Kitabı oku: «Die Erde ist uns anvertraut», sayfa 3

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5. Das menschliche Leben bricht sich Bahn

Gleichsam als ein Unterkapitel des Lebens tauchten vor etwa 75 Millionen Jahren, als Nordamerika, Grönland und Europa noch einen einzigen Kontinent bildeten, die ersten Affen auf, entfernte Vorfahren des Menschen. Diese kleinen Tiere, die etwa so groß waren wie Mäuse, ernährten sich von Blütenpflanzen, und nicht mehr nur von Insekten wie ihre Vorfahren. Da sie die Bäume hinauf- und hinunterklettern mussten, entwickelten sie die oberen Gliedmaßen. Die Pfote wies einen Finger auf, der in Opposition zu den anderen stand (den Daumen), was es diesen Tieren ermöglichte, etwas zu ergreifen, zum Beispiel eine Frucht oder einen Stein.

Als sich diese Affen weiter entwickelten, tauchten vor etwa 35 Millionen Jahren die ersten Primaten auf, die gemeinsamen Vorfahren der Menschen und der großen Menschenaffen. Sie waren immer noch recht klein und hatten etwa die Größe einer Katze. Sie lebten isoliert in Afrika, wo sie sich den klimatischen Veränderungen – zum einen der großen Trockenheit und zum anderen den vermehrten Niederschlägen und der Ausdehnung der Wälder – anpassten.

Diese Primaten entwickelten sich und wurden größer. Es tauchten die großen afrikanischen Affen auf, die Schimpansen und Gorillas. Vor etwa 7 Millionen Jahren vollzog sich eine Aufspaltung von entscheidender Konsequenz: Auf der einen Seite gab es weiterhin die Schimpansen (sie haben mit uns 99 % der Gene gemeinsam), und auf der anderen Seite entstand der Australopitecus, ein Primat auf dem Weg zur Menschwerdung. Diese Aufspaltung verdankt sich einem geologischen Unfall. Das Gebiet des heutigen ostafrikanischen Grabensystems (Great Rift Valley) stürzte ein: Es entstand ein riesiger Spalt von 6000 Kilometern. Auf der einen Seite befanden sich die tropischen Regenwälder, die gut bewässert waren und wo die höheren Primaten einen angenehmen Lebensraum hatten. Auf der anderen Seite regierten die Trockenheit und die Savanne, und dort befand sich der Australopitecus (Lagney 2002). Diese Veränderung der Umwelt verursachte zwei Evolutionstypen. Im Regenwald existierten nach wie vor die Primaten, Gorillas und Schimpansen. Sie mussten sich kaum anpassen, denn sie lebten in ihrer Umwelt in einer biologischen Siesta. Die anderen waren zur Trockenheit verdammt und mussten Fertigkeiten für das Überleben entwickeln. Sie bedurften der Intelligenz und der Strategie. Die biologische Basis ihrer Arterhaltung war ein höher entwickeltes Gehirn. Sie gingen auf ihren Füßen, um weiter sehen zu können, und sie zwangen sich, alles zu fressen, was sich ihnen darbot (sie sind Allesfresser).

Wie man aus den Knochen von Lucy, einer jungen Frau, die 1974 in Äthiopien entdeckt wurde, ersehen kann, wiesen sie bereits vor drei bis vier Millionen Jahren die Merkmale der Humanoiden auf.

Im Verlauf der Evolution fand ein in höchstem Maß beschleunigter Prozess der Entwicklung des Gehirns statt. Ab einem Zeitpunkt von vor 2,2 Millionen Jahren tauchten nach und nach der homo habilis, erectus und sapiens auf, der bereits in vollem Sinne Mensch war. Es handelte sich um soziale Lebewesen, die sich kooperativ verhielten und sprachen. Wenn sie jagten, aßen sie die Beute nie allein, sondern teilten sie mit Ihresgleichen, angefangen von den Jüngsten bis hin zu den Ältesten.

Im Verlauf von einer Million Jahren verdoppelte sich die Gehirnmasse dieser drei Menschentypen (habilis, erectus und sapiens). In den darauf folgenden eine Million Jahren, in denen der homo sapiens herrschte, wuchs das Gehirn nicht mehr. Das war nicht mehr nötig, denn es wuchs das äußere Gehirn, die künstliche Intelligenz, das heißt die Fähigkeit, zu wissen, Werkzeuge und Kunstgegenstände herzustellen, die Welt zu verändern und Kultur zu schaffen: Dieses Merkmal zeichnet einzig und allein den homo sapiens aus.

