Kitabı oku: «Sprachenlernen im Tandem», sayfa 4
1.1.2.3.3 Beratungen und Begleitungen
Ein weiteres Gebiet der Tandemforschung, das sich in den letzten Jahren schnell entwickelt hat, behandelt Beratungen und Begleitungen für Tandem-Interaktionen. Darunter sind Anleitungen bei der Reflexion eigenen Handelns im Tandem zu verstehen. Dabei werden Leitfaden und Materialien für das Lernen entwickelt. In der Praxis stehen verschiedene Beratungsangebote an unterschiedlichen Hochschulen zu Verfügung.
Holstein/Oomen-Welke (2006) stellten aufgrund der Fachliteratur sowie langjährigen eigenen Erfahrungen mit dem Freiburger Tandem-Büro der Pädagogischen Hochschule, aus der Tandem-Vermittlung der Universität Gießen und bei der Fundazioa Tandem einen ausführlichen und umfangreichen Leitfaden für das Sprachenlernen im Tandem zusammen. Darin werden theoretische Prinzipien und praktische Tipps für den Ablauf der Tandemarbeit vorgestellt. In dem von Baguette et al. (2001) herausgegebenen Buch wird ein Leitfaden speziell für die schulischen Tandem-Interaktionen beschrieben. Das Sammelwerk von Brammerts/Little (1996) gibt einen Überblick über das Sprachenlernen im Tandem im Internet. Eine wissenschaftliche Untersuchung, die das Sprachenlernen im Tandem aus der Perspektive von Beratungen und Begleitungen umfassend und systematisch erforscht, liegt in Schmelters (2004) Studie vor. Schmelter untersucht die Tandemarbeit anhand empirischer Daten. Sein Korpus besteht aus Eingangs-und Abschlussinterviews (als Beratungsgesprächen), Beobachtungen der Tandemsitzungen, Kommentierungen der Lerner zu den Sitzungen und Tagebüchern. Während Beratungsangebote im Tandembereich geschätzt werden, weist Schmelter in seiner Studie aber auf verschiedene problematische Aspekte der Beratungen für die Tandemarbeit hin.
Eine grundsätzliche Problematik für Beratungsangebote liegt nach Schmelter darin, dass die Lerner den Bedarf nicht erkennen, Beratungsgespräche für Tandem zu nutzen (Schmelter 2004: 343). Oft wissen sie nicht, dass die vorhandenen Situationen mehr Möglichkeiten für das Lernpotenzial bieten können, als ihnen momentan bewusst ist. Zweitens stellt sich dann die Frage, ob der Beratungsbesuch zur Verpflichtung werden sollte (Schmelter 2004: 344). Das würde einerseits gegen das autonome Lernprinzip des Tandems stehen. Andererseits würde die Motivation zum Lernen nicht ausreichend geweckt. Drittens geht es um das Verhalten und die Rolle der Berater. Inwieweit dürfen die Berater in das selbstgesteuerte Lernen im Tandem eingreifen, ohne den eigentlichen Charakter der Tandem-Interaktion aufzuheben (Schmelter 2004: 344) ?
Es würde sich lohnen, solche Problematiken zu untersuchen. Das wäre nicht nur für die Verbesserung der Beratungsangebote nützlich, sondern auch für einen besseren Einblick in das subjektive Empfinden der Lerner. Nach Schmelter (2004: 329) fehlen bislang systematisch erhobene empirische Befunde zu der Frage, welcher Lerner aus welchen Gründen und mit welchen Zielen die Beratung in didaktischen Umfeldern zum selbstgesteuerten Lernen aufsucht.
Das Problem, dass die Tandempartner das Lernpotenzial in dieser Situation ungenügend kennen, unterstreicht auch Brammerts (2006). Seiner Beobachtung zufolge wissen die Lerner nicht, über ihre eigenen „Lernziele und Lernwege“ (Brammerts 2006: 6) zu entscheiden. Denn, so schreibt er:
Sie verstehen den Partner als persönlichen fremdsprachigen Kommunikationspartner, verlassen sich darauf, dass man durch Kommunikation mit einem native speaker immer etwas lernt, und behalten in der Regel auch Recht damit. (Brammerts 2006: 6)
Ausgehend davon, die Chancen in diesem besonderen Lehr-Lern-Kontext zu erhöhen, schlägt Brammerts (2006) vor, den Tandemlernern Unterstützungen zu bieten, damit sie die Möglichkeiten zum Erreichen ihrer Ziele optimal nutzen können. Brammerts (2006: 6–8) benennt folgende Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen, die als Hilfestellung für das Tandemlernen angeboten werden:
Bereitstellung von Informationen (Erklärungen, Anleitungen, Grundregeln, Tipps)
Anregungen für die Tandemarbeit
Anregungen zur Reflexion für den einzelnen Lerner
Anregungen zur Reflexion innerhalb der Tandempaare
gelenkte Reflexion in Gruppen
Paarberatung
individuelle Beratung.
