Kitabı oku: «Nur dämlich, lustlos und extrem?», sayfa 7
Aber es könnte eben von jemand, der oder die die Band nicht kennt, anders verstanden werden?
Ja. Und bei so was hab ich auch keinen Bock, das zu erklären. Bei manchen Bands bekommst du oft zu hören: »Warum lässt du dir die denn stechen?« Z. B. bei den Toten Hosen: »Die sind doch überhaupt nicht mehr Punk, die sind doch eher Schlager.« Ja, stimmt schon. Ich würde es mir jetzt auch nicht mehr stechen lassen, aber irgendwie bedeutet mir die Band unverändert trotzdem viel, auch wenn die letzten Alben scheiße waren. Das geb ich offen zu, aber man verbindet ja trotzdem was mit der Band. Oder wenn ’ne Band rechtsradikal wird oder rechts. Gut, meine Bands sind alle Punk- oder Hardcorebands, von daher brauch ich keine Sorge zu haben. Aber wenn die was anderes machen, bin ich trotzdem Fan und steh zu der Band. Und wenn sie ’nen ganz krassen Scheiß machen, wie jemanden vergewaltigen oder so, mach ich mir eben ein Cover-up.
Was haben denn deine Eltern dazu gesagt, als du dein erstes Tattoo hattest?
Meine Mutter hat erst drei, vier Monate später erfahren, dass ich mir ein Tattoo hab stechen lassen, als ich ’nen Telefonanruf bekommen hab, dass ich meine Prüfung bestanden hab. Da stand ich nur in Boxershorts vor ihr, und sie dann so: »Ja, wie sieht denn das in 70 Jahren aus?« Meine Eltern sind doch ein bisschen konservativer eingestellt. Dann meinte ich zu meiner Mutter: »Wenn ein verschrumpeltes Tattoo meine einzige Sorge mit 95 ist, dann gehts mir noch gut.« Da hat sie auch nix mehr drauf gesagt. Und inzwischen sagen sie nix mehr. Für sie ist das eher so ’ne Sache: »Es kostet doch Geld. Bub, das musst du sparen.«
»Wenn ein verschrumpeltes Tattoo meine einzige Sorge mit 95 ist, dann gehts mir noch gut.«
Und andere Menschen aus deinem Umfeld, wie Geschwister oder Freund*innen?
Meine Freunde feiern es alle, die finden es cool. Klar, die finden manche Band nicht so cool, und die finden es manchmal auch zu viel an meinem Bein, weil das irgendwann ’ne Reizüberflutung ist. Ich hab jetzt 18 Tattoos am linken Bein und zwei am rechten Bein. Aber sonst finden sie es sehr positiv und die Idee richtig cool. Nur über den Tattoo-Stil hab ich regelmäßig Diskussionen mit ’nem Kumpel. Er steht eben auf ’nen anderen Stil, den ich mir nicht machen lass. Er würde die Tattoos z. B. verbinden und nicht so einzeln stehen lassen. Aber ich will jede Band einzeln stehen lassen, weil jede Band für mich ein Alleinstellungsmerkmal ist und eine persönliche Geschichte hat …«
Hattest du auch schon mal inhaltliche Diskussionen?
Ja, vor allem bei Feine Sahne Fischfilet hatte ich schon die ein oder andere Diskussion, weil die laut Verfassungsschutz linksextremistisch sein sollen. Warum man sich so ’ne Band überhaupt tätowieren lässt, die dazu aufrufen, Polizisten anzuzünden und Steine zu schmeißen? Die den Tod von Polizisten wollen? Und ja, damit wollte ich auch ein bisschen provozieren, weil mit einem Tattoo provoziert man doch immer irgendwie die Gesellschaft – unverändert. Die haben beispielsweise ’ne Textzeile »die nächste Bullenwache ist nur ein Steinwurf entfernt«, die man auslegen kann, wie man will. Ich finds eben doch eher als Provokation gemeint, weil nur über Provokation erreichst du Bekanntheit und Popularität. Und wenn inzwischen schon Bundespräsident Steinmeier die Band unterstützt, find ich die nicht linksextremistisch, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Klar, was früher auf den Konzerten war, war übel. Das fand selbst ich übel, wo sie dazu aufgerufen haben, die nächste Polizeiwache zu stürmen und Molotowcocktails reinzuwerfen. Aber mein Gott, da waren die auch noch jung. Manchmal ist man im jungen Alter doch nicht recht klug, sagt viel Scheiße oder baut viel Scheiß, der eigentlich nicht so gemeint ist.