Er besitzt kein spezialisiertes Organ. Deshalb ist er, biologisch gesehen, ein Mängelwesen: Er muss den Austausch mit der Natur vollziehen und in diese eingreifen, um zu überleben. Er erweitert seine Sinne mit Hilfe von Techniken, selbst wenn es sich um die rudimentärste handelt, und auf diese Weise entsteht die Sphäre der Kultur. Die Kultur ist das Ergebnis der Aktivität des Menschen in Bezug auf die Natur und in Bezug auf sich selbst, entweder, indem er sich ihr anpasst, oder, indem er die Natur seinen Bedürfnissen entsprechend gestaltet. Dies vollzieht sich immer in einem spannungsreichen Dialog, der nicht immer ausgewogen ist.

6. Die große Zerstreuung und die Zivilisationen

Kaum waren die Menschen aus der Evolutionsgeschichte hervorgegangen, begann ihre Zerstreuung. Von Afrika aus breiteten sie sich über Eurasien, in den Orient und nach Amerika aus und kamen schließlich nach Ozeanien und Polynesien. Zu Ende der Altsteinzeit vor etwa 40.000 Jahren bewohnten sie bereits den gesamten Planeten. Die Bevölkerung erreichte eine Größe von einer Million Menschen. In der Jungsteinzeit, zwischen 10.000 und 5000 v. Chr., fand die Revolution des Ackerbaus statt, eine der größten Umwälzungen in der Geschichte der Menschheit. Die Menschen zähmten Tiere, züchteten Saatgut, führten Bewässerungen durch und schufen die ersten Siedlungen. Zu dieser Zeit gab es etwa fünf bis zehn Millionen Menschen auf dem Planeten.

Seit etwa 3500 v. Chr. entstanden die großen klassischen Zivilisationen der Sumerer in Mesopotamien und zur gleichen Zeit am Nil in Ägypten und der Hindus in Indien. Es entstanden die Kulturen Chinas, der Olmeken und Tolteken in Mittelamerika, der Griechen und Römer in Europa und viele andere. Um 1500 v. Chr., als diese Periode zu einem Abschluss kam, gab es 500 bis 600 Millionen Menschen auf der Welt.

Ab dem 15. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bildeten sich die modernen Nationalstaaten, die mittels Grenzen voneinander getrennt sind und sich häufig bekriegen. Im 18. Jahrhundert beginnt die industrielle Revolution, die das Verhältnis des Menschen zur Natur veränderte, denn nun unterwirft er sie seinen Interessen ohne Rücksicht auf den Eigenwert der unterschiedlichen Lebewesen und deren Verhältnis zueinander. Die industrielle Revolution findet ihren Höhepunkt in der Informationsgesellschaft mit ihrer technischen Durchdringung der gesellschaftlichen Beziehungen, mit der atomaren und kybernetischen Revolution und in jüngster Zeit mit einer neuen Art von Technik, die alles verändern könnte: der Nanotechnologie. Unsere Zeit ist auch die Zeit der Eroberung des Weltraums zur Erforschung unseres Sonnensystems und der Weiten des Kosmos. In dieser Phase brachte der Mensch das Prinzip der Selbstzerstörung hervor. Er erweist sich nicht nur als homo sapiens sapiens. Er kommt einem ebenso wie ein demens demens vor. Er besitzt bereits 83 % der Erdoberfläche, bedroht alle Gleichgewichte und alle Arten und führt sich in einigen Fällen wie der Satan des Lebens auf. Er verschaffte sich die Mittel, um die Biosphäre schwer zu schädigen und sich selbst zu zerstören. Zur gleichen Zeit aber setzt er dieser Unvernunft das Prinzip der Fürsorge, der Mitverantwortlichkeit und des Mitleids entgegen. Mit Hilfe dieser Qualitäten nimmt er sein eigenes Geschick, das mit dem der Erde untrennbar verbunden ist, in einer Perspektive der Selbstbeschränkung und der Kontrolle der Zerstörungsmechanismen an. Vom möglichen Satan der Erde verwandelt er sich in deren Schutzengel, einem dem Leben gegenüber guten und wohltuenden Engel. Seine Aufgabe ist es, der Hüter der Natur und der Gärtner des irdischen Paradiesgartens Eden zu sein.

7. Die aktuelle Phase der Erdgeschichte: die Mundialisierung

Trotz der Verwurzelung in ihren jeweiligen Kulturen und Nationalstaaten unternahmen die Menschen unablässig Expeditionen über den gesamten Planeten. Und mit ihnen zogen ihre Bazillen, ihre Krankheiten, ihr Saatgut, ihre Tiere, ihre Bräuche und Weltanschauungen. Unter den Menschen fand immer eine große Vermischung statt. Es gibt keine Rassen, schon gar keine reinen Rassen. Die Gene jeglicher Herkunft vermischten sich, ohne zu verschmelzen. Alle Menschen sind Mischlinge. Dies ist das ständige Ferment einer Globalisierung, wie sie immer stattfindet.

Doch von 1492 an begann ausgehend vom Westen ein überaus großer Expansionsprozess. Columbus brachte den Europäern Kenntnis von der Existenz anderer bewohnter Kontinente mit völlig anderen Kulturen – den Kulturen Amerikas, das er bis ans Ende seiner Tage für Indien hielt. Fernão de Magalhães trat den Beweis dafür an, dass die Erde tatsächlich rund ist und dass jeder beliebige Ort von jedem beliebigen anderen Ort aus erreicht werden kann. Die Hegemonialmächte des 16. Jahrhunderts, Spanien und Portugal, entwickelten zum ersten Mal ein Projekt von weltweiter Dimension. Sie dehnten ihren Einfluss nach Afrika, Asien und Amerika aus. Sie verwestlichten die Welt (Ianni 1966; Touraine 2006).

Dieser Prozess fand seine Fortsetzung im 19. Jahrhundert mit dem westlichen Kolonialismus, der mit Feuer und Schwert die gesamte bekannte Welt den kulturellen, religiösen und vor allem kommerziellen Interessen der Kolonialmächte unterwarf. Dies alles wurde unter extremer Gewaltausübung und Verbreitung von Terror unter den unterlegenen Völkern vorangetrieben. Gewehr und Kanone sprachen lauter als Vernunft und Religion. Der europäische Westen erwies sich als die Hyäne der Völker. Wir, die wir im äußersten Westen leben, sind schon in einer globalisierten Welt geboren und wissen aus eigener Erfahrung, was Globalisierung bedeutet, die als Globokolonialisierung empfunden und erlitten wird.

Die einzelnen Länder haben sich nicht als Nationen konstituiert, die in Gemeinschaften von Bürgern mit einem Sinn für Rechte und Pflichten ihre Grundlage haben; sie wurden vielmehr zu Unternehmen mit weltweitem Aktionsradius gemacht, deren einzige Funktion darin bestand, die natürlichen Reichtümer auszubeuten und sie in die europäischen Märkte zu exportieren. Auf diese Weise (so haben es einige Politikwissenschaftler wie Luiz Gonzaga de Souza Lima, Darcy Ribeiro und Evaldo Cabral de Mello aufgezeigt) entstand zusammen mit dem Nationalstaat der internationalisierte Wirtschaftsstaat als seine tatsächliche Wirtschaftskolonie. Brasilien weist bis heute Spuren dieser Struktur auf. Sie werden in einer geschwächten Souveränität, einem blutleeren staatsbürgerlichen Bewusstsein, einer Beherrschung der Politik durch eine international verflochtene Ökonomie und einer Unterwerfung unter die Interessen der wirtschaftlich und politisch dominierenden Industrienationen (der Länder des „Zentrums“) sichtbar.

Dieser Prozess erreichte seinen Höhepunkt in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit der hegemonialen Ausbreitung der USA. Technik und Wissenschaft, die so viele Erleichterungen mit sich brachten, werden nun als Instrument der Beherrschung und Bereicherung eingesetzt. Die transnationalen Konzerne kontrollieren die nationalen Märkte. Eine westliche Einheitskultur löst die regionalen Kulturen auf. Eine einzige Produktionsweise, nämlich die kapitalistische, gewinnt die Oberhand. Ihre Grundlage ist das Konkurrenzprinzip, und so zerstört sie die gesellschaftlichen Bindungen und die Formen der Kooperation. Das einzig gültige, neoliberale Denken breitet sich über alle Teile der Welt aus und entwertet jede Andersheit und jede Alternative. Das Schlimmste daran ist, dass aus der Erde eine Handelsbank gemacht wird, die alles zur Ware macht. Metalle, Pflanzen, Saatgut, Wasser, Gene – alles wird verkauft und zu etwas gemacht, aus dem man Profit schlagen kann. Die Eigenständigkeit und Subjektivität Gaias werden nicht respektiert. Unsere eigenen irdischen Wurzeln und unser Ursprung werden verleugnet, denn als Menschen kommen wir aus der Erde, aus dem Humus, der fruchtbaren Erde. Als Söhne und Töchter Adams (der Name „Adam“ bedeutet Sohn der Erde) entstammen wir dem fruchtbaren Ackerboden (auf hebräisch adamah).

Dies ist das Eisenzeitalter der Globalisierung, das wir auch nach dem Tyrannosaurus benennen können. Wir bezeichnen es als solches, weil es in seiner Vernichtungstendenz eine Analogie zum Tyrannosaurus aufweist, dem gefräßigsten aller Dinosaurier. Tatsächlich prägt die Wettbewerbslogik des Marktes ohne jede Spur von Kooperation dem herrschenden Globalisierungsprozess den Stempel der Gnadenlosigkeit auf. Sie grenzt etwa die Hälfte der Menschheit aus. Sie saugt das Blut der Ökonomien der schwachen und rückständigen Länder aus und gibt Abermillionen von Menschen dem Hunger und der Ohnmacht preis. Sie richtet ökologischen Schaden in solchem Maße an, dass sie die Biosphäre gefährdet, denn sie verschmutzt die Luft, vergiftet die Böden, kontaminiert die Gewässer und durchsetzt die Lebensmittel mit Chemikalien. Sie legt ihrer dinosauriergleichen Gefräßigkeit keine Zügel an und stellt sich nicht der Realität, dass das Projekt Mensch auf dem Planeten nicht mehr möglich sein wird. Sie nimmt lieber das Risiko des Todes in Kauf als den Rückgang ihres materiellen Gewinns. Der französische Genetiker Albert Jaquard hat dies treffend angeprangert: „Das Ziel einer Gesellschaft ist der Austausch. Eine Gesellschaft, deren Hauptantriebskraft der Wettbewerb ist, ist eine Gesellschaft, die mir den Selbstmord nahelegt. Wenn ich gegen den anderen in Wettbewerb trete, kann ich mich mit ihm nicht austauschen, ich muss ihn eliminieren, zerstören.“ (2004)

Dieser skandalöse und perverse Prozess hat dazu geführt, dass nur 20 % der Menschheit 80 % der Ressourcen und natürlichen Reichtümer konsumieren. Fünfhundert große Unternehmen vereinigen 52 % des Reichtums des Planeten auf sich. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt der 135 ärmsten Länder. Niemals hat man auf der Erde ein solches Übermaß an Ungleichheit und sozialer Ungerechtigkeit gesehen. Jedes Jahr vermehrt sich die Zahl der Slumbewohner um 25 Millionen. Sie geben dem ganzen Planeten nach und nach ein elendes, heruntergekommenes und „verslumtes“ Aussehen (Davis 2006). Dieses auf Ausgrenzung beruhende Modell von Globalisierung (in Brasilien gibt es 120.400 Millionäre neben mehr als 50 Millionen Armen!) läuft Gefahr, die Menschheit in zwei Teile aufzuspalten: Auf der einen Seite sind die Nationen, die im Überfluss leben, im materiellen Konsum ersticken und gleichzeitig im spirituellen und menschlichen Sinne erschreckend arm sind. Sie nehmen alle Wohltaten der Technik und Wissenschaft für sich in Anspruch. Auf der anderen Seite gibt es die großen Massen, die ihrem eigenen Schicksal überlassen und der Barbarei ausgeliefert werden. Sie dienen der Produktionsmaschine als Brennstoff, sind zu einem Tod vor der Zeit verdammt, leiden unter chronischem Hunger, unter den Krankheiten der Armen und unter der allgemeinen Verschlechterung des Zustandes der Erde.

