Kitabı oku: «#ANIMA», sayfa 6
11. Kapitel: Beatrice
Councelerin: »Du bist wütend!«
Bea: »Der Scheißkerl!«
C: »Es ist gut, wenn du deine Gefühle akzeptierst.«
Bea: »Ich bin stinksauer auf diesen Mistkerl!«
C: »Cesár?«
B: Nickte stumm und biss die Zähne aufeinander.
C: Wartete.
B: Blickte im Raum herum, sagte aber nichts.
C: »Was machst du mit deinen Händen?«
B: Schielte verwundert auf ihre Hände, die sie zu Fäusten geballt hatte, sodass das Weiß der Knöchel hervortrat. Schnell versteckte sie sie hinter ihrem Rücken.
C: »Willst du darüber sprechen?«
B: »Er hat mich einfach ersetzt, durch eine Puppe!«
C: Blickte sie fragend an.
B: »Durch eine Sexpuppe!«
C: »Cesár hat dich durch eine Sexpuppe ersetzt?«
B: Nickte, während sie mühsam ihre Tränen zurückhielt.
Nachdem Frau Heuermann eine Zeitlang vergeblich auf weitere Ausführungen gewartet hatte, versuchte sie es mit: »Du wirkst traurig und verletzt!«
B: Schlug ihre Hände vor das Gesicht und schluchzte heftig.
C: »Steh zu deinen Gefühlen. Was hat dich verletzt?«
B: »Dass, dass er ... eine Puppe liebt!«
C: »Weshalb kränkt dich das? Hattest du nicht mit ihm Schluss gemacht?«
B zögernd: »Ja schon, aber ...«
C: »Es wäre schön, wenn ich verstehen könnte, worum es geht. Ich verstehe nur, dass du gekränkt und traurig bist. Was ist geschehen? Was hat dich so traurig und wütend gemacht?«
B: fragte schniefend nach einem Taschentuch. »Es ist so armselig«, stieß sie durch das zerknüllte weiße Tuch vor ihrer Nase hervor. »Den ganzen Abend sind alle nur um diese Sexpuppe herumgetanzt. Diese EVA.«
C: »EVA?«
B: »Er hat sie EVA genannt, so was Einfallsloses. EVA!«
C: »Na ja, dich stört aber etwas ganz anderes, nicht wahr?«
B: »Sie saß auf meinem Platz!«
C: »Auf deinem Platz?«, lächelte Frau Heuermann schräg.
B: Nickte. »Da wo ich immer gesessen habe. Im Sessel neben der Couch.«
C: »Also Bea. Ich muss jetzt mal einschreiten. Seit du heute hereingekommen bist, sprichst du in Rätseln. Wir waren das letzte Mal übereingekommen, dass wir zum Jahresanfang ein Resümee ziehen wollten über das letzte Jahr. Was gut war, was besser werden soll und welche Pläne du hast. Ich habe verstanden, dass mit Jan Schluss ist und du bei einer Party mit deinem früheren Freund Cesár warst. Eine, wie sagtest du nochmals hieß die Party?«
B: »Santa-Party. Eine Weihnachtsparty.«
C: »Meinetwegen. Wir sind gerade einmal dazu gekommen, festzustellen, dass dir diese Party gar nicht gefallen hat, wegen einer Sexpuppe, die offensichtlich EVA heißt, und dass du jetzt wieder zu deiner Mutter gezogen bist. Deine Situation ist also alles andere als befriedigend, wenn ich richtig verstanden habe. Es gäbe vieles zu regeln, und doch bestimmt seit fünf Minuten nur diese Kränkung unser Gespräch. Ich schlage vor, dass wir die Themenblöcke getrennt behandeln. Willst du mit dieser Santa-Party beginnen oder lieber zuerst über deine Beziehungssituation mit Jan reden?«
B: »Ne, über Jan bestimmt nicht!«