Wie waren diese Situationen so für dich? Diese Diskussionen?
Manchmal ist man es leid, schon wieder erzählen zu müssen, warum und wieso. Ich will mich nicht rechtfertigen, warum ich mir dieses und jenes stechen lass, ob ich jetzt ’ne linke Zecke und gegen Deutschland bin. Das meinte ein ehemaliger Arbeitskollege zu mir, ich sei ’ne scheiß linke Zecke. Er hat selbst ein Böhse-Onkelz-Tattoo auf dem Arm, und wie die Böhse Onkelz sind oder waren, steht außer Frage. Und auch deren Fans sind strohdumm. Nicht alle, aber ein Großteil von denen ist einfach strohdumm, und das hast du bei ihm gemerkt. Mit dem konnte man sich auf keine Diskussion einlassen. Der meinte auch in Bezug auf die Hetzjagden gegen Geflüchtete in Chemnitz, da müsste man als richtiger Deutscher auf der Seite der Deutschen stehen und nicht auf der Seite von »Wir sind mehr«. Ich war natürlich auf der Seite von »Wir sind mehr«. Er wollte verhindern, dass ich nach Chemnitz fahr. Mit so Leuten lass ich mich auf überhaupt keine Diskussion ein. Wenn einer mit mir diskutieren will, wie sich Green Day, Die Toten Hosen oder wer auch immer verändert haben, ist das ja noch in Ordnung, oder wenn ich jemanden besser kenne, dann erzähl ich auch mal die Geschichte hinter meinem Tattoo, aber so auf die ganz krassen Diskussionen lass ich mich nicht ein.
Siehst du ein Tattoo zu haben, wie du es hast, als Politik machen?
Erst mal: Was ist Politik? Politik ist ja alles. Politik ist für mich, wenn ich aus dem Haus rausgehe und zur Arbeit, um das System am Laufen zu halten. Als 14-, 15-jähriger Punk wollte ich das System zerstören, und jetzt trag ich dazu bei, dass das System nicht kollabiert, indem ich eine Behindertenwerkstatt leite und damit die Produktion aufrechterhalte. Da bin ich das erste Mal heute Morgen draufgekommen, über ein Lied von den Toten Hosen: »Wir wollten nur das System zerstörn, doch heut haben wir nachgedacht.« Ja, irgendwie wird man doch erwachsen mit der Zeit, aber andererseits darf man auch nicht vergessen, wie man eben früher war. Und um auf die Frage zurückzukommen: Ja, ich find, dass Tattoos schon ’ne Form von Politik sind. Nicht so die klassische Art von Politik. Aber mit so ’nem Tattoo gibst du ein Statement an die Gesellschaft, und die Gesellschaft gibt ein Statement zurück. Da kommst du ins Gespräch mit den Leuten, um einfach mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass alle Tätowierten sich Cannabis spritzen, alkoholabhängig sind, arbeitslos sind und keine Ahnung was. Denn ich hab ’ne eigene Wohnung, zur Miete, hab ’nen Job und so. Ich bin an sich ein Paradebeispiel. Und ich kenn auch noch viele andere, die tätowiert sind und ’nen Job haben. Die Vorurteile stimmen nicht. Und Vorurteile auszuräumen ist auch ’ne Form von Politik. Einfach in Form von Aufklärung.
Als 14-, 15-jähriger Punk wollte ich das System zerstören, und jetzt trag ich dazu bei, dass das System nicht kollabiert, indem ich eine Behindertenwerkstatt leite und damit die Produktion aufrechterhalte.
