Kitabı oku: «Sprachenlernen im Tandem», sayfa 2
1.1.1.1 Gesteuerter Zweitspracherwerb in Interaktionen
Gesteuerter Zweitspracherwerb bezeichnet das Lernen einer Sprache, das unter der Anleitung von Lehrpersonen in Sprachkursen oder Institutionen wie Schule, Hochschule oder Universität durchgeführt wird. Er ist in der Regel ein bewusstes und systematisches Lernen.
Die Zweitspracherwerbsforschung versteht es unter gesteuertem Spracherwerb hauptsächlich Unterrichtsinteraktionen. Zweitsprachunterrichtliche Interaktionen sind etwas Besonderes, weil die Fremdsprache gleichzeitig Unterrichtsmedium und Unterrichtsgegenstand ist (House 2000: 111). Im Zweitsprachunterricht steht vor allem die Vermittlung der sprachlichen Form im Mittelpunkt. Gleichwohl werden aber die pragmatisch-kulturellen Angemessenheiten der zielsprachlichen Äußerungen thematisiert. Unterrichtsinteraktionen in einer ganzen Klasse oder einer Gruppe bieten Gelegenheiten für unterschiedliche Lehr- und Lernziele wie Input und Output der Zielsprache, Feedback oder Beteiligungen der Lerner an der zielsprachlichen Kommunikation. Auf dem Gebiet von Unterrichtsinteraktionen richtet sich der Blick der sprachwissenschaftlichen Forschungen sowohl auf Lehrer-Lerner-Interaktionen als auch auf Lerner-Lerner-Interaktionen.
1.1.1.1.1 Lehrer-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht
Die Untersuchung der Sprache von Lehrpersonen in Unterrichtsinteraktionen ist seit Ende der 1980er Jahre zu einem zentralen Forschungsgegenstand des Bereichs des L2 classroom research geworden (Kostrzewa 2009: 29). Krashen (1985) bezeichnet den Begriff als „teacher talk“, der spezifisch von Seiten der Lerner ausgeht.
Sprachwissenschaftliche Forscher belegen durch empirische Untersuchungen, dass das Kommunikationsverhalten von Lehrpersonen erstens ein durch „Hyperaktivität“ (Klippert 2000: 11) geprägtes Verhalten ist und die sprachliche Beteiligung der Lerner dadurch reduziert wird (Becker-Mrotzek/Vogt 2001: 86). Zweitens sind nach Hatch (1978) die Fragen der Lehrpersonen in Unterrichtsinteraktionen wenig authentisch. Sie dienen lediglich dazu, die Grammatik der Zielsprache zu vermitteln und/oder zu üben. Dies behindert die angestrebte Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten in der Zielsprache auf Seiten der Lerner. Angesichts dieser Probleme schlagen Chaudron (1988) und Klein (1987) vor, verständlichen, wohl strukturierten Input, verbunden mit einer redundanten Verwendung von Wortmaterial und Strukturen, als Sprache von Lehrpersonen in Unterrichtsinteraktionen einzusetzen.
Linguistische Forschungen durch mikroanalytische Verfahren wie Konversationsanalysen oder Interaktionsanalysen finden ferner heraus, dass das verbale Verhalten von Lehrpersonen in Zweitsprachenunterricht Wirkungen auf die Beteiligung der Lerner an der zielsprachlichen Interaktion im Unterricht sowie auf den Spracherwerb ausübt. Anhand der Daten von acht Lehrpersonen im Fremdsprachenunterricht weist Walsch (2002) darauf hin, dass die Beteiligung der Lerner an den zielsprachlichen Interaktionen erhöht wird, wenn die Lehrpersonen ihre dominierenden verbalen Verhaltensweisen reduzieren. Als Beispiele nennt er direkte Korrektur, adäquate Verwendungen der authentischen Äußerungen, ausreichende Wartezeit für Reaktion, Reformulierung der Äußerungen der Lerner und Angebot des Feedbacks (Walsch 2002). Antón (1999) zeigt Diskursstrategien, die ein französicher Dozent in einer Hochschule benutzt, um den Lernern beim Durchführen einer Grammatikaufgabe zu helfen. Zu seinen Strategien gehören: durch Fragen den Lernern auf grammatische Formen aufmerksam machen, die Lerner zur Reflexion über Schwierigkeiten sowie zur Suche nach Lösungen motivieren, Feedback sowie Korrektur anbieten, durch verbale und non-verbale Verhalten die Lerner zur Selbstkorrektur ermutigen und beim Wechsel des Sprechers (turn-taking) flexibel sein.