C: »Nun, du bestimmst das Thema. Vergiss aber nicht, dass wir eine Verabredung haben.«
B: »Verabredung?«
C: »Wir arbeiten an einem Plan für dieses Jahr, und die Stunde hat nur fünfundvierzig Minuten, von denen bereits fünfzehn verstrichen sind.«
B: Schluckte. »Also diese Santa-Party. Ich hab mich eigentlich total gefreut, als Cesár mich eingeladen hat. Zumal ...«
C: »Zumal?«
Bea: »Dieser Jan ist ein riesen Arschloch! Er hat sich dauernd mit anderen Frauen getroffen! Ich hab‘s einfach nicht mehr ausgehalten. Und als ich Cesárs Einladung bekommen habe, hatte ich wenigstens was für Weihnachten. Meine Mom ist Weihnachten immer nur am Flennen und betrinkt sich. Das ist unerträglich. Ich hab mir wirklich ganz doll Mühe gegeben, hab für Cesár was Schönes gekauft, hab mich sogar gestylt, von meinem letzten Geld den Friseur bezahlt, obwohl Fransziska …«
C: »Obwohl Franziska ...?«
B: »Na ja, egal. Und dann … dann komme ich zu dieser Party. Da waren Cesár und Kutub und einige andere, die ich nicht kannte. Alle standen um das Sofa rum, auf dem diese … dieses Ding saß.«
C: »Ding?«
B: »Diese halbnackte Puppe, die alle angeschaut hat.«
C: »Moment! Sagtest du, die Puppe hat alle angeschaut?«
B: »Ja. Sie hat immer wieder herumgeschaut, wenn sich jemand bewegt hat. Das war total gruselig.«
C: »...«
B: »Cesár hat mich ihr vorgestellt. Weißt du, ich hatte mir extra ein Geschenk für ihn ausgedacht. Einen stylischen Blumentopf mit Bluetooth, Touchlights und Lautsprecher. Cesár liebt solchen Schnickschnack. Hab mir was Hübsches angezogen und dachte, das wird eine nette Party. Cesár war auch zuerst supersüß. Als ich in der Tür stand, hat er mich total liebevoll begrüßt. Ich hab gemerkt, dass er sich gefreut hat. Alles war bunt geschmückt, und alle liefen mit den roten Santamützen herum. Sogar einen Tannenbaum hatte er aufgestellt, obwohl er das früher immer abgelehnt hat. Es sah so gemütlich aus. Es waren ein paar Leute da, die ich noch nicht kannte. Aber kaum war ich im Zimmer, da stehen alle um dieses Ding herum und glotzen die an, wie einen Filmstar.«
C: »Er hat dich der Puppe vorgestellt?«
B: »Ja, er hat gesagt: Darf ich dich meiner Freundin vorstellen? Das ist EVA. Du musst dich vor sie stellen, damit sie dich sehen kann.«
C: »Versteh ich nicht, warum solltest du dich vor die Puppe stellen?«
B: »Ich war so überrascht, und die anderen grinsten so blöd, dass ich das gemacht habe. Dann hat die Puppe mit mir gesprochen.«
C: »Die Puppe hat dich angesprochen?«
B: »Ja. Sie hat gesagt: Hallo, ich bin EVA, ich freue mich, dich kennenzulernen. Wie heißt du?«
C: »…?«
B: »Ich hab gesagt: Ich heiße Beatrice. Darauf hat sie mich so merkwürdig angeschaut. Sie hat mich richtig angeschaut!«
C: »Bist du sicher?«
B: »Na klar! Sie hat sogar gelächelt. 'Hast du etwas dagegen, wenn ich dich in meiner Datenbank abspeichere, damit ich dich später wiedererkenne?' oder so, hat sie geantwortet.
