Kitabı oku: «Verführung der Unschuld 2», sayfa 4
»Dir, Dominus«, wimmerte sie.
»Gut. Stell niemals meine Befehle in Frage. Und jetzt tu, was ich dir aufgetragen habe!« Grinsend ließ er sie los. »Ich will, dass deine Schönheit in Szene gesetzt wird.«
»Ja, Dominus!«
»Zu deiner Beruhigung: jeder, der für mich arbeitet, hat eine Schweigeklausel unterschrieben und muss nicht nur eine hohe Strafe zahlen, wenn er diese bricht, sondern wird mit dem Ruf der Unzuverlässigkeit und Veruntreuung belastet sein.«
Und im näheren Umkreis keinen neuen Job finden, vermutete Mariella in Gedanken. Hatte er also nicht nur sie in der Hand, sondern auch jeden einzelnen seines Personals? Eigentlich sollte sie nun beruhigt sein. Eigenartigerweise empfand sie dies jedoch nicht.
Brisante Begegnungen
Schon seit dem Morgen quälte Giulia ein unerwartetes Unwohlsein. Dreimal war sie auf die Toilette gerannt und hatte sich übergeben müssen. Kein Wunder, rückte doch der Zeitpunkt einer Begegnung mit Federico unaufhaltsam näher. Ihre Hand schaukelte den Kinderwagen auf und ab, während sie die letzten Meter vom Parkplatz bis zum Haus schritten, bis Lorenzo, der neben ihr ging, plötzlich seine Hand auf die Stange legte.
»Hey, unserer Tochter wird schlecht und sie wird gleich auch das Kotzen anfangen, wenn du so weiter machst!« Er hauchte ihr einen Kuss aufs Haar, ehe er weitersprach und streichelte ihr mit der anderen Hand sanft über den Rücken. »Beruhige dich. Es gibt keinen Grund nervös zu sein! Wir machen nur einen Anstandsbesuch. Nicht mehr, und nicht weniger. Und du hast nichts zu befürchten, ich bin ja bei dir.«
Sie rang sich ein Lächeln ab, als sie zu ihm aufsah. »Ich weiß. Du bist immer in meiner Nähe.« Trotzdem hatte sie Angst vor diesem Wiedersehen. Ihr Blick schweifte über die Fassade mit den vielen Fenstern, in denen sich das reine Blau des strahlenden Himmels und das frische Grün des Parks spiegelten. Alles wirkte gepflegt wie immer, sogar der gekieste Weg, der zum Haus führte, war akribisch geharkt.
»Buon giorno Signora Giulia, willkommen Signor Lorenzo«, begrüßte sie Giovanni, der Butler, der sie bereits in der offen stehenden Eingangstür erwartete. Damit die Brüder stets wussten, wer von ihnen angesprochen wurde, hatten sie einst angeordnet, nicht beide mit Signor Moreno, sondern mit ihren Vornamen angesprochen zu werden, was Giovanni nun automatisch auf Giulia übertrug.
Während ihrer kurzen Zeit als Hausmädchen und Geliebte der Hausherren hatte sie kaum Kontakt zu Giovanni gehabt. In den wenigen Momenten der Zusammenarbeit war er ihr aufgrund seiner meist ausdruckslosen Miene steif und gefühllos erschienen, was auch seine gediegene Arbeitskleidung unterstrich. Heute war es ein anthrazitfarbener Anzug, darunter eine Weste mit dezentem Nadelstreifenmuster und ein weißes Hemd mit hohem Stehkragen, der ziemlich unbequem wirkte.
»Wie heißt denn Ihr Töchterchen, wenn ich fragen darf, Signora Giulia?«
Von ihm höflich als Signora angesprochen zu werden, war ein wenig befremdlich. Doch jetzt änderte sich sein Gesichtsausdruck. Sein offenes, freundliches Lächeln und der unverhohlen neugierige Blick in den Kinderwagen erwärmten Giulias verängstigtes Herz.