Mit so ’nem Tattoo gibst du ein Statement an die Gesellschaft, und die Gesellschaft gibt ein Statement zurück.
Seit wann interessierst du dich überhaupt für Politik?
Wenn man anfängt, Punkmusik zu hören, sollte man sich schon relativ früh damit auseinandersetzen. Mein Schlüsselmoment war, als wir in der achten oder neunten Klasse in Dachau im KZ waren, die Baracken und die Gaskammern gesehen haben und das Dritte Reich aufgearbeitet haben. Das war für mich der Schlüsselmoment: Tu was dagegen! Ich hab dann mit meinen Großeltern darüber gesprochen, und mein Opa meinte dann, wir seien die Generation, die alles tun müsse, um zu verhindern, dass so ein Scheiß noch mal passiert. Er ist 1933 geboren, er konnte nix tun, er war da ja noch zu jung. Aber seine Eltern, vor allem sein Vater hat sich ordentlich einlullen lassen von der ganzen Hetze. Und die Pflicht unserer Generation ist es, das zu verhindern. Mit allen legalen Mitteln. Und er fand es auch mega gut, dass ich z. B. nach Chemnitz gefahren bin, dass ich die AfD in Waiblingen boykottiert hab. Ja, als wir im KZ Dachau in der Gaskammer standen, hat es klick gemacht und mich wie ein Faustschlag getroffen. So richtig realisiert hab ich das erst, weil ich noch recht jung war, auf der Heimfahrt. Da hab ich mich bewusst damit befasst, auch wenn man so vor zehn Jahren noch nicht die Möglichkeiten wie heute mit Facebook hatte. Es war damals noch schwieriger, an Informationen zu kommen und sich zu vernetzen.
Tu was dagegen!
Wie hast du dir dann Informationen beschafft?
Über linke Foren, also Homepages, wo man sich informieren konnte. Und die Bands haben damals ihre Homepage auch ganz aktuell gehalten, z. B. ZSK oder Antiflag, ’ne amerikanische Band. Oder einfach ganz normal Nachrichten gucken, Zeitung lesen, was heute ja nicht mehr so nötig ist. Klar schaut man auch mal Nachrichten, liest auch mal ’ne Zeitung, aber damals war die Informationsbeschaffung doch recht schwierig.
Woher holst du dir deine Informationen heute?
Über die normalen Medien, was so in den Nachrichten läuft, und auch online. Obwohl man da aufpassen muss mit den Fake News, man muss halt so viel Hirn haben, um zu raffen, was Fake ist und was nicht, denn von beiden Seiten gibts die Fake News. Von den Rechten mehr als von den Linken, aber da muss man schon differenzieren. Manche Meldungen muss man einfach nachprüfen.
Auf welchen Seiten bist du dann meistens unterwegs?
Bis vor Kurzem auf Linksunten, Indymedia, das ist ’ne Homepage gewesen, die lahmgelegt wurde vom Bund, weil sich dort linksradikales Gedankengut vernetzt hat, wo auch viel Illegales ablief. Das stimmt auch. Da waren mal Adressen von AfD- und NPD-Politikern zu lesen oder von stadtbekannten Dorfnazis in Stuttgart oder von Reichsbürgern. Das ist etwas, das ich überhaupt nicht unterstütze, denn dadurch wird die gesamte Sache in den Dreck gezogen. Und sonst viel über Facebook, über Gruppen. Man bekommt viel zugeschickt. So ’ne konkrete Infoquelle hab ich nicht. Ich bin in einer Gruppe von Oxfam, das ist ’ne Menschenrechtsorganisation, bei der die deutsche Leiterin recht viel postet. Das ist auch politisches Zeug, wie jetzt z. B. mit der Flüchtlingskatastrophe an der türkisch-griechischen Grenze, was da abgeht. Das ist meistens Spiegel Online. Klar, wie seriös der Spiegel ist, sei mal dahingestellt, aber von dem, was in so ’ner Menschenrechtsorganisationsgruppe gepostet wird, kann man schon ausgehen, dass der Wahrheitsgehalt recht hoch ist. Oder man bekommt mal da, mal da ’nen Link zugeschickt.