C: »Und hast du?«
B: »Ich war so verdattert, dass ich Ja gesagt habe. Dann drehte sich den ganzen Abend das Gespräch nur um diese … diese EVA. Sie hat mit am Tisch gesessen beim Abendessen, sie hat von Cesár ein Geschenk bekommen. Cesár hat sie sogar geküsst!«
C: »Ziemlich abgedreht!«
B: »Abgedreht? Zum Lachen ist das!«
C: »Du lachst aber nicht, sondern bist wütend!«
B: Schluchzte. »Ich hatte mir eingebildet, es könnte vielleicht wieder etwas sein zwischen uns. Dieser Volltrottel hat mich einfach ... einfach … durch eine Puppe ersetzt!«
C: »Ich verstehe, dass du enttäuscht warst. Wie haben die anderen reagiert?«
B: »Ach, das war ganz unterschiedlich. Es gab ein paar Leute, die ich in der Uni gesehen habe. Und da war ein Pärchen, die in so komischen Wollklamotten herumgelaufen sind. Die haben mit Cesár über den Ätherleib diskutiert und wie schädlich es ist, sich mit derartigen Puppen zu beschäftigen. Aber ich glaube, die hat niemand so richtig ernst genommen. Dann war da noch so eine von einem Journal, die war ganz nett. Silke, mit der hab ich später meine Nummer getauscht. Die hat alles Mögliche gefragt. Später hat sie mir aber gesagt, dass sie einen Artikel darüber schreiben möchte und ob ich ihr als Interviewpartnerin zur Verfügung stehen möchte. Und natürlich war Kutub da, der Bekannte meiner Freundin. Aber der hat nur die ganze Zeit gegrinst wie ein Honigkuchenpferd. Cesár ist dick mit ihm befreundet. Und dann war da noch ein Kollege von Cesár, Ribor hieß er, auch ein Tscheche. Der hat die ganze Zeit über an dieser Puppe rumgefummelt, bis Cesár böse geworden ist. Stell dir vor! Cesár ist richtig ausgerastet, als Ribor der Puppe an die Titten gefasst hat!«
C: »Wie kann ich mir diese Puppe denn vorstellen?«
B: »Also, die sieht halt so aus, wie Männer sich eine Frau vorstellen, glaub ich. Schlank, vollbusig, lange Haare, Modellgesicht. Ja, wie so ein Pornomodell. Gruselig!«
C: »Fandest du die Puppe attraktiv?«
B: »Spinnst du? Sorry. Wieso sollte ich die attraktiv finden?«
C: »Du empfindest sie offensichtlich als Konkurrenz.«
B: »Te! Ich soll eine Puppe als Konkurrenz finden?«
C: »Nicht?«
B: »Überhaupt nicht! Was soll denn da eine Konkurrenz für mich sein?«
C: »Cesár scheint ihr Gefühle entgegenzubringen, die er dir gegenüber nicht mehr zeigt, oder?«
B: Nickte. »Ne, da lief gar nichts mehr zwischen uns. Es war nur noch peinlich. Besonders als er EVA erklärt hat, dass ich seine frühere Freundin war!«
C: »Und?«
B: »Ich hätte mich unter dem Tisch verstecken können. Frühere Freundin!«
C: »Stimmt es nicht?«
B: »Sie hat gesagt, sie hoffe, dass ich nicht traurig bin.«
C: »Die Puppe hat das gesagt?«
B: »Ja. 'Ich verstehe.‘ , hat sie gesagt. ‚Ich hoffe, du bist nicht traurig. Es hört sich so an, als seid ihr nun nicht mehr so intensiv befreundet. Das tut mir leid!'«
C: »Erstaunlich! Was ist das für eine Puppe?«
B: »Ich glaube, so eine Art Roboterpuppe. Jedenfalls reagiert sie auf alles, was sie sieht und hört. Horror.«
C: »Hm.«
B: »Und dann hat sie noch gesagt, dass sie sich freut, mich kennengelernt zu haben und sie gerne meine Freundin sein möchte. Da bin ich gegangen!«
C: »Du hast die Party verlassen?«
B: »Na, nicht sofort. Aber ich hatte keine Lust mehr, mit dieser EVA zu reden. Ich hab dann mit dem Pärchen in Wollkleidung gesprochen. Die hatten auch keine Lust, sich der Puppe zu unterhalten. Wir haben in der Küche miteinander gequatscht. Die waren total entsetzt über die Situation. Sie meinten, dass Cesár aus dem Gleichgewicht geraten sei und dringend eine Therapie bräuchte.«
C: »Dann war die Party ein wenig schwierig für die Teilnehmer.«
B: »Eigentlich nicht. Die anderen fanden es total cool. Sie haben der Puppe Fragen gestellt und sich über die Antworten amüsiert. Ribor, der Kollege von Cesár wollte sogar wissen, wo man so eine Puppe herbekommt. Ich glaube, Cesár schläft sogar mit der. Das ist total frauenfeindlich! Das ist doch krank, oder?«
C: »Ich möchte mich nicht über Cesár äußern, sondern über dich sprechen. Du warst enttäuscht, weil Cesár sich nicht mehr um dich gekümmert hat, nicht wahr? Weil du dir vorgestellt hast, du könntest zurück zu ihm. Stimmt's?«
Bea krümmte sich schluchzend auf ihrem Stuhl zusammen.
C: »Es kommt mir so vor, als hättest du Cesár nur als rettenden Strohhalm in der Not gebrauchen wollen. Bist du sicher, dass du wieder mit ihm zusammen sein möchtest?«
B: »Mit Cesár bin ich fertig. Der ist doch pervers! Außerdem will Franziska nicht, dass ich wieder zu ihm gehe.«
C: »Franziska? Was hat die damit zu tun?«
B: »Franziska ist meine Freundin, die mich im Kampf gegen die Männerherrschaft unterstützt!«
C: »Von Franziska hast du schon früher gesprochen. Aber was bedeutet, Franziska will nicht, dass du mit Cesár zusammen bist?«
B: »Franziska sagt, ich würde mich in der Beziehung mit Männern unter dem patriarchalen Diktat erniedrigen. Das wäre nicht gut für mich. Ich müsse begreifen, dass nur der gemeinsame Kampf gegen die brutale Vorherrschaft des Mannes eine gesellschaftliche Wende herbeiführen kann. Nieder mit der Männerherrschaft!«
C: »Ist es wichtig für dich, was Franziska sagt?«
B: »Die hat doch total recht! Vor allem, wenn ich an Cesár denke! Ich hab mich beschissen gefühlt, gedemütigt bis auf die Knochen. Ich bin davongeschlichen wie ein getretener Hund. Äh, eine getretene Hündin.«
C: »Weshalb lässt du andere über dein Leben bestimmen?«
B: »Stehst du etwa auf Cesárs Seite?«
C: »Darum geht es nicht. Es geht um die Frage …«
B: »Ich verstehe dich nicht, du bist doch auch eine Frau! Wie kannst du gut finden, was Cesár mir angetan hat? Er hat nicht nur mich, sondern er hat alle Frauen beleidigt.«
C:»Darf ich vielleicht einmal aussprechen? Ich möchte wissen, warum ...«
B: »Franziska meint, das größte Hindernis im Kampf gegen die Männerherrschaft sei die mangelnde Solidarität der Frauen.«
C: Scharf. »Beatrice, komm auf den Boden! Wir haben verabredet, einander ausreden zu lassen. Es gehört zum Setting unserer Sitzung, dass wir einander zuhören und ausreden lassen!«
B: »Du hörst dich an wie meine Mutter! Die hat mir vorgeworfen, dass ich Cesár verlassen habe. Das kotzt mich an! Alle wollen über mich bestimmen!«
C: »Okay, du bist wütend. Willst du vielleicht einmal schauen, was dich wirklich wütend gemacht hat?«
Bea: »Was ist das für eine Frage? Cesár macht mich wütend, und du auch, weil du so unsolidarisch bist und über mich bestimmen willst. Ich hab's satt, ich gehe!« Damit sprang sie auf, griff ihre Jacke, die sie über einer Sessellehne abgelegt hatte, und verließ türknallend das Zimmer.
Frau Heuermann ließ sich seufzend in ihrem Sessel zurücksinken. Eine Puppe, die reden kann und mit Menschen in Interaktion tritt. Sachen gibt es!
12. Kapitel: Luckystripper
Silke blickte nachdenklich aus dem schallisolierten Fenster im achten Stockwerk des gesichtslosen Redaktionshochhauses, das den Lärm der Leipziger Straße hermetisch ausschloss. Müde wischte sie sich über die Augen. Was für ein Scheißjob! Seit über vier Stunden betätigte sie sich bereits als Moderatorin in einem Internetblog. Eine geistige Kloake stinkenden Meinungsmülls und dummdämlicher Selbstdarstellung. Wer brauchte so etwas? Hoffentlich kam ihre Kollegin bald aus der Babypause zurück! Drei Monate vier Stunden jeden Tag Hunderte dieser Dünnschisskommentare auf unzulässige Inhalte zu durchforsten, war mehr als geistige Folter. Sie wollte wieder einmal eine vernünftige Recherche machen. Wieso outsourcten sie so was nicht nach Indien, wo genügend Leute auf so einen Job warteten? Aber der Verlag, dem auch das Frauenmagazin Violetta angehörte, für das sie arbeitete, bestand darauf, alles hier in Berlin zu erledigen. Warum auch immer. Und ein Blog gehörte eben heute dazu, um bei der Konkurrenz nicht unterzugehen.
Natürlich gab sie sich auch selbst die Schuld. Warum hatte sie das Thema Sexpuppen denn vorschlagen müssen? Außer einen Artikel zu schreiben, für den sie nach der merkwürdigen Party bei Cesár zu Weihnachten das Thema vorgestellt hatte, musste sie nun auch noch den Blog verwalten. Der Artikel wurde und wurde nicht fertig, weil sie keine Zeit hatte, tief genug zu recherchieren. Der Blog lief über von blöden Bemerkungen. Laut Pseudonymen wurde er überwiegend von Männern besucht. Weibliche Blogger gab es nur wenige, und bei einigen war sie nicht einmal sicher, ob sie nicht nur eine weibliche Identität vortäuschten. Warum besuchen Männer ein Frauenmagazin?