»Maria. Unsere Kleine heißt Maria«, erwiderte sie stolz.
Giovanni sah Giulia an. »Maria wird bestimmt einmal so hübsch wie ihre Frau Mama.«
Innerhalb einer Sekunde spürte Giulia, wie ihre Wangen glühten. War diese Bemerkung wirklich als Kompliment zu verstehen oder war dies nur eine Schmeichelei, mit der Giovanni irgendetwas andeuten wollte? Sie war nicht gut darin, aus doppeldeutigen Bemerkungen den wahren Hintergrund herauszuhören. Aber da lachte Lorenzo leise und sie befand, sie sollte diesen Worten nicht zu viel Bedeutung beimessen.
»Wir werden sehen … Vorerst muss sie wachsen, sprechen lernen und laufen. Alles andere hat Zeit. Und? Wie geht es Ihnen, Giovanni?«
»Danke der Nachfrage«, erwiderte der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung. »Sehr gut. Ich freue mich, dass wieder Leben in dieses Haus einzieht.«
Giulia wusste von ihrem Mann, dass der Butler und seine Frau Antonella sich in den vergangenen Monaten alleinverantwortlich um das Haus gekümmert hatten. Außer ihnen waren alle weiteren Angestellten von Lorenzo entlassen worden, wobei er sich darum gekümmert hatte, für jeden eine neue angemessene Arbeitsstelle zu finden. Giulia rechnete ihm dies hoch an. Am liebsten hätte sie selbst Mamsell Concetta oder eines der Hausmädchen übernommen, aber Lorenzo hatte dies für keine gute Idee gehalten. Alle kannten Giulia noch als Dienstmädchen, und sie war ihnen gleichgestellt oder untergeordnet gewesen, so dass es schwierig sein würde, Giulia nun als Hausherrin anzuerkennen.
»Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit, Giovanni«, erwiderte Giulia.
»Genug Austausch von Höflichkeiten, lass uns hineingehen und meinen Bruder begrüßen«, drängelte Lorenzo ungeduldig.
Der Butler trat einen Schritt zurück, um die beiden vorbeizulassen. »Die Herrschaften erwarten Sie auf der Veranda, Signor Lorenzo.«
»Danke Giovanni.«
Es fühlte sich eigenartig an, das Haus zu betreten, in das sie ursprünglich gekommen war, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die in hellem Ocker gestrichenen Wände, die großen Bilderrahmen, die echte Kunstwerke präsentierten und das teils antike Mobiliar, welches durch die offen stehenden Türen zu sehen war. Alles Dinge, die Lorenzo aus Gründen, die nur er kannte, nicht mitgenommen hatte.
Wie ungeschickt und naiv war sie damals gewesen! Giulia schüttelte im Nachhinein den Kopf über sich selbst. Durch einen dummen Fehler hatte sie ihre Lehrstelle als Floristin in Florenz, ihrer Geburtsstadt, verloren. Nur deshalb hatten ihre Eltern sie nach Lucca zu Onkel Bruno geschickt, damit sie vorerst in seinem Cateringservice arbeiten und bei seiner Familie wohnen sollte. Ihrer Tante jedoch war es lästig gewesen, das Mädchen bei sich aufzunehmen, so dass der Onkel, von seiner Frau unter Druck gesetzt, für Giulia eine andere Anstellung finden musste. So war sie schließlich im Haushalt der Morenos gelandet. Eigentlich war dies eine glückliche Fügung gewesen, hatte sie letztlich doch hier ihren geliebten Ehemann kennengelernt. Und nun waren sogar ihre Eltern und Onkel Bruno zufrieden. Eine bessere Partie hätte sie wohl kaum machen können.
Auch im großen Wohnzimmer, das sie auf dem Weg zur Veranda durchqueren mussten, hatte sich auf den ersten Blick nichts verändert. Frische Blumen standen auf dem eleganten Sideboard und erfüllten den Raum mit einem angenehmen Duft.
