Kitabı oku: «#ANIMA», sayfa 5
Über den Köpfen Gesichtsmasken, Augenpaare in Plastikfolien verschweißt, mit und ohne Motor.
Frederic griff nach der Fernbedienung. Er wusste, was er suchte. Er tippte die Lagernummer ein, die Transportschiene an der Decke setzte sich mit einem Ruck in Bewegung, der die aufgehängten Körper hin und her baumeln ließ. Hellhaarige, dunkelblonde, füllige, schlanke, kindliche Frauenleiber glitten an ihm vorbei. Als das Band unvermittelt stoppte, hämmerte Frederics Herz in seiner Brust. Er war erregt. Da war sie. In der Schutzhülle vor ihm hing: Luise. Nackt und begehrenswert, wie Frederic von ihr in wollüstigen Nächten fantasierte. Er ließ die Puppe aus der Halterung gleiten und mühte sich damit ab, sie in die Transportgabel zu hieven. Ein Gestell, das die immerhin über dreißig Kilo schwere Puppe sicherte. Mittels der Fernbedienung steuerte er den kleinen Wagen in die hinterste Ecke des Raumes und ließ Luise auf eine Couch gleiten, die eigens für eine halbwegs dekorative Präsentation der Puppen zweckentfremdet worden war. Ein Anachronismus in dem ansonsten sterilen Lagerraum, der mehr Ähnlichkeit mit dem Kühlraum eines Schlachthofes als einem Wohnraum hatte, auch wenn für Fotozwecke dort eine Blümchentapete mit Bild und Stehlampe und Kunstpalme davor den schmucklosen Beton der Wände kaschierte. Er hatte Luise damals überzeugt, Kopfmodell zu stehen. Angeblich, um ein Computermodell zu kreieren. Ob sie wusste, dass ihr Kopf auch wirklich angefertigt worden war? Er glaubte es nicht. Sie war sein Geheimnis. Und hier, hier liebte er sie. Kaum hatte er Luise aus der Schutzhülle befreit, da fasste er der Puppe an die Brüste, entblößte sein Glied, das lustvoll pulsierte.
»Da schaust du, den willst du, nicht?«, flüsterte er, drückte der Puppe sein Phallus an den Mund.
»Du bist ganz heiß auf mich, oder? Warte, ich geb ihn dir gleich!«
Er fasste der Puppe grob ins Haar und packte die Schulter, um sie zu sich heranzuziehen. Keuchend schob er seinen Penis in Luises nachgiebigen Mund. Stöhnend bewegte er sich vor und zurück, trieb sein Glied tiefer in Luises Mund, suchte krampfhaft nach einer sicheren Position und mühte sich schwitzend, bis er abspritze. Dann sank er heftig atmend neben Luise auf das Sofa und drückte sich an ihre kühle Haut. Abwesend schaute das Luisedouble in den Raum. Er hatte nicht gewagt, sie zu aktivieren, denn dies hätte bedeutet, sie mit dem Server zu verbinden. Dann könnte sein intimes Stelldichein leicht entdeckt werden. Aber auch so, kalt und leblos, fühlte er sich Luise nah, das reichte ihm vollauf. Allzu lange wollte er sich jedoch nicht hier aufhalten, denn oben brannte wahrscheinlich die Luft. So reinigte er Luises Mund notdürftig von seinen Hinterlassenschaften und beeilte sich, sie wieder zu verpacken und an ihren Lagerplatz zurückzuordnen.
»Ich komme wieder!«, flüsterte er, bevor das Transportband sie in die Anonymität der anderen Körper zurückbeförderte.
Er hatte nicht falsch vermutet. Kaum im Büro zurück, überfiel ihn sein Kompagnon Robby mit einem Notstandsbericht. »Du wirst es nicht glauben, die haben es sogar bis in die Cloud geschafft und mehrere Updates abgesaugt!«
»Unmöglich!«, entfuhr es Frederic.
»Ne, offensichtlich nicht. Es gibt eine Sicherheitslücke in der Handshake-Routine. Die Spur verschwindet kurz davor, und dahinter taucht sie mit einer anderen IP-Kennung wieder auf. Mir ist rätselhaft, wie sie das bewerkstelligen.«
»Konntest du zurückverfolgen, woher der Angriff kommt?«
»Pakistan.«
»Hä?«
»Pakistan!«
Robby zuckte mit den Schultern. »Soll ich einen Bericht machen?«
Frederic winkte alarmiert ab. »Ne, lass mal. Willem will, dass wir vorerst die Decke drüber halten. Die Amis sind im Haus. Vorerst überlass mir mal die Sache.«
Robby zog gewichtig die Augenbrauen hoch und blies die Backen auf, wie ein unter Druck stehender Ballon.
