling und Herbst nutzen wollen, werden sich gegen Osten wenden und über Garten und Grün blicken. In diesem Teil werden auch die Studierzimmer und Bibliotheken sein, denn man nutzt sie eher am Morgen als zu anderen Tageszeiten. Doch die großen Zimmer sollen zu den mittleren und diese zu den kleinen so liegen …, dass ein Teil des Hauses mit dem anderen verbunden ist und somit der Baukörper ein besonderes Miteinander der Glieder zeigt, das das Ganze schön und ansehnlich macht.

Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Andrea di Pietro della Gondola, genannt Palladio, geboren am 30. November 1508 in Padua, gestorben am 19. August 1580 in Vicenza, war Italiens bedeutendster Architekt der Renaissance in Oberitalien, der erste große Berufsarchitekt überhaupt, und bedeutender Architektur-Theoretiker. Nach ihm benannt ist der Palladianismus, ein klassizistisch geprägter Baustil.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺623,50

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
260 s.
ISBN:
9783843613286
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre