Kitabı oku: «Die Erde ist uns anvertraut», sayfa 4
Zweites Kapitel:
Die Erde als Gaia und Gemeinsames Haus
Nachdem wir die Biographie der Erde in groben Zügen betrachtet haben, wollen wir uns einer ihrer ganz besonderen Eigenschaften zuwenden. Die Erde ist „unsere Heimat“, „Lebensraum für eine einzigartige und vielfältige Gemeinschaft von Lebewesen“ – so ruft es uns die Erdcharta in Erinnerung (Erdcharta 2001, 7). Die Erde beherbergt nicht nur Leben innerhalb ihrer Atmosphäre und bringt es auf diese Weise hervor, sie ist vielmehr selbst ein lebendiger Großorganismus.
Bis zur Entstehung der modernen Wissenschaften mit den Gründungsvätern des herrschenden Paradigmas (Descartes, Galileo und vor allem Francis Bacon) wurde die Erde als eine lebendige Wirklichkeit empfunden und erlebt, die eine Ausstrahlung hat und zu Furcht, Respekt und Verehrung Anlass gab. Sie erwies sich als großzügige Mutter, aber auch als grausame Stiefmutter.
Mit dem Aufkommen der instrumentellen analytischen Vernunft der Vertreter der Moderne und der technisch orientierten Wissenschaften im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Erde nur mehr als res extensa betrachtet, als ein Gegenstand mit den physikalischen Eigenschaften Ausdehnung und Trägheit, der den Menschen als Mittel an die Hand gegeben ist, damit er seinen Willen zur Macht verwirklichen und schöpferisch oder zerstörerisch mit ihr umgehen könne. Eine solche Sichtweise machte es möglich, alle Reichtümer der Erde rücksichtslos auszubeuten, bis das aktuelle Ausmaß einer wahrhaften Vernichtung der Artenvielfalt, des Raubbaus an den nicht erneuerbaren Ressourcen und der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts des Systems Erde erreicht wurde. Wenn wir gemäß dieser Logik fortfahren, ist es möglich, dass wir am Ende des 21. Jahrhunderts der Biosphäre schwersten Schaden zugefügt haben werden, wovor uns bereits zahlreiche Wissenschaftler und offizielle Studien gewarnt haben (vgl. z. B. die Daten des IPCC, des Intergovernmental Panel on Climate Changes, das ist der wissenschaftliche Beirat der UNO für die Fragen des Klimawandels).
Im Gegensatz zu diesem Zerstörungsprozess entsteht überraschend ein neues Gespür dafür, dass die Erde und die Menschheit dasselbe Schicksal haben und dass es die notwendigen Voraussetzungen gibt, um aus der möglichen Tragödie eine Krise des Übergangs von einem prometheischen Paradigma der Eroberung und Zerstörung hin zu einem anderen Paradigma der Sorge und der Erhaltung allen Lebens zu machen. Es eröffnet sich also eine einmalige Chance zur Veränderung. Dieses neue Bewusstsein hat seine Grundlage in den Erkenntnissen der Wissenschaften, die sich mit der Erde beschäftigen, der neuen Biologie, der modernen Kosmologie, der Astrophysik und nicht zuletzt der Tiefenökologie. Daraus entsteht eine neue Mystifizierung im Hinblick auf die Erde, eine neue Utopie, die uns Hoffnung geben und uns zu einer Praxis der Rettung, Erhaltung und Förderung des Lebens ermutigen kann. Und schließlich wird Raum geschaffen für eine neue spirituelle Erfahrung, die dem Leben neuen Sinn verleiht und die Verantwortung für die gemeinsame Zukunft weckt.
1. Die Entdeckung der Erde
Eine überzeugende Einführung in diese neue Utopie stellt der Beitrag der Astronauten dar, deren Zeugnis wir bereits weiter oben erwähnten. Das Zeugnis des Astronauten Russel Scheikhart bringt all diese Berichte auf den Punkt: „Wenn du die Erde von außerhalb siehst, dann bemerkst du, dass all das, was für sie wichtig ist: die gesamte Geschichte, die Kunst, Geburt, Tod, Liebe, Freude, Tränen … all das in diesem kleinen weißen und blauen Punkt enthalten ist, den du mit deinem Daumen verdecken kannst. Und von dieser Perspektive aus versteht man, dass sich alles verändert hat, dass etwas Neues angefangen hat, dass das Verhältnis nicht mehr so ist, wie es früher war …“ (Linfield 1992, 6) Von diesem Ort aus, vom Raumschiff oder dem Mond aus, erscheint die Erde tatsächlich als einer der zahlreichen Himmelskörper innerhalb des unermesslichen Kosmos. Sie ist der dritte Planet der Sonne, und zwar einer Sonne, die ein Stern mittlerer Größe unter anderen 200 Milliarden Sonnen unserer Galaxie ist. Und diese Galaxie ist wiederum eine unter hundert Milliarden Galaxien, die wiederum in Galaxienhaufen gruppiert sind … Das Sonnensystem ist 28.000 Lichtjahre vom Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, entfernt und befindet sich auf der Innenseite des Orion-Spiralnebels.
Isaac Asimov schrieb im Jahr 1982 in einem Artikel, um den ihn die New York Times anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Sputnik – mit ihr begann die Raumfahrt – gebeten hatte: „Das Vermächtnis dieses Vierteljahrhunderts der Raumfahrt ist die Einsicht, dass von den Raumschiffen aus gesehen die Erde und die Menschheit eine einzige Entität bilden.“ (New York Times, 9. Oktober 1982) Man achte darauf, dass er nicht sagt, sie würden „eine Einheit“ bilden, also das Ergebnis eines Ganzen von Beziehungen. Er behauptet wesentlich mehr: Wir bilden eine einzige Entität, das heißt ein einziges, komplexes, in sich vielfältiges und widersprüchliches, mit einer ungeheuren Dynamik ausgestattetes Wesen. Doch letztlich ist es ein einziges Wesen, eins und vielfältig zugleich, das der berühmte Wissenschaftler James Lovelock „Gaia“ nennt.
Eine solche Aussage setzt voraus, dass sich der Mensch nicht damit begnügt, auf der Erde zu „sein“. Er ist kein umherirrender Wanderer, kein Passagier, der von woanders her kommt und anderen Welten angehört. Nein. Das menschliche Wesen kommt – wir haben es weiter oben schon gesagt – als Mensch (homo) aus dem humus (der fruchtbaren Erde). Er ist Adam (was im Hebräischen „Sohn der Erde“ bedeutet), geboren aus der Adamah (im Hebräischen die fruchtbare Erde). Er ist Sohn bzw. Tochter der Erde. Ja mehr noch: Er ist die Erde selbst in ihrer mit Bewusstsein, Freiheit und Liebe ausgestatteten Gestalt. Nie wieder wird die Überzeugung aus dem menschlichen Bewusstsein verschwinden, dass wir Erde sind und dass unser Schicksal untrennbar mit dem Schicksal der Erde und des Kosmos, in den sie eingebettet ist, verbunden ist (Capra/Steindl-Rast 1993).