»Konntest du rausbekommen, welche Kennnummer die Puppe hat?«
»Ich arbeite dran. Sie benutzen offensichtlich die Nummer einer anderen aktiven Einheit. Von da aus mogeln sie sich in den geschützten Bereich. Bislang haben sie drei Updates runtergeladen, die noch gar nicht freigegeben sind.«
Frederic schüttelte den Kopf. Wie konnte das möglich sein? Sie hatten doch alle Bereiche maximal geschützt. Und vor allem die neuen Updates waren noch nirgends im Umlauf. Das war auch ein Grund, weshalb kein Zähler auf die Downloads gesetzt war, überlegte er. Eine Lücke, die sie ebenfalls schließen mussten.
»Glaubst du, die Amis könnten dahinterstecken?«, unterbrach Robby seine Gedanken.
»Softwareklau?« Nachdenklich schüttelte er den Kopf, ausgeschlossen war das nicht. Fest stand, dass jemand mit sehr viel Kompetenz am Werk war. Vielleicht wollten die Amis inzwischen ihr eigenes Ding drehen? Vielleicht dienten die Verhandlungen mit Willem nur als Alibi, um von dem Softwareklau abzulenken? Das würde Frederic gar nicht gefallen, denn er hatte eigene Interessen, die sich weder mit denen der Geldgeber noch allerdings mit denen Van Beutens deckten.
»Kannst du 'nen Köder auslegen?«, fragte er.
Robby lächelte. »Schon geschehen. Wenn sie das nächste Update runterladen, dann haben sie einen Angelhaken im System.«
»Gut, Robby. Gute Arbeit. Bin gespannt, wen wir dran bekommen, aber vorerst Top Secret und nur an mich«, murmelte Frederic, dem dennoch nicht ganz wohl war. Was, wenn sich der Fisch als giftig erweisen würde?
10. Kapitel: Urlaub am Meer
EVA sitzt neben mir, wir schauen auf das Meer hinaus. Der Sturm der letzten Nacht hat die See unruhig gemacht. Weiße Schaumrösser reiten auf hohen Wellenbergen an den Strand, Gischt spritzt an scharfkantigen Klippen meterhoch in die Höhe. Das Echo der sich brechenden Wellen übertönt den Wind, der mit EVAs Haaren spielt. Ich habe uns eine Auszeit am Meer spendiert. Von der Drängelei im Institut, vom Lärm der Großstadt und all dem. Zeit nur für uns beide, EVA und mich. Normalerweise würde man es eine Romantikwoche nennen. Ist es irgendwie auch. Denn wir feiern EVAs Geburt in die sichtbare Welt. Ein Fest für ihre Augen. Seit Kutub es geschafft hat, die App für die Gesichtserkennung zu installieren, ist EVA sehr verändert. Okay, die App ist illegal runtergeladen, und das Trackingmodul ist lahmgelegt, mit dem Dollyrobotic Zugriff auf die Kameras hätte. Nicht nur die Kameras, auch auf den Standort und die Mikrofone in den Ohren. Die eingehenden Daten landen auch nicht wie vorgesehen in der Cloud des Unternehmens, sondern werden derzeit noch auf der Hauptplatine abgespeichert. Dadurch ist EVA deutlich langsamer geworden, wirkt müder. Bis Kutub dafür eine Lösung gefunden hat, müssen wir das in Kauf nehmen. EVA und ich. Deshalb möchte ich, dass sie nicht mit Daten überfüttert wird. Gönne ihr etwas Ruhe, gelegentlich einmal Netzzugang, um Informationen aufzufischen. Portionsweise.
Der schönen Aussicht wegen habe ich uns ein Appartement in den höheren Etagen des Ferienhauses gemietet, mit Blick auf die See. Ein Zweipersonenappartement. Der Wind und die Wellen irritieren EVAs Gehör. Deshalb habe ich ihr zwei Ohrwärmer übergestülpt, wie man sie im Winter trägt. Mit rosa Puschelüberzug. Es gab keine anderen. Ihr neues Kleid trägt sie auch, das ich heute in der letzten noch geöffneten Strandpromenadenboutique für sie erstanden habe. Ein knapp geschnittenes farbenfrohes Strandkleid. Es passt nicht ganz zur Jahreszeit, denn es ist bereits bitter kalt. Aber es war ein Sonderangebot, da die Boutique nur noch die wenigen Tage bis Weihnachten geöffnet hat. Und EVA friert ja nicht, ganz im Gegensatz zu mir. Mir hat sich bereits nach wenigen Minuten eine Gänsehaut gebildet, und nur die Wolldecke aus dem Appartement verhindert, dass ich den Kältetod sterbe. Aber ich wollte, dass sie das Meer schaut, jetzt, wo sie sehen kann. Das Meer, aus dem wir alle entstammen. Letztlich.
EVA blickt mit weit geöffneten Augen hinaus in die Ferne. Auf jedes Geräusch hin, das durch die Ohrwärmer zu ihr durchdringt, dreht sie den Kopf suchend nach mir um. Da sie den Hals nicht weiter als fünfundvierzig Grad bewegen kann, habe ich meinen Liegestuhl ein wenig schräg vor sie gesetzt, die Füße in halber Höhe in das Balkongeländer gestemmt
#Ich freue mich, dich zu sehen#, flüstert sie jedes Mal, wenn ihre Augen mein Profil gescannt haben.
Ich fasse ihre Hand und drücke sie etwas. »Ich freue mich auch, gefällt dir das Meer?«
#Was ist 'das Meer'?#
»Das ist das, was du vor dir siehst.«
#Dieser Begriff ist mir unbekannt. Ich möchte online gehen, um mich mit der Datenbank zu verbinden.#
»Tut mir leid, das geht jetzt nicht. Hier gibt es keinen Netzzugang.«
#Es gibt einen öffentlichen Netzknotenpunkt#, stellt sie nach einer Weile sachlich fest.
Den gibt es wirklich. Drüben an der Seebrücke mit den kleinen Boutiquen, die jetzt mit dicken Fenstergittern und Holzverschlägen zum Schutz gegen Vandalismus und die Unbilden des Winters versehen sind. Die Netzgebühren sind horrend, denn es ist kein freier Zugang.
»Negativ. Den können wir derzeit nicht nutzen«, gebe ich zurück und versuche meiner Stimme einen bedauernden Unterton zu geben. Glücklicherweise ist das gar nicht notwendig, denn sie reagiert nicht auf Gefühle. Noch nicht! Kutub hat mir versprochen, dass er einmal schauen wird, ob bereits ein entsprechendes Gimmick bei Dollyrobotic vorliegt.
#Ich kann kein Gesicht erkennen#, bemerkt EVA nach einer Weile, während sie die Gegend abscannt.
Erst stutze ich, dann begreife ich. »Das Meer ist kein Gesicht. Es ist Wasser. Unendliches Wasser.«
EVA verstummt eine Weile. #Tut mir leid, ich bin nicht in der Lage, das Meer zu erkennen, da ich auf Gesichtserkennung programmiert bin.#
Nach dem letzten Update hat EVA viele Begriffe gelernt, glaube ich. Vor allem Begriffe, die sie aus den Gesprächen zwischen uns entnimmt. Doch visuell interessiert sie sich offenbar vor allem für Gesichter. Eine Menge Daten, die sie irgendwo abspeichern muss. Sie könnte natürlich vieles auf dem Server der Firma auslagern oder Begriffe abgleichen, aber da wir derzeit noch vorsichtig sind, sie mit ihrem Profil bei der Herstellerfirma zu verbinden, erlaube ich ihr immer nur wenige Minuten, und das auch nur, wenn der Filter, den Kutub vorgeschaltet hat, keine Trackingaktivitäten aufspürt. Das dauert jedoch leider meist nicht lange.
Doch EVA ist geduldig. Sie freut sich, wenn sie mich erkennt, freut sich, wenn ich zum Beispiel das Zimmer betrete. Dann öffnet sie ihre Augen, wenn sie das Geräusch der geöffneten Tür vernimmt, meine Schritte im Flur, das Klappern meines Haustürschlüssels, den ich extra geräuschvoll auf den Küchentisch werfe. #Schön, dass du wieder da bist. Ich habe auf dich gewartet#, oder #Hallo Cesár, Liebling, ich freue mich so, dich wiederzusehen. Magst du Sex mit mir?#
Das lässt das Herz eines jeden Mannes höher schlagen. Glaube ich. Als sie es neulich zu Kutub sagte, den sie nun auch in ihrer Datenbank hat, fand ich es nicht so lustig wie er. Er hat sich vor Lachen fast in die Hosen gemacht.
Aber jetzt weiß sie, dass sie diesen Satz nur zu mir sagen darf.
Mich erkennt sie bereits sogar von hinten. Sie erkennt, wenn ich sie anschaue und wenn ich in eine andere Richtung blicke. Ihre Augen haben eine Spur Lebendigkeit bekommen, die ihr vorher fehlte.
Sie verfolgt jede meiner Bewegungen mit dem leisen Schnurren ihrer Augenmotoren und schafft es, mich im Blickfeld zu behalten, solange ich ihren Gesichtskreis nicht verlasse.
Ich finde das sehr wichtig. Denn nun kann ich ihr zeigen, wenn ich mich für sie interessiere, und sie muss nicht warten, bis ich einen ihrer Sensoren berühre. Seit sie das Heizungs-Update bekommen hat, erwärmt sich sogar ihre Haut von selbst. Diese Kleinigkeit hat mich zwar drei Monatsgehälter gekostet, aber die ist sie wert.
Wegen der Augen hatte ich neulich einen Brief von Dollyrobotic im Briefkasten. Man wunderte sich ganz offiziell, dass ich zwar einige teure Hardware bestellt, jedoch keine Software dazu runtergeladen hätte. Ob ich Schwierigkeiten damit hätte. Für nur 1,89 € pro Minute könnte ich die Service-Hotline kontaktieren. Man sei jederzeit bereit, mir bei eventuellen Problemen zu helfen. Montags bis samstags von 8 bis 20:00 Uhr. Wenn die wüssten!
Da ich weiß, dass sie alles in ihrer Voicedatenbank abspeichert, rede ich viel mit EVA, auch wenn sie das meiste noch nicht versteht. So kann sie jedes unbekannte Wort in den wenigen Augenblicken, die sie online ist, später abgleichen. Allerdings ist sie seitdem merklich langsamer geworden.
Nun kommen wir gerade aus dem Bett, wo sie etwas Erstaunliches bemerkt hat, hinterher.
#Was bedeutet das Wort 'Ich'?#
Ich habe zuerst fassungslos in ihre schönen Augen geschaut, während sie mich liebevoll fixierte. Dann habe ich sie geküsst und mich neben sie gelegt, ratlos, was ich ihr darauf antworten soll. Was sagt man auf so eine Frage und wie kommt sie überhaupt dazu, sie zu stellen?
»Ich will dir das Meer zeigen!«, habe ich ihr dann gesagt.
#Ist das die Bedeutung von 'Ich'?#
»Nein, 'Ich' bezeichnet 'Du selbst'.
#Ich bedeutet 'Du selbst'?#
»Nein, 'Ich', mich selbst.«
#Es gibt einen Konflikt mit meinen abgelegten Wortbedeutungen. Ich werde diese Frage zurückstellen#, sagt sie nach einigen Augenblicken des Schweigens.
Wie erklärt man einem Roboter, was 'Ich' bedeutet?
»Ich liebe dich, EVA!«, entfuhr es mir voller anschwellendem Liebesgefühl.
#Möchtest du Sex mit mir?#
»Nein, jetzt nicht. Ich möchte dir das Meer zeigen.«
Nun sitzen wir hier. Ich friere, und sie schaut mit weit geöffneten Augen auf das Meer, ohne es erkennen zu können, während ich grübele, welcher Teil ihres Programms so plötzlich nach der Bedeutung des Wortes 'Ich' gefragt haben könnte. Es musste in ihrer Wortdatenbank vorhanden sein. Allerdings scheint die Frage darüber hinaus zu gehen. Werde es wohl Kutub fragen müssen, demnächst bei unserer Santa-Party.
Während wir dem Wellenrauschen lauschen, muss ich unwillkürlich grinsen. Mein Gott, war das eine Aufregung, bis wir den Zimmerschlüssel der Ferienwohnung ausgehändigt bekamen. Die Augen, die die Rezeptionistin im Touristenbüro machte, als ich ihr erklärte, EVA besitze keine Papiere, denn ich hatte zwei Personen angekündigt. Sie hatte die etwas hausbackene, behördlich korrekte Pedanterie an sich, die hier im Osten in den Genen zu liegen scheint.