Obwohl die Arbeit anstrengend war, hatte Giulia sich hier wohl gefühlt, weil Mamsell Concetta, die dem Haushalt vorangestanden hatte, Giulia lobte und ihr verantwortungsvolle Aufgaben zuteilte. Wenn sie daran zurückdachte, wie sie der Verführung der Brüder und ihren speziellen sexuellen Wünschen erlegen war, befiel sie noch heute ein erregendes Kribbeln. Besonders gerne erinnerte Giulia sich an die Reise, die sie zu dritt nach Rom und nach Pompeji unternommen hatten. Es war zu einem Erlebnis der besonderen Art geworden, das sie nie vergessen würde.
Diesem Hoch ihres Glücks war ein jäher Abstieg gefolgt. Als sie schwanger geworden war und überstürzt und völlig kopflos davonlaufen wollte, war sie von Antonella aufgehalten und zur Patrona gebracht worden. Nur dank deren Einsatz hatte alles noch ein gutes Ende genommen.
Giulia schaute ihrem Mann ins Gesicht. Ihr Herz pochte ein wenig schneller. Sie liebte ihn so sehr. Im Augenblick wirkte er ein wenig angespannt, was nicht überraschend war. Seit sie geheiratet hatten, hatte er nie mehr über seinen Bruder gesprochen. Es war ihm bestimmt nicht leicht gefallen, sein bisheriges Leben völlig umzukrempeln. Aber nicht ein einziges Mal hatte er ihr das Gefühl gegeben, sie wäre daran schuld, und dafür war sie ihm sehr dankbar. Von ihrer Schwiegermutter hatte Giulia erfahren, dass die Zwillinge von Geburt an alles gemeinsam gemacht hatten, einschließlich der Gründung ihrer erfolgreichen Immobilienfirma, die Lorenzo seit dem Weggehen seines Bruders alleine führte.
»Mein Bruder! Wie ich mich freue, dich wiederzusehen.« Mit ausgebreiteten Armen ging Federico auf seinen Zwilling zu, als Lorenzo und Giulia auf die Terrasse hinaustraten.
Die über dem knackigen Po enganliegende helle Sommerhose und das weiße Poloshirt einer Nobelmarke unterstrichen seine sportive Statur. Offensichtlich hatte er sich in letzter Zeit viel in der Sonne aufgehalten, so braungebrannt wie er war. Hatte ihr Mann nicht irgendetwas erwähnt, dass Federico einen Segeltörn auf dem Mittelmeer gemacht hatte?
Mit einem flüchtigen Rundumblick stellte Giulia fest, dass ihre Schwiegereltern bereits anwesend waren und es sich auf einem mit Polstern ausgestatteten Rattansofa unter einem riesigen Sonnenschirm gemütlich gemacht hatten. Sie nickte ihnen erleichtert zu. Wenn ihre Schwiegereltern dabei waren, konnte es nicht so schlimm werden. Bei ihnen saß eine blonde Frau, einige Jahre älter als Giulia, auf der Kante eines Gartenstuhls, und beobachtete alles sehr aufmerksam. War das etwa ihre neue Schwägerin?
Wow. Das war eine – Dame, so elegant gekleidet, die Haare zu einer tollen Frisur hochgesteckt. War sie etwa genauso unnahbar wie Federico?
Dieser küsste nun seinen Bruder links und rechts auf die Wangen und umarmte ihn. »Deine neue Rolle als Ehemann und Vater scheint dir gut zu bekommen. Du siehst prächtig aus.«
Nicht so sehr wie du, schoss es Giulia durch den Kopf. Die letzten Wochen waren besonders arbeitsintensiv und anstrengend gewesen und auch zuhause war Lorenzo kaum zur Ruhe gekommen. Die Kleine hatte eine Zeit lang nachts gequengelt und Lorenzo, als fürsorglicher Vater, hatte sich mit Giulia dabei abgewechselt, aufzustehen und nach ihr zu sehen. Leichte Schatten lagen unter seinen Augen. Wir sollten auch mal ein paar Tage Urlaub machen, einfach irgendwohin fahren, Tapetenwechsel.