Das alles zeigt, dass dieses System ökonomisch gesehen gescheitert ist und von einer stärker integrierenden Alternative abgelöst werden muss. Es gibt tausend Gründe, uns dieser Art von Globalisierung zu widersetzen. Sie darf nicht von Dauer sein, wenn es uns um die Zukunft der Menschheit geht.

Trotz der aufgezeigten Widersprüche leistet die Globalisierung des Eisenzeitalters einen unverzichtbaren Beitrag zur Globalisierung in einem weiteren Sinne. Sie schafft die Infrastruktur und die materiellen Voraussetzungen für die anderen Formen der Globalisierung: Sie hat die großen weltweiten Kommunikationskanäle hervorgebracht, sie hat das Netz von Handels- und Finanzbeziehungen geschaffen, sie hat den Austausch zwischen allen Völkern, Kontinenten und Nationen gefördert. Ohne diese Voraussetzungen wäre es unmöglich, von Globalisierungen ganz anderer Art zu träumen. Sie gingen immer mit der Ökonomie einher, ohne jedoch die Hegemonie innezuhaben. Nun, nachdem die materielle Globalisierung geschaffen ist, muss sich die menschliche Globalisierung ihrer innerhalb eines größeren und umfassenderen Rahmens bedienen und die Vorherrschaft anstreben. Sie vollzieht sich gleichzeitig auf mehreren Ebenen: der anthropologischen, der politischen, der ethischen und der spirituellen. Dies sind die anderen Formen der Globalisierung, die zur Zeit nicht die Oberhand haben. Doch unser Überleben auf der Erde hängt davon ab, ob es uns gelingt, dafür zu sorgen, dass diese anderen Formen der Globalisierung den Verlauf unserer Geschichte bestimmen und die gemeinsame Zukunft von Erde und Mensch garantieren.

Immer mehr breitet sich die – vom Westen ausgehende, aber keineswegs ausschließlich westliche – Überzeugung aus, dass jede Person, sofern sie Mensch ist, heilig und mit Würde ausgestattet ist (res sacra homo). Der Mensch ist ein Zweck an sich und kann niemals zum bloßen Mittel für irgendetwas degradiert werden. Er stellt ein unendliches Projekt dar, das sichtbare Antlitz des Mysteriums der Welt, Sohn und Tochter Gottes. Im Namen dieser Würde wurden die grundlegenden Menschenrechte, die Rechte der Person und die sozialen Rechte, kodifiziert. Sie wurden präziser gefasst als Rechte der Völker, der Minderheiten, der Frauen, der Homosexuellen, der Kinder, der Alten und der Kranken. Zuletzt wurde die dignitas terrae explizit ausformuliert. Sie umfasst die Rechte der Erde als eines lebendigen Superorganismus, der Ökosysteme, der Tiere und alles dessen, was lebt. Diese Rechte wurden unübertrefflich in der Erdcharta dargelegt. (Erdcharta, 2001)

Die Demokratie als universaler gelebter Wert auf allen Ebenen – in den Familien, den Schulen, den Gemeinden, den sozialen Bewegungen und Regierungsformen – durchdringt nach und nach die politischen Vorstellungen weltweit. Das heißt, jeder Mensch hat das Recht zur Teilhabe an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der er angehört und die er mit seiner Persönlichkeit und Arbeitskraft mitzugestalten hilft. Die Macht muss der Kontrolle unterworfen werden, damit sie nicht zur Tyrannei verkommt. Der Weg zu dauerhaften Lösungen ist der unermüdliche Dialog, die beständige Toleranz und die permanente Suche nach Übereinstimmungen in den Unterschieden, und nicht die Gewalt. Der Friede ist zugleich Methode (der Imperativ, stets friedliche oder die am wenigsten zerstörerischen Mittel zu gebrauchen) wie auch Ziel. Er ist die Frucht der Fürsorge eines jeden für alle, für das Gemeinsame Haus und für die unverzichtbare gesellschaftliche Gerechtigkeit. Die Institutionen, so sehr sie sich auch voneinander unterscheiden mögen, müssen ein Mindestmaß an Gerechtigkeit, Gleichheit und Transparenz verwirklichen.