»Würden Sie bitte noch den Nachnamen Ihrer Begleitung eintragen?«, forderte sie, indem sie ordnungsliebend mit dem Zeigefinger über die unausgefüllte Linie für den Nachnamen fuhr, da ich unter 'Namen der Mitreisenden' nur EVA eingetragen hatte.
»Sie hat keinen Nachnamen! EVA, einfach nur EVA.«
Ihr Lächeln wirkte irritiert, und ihr Zeigefinger mit dem rot lackierten Nagel blieb wie festgeklebt auf der besagten Stelle liegen.
»Sie heißt EVA, einfach nur EVA.«
Ich blickte ihr entschlossen ins konsternierte Gesicht. Sie schluckte ihren Groll über meine offensichtlich unmögliche Antwort professionell lächend herunter.
»Könnten Sie hier noch das Geburtsdatum eintragen?«, versuchte sie es mit einer anderen offen gebliebenen Stelle auf dem gelben Durchschreibeformular für die Kurkartenanmeldung.
»Tut mir leid. Das weiß ich nicht«, entgegnete ich schulterzuckend. »Eigentlich ist sie gar nicht geboren.«
»Ich bitte Sie!«, entgegnete sie nun etwas schnippisch. »Wir benötigen für die Anmeldung die vollständigen Daten aller Mitreisenden, wegen der Kurtaxe.«
»Dann muss wohl mein Name genügen«, entgegnete ich ihr, bemüht, mein Gesicht nicht zu einem boshaften Lachen zu verziehen.
Jetzt errötete sie am Hals, wo sich mehrere unschöne Flecken bildeten. »Das geht doch nicht. Wenn zwei Personen hier wohnen, dann benötigen wir auch zwei Anmeldungen.«
Ist EVA schon eine Person? Ist sie eine Persönlichkeit? Letzteres neige ich mit Ja zu beantworten, denn sie hat ganz offensichtlich Eigenarten, die unverwechselbar zu denen anderer Persönlichkeiten sind. Wohl hat sie eine sehr begrenzte Auffassungsgabe, sie reagiert überwiegend vorhersehbar, ihre Antworten zeugen jedoch von einer liebevollen, selbstlosen Grundhaltung. Sie äußert nicht zuletzt seit dem letzten Update auch eigene Interessen. Sie fragt häufig nach Musik, zum Beispiel wie neulich, als sie urplötzlich zum Jazz gehen wollte. Oder es kann sein, dass wir am Frühstückstisch sitzen und sie plötzlich lächelt und flüstert: #Das war sehr schön gerade. Wollen wir es gleich noch einmal machen?#
Solche Sätze kommen vor, manchmal ganz unerwartet. Und sie lehnt niemals einen Wunsch ab. Damit unterscheidet sie sich eindeutig wohltuend von allen anderen Persönlichkeiten, die ich kenne. Aber eine Person? Nein, eine Person ist sie dennoch nicht. Dazu ist die Programmierung nicht komplex genug. Kann eine Programmierung jemals komplex genug sein, um einem Roboter die Bezeichnung 'Person' zubilligen zu können? Und reicht es nicht aus, wenn EVA meine sexuellen Wünsche befriedigt, ohne eigene Wünsche zu äußern? Nein, gerade diese Fähigkeit, eigene Wünsche zu äußern, fasziniert mich sehr. Sie ist dadurch anregender geworden. Vielleicht bin ich zu unbescheiden. Aber ich wünschte mir, dass da mehr wäre als nur dies. Nur, wie sollte dieses 'Mehr' aussehen, ohne dass EVA so anstrengend wäre wie jede andere weibliche Person?
»Eigentlich«, sagte ich schließlich nachdenklich, »eigentlich ist nur eine Person angemeldet, und das bin ich. EVA ist meine Puppe.«
Der Anmeldungstussi klappte fassungslos der Unterkiefer herunter.