Mit einem überaus freundlichen Lächeln wandte Federico sich nun Giulia zu und neigte sich zu ihr herab, um sie ebenfalls auf die Wangen zu küssen. Instinktiv versteifte sie sich unter seiner Berührung.
»Meine liebe Giulia, Schwägerin, du bist ja noch hübscher geworden. Deine Mutterrolle steht dir gut. Ich möchte auch dir meinen herzlichen Glückwunsch zu eurem Töchterchen ausdrücken.«
Giulia versuchte ihre feuchten Hände unauffällig an ihrem Rock abzuwischen. Sie fühlte sich von Federicos überschwänglicher Herzlichkeit merkwürdig berührt. Das war doch alles nur Show? Oder sollte er etwa sein früheres Verhalten ihr gegenüber bereuen? Falls ja, wäre wohl eine Entschuldigung angebracht.
Auf den ersten Blick wirkte Federico nicht nur gut gelaunt, sondern überhaupt sehr entspannt und ohne Zweifel sah er ausgezeichnet aus. Braungebrannt und erholt. Das Poloshirt spannte über seinem Brustkorb und seine kleinen Nippel zeichneten sich hart durch den Stoff ab. Giulia schluckte. Noch nie, seit sie die Zwillinge kannte, waren sie sich äußerlich unähnlicher gewesen. Für ein Sonnenbad fehlte ihrem Mann die Zeit, und würde er nicht abends und am Wochenende das eine oder andere kleine Training in ihrem hauseigenen Fitnessraum absolvieren, stünde es um seine Muskulatur bestimmt nicht zum Besten.
Nicht täuschen lassen. Federico ist ein Wolf im Schafspelz, ermahnte sie eine innere Stimme.
Interessiert beugte sich dieser nun über den Kinderwagen. »Oh, was für ein süßes Ding, schau nur Mariella, die süßen Kulleraugen. Ach«, Federico richtete sich auf und machte eine entschuldigende Geste, »Was bin ich doch für ein ungehobelter Gastgeber. Ihr kennt euch ja noch gar nicht.«
Das sollten sie ihm abkaufen? Gedankenlosigkeit? Und aus seinem Mund eine Entschuldigung? Giulia glaubte ihm kein Wort. Federico war ein Stratege von Kopf bis Fuß. Er überließ nichts dem Zufall. Was hatte dies zu bedeuten? War es eine Herabwürdigung seiner Frau, was Giulia ihm durchaus zutrauen würde, oder wollte er im Gegenteil ihren Auftritt besonders dramatisch inszenieren?
Die elegant gekleidete Frau stand auf, trat neben ihn und er stellte alle einander vor. »Mariella – Lorenzo – Giulia. Unsere Familie.«
Giulias Neugierde wuchs. Was für ein Mensch mochte die Frau sein, die Federico geheiratet hatte? Ihr Blick war warm, ihr Lächeln wirkte natürlich. Trotzdem, sie würde auf der Hut sein. Vielleicht hatte er ihr von Giulias unsittlichem Liebesverhältnis mit beiden Brüdern erzählt, und dass sie eigentlich nur ein Dienstmädchen gewesen war, als sie in dieses Haus kam. Hoffentlich schoss ihr bei diesem Gedanken nicht die Röte in die Wangen.
Giulia musterte Mariella genauer, während sie einander die Hand schüttelten. Ohne Zweifel war ihre Schwägerin eine nordische Schönheit, einen halben Kopf größer als Giulia, mit schlanker Taille und üppigem Busen, und fast stechend hellblauen Augen. Ihr Kleid aus schimmerndem pinken Stoff, um den tiefen Ausschnitt mit einer Applikation aus kleinen weißen Perlen verziert, saß wie maßgeschneidert. Was es vielleicht auch war. Wenn man eines anerkennen musste, dann Federicos exquisiten Geschmack.