Liest du mehr oder setzt du auch selbst politische Beiträge rein?
Eigentlich les ich nur, weil reinsetzen ist mir zu stressig. Da bin ich schon eher geneigt, ’ne wissenschaftliche Arbeit draus zu machen mit Quellen und so …
Obwohl man da aufpassen muss mit den Fake News, man muss halt so viel Hirn haben, um zu raffen, was Fake ist und was nicht.
Bist du denn irgendwo politisch aktiv?
Klar geh ich auf Demos, wenn es zeitlich reinhaut. Ich muss ja auch arbeiten, und jetzt wohn ich doch relativ weit außerhalb von Stuttgart, aber wenns zeitlich reingehauen hat, war ich regelmäßig auf Demos gegen rechts. Z. B. gegen die AfD war ich sehr oft dabei, bei »Wir sind mehr« in Chemnitz war ich dabei, ich wollte eigentlich auf die große Demonstration und auf das Konzert, das da war, aber ich war dann nur auf dem Konzert, weil ich arbeiten musste und keinen Urlaub bekommen hab. Meine letzte Demo war die Fridays-for-Future-Demo in Stuttgart. Aber sonst reicht mir die Zeit oft nicht. Klar sind das auch Ausreden, aber man weiß auch, dass die Stuttgarter Polizei nicht gerade die netteste ist.
Und denkst du, du wirst dich auch weiterhin politisch engagieren?
Auf jeden Fall, ja. Na ja, wenn man im sozialen Bereich arbeitet, muss man sehr aufpassen mit dem Führungszeugnis, dass da kein Scheiß drinsteht. Deswegen halt ich mich von dem Schwarzen Block und Antifa-Kiddis lieber fern, weil die doch sehr auf Krawalle aus sind. Ich war da auch früher dabei, keine Frage, aber die sind die, die auf Demos am meisten Stress machen. Da steh ich lieber ein bisschen abseits oder bei anderen Leuten, die nicht so auf Krawall gebürstet sind. Weil: Sobald der Schwarze Block aufmarschiert, ist die Polizei auch unentspannter.
Das aktuelle Politikgeschehen kann man nur mit zwei Sachen aushalten, mit Satire und mit Alkohol.
Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, in eine Partei einzutreten?
Ja, und ich wurde schon gefragt, ob ich der SPD beitreten will, weil mein Stiefvater ein SPD-Gemeinderat ist. Und ich so: »Nee, ich will keiner Partei beitreten«, weil an jeder Partei gibts was auszusetzen. Ob es die CDU ist, die ich grundsätzlich ablehn, weil es für mich ein NSDAP-Aussteigerprogramm ist, oder vor allem in den 40er- und 50er-Jahren war das ein NSDAP-Aussteigerprogramm, und die hat das nie aufgearbeitet in ihrer Geschichte. FDP, na ja, das ist eigentlich dasselbe nur in Gelb. Ob die SPD Sozialpolitik macht, ist auch so ’ne Frage, weil sie letztlich Politik machen für irgendwelche dahergelaufenen Honks, deswegen scheidet die SPD auch aus. Grüne ist für mich ein Kasperleverein, der sich überhaupt nicht selbst treu bleibt, sondern einfach seine Ideale verkauft. Die Linke hat die SED-Vergangenheit, die sie auch nicht wirklich aufarbeiten – wollen, sorry. Ja, und sonst gibts halt so kleine Splitterparteien.
An jeder Partei gibts was auszusetzen.