Diese Auffassung der gegenseitigen Zugehörigkeit und organischen Einheit Erde-Menschheit geht klar aus der modernen Gen- und Molekularbiologie und aus der Chaostheorie hervor (Gleick 1988). Das Leben stellt eine Ausdrucksgestalt des gesamten Evolutionsprozesses dar, angefangen von den allerersten Energien und Partikeln über die ursprüngliche Gaswolke und die Supernovas bis hin zu den Galaxien, Sternen, der Geosphäre, der Hydrosphäre, der Atmosphäre und schließlich der Biosphäre, aus der die Anthroposphäre (und für die Christen darüber hinaus die Christosphäre und die Theosphäre) und mit der Globalisierung die Noosphäre (Teilhard de Chardin 1959; 1961) entspringen. Das Leben ist mitsamt seiner Komplexität, Selbstorganisation, allseitigen Verbundenheit und Selbsttranszendenz das Ergebnis der Potenzialitäten, die im Universum selbst angelegt sind. Der russisch-belgische Chemiker Ilya Prigogine, der im Jahr 1977 den Nobelpreis erhielt, hat untersucht, wie sich die Thermodynamik in lebendigen Systemen darstellt: Diese erweisen sich immer als offene Systeme in einem Zustand des labilen Gleichgewichts und im ständigen Streben nach Anpassung (Prigogine 1984). Solche Systeme befinden sich in einem ständigen Austauschprozess von Energie mit ihrer Umwelt. Diese Energie verbrauchen sie in großen Mengen, wobei die Entropie (Verschleiß von nutzbarer Energie) zunimmt. Prigogine bezeichnet sie treffend als dissipative Strukturen (energieverbrauchende Strukturen). Doch sie sind auch dissipative Strukturen in einem anderen und paradoxen Sinne, denn sie wirken der Entropie entgegen. Die Lebewesen produzieren Entropie und entkommen ihr zugleich. Sie verwandeln die Unordnung und das Chaos der Umwelt in komplexe Ordnungen und Strukturen, die sich selbst organisieren und der Entropie entfliehen (sie produzieren Negentropie bzw. negative Entropie, und positiv gesprochen produzieren sie Syntropie).
So sind zum Beispiel die Photonen der Sonne für diese selbst von keinem Nutzen, denn es handelt sich dabei um Energie, die beim Verbrennen von Wasserstoff frei wird, von dem sie lebt. Diese Photonen, die eine Unordnung darstellen, dienen der Erde, insbesondere den Pflanzen, als Energiequelle, indem diese die Photosynthese vollziehen. Durch sie und unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung lösen sie das Dioxid vom Kohlenstoff, ihrer Nahrung, und setzen so den Sauerstoff frei, der für das Leben der Tiere und Menschen notwendig ist.
Was für den einen Unordnung ist, lässt für den anderen Ordnung entstehen. Das Leben behauptet sich innerhalb eines prekären Gleichgewichts von Ordnung und Unordnung (Dupuy 1982). Die Unordnung zwingt dazu, neue Formen von Ordnungen zu schaffen, die höher entwickelt und komplexer sind und weniger Energie verschwenden. Dieser Logik zufolge entwickelt sich das Universum zu immer komplexeren Lebensformen und führt auf diese Weise zu einer Reduktion der Entropie.
Auf menschlicher und spiritueller Ebene entstehen Formen von Beziehung und Leben, in denen die Syntropie (sparsamer Umgang mit Energie) vor der Entropie (Verschwendung von Energie) überwiegt. Das Denken, die Kommunikation durch das Wort und andere Medien, die Solidarität und die Liebe sind überaus mächtige Energien, die kaum der Entropie unterworfen sind und ein hohes Niveau an Syntropie aufweisen. Aus dieser Perspektive steuern wir nicht auf den Wärmetod zu, sondern auf die Verwandlung des kosmischen Prozesses, der sich in schöpferischen und lebendigen Systemen höchster Ordnung auszeitigt. Wo und wann wird dies zu Ende kommen? Dies ist eine offene Frage, auf die die Religionen eine Antwort voller Hoffnung riskieren: All dies gelangt zu seinem Höhepunkt, indem es in die ursprüngliche Quelle allen Seins und allen Werdens eingeht.
2. Gaia, die neue Weise, die Erde zu sehen
Das Leben befindet sich nicht einfach nur auf der Erde, indem es einen Teil von ihr in Besitz nimmt (Biosphäre). Die Erde als ganze erweist sich als ein lebendiger Makroorganismus. Was die alten Völker in Ost und West in ihren Mythen von der Erde bezeugt haben – dass sie die Große Mutter ist, die zweitausend Brüste hat, womit man ihre unbeschreibliche Fruchtbarkeit zum Ausdruck bringen wollte –, wird mehr und mehr von der heutigen experimentellen Wissenschaft bestätigt. (Neumann/Kerény 1989) Es genügt der Verweis auf den englischen Mediziner und Biologen James E. Lovelock (1989; 1991; 2006), auf die Biologin Lynn Margulis (1990) sowie auf Sahtouris (1989), Lutzenberger (1990) und andere.