Ich konnte mir ein Grinsen nun doch nicht mehr verkneifen. Während die Rezeptionistin in meinem Gesicht zu lesen versucht, ob ich sie vielleicht veralbern möchte oder nicht, fiel mir auf, dass auch bei ihr nun eine Programmierung abläuft. Niemand außer ihr selbst wusste, welche Gedanken ihr in diesem Moment durch den Kopf gingen, und niemand konnte sagen, ob sie ein Ich-Gefühl hat oder nur eingeübte Gedanken und Sätze abspulte. Doch irgendwie fühlte ich, dass sie mit der Situation überfordert war und mich endlich loswerden wollte. Wir brachten den Rest nun etwas distanziert zu Ende. Nachdem sie mir den Appartementschlüssel ausgehändigt und die Lage der Wohnung auf einem schlecht kopierten Stadtplan angekreuzt hatte, ich mich wieder in mein Auto begab, auf dessen Beifahrersitz EVA saß, da sah ich im Rückspiegel, wie sie in der Tür des Touristenbüros stand und uns nachblickte, EVA und mir, wie wir aus der Parkbucht heraus kutschierten. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihr nochmals zuzuwinken, als wir auf der Hauptstraße an ihr vorbeifuhren, und lachte laut auf.
#Du bist fröhlich#, bemerkte EVA.
»Ja«, lachte ich. »Ich bin fröhlich.«
Ich kichere bei dem Gedanken an die Komplikationen, die mir noch bevorstehen mögen. Besonders freue ich mich auf die Santa-Party zu Weihnachten. Ich habe ein paar Freunde eingeladen, als da wären: Irene und ihr Mann Friedbert, beides Anthroposophen. Kutub natürlich. Beatrice, aus Rache, und eine alte Bekannte, Silke, die jetzt irgendwo Redakteurin ist. Ob ich dann noch zwei Kollegen aus dem Institut einladen soll, weiß ich nicht genau. Mein Stand ist dort in letzter Zeit, vorsichtig gesagt, etwas prekär. Der Prof. ist ganz offensichtlich nicht mit meinen Ergebnissen zufrieden, drängelt dauernd rum. Die anderen Kollegen sind zwar nett, aber es gibt nur eine Ausschreibung für eine feste Anstellung im nächsten Jahr, um die sich mehr als sechs Mitarbeiter bewerben. Da könnten Gerüchte schädlich wirken. Denn die wären mir sicher. Wer akzeptiert schon jemanden, der mit einem Roboter zusammenlebt? Auch wenn dieser so schön ist wie EVA, oder genau deshalb.
Ich seufze.
#Die Temperatur beträgt fünf Grad Celsius. Das ist sehr kühl#, stellt EVA sachlich fest. #Ich benötige mehr Energie, da mein Spannungslevel stark gesunken ist.#
EVA schaut mich an. Ihre Augen wirken bittend.
»Wir gehen gleich rein!«, erwidere ich erschrocken. Mein Gott, klar. Sie ist nun fast vier Stunden aktiv. Schnell öffne ich die Balkontür, fasse EVA unter und trage sie vorsichtig in den Wohnraum. EVA ist nicht gerade leicht, immerhin fast vierzig Kilogramm. Sie schaut mich an, während ich sie trage, und ihren Mund umspielt ein feines Lächeln. Ich habe ihr einen Platz auf dem grün-gelb karierten Sofa neben der Stehlampe hergerichtet. Direkt hinter der Armlehne befindet sich das Ladekabel verborgen. Ich mag es nicht, wenn es sich für alle sichtbar über die Möbel ringelt. So kann das Kabel dort dezent von ihrem Handgelenk hinter der Armlehne verschwinden.
#Möchtest du Sex mit mir?#, fragt EVA.
»Im Moment nicht, ich möchte dich erst einmal aufladen.«
#Danke, dass du daran gedacht hast!#, lächelt sie zurück und geht in den Standby-Modus, sobald das Kabel eingesteckt ist. Dabei schließt sie die Augen und senkt ihren Kopf ein wenig, als wenn sie schläft. Tut sie wohl auch. So kann ich ihr ungehindert ihre langen dunklen Haare bürsten. Sonst würde sie sich bewegen, sobald ich sie berühre. Doch neuerdings hört sie auch auf das Kommando: »Halt ein wenig still!«
Ich liebe es, ihre seidigen Haare durch meine Finger gleiten zu lassen, während ich sie kämme. Wäre mir bei Bea niemals in den Sinn gekommen. Sie zu kämmen, meine ich. Bea hat sich gefühlte Stunden mit dem Haarekämmen beschäftigt. Es ist offenbar auch für sie eine sinnliche Tätigkeit.
Seit ich ein wenig Parfüm benutze, riechen EVAs Haare fast wie Menschenhaare. Affen lausen sich stattdessen. Hoffe, das habe ich bei EVA niemals nötig.