Die PARTEI ist ’ne Satirepartei, da könnte ich mir noch eher vorstellen beizutreten. Denn deren Wahlspruch ist: Das aktuelle Politikgeschehen kann man nur mit zwei Sachen aushalten, mit Satire und mit Alkohol. Da haben sie nicht unrecht. Ich war mal bei ’nem Landesparteitag dabei, und das war schon sehr amüsant. Das war zwar eher wie ’ne Comedy-Veranstaltung, hatte nichts mit seriöser Politik zu tun, aber sie haben immer sehr humorvolle Aktionen in Baden-Württemberg und im Rest vom Land. Als die Europawahl war, bei der zwei Parteimitglieder reingekommen sind, gabs ’ne Wahlparty um 18 Uhr, nachdem die Wahllokale geschlossen haben, wo Bier getrunken wurde und man versucht hat, dass jeder auf die Promillezahl des Wahlergebnisses im Wahlbezirk kommt. Also die machen sehr viel mit Humor. Klar, die kann man jetzt nicht für ernsthafte Dinge halten, außer im Europaparlament, wo der Martin Sonneborn drinsitzt und der Nico Semsrott, zwei Satiriker. Die setzen sich dann doch mehr für seriöse Politik ein, na gut, ob Europa jetzt seriöse Politik macht … und sind dann eher liberal, zwischen SPD und Grünen. Sie setzen sich sehr für die Interessen der meisten jungen Wähler ein. Diejenigen, die Die PARTEI wählen, sind meistens keine Ü40 oder Ü35. Aber es sind fast alles Protestwähler, die keinen Bock haben, die normalen Parteien zu wählen, und bevor sie ihre Stimme verfallen lassen, geben sie sie der Partei Die PARTEI.
Was würdest du anderen Leuten sagen, weshalb es sich lohnt, politisch interessiert und/ oder engagiert zu sein?
Sich zu interessieren ist leichter jemandem zu sagen, als dass man sich politisch engagieren soll. Politik geht uns alle was an, vor allem die jungen Leute, denn das ist, ganz plakativ gesagt, das, was in Berlin über unsere Zukunft entschieden wird. Ob es das Klimapaket ist, ob es vielleicht mal wieder eine Grundgesetzänderung gibt, was jetzt bestimmt kommt wegen Corona, das ist ja schon in der Diskussion … oder mit der Rente. Das ist das, was unsere Generation jetzt machen muss: Sie muss sich dafür interessieren, dass wir möglichst noch ’ne Rente haben, von der man leben kann. Wir müssen dafür sorgen, dass das Rentenalter nicht hochgesetzt wird. Ich kenn viele Pfleger oder Leute, die im sozialen Bereich im Wohnheim arbeiten, die können nicht bis 70 arbeiten, das schaffen die jetzt schon kaum und arbeiten sich kaputt. Deswegen sollte man sich für Politik interessieren, um zu wissen, was passiert, weil im Nachhinein zu sagen: »Öh, scheiß Politiker, öh«, ist zu spät, und man kann dann den Großteil eh nicht mehr rückgängig machen. Man muss sich schon im Klaren sein, wen man nach Berlin schickt oder in den Landtag.
Und das Engagieren?
Das ist die Frage: Ist es schon engagieren, wenn ich ins Wahllokal geh und meine Stimme einer Partei gebe? Oder ist politisch engagieren, wenn ich auf die Königstraße geh und für die Aufnahme von geflüchteten Menschen demonstriere? Das ist halt ein Riesenspektrum. Oder ob ich mit ’ner Non-Profit-Organisation durchs Land fahr und Unterschriften dafür sammle, dass Discounter keine giftigen Pestizide mehr verwenden dürfen? Jeder muss wissen, was er tut, aber ich sag zu jedem: »Egal, was du tust, tu einfach was! Und wenn es nur ist, alle vier Jahre mal zur Wahl zu gehen. Das ist auch schon zur Politik beitragen und sich politisch engagieren.
Politik geht uns alle was an, vor allem die jungen Leute, denn das ist, ganz plakativ gesagt, das, was in Berlin über unsere Zukunft entschieden wird.
»Egal, was du tust, tu einfach was! Und wenn es nur ist, alle vier Jahre mal zur Wahl zu gehen.
Welchen Nutzen siehst du ganz persönlich für dich darin?