James Lovelock hatte von der NASA den Auftrag bekommen, im Hinblick auf die Raumfahrt Modelle zu entwickeln, die es ermöglichen sollten, außerirdisches Leben zu entdecken. Er nahm die Hypothese zum Ausgangspunkt, dass, falls es Leben gäbe, sich dieses der Atmosphäre und der Ozeane der betreffenden Planeten als Grundlage und Transportmittel für die Materialien seines Stoffwechsels bedienen müsse. Dies würde mit Sicherheit das Gleichgewicht der Atmosphäre dergestalt verändern, dass sich eine solche, die Leben beherbergt, merklich von einer anderen unterscheiden würde, bei der das nicht der Fall ist. Er verglich deshalb die Atmosphäre unserer Erde mit der unserer Nachbarplaneten Mars und Venus, die heute mittels Spektralanalyse der von ihnen ausgehenden Strahlung vollständig bestimmt werden kann.
Die Ergebnisse waren überraschend, denn sie machten das unglaubliche Gleichgewicht des Systems Erde und die erstaunlich fein abgestimmte Dosierung aller Elemente deutlich, die für das Leben förderlich sind. Ganz anders verhielt es sich in Bezug auf Mars und Venus, deren Atmosphären jedes Leben unmöglich machen. Der Kohlendioxidgehalt beträgt bei der Venus 96,5 % und beim Mars 98 %, während er für die Erde nur 0,03 % ausmacht. Der Sauerstoff, unverzichtbar für das Leben, fehlt auf der Venus und auf dem Mars völlig, auf der Erde beträgt der Sauerstoffgehalt der Luft 21 %. Der Stickstoff, der für die Ernährung der Lebewesen notwendig ist, erreicht im Fall der Venus einen Gehalt von 3,5 %, beim Mars von 2,7 %; auf der Erde dagegen macht er 78 % aus. Das Methan in Verbindung mit Sauerstoff ist entscheidend für die Bildung von Kohlendioxid und Wasserdampf, ohne die es kein Leben gibt. Auf der Erde macht das Methan 1,7 ppm (= Parts per Million) aus, auf unseren Nachbarplaneten, die eine der Erde vergleichbare Größe und denselben Ursprung wie die Erde haben und derselben Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, fehlt es völlig.
Es gibt also eine fein abgestimmte Entsprechung aller chemischen und physikalischen Elemente, von Wärme und Erdkruste, Atmosphäre, Felsen, Ozeanen … die alle unter dem Einfluss des Sonnenlichtes stehen. Dieses Aufeinander-abgestimmt-Sein sorgt dafür, dass die Erde ein guter, ja sogar optimaler Ort für lebendige Organismen ist. Auf diese Weise erscheint die Erde wie ein großer, lebendiger Superorganismus, der sich selbst reguliert. James Lovelock nennt ihn „Gaia“. Das war der Name der alten Griechen für die Göttin Erde, die sie als etwas Lebendiges betrachteten. Lovelock sagt:
„Gaia ist ein evolvierendes System, bestehend aus allem Lebendigen und seiner Oberflächenumwelt, den Meeren, der Atmosphäre, dem Krustengestein … ein System, das aus der gemeinsamen und wechselseitigen Evolution der Organismen und ihrer Umwelt im Laufe der Entwicklungszeitalter des Lebens auf der Erde hervorgegangen ist. In diesem System geschieht die Regulation von Klima und chemischer Zusammensetzung völlig selbsttätig. Die Selbstregulation bildet sich mit der Evolution des Systems heraus … Das Leben oder die Biosphäre regelt oder stabilisiert das Klima und die Zusammensetzung der Atmosphäre so, wie sie für den eigenen Bestand optimal sind.“ (Lovelock 1991, 11)
Lovelock zeigte die Zweckmäßigkeit auf, die Bedingungen aller erwähnten, für das Leben erforderlichen Elemente relativ konstant zu halten. Dieses Gleichgewicht wird vom System Leben selbst auf planetarischer Ebene, von der Erde als Gaia, geschaffen. Der hohe Sauerstoffanteil (Sauerstoff wurde zunächst vor Milliarden Jahren von bestimmten Bakterien in den Ozeanen freigesetzt, die zur Photosynthese fähig waren, zumal Sauerstoff für sie selbst giftig war) und der geringe Kohlendioxidanteil sind das Ergebnis der photosynthetischen Aktivität der Algen und Pflanzen während eines Zeitraums von Abermillionen Jahren. Andere Gase biologischen Ursprungs, die eine dem Leben förderliche Struktur bilden, sind in der Atmosphäre aufgrund der Existenz von Leben selbst vorhanden. Wenn es auf der Erde kein Leben gäbe, würde sich der Methangehalt um den Faktor 1029 erhöhen, was jedes Leben unmöglich machen würde.