Während spracherwerbfördernde Potenziale von Lehrer-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht in empirischen Untersuchungen aufgezeigt werden, lenkt Hall (1998) den Blick auf negative Effekte vieler Interaktionen zwischen dem Lehrer und den Lernern. Seine empirische Studie verdeutlicht, dass die Lehrperson den Lernern keine gleichberechtigten Gelegenheiten für ihre Beteiligung an der zielsprachlichen Interaktion bietet. In seinen Daten wird einer der Lerner bevorzugt, während die anderen oft nicht berücksichtigt werden. Das gleiche Problem zeigt auch Mori (2004) in seiner Forschung auf.
Forschungen über Lehrer-Lerner-Interaktionen sind ferner von dem Konzept „Scaffolding“ geprägt. Unter „Scaffolding“ ist die Unterstützung durch Lehrpersonen zu verstehen. Bruner (1987) ist der erste, der dieses Konzept in seiner Studie zum Spracherwerb von Kindern entwickelt hat. Damit wird die Rolle von Interaktionsprozessen für den Spracherwerb verdeutlicht. Nach Bruner (1987) bietet der Erwachsene dem Kind innerhalb einer Interaktion sprachlich eingebettete Handlungsmodelle an, in denen der sprachliche Zuwachs des Kindes stattfindet. In der Lehrer-Lerner-Interaktion liegt die Aufgabe der Lehrperson, die zielsprachlich kompetent ist, darin, Hilfe anzubieten und ein sprachliches Gerüst für die Lerner aufzubauen, um den Spracherwerb zu fördern.
1.1.1.1.2 Lerner-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht
Fremdsprachenunterricht wird nicht nur von Lehrer-Lerner-Interaktionen geprägt, sondern auch von den Lernern untereinander. Eine wichtige Methode, mit der die Beteiligungsmöglichkeiten der Lerner an der unterrichtlichen Interaktion erhöht werden können, ist daher eine Lerner-Lerner-Interaktion. Forschungen darüber zeigen unterschiedliche Ergebnisse in Bezug auf den Spracherwerb.
Tognini (2008) zeigt in seiner Studie, dass im schulischen Fremdsprachenunterricht Lerner-Lerner-Interaktionen wie Musterdialoge und Rollenspiele üblich sind. Solche Interaktionen gelten als eine Form von Übungen. Die zielsprachlichen Kenntnisse werden in Form von Chunks auswendig gelernt und dadurch internalisiert (Myles et al. 1998).
Neben Verwendungen zielsprachlicher Formen sind in aufgabenbezogenen Lerner-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht Bedeutungsaushandlungen (negotiation of meaning) zu finden, die durch klärende Nachfragen, Reformulierungen oder Bestätigungen durchgeführt werden (Gass et al. 2005). Foster und Ohta (2005) bezweifeln in ihrer qualitativen Analyse jedoch die Wirkung von Bedeutungsaushandlungen in Lerner-Lerner-Interaktionen auf den Spracherwerb. Nach ihrer Studie gibt es zwar in aufgabenbezogenen Lerner-Lerner-Interaktionen eine Menge von Aushandlungen. Sie dienen aber in erster Linie nicht dazu, einen verständlichen Input zu gestalten und damit Informationen auszutauschen, sondern eher dazu, ein Gespräch aufzubauen und fortzusetzen.
Während die Wirkung von Bedeutungsaushandlungen in Lerner-Lerner-Interaktionen in Frage gestellt wird, werden die sich daraus ergebenden Feedbacks von manchen Forschern betont. Adam (2007) diskutiert z.B. in ihrer Studie, ob Feedbacks den Zweitspracherwerb fördern. In ihrer quantitativen Untersuchung hat sie herausgefunden, dass Feedbacks in Lerner-Lerner-Interaktionen und in Lehrer-Lerner-Interaktionen den Zweitspracherwerb gleichermaßen vorantreiben.
Einerseits hebt Adam (2007) die Potenziale von Lerner-Lerner-Interaktion für den Zweitspracherwerb hervor. Andererseits bringen einige Forscher aber neue Herausforderungen ans Licht. Zhao und Bitcheners (2007) Forschung verdeutlicht Herausforderungen in Lerner-Lerner-Interaktion im Vergleich zu Lehrer-Lerner-Interaktion. In Lerner-Lerner-Interaktion gibt es Möglichkeiten wie Aufnahme unkorrekter oder fehlender Feedbacks. Außer von sprachlichen Faktoren hängt die spracherwerbfördernde Wirkung von Lerner-Lerner-Interaktionen auch von anderen Faktoren (wie dem Sprachniveau oder dem Alter der Lerner) ab. McDonough’s (2004) Untersuchung über Gruppeninteraktionen in einem Fremdsprachenunterricht, in dem Englisch als Fremdsprache unterrichtet wird, zeigt, dass nur die Lerner, die sich häufig mit Feedbacks beschäftigen und ihren Output modifizieren, von den Gruppeninteraktionen zwischen Lernern profitieren.
1.1.1.1.3 Gesprochene Sprache im DaF-Unterricht
Die Praxis des Fremdsprachen- und DaF-Unterrichts erweist sich seit langem als schriftlich orientiert. Mit der kommunikativen Wende in der Fremdsprachenforschung und -didaktik richtet sich der Schwerpunkt auf die Vermittlung der alltagssprachlichen Kompetenzen bzw. der Mündlichkeit. Denn gesprochene Sprache ist ein „unverzichtbarer Bestandteil der Kompetenz in der Fremdsprache“ (Fiehler 2012: 25). Hinsichtlich der mündlichen, situationsbezogenen Kompetenzen weist Günthner (2011) darauf hin, dass
in der spätmodernen Gesellschaft gerade die Fähigkeit, sich auf diverse kommunikative Situationen einzulassen und mit unterschiedlichen Menschen in vielfältigen kommunikativen Zusammenhängen und Gattungen auf unterschiedliche Weise interagieren zu können, eine wesentliche Voraussetzung bildet, um persönlich und sozial erfolgreich zu sein. (Günthner 2011: 28)
Zur Didaktik der gesprochenen Sprache im Fremdsprachenunterricht entstanden in den letzten Jahren im wissenschaftlichen Bereich verschiedene Debatten. Während Götze (2003) und Helbig/Buscha (2001) beispielsweise die Meinung vertreten, dass es im DaF-Unterricht um die Vermittlung der Standardsprache auch in der geschriebenen Form geht, plädieren Günthner (2000a, 2011), Thurmair (2002), Kilian (2005), Moraldo/Missaglia (2013) dafür, dass der Erwerb der gesprochenen Sprache durch Unterricht erfolgen sollte. Denn, so Moraldo/Missaglia (2013):
Ein natürliches Sprachbewusstsein lässt sich nur entwickeln, wenn im Grammatikunterricht die Rezeption und Produktion von geschriebener und gesprochener Sprache vermittelt und damit die Grundlage für die Wahrnehmung sprachlicher Auffälligkeiten überhaupt erst geschaffen wird. (Moraldo/Missaglia 2013: 10).
Die Frage, die im didaktischen Kontext der gesprochenen Sprache erörtert wird, lautet dann: Was und wie soll gelehrt werden? Fiehler (2012: 25) benennt z.B. Rezeptionspartikeln (wie hm, ja), spezifisch mündliche syntaktische Konstruktionen, Verschleifungen und Signale des Sprecherwechsels als Elemente der Mündlichkeit, die im Fremdsprachenunterricht systematisch unterrichtet werden können. Günthner/Wegner/Weidner (2013) gehen von einer Vernetzung der Gesprochene-Sprache-Forschung mit der Fremdsprachenvermittlung aus. In der Forschung der gesprochenen Sprache entstehen in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Ergebnisse zu unterschiedlichen Phänomenen, wie Formen und Funktionen der Vor-Vorfeldbesetzung (Auer 1997), syntaktische Anordnungen im Nachfeld (Köpcke/Noack 2008), wobei (Günthner 2000b, 2002), weil (Gaumann 1983, Wegener 1999), dass (Freywald 2008), obwohl (Günthner 1999, 2002, Moraldo 2012), Phrasemen (Simon 2012). Nach Günthner/Wegner/Weidner (2013) können die Gesprochene-Sprache-Forschung und die Fremdsprachenvermittlung durch Vernetzung voneinander profitieren. Einerseits könnten die Erkenntnisse der Gesprochene-Sprache-Forschung systematisch im DaF-Unterricht zur Verfügung gestellt werden. Demgegenüber könnte die Fremdsprachenvermittlung auf die wenig erforschten Elemente der Mündlichkeit hindeuten, die in der alltäglichen Praxis der Fremdsprache auffallen.