Das politische Engagieren macht Spaß. Man lernt jede Menge netter Leute kennen und merkt sehr, wie der Zusammenhalt ist, der Zusammenhalt in der politischen Szene. Ich hab es in Chemnitz gemerkt, wie schnell sich die Leute da vernetzt haben, dass der eine mit dem anderen hin ist und der eine den anderen bei sich hat unterkommen lassen. Ich hab auch bei ’ner Freundin gepennt, die ich bei den Toten Hosen kennengelernt hab. Zu der hatte ich vier, fünf Jahre keinen Kontakt, die hab ich angeschrieben, und sie meinte: »Komm, bring zwei, drei Leute mit! Wir geben euch einen Schlafplatz!« Es macht einfach ein gutes Gefühl, sich politisch zu engagieren. Und es macht auch irgendwie Spaß, auch wenn es nicht wirklich Spaß macht, wenn es 0°C hat und man auf ’ner Demo rumläuft, um für ’ne grünere Zukunft zu demonstrieren. Ist trotzdem ’ne gute Sache.
Wenn du mal an die Zukunft denkst: Was müsste auf jeden Fall passieren, dass sich was zum Positiven verändert?
AfD unter 5 %! Nee, ich glaub das ist nicht realisierbar in nächster Zeit. Weil es da zu viele Zwischenfälle gab in den letzten Jahren in der Politik. Kommunal kann ich nur von meinem Ort reden, da funktioniert die Kommunalpolitik recht gut. Da gibts nix zu verändern. Außer, dass vielleicht mal junge Leute rein sollten. Oder allgemein, dass junge Leute sich mehr für Politik engagieren und mehr ernst genommen werden, wenn sich ein junger Kandidat aufstellen lässt. Man muss nur mal in den Bundestag schauen. Der Einzige, der da wahrscheinlich unter 30 ist, ist Philipp Amthor, und [lacht] ich glaub, der ist eigentlich 60 im Körper eines 27-Jährigen. Ich find ihn aber trotzdem noch mega sympathisch, weil er einfach noch recht jung ist, und so brauchts einfach noch mehr Leute. Also nicht so Philipp-Amthor-mäßig, [lacht] der irgendwie doch nicht ernst zu nehmen ist, aber es braucht jüngere Leute. Dadurch wird auch das politische Interesse der jüngeren Leute eher kommen, als wenn irgendwelche Omas und Opas im Bundestag oder im Landtag sitzen. Mein kleiner Bruder kennt nur Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Ich kannte noch Gerhard Schröder. Es muss sich einfach vom Alter her mal vieles ändern und dass sich nicht nur für irgendwelche Konzerne eingesetzt wird.
Die ganzen Rechtsidioten, Rechtspopulisten, Rechtsradikale sind einfach nicht die Hellsten.
Und in der Welt überhaupt?
Global gesehen müssten die Populisten zurückgedrängt werden, egal von welcher Partei die kommen, denn man siehts jetzt gerad in Brasilien: Der Rechtspopulist Bolsonaro, der da an der Macht ist, hat gesagt: »Corona existiert nicht«, und kurze Zeit später hatte er selber Corona. Oder Trump, der behauptet hat, das Virus sei nichts, aber urplötzlich heißt es jetzt: »USA, USA, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt und die besten Tests der Welt.« Da denkst du dir einfach: Die ganzen Rechtsidioten, Rechtspopulisten, Rechtsradikale sind einfach nicht die Hellsten. Wichtig ist mir, dass die einfach wegkommen. Egal ob es Erdogan, Putin, Trump oder Bolsonaro ist, dass sich, ähnlich wie für Deutschland, junge alternativere Leute aufstellen lassen und versuchen, an die Macht zu kommen. Vielleicht auch mal ’ne Frau, wie in Finnland, wo das Parlament ’ne recht junge Präsidentin hat. Und dass junge motivierte Leute auch mal ernst genommen werden. An Fridays for Future gerichtet hat Lindner gesagt, man solle die Politik den Profis überlassen. Da sieht man einfach, wie wenig ernst die jungen Leute genommen werden. Aber es ist ja die Zukunft der jungen Leute, die da gerad plattgemacht wird.