Giulia war mit ihrer eigenen äußeren Erscheinung sonst durchaus zufrieden. Sie war zierlich, mit vollen dunklen Locken und einem wohlproportionierten Busen, der durch die Schwangerschaft ein wenig größer geworden war. Ihre Figur war fast wieder dieselbe wie vorher, vielleicht noch ein kleines Bisschen draller. Gegen Mariella jedoch kam sie sich in ihrem geblümten, leichten Sommerkleid wie ein unreifes Mädchen vor. Ihre neue Schwägerin hatte eben ganz und gar die Ausstrahlung einer Frau, einer gut situierten Dame. Ihr Outfit, ihre verhaltenen kontrollierten Bewegungen, das kühle Lächeln, das perfekte MakeUp – alles wirkte ein wenig unnahbar, aber nicht unfreundlich. Vielleicht verbarg sich dahinter aber auch nur die Unsicherheit, da ihr noch die Erfahrung fehlte, wie sehr sie von allen akzeptiert werden würde. Giulia jedenfalls hatte vor, ihr Bestes zu geben. Schließlich war es ja nicht Mariellas Schuld, was vor Monaten geschehen war, und nur weil sie mit einem Scheusal verheiratet war, musste sie nicht genauso sein.
Was würde Mariella wohl denken, wenn sie wüsste, was für Spiele die Brüder mit Giulia getrieben hatten? Würde ihre Schwägerin sie verachten? Giulia fühlte eine Hitzewallung, als ihr durch den Kopf schoss, ob Federico seine sexuellen Vorlieben wohl auch mit Mariella auslebte. Man sah es niemandem an, welche Leidenschaften ihn antrieben. Womöglich teilte Mariella diese sogar?
»Sieh nur, Mariella«, lenkte Federico die Aufmerksamkeit seiner Frau auf das schlummernde Kind. »Möchtest du es nicht mal auf den Arm nehmen? Giulia hat bestimmt nichts dagegen.«
»Nein, Federico. Die Kleine schläft, wir sollten sie jetzt nicht stören.«
Eins zu Null für meine neue Schwägerin, dachte Giulia und empfand sofort Sympathie.
»Buon giorno Giulia, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte die Patrona besorgt, die inzwischen aufgestanden war und ihre Schwiegertochter herzlich umarmte.
»Si, es geht mir gut.«
Giulia begrüßte auch ihren Schwiegervater, der freundlich ihre Wangen küsste, aber wie immer zurückhaltender war als seine Frau. In seiner Nähe hatte Giulia stets das Bedürfnis alles richtig zu machen und zu beweisen, dass sie würdig war, Lorenzos Ehefrau zu sein. Denn der Patrone wirkte meist ein wenig distanziert, beobachtete alles ganz genau, und wenn er etwas sagte, klang es wie eine unumstößliche Feststellung. Nur im Umgang mit Maria taute er auf und gab sich ungewöhnlich locker.
Lorenzo hatte Giulia erzählt, dass sein Vater nur selten aus sich herausging und seine Gefühle zeigte, gleichwohl seine Familie liebte. Neben dem geschäftlichen Erfolg seiner Söhne interessierte ihn vor allem die Fortführung der Moreno’schen Dynastie. Maria konnte also den Bonus des ersten, sehnsüchtig erwarteten Enkelkindes für sich verbuchen. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: In den Augen des Patrone war sie »nur« ein Mädchen.
Die große Terrasse hinter dem Haus war großzügig mit Sitzgelegenheiten ausgestattet, darunter auch eine Hollywoodschaukel aus massivem Teakholz, mit dicken Polstern aus naturfarbener Baumwolle, auf der Giulia und Lorenzo nun nach Begrüßung seiner Eltern Platz nahmen. Vasen und Schalen im Empirestil ergänzten das Ganze zu einem überaus noblen Ambiente.