Konkret widmen sich gegenwärtig mehrere wissenschaftliche Untersuchungen der Didaktisierung der gesprochenen Sprache. Bachmann-Stein (2013) befasst sich z.B. mit Lehrwerkdialogen im DaF-Unterricht. Ihres Erachtens haben Dialoge im Lehrwerk „einen besonderen Stellenwert“ (Bachmann-Stein 2013: 40), weil sie für die Lerner als eine Simulation der realen Kommunikation außerhalb des Fremdsprachenunterrichts gelten. Mit solchen authentischen Gesprächen kann die Kompetenz der mündlichen Kommunikation der Lerner gefördert werden. Eine weitere methodisch-didaktische Anregung ist außerdem bei Reeg (2012) zu finden. Die Autorin setzt sich mit dem Nutzen zeitgenössischer Theatertexte im DaF-Unterricht auseinander. Ihr Anliegen ist, die Analyse gesprochensprachlicher Phänomene in den Theatertexten mit einer dramapädagogischen Bearbeitung zu verbinden. Damit bekommen die Lerner nicht nur wertvolle Einsichten der relevanten Merkmale der gesprochenen Sprache, sondern auch Erfahrungen bezüglich der mündlichen Äußerungen in spielerischer Form. Darüber hinaus stellt Patermann (2012) ein Lernkonzept in Form von Talkshows vor, um mündliche Kommunikationskompetenz und soziale Fähigkeiten der Lerner zu fördern. Nach Patermann (2012) lässt sich das für muttersprachliche Lernende konzipierte Modell zur Förderung der fachübergreifenden Gesprächsfähigkeit in den DaF-Unterricht integrieren. Konkret geht es um „Schulstunde als Talkshow“ der Internetplattform „Planet Schule“. Sie versteht sich als eine Lernplattform, die verschiedene Lehr- und Lernmaterialien für nahezu alle Unterrichtsfächer bietet, damit der jeweilige Unterricht kreativ und interaktiv gestaltet werden kann. Mithilfe von Beispielen führt die Autorin vor, dass man anhand der aktuellen mediengestützten Materialien der Plattform den DaF-Unterricht als eine Talkshow durchführen kann. Dabei übernimmt die Lehrperson die Rolle des Moderators, während die Lerner ihre Pro- und Contra-Argumente formulieren. Die mündliche Sprechfähigkeit der DaF-Lerner wird auf diese Weise lernerzentriert und handlungsorientiert gefördert.
Neben methodisch-didaktischen Anregungen nimmt das Material einen wichtigen Platz bei der Didaktisierung der gesprochenen Sprache im DaF-Unterricht ein. Während Lehrwerkdialoge (Bachmann-Stein 2013), Theatertexte (Reeg 2012) und deutsche schulische Materialien in Internetplattformen (Patermann 2012) als mögliche Lehr- und Lernmaterialien zur Förderung der Mündlichkeit der DaF-Lerner thematisiert werden, entwickelt das DAAD Projekt „Gesprochenes Deutsch für die Auslandsgermanistik“ (2010 bis 2012) unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Günthner an der Universität Münster eine Datenbank für die Materialien der Didaktisierung der gesprochenen Sprache. Das Ziel des Projekts liegt darin, authentische Kommunikationssituationen deutscher Muttersprachler für den DaF-Unterricht im Ausland bereitzustellen. Die Materialien in der Datenbank bestehen aus Audiodateien und Transkripten. Sie dienen als Basis für die Unterrichtsentwürfe und regen zur kreativen Gestaltung für die Vermittlung der gesprochenen Sprache an. Die genaue Verwendung dieser authentischen Materialien erläutert Imo (2012) in seinem Aufsatz. Seines Erachtens kann man im DaF-Unterricht mit diesen Gesprächsdaten auf drei Ebenen umgehen. Erstens ist es möglich, den Lernern die mündlichen Kommunikationstechniken (wie Sprecherwechsel, Reparaturen, Gesprächsbeendigung) zu vermitteln. Zweitens geht es um die syntaktischen Strukturen. Dabei macht die Lehrperson die Lerner nicht nur auf typische Strukturen der gesprochenen Sprache aufmerksam. Sie erklärt außerdem die typische Syntax der deutschen Sprache besser, wenn solche Strukturen in authentische Gespräche eingebettet sind. Auf der dritten Ebene handelt es sich um lexikalische Phänomene, die man mit situationsbezogenen sowie regionalen Kontexten verknüpfen kann.