Auf diese Weise ist die Konzentration der Gase in der Atmosphäre für lebendige Organismen optimal. Geringe Abweichungen davon können Katastrophen nach sich ziehen, die nicht wieder gut zu machen sind. Seit Abermillionen Jahren liegt der Sauerstoffgehalt der Luft, der allen Lebewesen das Leben allererst ermöglicht, praktisch unverändert bei 21 %. Wenn er sich auf 25 % erhöhte, würden auf der ganze Erde Brände entstehen, sodass schließlich die Waldflächen der Erdoberfläche vernichtet würden. Und wenn der Sauerstoffgehalt auf 15 % absinken würde, verlören wir das Bewusstsein. Der Salzgehalt der Meere beträgt 3,4 %. Wenn er auf 6 % anstiege, würde das Leben in den Meeren und Seen unmöglich sein (das ist ja beim Toten Meer der Fall), und das gesamte System der Atmosphäre des Planeten geriete aus dem Gleichgewicht.
Während der 3,8 Milliarden Jahre, seit es Leben auf der Erde gibt, hat die Wärme der Sonne um 30 bis 50 % zugenommen. Wie war Leben auf der Erde zu den frühen Zeiten möglich, als die Sonneneinstrahlung noch nicht so warm war? Wir wissen, dass die Atmosphäre damals eine andere Zusammensetzung hatte als heute. Es gab eine größere Menge von Gasen wie etwa Ammoniak, die eine Art dicke Hülle um den Planeten bildeten, die Erde auf diese Weise abkühlten und so für günstige Lebensbedingungen sorgten. Als die Sonneneinstrahlung wärmer wurde, wurde auch diese Hülle – in fein abgestimmter Wechselwirkung mit den Erfordernissen des Lebens – dünner. Die Erde ihrerseits behielt Abermillionen Jahre hindurch eine mittlere Temperatur zwischen 15 und 35 Grad Celsius. Dies ist die optimale Temperatur für lebende Organismen. „Leben und seine Umgebung sind so eng miteinander verflochten, dass eine Evolution immer Gaia betrifft, nicht die Organismen oder deren Umgebung für sich genommen.“ (Lovelock 1991, 43) Das Biotische (die Gesamtheit der lebendigen Organismen) und seine Umwelt entwickeln sich gleichzeitig im selben Sinne.
Die erwähnte Zusammensetzung ist nicht nur für das System Gaia charakteristisch, als ob es sich hierbei um ein geschlossenes System handeln würde. Man kann nachweisen, dass der Mensch selbst in seinem Körper mehr oder weniger denselben Anteil an Wasser hat wie der Planet Erde (71 %) und dass der Salzgehalt seines Blutes dem der Meere entspricht (3,4 %). Das hat Al Gore, der vor allem durch seinen Dokumentationsfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ bekannt geworden ist, in seinem Buch „Wege zum Gleichgewicht“ (Al Gore 1992) aufgezeigt. Im Universum finden wir eine so genaue Dosierung, da es sich um ein offenes System handelt, in das die Harmonie der Erde einbezogen ist.