Ein Minimalkonsens für eine globale Ethik konzentriert sich auf die humanitas (Humanität); wir alle und jeder Einzelne von uns sind deren Träger. Die humanitas ist mehr als ein Begriff; sie ist das tiefe Empfinden dessen, dass wir Brüder und Schwestern sind, denselben Ursprung haben, dieselbe natürliche Ausstattung in physikalisch-chemischer, biologischer, soziokultureller und spiritueller Hinsicht haben und dasselbe Schicksal miteinander teilen. Wir müssen alle der Goldenen Regel entsprechend menschlich behandeln: „Handle am anderen so, wie du selbst von ihm behandelt werden willst.“

Die Ehrfurcht vor dem Leben, die unbedingte Achtung den Unschuldigen gegenüber, die Wahrung der physischen und psychischen Integrität der Personen und aller Schöpfung, die Anerkennung des Rechtes des Anderen, in seiner jeweiligen Besonderheit zu leben – das sind die Grundpfeiler, auf denen die Gesellschaftsfähigkeit des Menschen, die Werte und der Sinn unserer kurzen Reise auf diesem Planeten ruhen.

Es begegnen einander die spirituellen Erfahrungen aus Ost und West, der Ureinwohner und der heutigen Kulturen, und es kommt zu einem Austausch ihrer Weltsichten. Durch sie macht sich der Mensch von Neuem fest an der ursprünglichen Quelle allen Seins, er knüpft ein geheimnisvolles Band, das das gesamte Universum durchläuft und alle untereinander verbundenen Dinge wieder vereint in einem dynamischen, nach oben und vorne offenen Ganzen. Diese spirituellen Erfahrungen, die sich in unterschiedlichen Religionen und Wegen konkretisieren, sind es, die des Menschen Innerlichkeit bilden und die weitesten Horizonte entwerfen, die dieses Universum überschreiten und sich dem Unendlichen öffnen. Nur in dieser Dimension der Überschreitung und Überwindung eines jeden Maßes, von aller Raum-Zeit und aller Sehnsucht empfindet sich der Mensch wahrhaft als Mensch. Diese Lektion haben uns bereits die griechischen Meister gelehrt, als sie sagten, dass der Mensch nur im Raum des Göttlichen in vollem Sinne Mensch sei.

Das menschliche Zeitalter der Globalisierung hat sich noch nicht durchgesetzt. Doch man kann bereits seine Elemente erkennen, die wie ein Sauerteig Geschichte und Bewusstsein durchdringen. Dieses Zeitalter wird eines Tages ruhmreich anbrechen. Es wird die neue Geschichte der Menschheitsfamilie einleiten, die so lange ihre gemeinsamen Ursprünge und ihr Mutterhaus gesucht hat.

Nach und nach bricht eine neue Ära an, die sich durch eine neue gemeinsame Hochachtung, Verehrung und Zusammenarbeit zwischen Erde und Mensch auszeichnet. Es handelt sich um die Ära der ganzheitlichen Ökologie und der im Herzen verankerten Vernunft. Die Menschen nehmen die Tatsache ernst, ein Moment innerhalb eines Gesamtprozesses von Milliarden anderen Momenten zu sein. Sie werden sich dessen bewusst, dass sie ein Netz von lebendigen Beziehungen bilden, für welche sie mitverantwortlich sind. Sie können das Leben, die Ökosysteme und die Zukunft Gaias entweder stärken oder sie weiterhin bedrohen, sie können das Scheitern heraufbeschwören und die Biosphäre vernichten.

Nach so vielen Eingriffen in die Rhythmen der Natur werden wir uns dessen bewusst, dass wir das, was von der Natur noch übrig ist, erhalten und wir sie von den Wunden heilen müssen, die wir ihr zugefügt haben.

Diese Sorge muss alle betreffen und die neue Ära der Globalisierung begründen. Der utopische Traum dieser Phase ist es, den Menschen zu humanisieren zu versuchen – den Menschen, der vor der Herausforderung steht, ausgehend von seiner Besonderheit als gemeinschaftsfähiges, kooperatives, zum Mitleid fähiges und ethisches Wesen zu leben, das in seinem Handeln die Verantwortung dafür übernimmt, dass es dem Ganzen zum Wohl gereicht. Diese Utopie muss innerhalb der Widersprüche, wie sie für jeden historischen Prozess unvermeidlich sind oder wie sie aus Interessenskonflikten hervorgehen, konkrete Gestalt annehmen. Doch sie wird einen neuen Horizont der Hoffnung erschließen, der den Weg der Menschheit in die Zukunft ermöglicht.