1.1.1.2 Ungesteuerter Zweitspracherwerb in Interaktionen
Während beim gesteuerten Zweitspracherwerb die zu erlernende Sprache von Lehrpersonen im Unterricht didaktisch aufbereitet vermittelt wird, erwerben die Lerner die Zielsprache beim ungesteuerten Zweitspracherwerb in natürlicher Umgebung. Genauer gesagt ist mit „ungesteuert“ der Erwerb außerhalb des Unterrichts, also vor allem durch die alltägliche Kommunikation mit Sprechern der zu lernenden Sprache gemeint (Klein/Dimroth 2003: 127).
Im Vergleich zu sprachwissenschaftlichen Forschungen im Bereich des gesteuerten Zweitspracherwerbs liegen bisher wenige Untersuchungen über den ungesteuerten Zweitspracherwerb vor. Klein/Dimroth (2003: 8) weisen darauf hin, dass die Untersuchung des ungesteuerten Spracherwerbs Erwachsener erhebliche empirische und methodische Probleme aufwirft. Zum einen braucht man einen langen Zeitraum für die Datenerhebung. Für eine wissenschaftliche Untersuchung sollte man das sprachliche Verhalten der Probanden in der Regel lange Zeit vorfolgen und aufzeichnen. Dies führt jedoch zu einem ethischen Problem. Es ist daher kein Wunder, dass es aufgrund der schwierigen Datenlage bisher wenige umfassende wissenschaftliche Aussagen über den ungesteuerten Zweitspracherwerb erwachsener Lerner gibt.
1.1.1.2.1 Ungesteuerter Zweitspracherwerb des Kindes
In linguistischen Forschungen über den ungesteuerten Zweitspracherwerb des Kindes wird häufig der Zusammenhang zwischen dem Spracherwerb und den sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen betont. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen den Zweitspracherwerb des Kindes nachhaltig beeinflussen.
Auf der Basis einer linguistischen Analyse des Sprachstandes von 47 sieben- bis achtjährigen türkischen Migrantenkindern findet Röhr-Sendlmeier (1985) heraus, dass ein häufiger Kontakt zur deutschen Sprache signifikant für den Erwerb der deutschen Sprache ist. Dieser Kontakt geschieht auf zwei Ebenen. Erstens geht es um direkte Begegnungen der Migrantenkinder mit deutschsprachigen Kindern auf dem Spielplatz oder mit anderen Muttersprachlern im Alltag. Zweitens sind indirekte Kontakte durch ihre Eltern gemeint. Die türkischen Eltern, die selber Kontakte zu Deutschen haben, sind in der Lage, den Erwerb der deutschen Sprache ihrer Kinder zu fördern.
Zwar wird der Zusammenhang zwischen dem Zweitspracherwerb und den Sozialisationsbedingungen in der Forschung oft thematisiert. Allerdings gibt es noch keine wissenschaftlich umfassende Untersuchung mit mikroanalytischen Verfahren wie Interaktionsanalyse oder Konversationsanalyse.
In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass im Bereich des ungesteuerten Erstspracherwerbs des Kindes relativ viele Studien vorliegen. Nach Bruner (1977) beginnt der Spracherwerb direkt nach der Geburt im ersten interaktiven Austausch zwischen Mutter und Kind. Bruner (1987) ist der Auffassung, dass die Eltern für die sprachliche Interaktion mit Kindern ein LASS (Language Acquisition Support System) haben. Die Sprache, die die Eltern in Interaktionen mit Kindern verwenden, ist zum Beispiel ein Aspekt von LASS. Sie zeichnet sich durch kurze und wenig komplexe Sätze, ein langsames Sprechtempo, höhere Tonlagen, einen geringen Abstraktheitsgrad usw. aus. Von Beginn an ist die sprachliche Interaktion auf die Entwicklung der sprachlichen Kompetenz von Kindern zugeschnitten. Das Scaffolding, also die elterliche Unterstützung, die dem lernenden Kind angeboten wird, prägt ebenfalls die Eltern-Kind-Interaktionen beim Erstspracherwerb (Hausendorf/Quasthoff 1996, Becker 2011, Hauser 2005).