»Sexpupppen bekommen jetzt KI«, hieß der Artikel, der dem Blog voranstand.
Frage eines Bloggers: 'Wozu braucht eine Sexpuppe Intelligenz, meine Frau hat doch auch keine?'
Oder: 'Langsam wird es eng für euch Mädels, die Sexpuppen bekommen jetzt etwas, das euch fehlt. Intelligenz.‘ Und: `Achtung, nicht zu intelligent machen, nur dumm ist gut.'
Ätzend. Auf der anderen Seite regten sich Frauen darüber auf, dass sie zum Sexobjekt degradiert würden. Das sollte auch der Tenor ihres Artikels werden, aber sie wollte das Phänomen noch ein bisschen besser recherchieren. Was trieb Männer dazu, Sex mit einem Roboter dem mit einer Frau vorzuziehen?
Das Internet war voll von Überlegungen. Gehemmte Männer könnten so ihre Bedürfnisse befriedigen, Neurotiker, die zu keiner Beziehung fähig wären, Alte, die keiner mehr anrühren wollte, die aber noch Lust an Sex verspürten, und, und, und. Doch Cesár, den sie von früher über die Uni kannte, weil sie im selben Institut jobbten, schien in keines dieser Schemata zu passen. Sie fand ihn eigentlich ganz nett und zugänglich. Okay, etwas schüchtern vielleicht. Aber meistens freundlich und gut gelaunt und ein Problem mit Frauen hatte er früher offenbar auch.
Er schien richtig verliebt zu sein in sein neues Spielzeug. Zugegebenermaßen war sie überrascht, wie lebensecht diese Puppe wirkte, die sogar zu Gesprächen fähig war. Natürlich nur, wenn man sich nicht allzu tiefgründig mit ihr unterhalten wollte. Da traf der reißerische Aufmacher einer bekannten Sensationszeitung schon eher zu: »Sexpuppen ersetzen in Zukunft die Ehefrau. Wenn Dolls zu Partnerinnen werden.« Konnte man mit einer Sexpuppe wirklich eine Partnerschaft eingehen? Wie armselig war das denn?
Seufzend blickte sie auf den Schirm zurück, wo wieder einige Kommentare eingegangen waren. Einer schrieb sehr viel. »Luckystripper«. Er gefiel sich darin, Bilder seiner Sexpuppe zu schicken, auf denen auch sein Körperselfie ohne Kopf zu sehen war. Sein »Fetisch« sei es, sich vor der Puppe zu entblößen. Den musste sie blocken, denn Pornografisches war im Forum untersagt. Er schrieb aber immer wieder, fast täglich. So setzte sie ihn auf die Blacklist. Dennoch konnte sie nicht umhin, die Mails zu sichten. Irgendwie fand sie den Typ harmlos, denn er schrieb einigermaßen sortiert, wenn auch nur über das eine Thema. So eine Art Online-Exhibitionismus. Vielleicht konnte er einen Interviewpartner abgeben, und sein Body sah sogar recht ansehnlich aus. Sie beschloss, seine Kommentare in einem extra Ordner zu sammeln, für später, wenn das hier vorbei wäre.
Eine halbe Stunde noch, dann schnell zum Kindergarten, Marvin abholen, was zu essen besorgen, Blumen für den Geburtstag ihrer Mutter kaufen, wo sie Marvin abgeben wollte, und danach ins Institut, um dort in der Presseabteilung drei Stunden abzusitzen.
Ihr zweiter Job. Seit sie sich vor jetzt mehr als einem halben Jahr von Lucas getrennt hatte und was dazuverdienen musste, waren ihre Tage ausgefüllt mit 'muss' und Eile. Oliver, ihr achtjähriger, älterer Sohn, war zu ihrem Ex gezogen. Die zwei waren unzertrennlich. Kein Wunder Lucas konnte sich als Homeworker die Zeit einteilen, wie er wollte. Sie seufzte. War es wirklich so unerträglich mit Lucas gewesen und ihre Trennung unumgänglich? Nun war es nicht rückgängig zu machen. Lucas hatte sich inzwischen wieder gebunden. Eine Arbeitskollegin aus dem Konstruktionsbüro, in dem er arbeitete, hatte ihn gleich in Beschlag genommen. Bei ihr selbst war noch nichts wieder in Sicht. Sie hatte schlicht keine Zeit dazu, und in der Redaktion arbeiteten überhaupt keine Männer.