Es wird immer Widersprüche und Stolpersteine geben, denn die Wirklichkeit ist stets sym-bolisch und dia-bolisch zugleich. Diese Tatsache muss man im Auge behalten, doch im Glauben daran, dass der gesamte Prozess von einer kosmischen Kraft durchdrungen ist, die ihn stets vorwärts treibt und nach oben bewegt.

Aus dieser Sichtweise geht eine neue Ethik hervor. Von allen Richtungen her werden anfanghaft Kräfte sichtbar, die ein neues menschliches und ökologisches Verhaltensmuster anstreben oder bereits ausprobieren. So groß die Schwierigkeiten auch sein mögen: Es wird immer stärker werden und schließlich die Oberhand gewinnen. Es wird das werden, was Teilhard de Chardin (1959; 1961) die Noosphäre nannte. Es wird jene Sphäre sein, innerhalb derer das Denken und die Herzen der Menschen eine neue, fein abgestimmte Harmonie bilden, die sich durch zunehmende Durchdringung von Liebe, durch Fürsorge, durch gegenseitige Anerkennung aller, durch eine zunehmende spirituelle Sinngebung der gemeinsamen Vorhaben auszeichnen wird. Die Menschen werden in ihrem Planen zusammenwirken, um den Frieden sicherzustellen, um die Integrität der Schöpfung zu gewährleisten und um die ausreichende und sogar im Überfluss vorhandene materielle Basis für die gesamte Gemeinschaft des Lebens zu sichern. Befreit von den Fesseln unserer konsumistischen und überheblichen Zivilisation, können wir in wahrhaft menschlicher Weise als Brüder und Schwestern zusammenleben, und wir werden imstande sein, das Lokale mit dem Globalen, die Teile mit dem Ganzen zu verknüpfen, Arbeit mit Poesie zu verbinden, Effizienz mit Großzügigkeit in Einklang zu bringen und die Subjektivität wiederherzustellen; wir werden als Söhne und Töchter zusammen im Hause zu spielen und zu loben verstehen.

Dieses Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit von Erde und Menschheit wird auf eindrucksvolle Weise von jenem Blick auf den Planeten gestärkt, den uns die Astronauten ermöglicht haben. Von ihren Raumschiffen oder vom Mond aus haben sie existenziell erfahren, dass Erde und Menschheit ein einziges Ganzes bilden, das behütet, respektiert und geliebt werden muss. Dieses Bewusstsein in einen dauerhaften Zustand zu verwandeln, ohne dass wir ständig daran denken müssen, bedeutet, bereits innerhalb des neuen zivilisatorischen Paradigmas zu leben (László 2001).

Die Erdcharta ist von dieser ganzheitlichen Sichtweise geprägt. In der Einleitung heißt es: „Die Menschheit ist Teil eines sich ständig fortentwickelnden Universums. Unsere Heimat Erde bietet Lebensraum für eine einzigartige und vielfältige Gemeinschaft von Lebewesen … Der Geist menschlicher Solidarität und die Einsicht in die Verwandtschaft alles Lebendigen werden gestärkt, wenn wir in Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Seins, in Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und in Bescheidenheit hinsichtlich des Platzes der Menschen in der Natur leben … Unsere ökologischen, sozialen und spirituellen Herausforderungen sind miteinander verknüpft, und nur zusammen können wir umfassende Lösungen entwickeln … Wir haben die Wahl: Entweder bilden wir eine globale Partnerschaft, um für die Erde und füreinander zu sorgen, oder wir riskieren, uns selbst und die Vielfalt des Lebens zugrunde zu richten. Notwendig sind grundlegende Änderungen unserer Werte, Institutionen und Lebensweise.“ (Erdcharta 2001, 7 – 8)

Trotz aller Hindernisse aus dem Eisenzeitalter der Globalisierung vollziehen sich diese Veränderungen im Schoß der Menschheit, unter all jenen Menschen, die nicht länger die Geiseln eines entmenschlichenden und den Horizont des Glücks zerstörenden Paradigmas sein wollen. Alternativ engagieren sie sich dafür, ausgehend von ihrer eigenen Situation Revolutionen im Kleinen anzuzetteln – in Form von eigenständigen Genossenschaften, Produzentenverbänden des ökologischen Landbaus etc. – die im Sinne des „Schmetterlingseffekts“ auf die Gesamtentwicklung der Gesellschaft ausstrahlen.

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