In seinem berühmten Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ sagt Stephen Hawking im Zusammenhang mit dem Ursprung und weiteren Schicksal des Universums: „Wäre die Expansionsgeschwindigkeit eine Sekunde nach dem Urknall nur um ein Hunderttausendmillionstel Millionstel kleiner gewesen, so wäre das Universum wieder in sich zusammengefallen, bevor es seine gegenwärtige Größe erreicht hätte.“ (Hawking 1988, 155) In diesem Fall gäbe es nichts von dem, was es heute gibt. Wenn die Ausdehnung andererseits ein wenig größer gewesen wäre (in der Größenordnung von Millionstel), dann hätte es keine ausreichend große Dichte gegeben, um die Entstehung der Sterne und der Planeten und letztendlich des Lebens zu ermöglichen. Alles vollzog sich in so ausgewogener Form, dass die für die Entstehung der Biosphäre und der Anthroposphäre so, wie wir sie heute vor uns haben, günstigen Bedingungen entstanden.
Mehr noch: Wenn die schwache Kernkraft (verantwortlich für die Verminderung der Radioaktivität) nicht das Niveau aufrechterhalten hätte, wie sie es tatsächlich tat, hätte sich der gesamte Wasserstoff in Helium verwandelt. Die Sterne hätten sich aufgelöst, und ohne den Wasserstoff hätte es auch das für das Leben unverzichtbare Wasser nicht gegeben. Wenn die starke Kernkraft (die die Atomkerne im Gleichgewicht hält) um ein Prozent größer gewesen wäre, hätte sich auf den Sternen niemals Kohlenstoff gebildet. Und ohne Kohlenstoff wäre die DNA, die die Grundinformation für die Entstehung des Lebens enthält, nie entstanden. Desgleichen gilt: Wenn die elektromagnetische Kraft (für die Elementarteilchen mit elektrischer Ladung und die Photonen zuständig) etwas stärker gewesen wäre, wären die Sterne erkaltet und nicht in der Lage gewesen, in ihrem Inneren jene chemisch-physikalischen Elemente zu schaffen, aus denen die Wesen des Universums bestehen.
Und schließlich: Wenn die Gravitation nicht genau so stark wäre, wie sie aktuell ist, dann gäbe es keine Erklärung dafür, warum das Universum im großen Maßstab so gleichförmig ist, und die Erde würde sich nicht um die Sonne, die Hauptenergiequelle für alle lebendigen Organismen, drehen (vgl. Hawking 1988, 87 – 106). Die symphonische Verbindung dieser vier grundlegenden Wechselwirkungen des Universums ist weiterhin synergetisch am Werk und sorgt dafür, dass der kosmologische Pfeil der Zeit seine Richtung beibehält und auf immer stärker miteinander verbundene und komplexere Seinsformen hin orientiert ist. Diese Wechselwirkungen stellen in Wahrheit sozusagen die innere Logik des Evolutionsprozesses, die Struktur oder besser gesagt den ordnenden „Geist“ des Kosmos selbst dar.
Auf dieselbe Weise, wie eine Zelle Teil eines Organs und jedes Organ Teil eines Körpers ist, so ist auch jedes Lebewesen Teil eines Ökosystems, und jedes Ökosystem ist seinerseits Teil des Systems Erde, die wiederum einen Teil des Sonnensystems bildet. Dieses wiederum bildet einen Teil des Systems Milchstraße, und diese schließlich ist Teil des Systems Kosmos. Das System Gaia erweist sich als äußerst komplex und zutiefst klar. Nur eine ordnende Intelligenz ist dazu fähig, all diese Faktoren auszutarieren. Sie verweisen uns auf eine Intelligenz, die die unsrige bei Weitem übertrifft. Diese Tatsache anzuerkennen stellt einen Akt der Vernunft dar und bedeutet keineswegs, auf unsere Vernunft zu verzichten. Es bedeutet sehr wohl, sich in Demut einer weiseren und überlegeneren Intelligenz anheimzugeben. Dies wiederum setzt voraus, den Rationalismus zu überwinden und die Illusion hinter sich zu lassen, dass unsere Vernunft das Maß aller Dinge sei. Die Gründe haben ihren Ursprung in der Vernunft. Die Vernunft selbst ist keine Vernunfttatsache. Sie ist die einzigartige Ausdrucksgestalt des Universums selbst, das sich als in höchstem Maße vernünftig erweist.
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