Die anschließende, frisch gemähte Rasenfläche, verdankte ihr frisches Grün einer automatischen Bewässerungsanlage, die in den Morgen- und Abendstunden für einen feinen Sprühnebel sorgte, wie Giulia sich erinnerte.
Der Butler brachte ihnen gekühlte Erfrischungsgetränke und richtete sich dann an den Hausherrn. »Der Kaffeetisch ist gerichtet, Signor Federico.«
»Sehr schön, darf ich euch bitten mitzukommen?« Er reichte seiner jungen Frau den Arm und ging mit ihr voraus.
Die Getränke in der Hand schlenderten sie ein Stück auf die Wiese hinaus, wo unter einem Partyzelt exquisite Leckereien warteten. Es war Giulia ein Rätsel, woher der Strom für den Ventilator bezogen wurde, der die Luft verwirbelte, so dass es unter dem Zelt gut auszuhalten war.
Eigentlich hatte sie erwartet, dass es eine größere Feier zu Federicos Rückkehr und Heirat geben würde, zu der weitere Verwandte wie Tante Ilaria eingeladen würden. Aber Federico hatte wohl ein ganz intimes Treffen der engsten Familienmitglieder geplant.
»Nun erzähl mal, Bruder. Wo hast du dich die ganze Zeit über versteckt?«, versuchte Lorenzo das Gespräch auf das allgemeine Hauptinteresse zu lenken, während Giovanni Latte Macchiato und kleine Kuchen servierte.
»Mal da, mal dort. Unser Land ist wirklich sehr schön und eine Entdeckungsreise wert. Ihr glaubt gar nicht, welche kleinstädtischen Kostbarkeiten ihr fernab der Touristenrouten findet. Und das nicht nur in der Toscana oder Umbrien. Ich hatte ja viel Zeit und habe die entlegensten Orte besucht.«
Federico auf touristischer Rundreise? Giulia runzelte die Stirn. Klar, die Brüder waren mit ihr in Rom und in Pompeij gewesen, interessierten sich für Architektur und Kunst. Und beide sammelten exquisite Figuren und Gemälde, vorwiegend mit erotischem Touch, aber so etwas fand man in der Regel nicht in der Provinz. Und würde jemand, der überstürzt, im Streit und aufgeputscht von Wut abreiste, sich ernsthaft mit schöngeistigen Dingen befassen? Wohl kaum. Sie glaubte ihm kein Wort.
»Zuletzt war ich in Rom«, fuhr Federico fort, »und dort habe ich Mariella getroffen.« Er legte seine Hand auf die seiner Frau, schien sie liebevoll zu drücken und schaute sie mit einem warmen Lächeln an.
»Und weiter? Erzähl, wie und wo habt ihr euch in Rom kennengelernt?« Giulia erschrak über sich selbst. Die Frage war ihr leichtfertig über die Lippen gekommen, dabei wollte sie auf keinen Fall Federicos Aufmerksamkeit auf sich lenken. Zu spät. Er drehte den Kopf zu ihr und seine dunklen Augen wirkten geschärft und durchdringend wie die eines Raubvogels. Sie fröstelte. Sein Lächeln passte nicht dazu. Was sollte sie bloß von ihm halten? Vielleicht bereute er seine Hartherzigkeit ja doch und war in all den Monaten, fern von zuhause, ein besserer Mensch geworden.
»Oh, das erzähl ich gerne. Das war ja sooo romantisch. Oder möchtest du das erzählen, Schatz?«
»Nein, Liebster, das kannst du viel besser.«
Giulia verdrehte es innerlich die Augen. Schatz. Liebster. Schon recht. Wenn sie mit Lorenzo alleine war oder wenn sie miteinander telefonierten, redeten sie sich manchmal auch mit solchen Kosenamen an. Aber in dieser Runde und aus seinem Mund klang das schon ziemlich aufgesetzt.