Aus den oben genannten Forschungsperspektiven lässt sich bereits ableiten, dass zielsprachliche Interaktionen mit Muttersprachlern oder kompetenten Erwachsenen, die die zu erlernende Sprache beherrschen, eine wichtige Rolle für den Zweitspracherwerb des Kindes spielt, obwohl bisher keine wissenschaftlich systematische Untersuchung über den Zweitspracherwerb des Kindes in Interaktion zu finden ist.
1.1.1.2.2 Ungesteuerter Zweitspracherwerb der erwachsenen Lerner
Sprachwissenschaftliche Untersuchungen über ungesteuerte Interaktionen zwischen erwachsenen Lernern und Muttersprachlern der Zielsprache beschäftigen sich in den letzten Jahrzehnten vor allem mit der Sprache, die die Muttersprachler in Interaktion mit Lernern verwenden.
Der von Ferguson (1975) geprägte Begriff „foreigner talk“ versteht sich als ein simplifiziertes Register mit einfacher Syntax, langsamer Aussprache, Wiederholungen und Feedback. Roche (1989) gibt in seiner Studie einen detaillierten Einblick in die Struktur und Variation im Deutschen gegenüber Ausländern. Anhand transkribierter Daten untersucht er die Äußerungen von Muttersprachlern im Gespräch mit Nichtmuttersprachlern hinsichtlich ihrer Äußerungsstruktur, personalen Referenz, Temporalität, lokalen Referenz, Skopusstrukturierungen und lexikalisch-semantischen Simplifizierungen systemtisch. Er stellt fest, dass die Abweichung der Xenolekte der Bezugssprache von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird. Zu den Hauptfaktoren gehören die sprachlichen Fertigkeiten des Gesprächspartners, die kommunikativen Bedürfnisse, inhaltliche und thematische Relevanz und der ökonomische Kompromiss zwischen den Mitteln zum Erreichen des Ziels und den Mitteln zum Vermeiden kommunikativer Schwierigkeiten (Roche 1989: 177–179). Ähnliche Merkmale von „foreigner talk“ sind auch in Hinnenkamps (1982) Untersuchung von Sprechweisen gegenüber Ausländern am Beispiel des Deutschen und des Türkischen zu finden.
Solche Untersuchungen zeigen die sprachlichen Anpassungen, die die Muttersprachler in Interaktion mit Lernern benutzen, um sich verständlich zu machen und sie damit in die Interaktion einzubeziehen. Das zeigt sich nach Kotthoff (2012: 4) schon als eine Art von Zuschnitt auf den Lerner. Die Lerner werden dadurch also von den Muttersprachlern unterstützt.
Untersuchungen zu Verfahren und Strategien in Kommunikationen zwischen Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern werden im Bielefelder Forschungsprojekt „Kontaktsituation“ durchgeführt (Dausendschön-Gay 1987). Anhand von 70 aufgezeichneten und kommentierten Gesprächen zwischen Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern mit ihren jeweiligen unterschiedlichen Kompetenzen in der Sprache des anderen finden Forscher mit gesprächsanalytischen oder ethnomethodologischen konversationsanalytischen Verfahren heraus, dass in solchen authentischen Kommunikationssituationen häufig Lehrsequenzen vorkommen wie Erklärungsverfahren (Sader-Jin 1987) oder Wortsuchprozesse (Dausendschön-Gay 1987), die als Nebensequenzen zur Verständigungssicherung in der Kommunikation gelten. Solche Interaktionen dienen zwar nicht explizit dem Zweck des Spracherwerbs, aber Beobachtungen sukzessiv im Gespräch verlaufender Worterwerbsaktivitäten nach Dausendschön-Gay (1987: 77) bieten jedoch die Möglichkeit, die Funktion von Interventionen und die Abfolge von Aktivitäten der Interaktanten als wichtige Teile eines systematisch ablaufenden Erwerbsprozesses zu interpretieren.