Es gab jetzt auch männliche Sexpuppen mit austauschbarem Penis, dachte sie sarkastisch. Ne, so was käm für sie nicht in Frage, auch wenn ihre 'Feuchtgebiete' inzwischen ziemlich vertrocknet waren. Sie hatte überhaupt keinen Antrieb zum Sex. Es gab nur so die Erinnerung, da war noch was. Und überhaupt, Sex war ihr in einer Partnerschaft irgendwie nicht so wichtig. Eher Zärtlichkeit und miteinander reden können. Ging mit Lucas auch anfangs gut. Lucas ist sehr offen. Ein richtiger Frauentyp. Warum war es eigentlich auseinandergegangen? Nach Marvin hatte sie irgendwie keinen Bock mehr auf ihn. Er war ihr körperlich unangenehm geworden. Sie sammelte kleine Gewohnheiten, die sie an ihm störten, um sie zu einem Paket von Antipathie zu schnüren, das groß genug war, ihre Unzufriedenheit mit ihrer Beziehung zu rechtfertigen. Je mehr sie ihn auf Distanz hielt, umso weiter zog er sich von ihr zurück.
Marvin war ein anfälliges und kränkliches Kind. Er litt an Asthma und einem Hautausschlag, den die Ärzte als Neurodermitis einstuften. Der legte sich aber zum Glück mit dem zweiten Lebensjahr ganz von selbst. Das Asthma leider nicht. Da war es klar, dass sie sich vor allem um Marvin kümmerte. »Komm ich in unserer Ehe eigentlich auch noch vor?«, hatte Lucas sich oft beschwert.
Silke seufzte. Sie hatten sich beide nicht mehr viel zu sagen gehabt. Sie fühlte sich zunehmend eingeengt, und er stürzte sich in seine Arbeit. Zum Bruch kam es nach einem Gespräch mit Kolleginnen in der Redaktion. Die waren alle entweder geschieden, lesbisch oder solo. Da standen Männer generell nicht hoch im Kurs. Es ging um Selbstverwirklichung. Ha, Selbstverwirklichung. Sah so ihre Selbstverwirklichung aus?
'Luckystripper: Hier noch ein Foto mit meiner neuesten Doll. Ich habe sie Anna genannt nach meiner Mutter. Sie ist meine fünfte Frau im Haus, und ich bin mit allen glücklich. Das hier bin ich mit Anna. Sie kann jetzt sogar sprechen und mir antworten. Hätte nicht geglaubt, dass mir das so guttut, ihr mein Herz auszuschütten. Anna liebt es, wenn sie mich nackt sieht und ich mich vor ihr befriedige, während ich mit ihr rede.' (Anhang: Ein Torso mit Waschbrettbauch und eine unbekleidete Sexpuppe mit Rubensfigur. Und überdimensionalen Brüsten.)
Silke stieß einen spitzen Lacher aus und kickte den Kommentar in ihren neuen Ordner. Aber tolle Figur, dieser Luckystripper. Wie alt mochte er sein? Zwischen dreißig und vierzig? Geld musste er genug haben, diese Sexdolls sind nicht gerade ein Schnäppchen. Sie schaute auf die Uhr, loggte sich aus und wollte schon zur Tür hinaus, als sie es sich noch einmal anders überlegte. Sie fuhr die Seite wieder hoch, klickte den letzten Kommentar von Luckystripper an und tippte:
»Leider muss ich Ihren Kommentar sperren, weil er gegen unsere Blogregeln verstößt. Pornografisches Material ist unerwünscht. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wenn sie entsperrt werden möchten.« Sie zögerte, dann tippte sie: »Liebe Grüße, Silke. Admin.«
Bevor sie auf Enter drückte, überlegte sie noch kurz, ob sie nicht dabei war, eine riesige Dummheit zu machen. Doch wenn sie ihren Artikel weiter recherchieren wollte, dann musste sie schon was riskieren. Nachdem sie den Kommentar ins Netz entlassen hatte, dachte sie noch kurz: Wieso habe ich eigentlich meinen richtigen Namen geschrieben? Na ja, egal. Dann verließ sie entschlossen die Redaktion.
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