»Es war in einem kleinen Café, abseits des allgemeinen Rummels. Jeder von uns saß alleine an einem kleinen Tisch, ansonsten war nicht viel los. Mir fiel auf, dass sie in einem Kulturführer blätterte und da bin ich aufgestanden und zu ihr rübergegangen, und habe ihr vorgeschlagen, Rom gemeinsam zu erkunden. Das wäre doch viel unterhaltsamer. Ja, so fing alles an.«
»Bei euch beiden war es also wirklich die sprichwörtliche Liebe auf den ersten Blick?«, hakte die Patrona ungläubig nach.
»Si«, lachte Federico.
»So viel Romantik hätte ich dir gar nicht zugetraut«, murmelte die Patrona mehr an sich selbst gerichtet als an die anderen.
Die Geschichte klang für Giulia wenig glaubwürdig. Andererseits – das nächtliche Erlebnis in Pompeji, als die Gemelli vorgaben, zahlende Kundschaft einer etruskischen Hure zu sein, die sie in einem extra dafür hergerichteten antiken Raum darstellte – das hatte auch romantische Züge gehabt. Mit viel Gefühl und Fantasie hatten die beiden Männer mit Giulia gespielt, so dass sie es bedauerte, als es vorbei war. Hatte Federico sich damals Lorenzos Wünschen angepasst oder steckte ihn ihm doch ein verkannter Romantiker? Vielleicht sollte sie ihm einfach verzeihen, dass er sie zwar als Gespielin, nicht jedoch als Ehefrau oder Schwägerin für gut genug befunden hatte? Nein, wenn er heute anders denkt, dann soll er es sagen und sich bei mir entschuldigen, dachte Giulia in einem Anflug von Zorn.
»… so wunderbar kann das Leben sein, nicht wahr, Giulia?«
Du meine Güte, sie hatte überhaupt Nichts mitbekommen. Wovon hatte Federico gerade gesprochen?
»Ja, möglich«, erwiderte sie zurückhaltend.
Eine falsche Antwort hatte sie offenbar nicht gegeben, denn alle nickten und wirkten sehr entspannt.
»Was hältst du von alledem?«, fragte Giulia, als sie sich auf dem Heimweg befanden.
Die beiden Brüder hatten sich zwischendurch für eine Viertelstunde zurückgezogen und waren mit etwas Abstand zum Zelt hin- und hergelaufen. Giulia hatte währenddessen mit ihren Schwiegereltern und Mariella geplaudert, war jedoch durch das Beobachten der beiden Männer abgelenkt, so dass sie nur die Hälfte ihrer eigenen Unterhaltung mitbekommen hatte.
»Federico hat sich bei mir entschuldigt. Es ist ihm viel daran gelegen, dass wir uns aussöhnen und unser alter Streit uns nicht im Wege steht.«
Giulia hob eine Augenbraue und sah ihren Mann von der Seite an. Hochkonzentriert schaute dieser nach vorne auf den Verkehr. »Und, was du dazu gesagt?«
»Na ja, ich hab mich schon gefreut, dass er die Versöhnung sucht. Und ich hab ihm gesagt, dass wir uns freuen, wenn sie uns bald mal besuchen kämen.«
Giulia schluckte. »Das hat doch bestimmt noch ein wenig Zeit, Lorenzo. Sollen die beiden sich doch erstmal einleben, meinst du nicht?«
»Aber natürlich, Liebes. Ich wollte ihm ja auch nur klar machen, dass er jederzeit bei uns willkommen ist.«
Bei dir vielleicht, weil du ein gutes, weiches Herz hast. Bei mir nicht. Von mir aus hätte er dorthin ziehen und bleiben können, wo der Pfeffer wächst.
Im Augenblick hoffte sie, dass Lorenzo mehr Gas gab und sie bald zuhause wären. Bevor ihre plötzlich aufsteigende Übelkeit sich in den Wagen entlud …