Reinecke (2013) stellt ihre Erfahrungen von und mit Studierenden in der Tandemberatung vor. In ihrem Aufsatz betont sie die grundsätzliche Problematik, dass die Angebote der Tandemberatung nicht von den Lernern genügend genutzt werden. Dazu schreibt sie wie folgt:
Während sich dabei einerseits sehr positive Tendenzen abzeichnen – das Tandem wird von den Studierenden gut angenommen und engagiert durchgeführt – weisen die bisher erhaltenen Ergebnisse und Rückmeldungen aber auch auf ein nicht untypisches Problem von Beratungsangeboten hin: Sie werden von Betroffenen theoretisch für sinnvoll erachtet, aber nicht unbedingt genutzt. (Reinecke 2013: 77–78)
In Anlehnung an die oben genannten Untersützungsformate von Brammerts (2006: 6–8) weist sie anhand ihrer Erfahrungen darauf hin, dass man bei der Tandemberatung „Lernstrategientraining“ von „Autonomieförderung“ (Reinecke 2013: 81) unterscheiden soll. Denn es ist in der Praxis zu beweisen, dass die Vermittlung des strategischen Wissens (wie Bedeutungserklärungen, Korrekturen, Gliederungssignale) relativ problemlos ist. Aber die Förderung der Autonomie im Tandem soll sich nicht auf die Vermittlung der technischen Aspekte beschränken.
Angesichts dieser Tatsache schlägt die Autorin vor, die beiden unterschiedlichen Begleitangebote für das Tandemlernen – „Lernstrategientraining“ und „Autonomieförderung“ – institutionell-personell voneinander zu trennen. Ihrer Meinung nach könnte die Strategienvermittlung die Aufgabe der Lehrenden sein, während die Angebote zur Autonomieförderung durch eine Einrichtung (wie Tandembüro) durchgeführt würde (Reinecke 2013: 101). Das Ziel dieser Umstrukturierung soll darin liegen, das Potenzial des Strategientrainings und der Lernerautonomie im Tandemlernen zu verbessern.
1.2 Zusammenfassung
Ein Überblick über den bisherigen Forschungstand im Bereich von Interaktion und Zweitspracherwerb verdeutlicht, dass Interaktionen verschiedene Lehr- und Lernpotenziale für den Zweitspracherwerb bieten. Während die Aktivitäten der Lerner ohne Zweifel im Mittelpunkt stehen, werden aber die Rollen der kompetenten Interaktionspartner sowohl im gesteuerten als auch im ungesteuerten Zweitsprachwerb betont. Im gesteuerten Zweitspracherwerb werden die Ziele der Interaktionen, die Beteiligung der Lerner, der Ablauf der Interaktionen und der Erwerbsprozess von Lehrpersonen bestimmt. Im ungesteuerten Zweitspracherwerb gibt es zwar keine Lehrpersonen im didaktischen Sinne, jedoch stellen die Gesprächsparter (in den meisten Forschungen Muttersprachler) Laienlehrpersonen dar. Ihr sprachliches Verhalten und ihre Strategien üben einen Einfluss auf den stattfindenden Erwerbsprozess für die Lerner in der Interaktion aus.
Als eine besondere Interaktionsform für Fremdsprachenlernen erlangt das Tandem-Konzept in den letzten Jahren zunehmend wissenschaftliches Interesse. Die Darstellung der jungen Tandemforschung zeigt, dass diese Lehr- und Lernform aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht wird. Während das Fremdsprachenlernen schon immer einen wichtigen Platz in der Forschung einnimmt, wird das interkulturelle Lernen im Tandem vermehrt thematisiert. Eine Tendenz sehen wir ebenfalls im Forschungsbereich der Beratungen und der Begleitungen des Tandemlernens.
Im Hinblick auf die Daten bzw. die Methode der bisherigen Forschung ist zu beobachten, dass sie vorwiegend durch quantitative und qualitative Methoden (Interviews, Umfragen, teilnehmende Beobachtungen, Tagebuchaufzeichnungen), geprägt ist (wie Herfurth 1993, Schmelter 2004, Brammerts 2006, Reinecke 2013). Wenige interaktionsorientierte Untersuchungen basieren auf empirischen Gesprächsdaten (Apfelbaum 1993, Rost-Roth 1995, Bechtel 2003) und folgen sprachwissenschaftlichen Ansätzen. Eine systematische Untersuchung des interkulturellen Lernens im Tandem leistet Bechtels Studie (2003) mit einer diskursanalytischen Methode. In der Forschung über das Fremdsprachenlernen gelten Apfelbaum und Rost-Roth als die ersten, die die Gesprächsabläufe in Tandeminteraktion mit konversationsanalytischer Methode untersuchen. Die beiden sprachwissenschaftlichen Forschungen ermöglichen einen Blick in die konkrete Interaktion im Tandem.
Die konversationsanalytische Methode erhellt die Tandeminteraktion genauer und konkreter. Herfurth (1993: 225) weist ebenfalls darauf hin, dass „weitere Aufschlüsse zur Einschätzung des Spracherwerbs in Begegnungssituationen sich durch eine konversationsanalytische Untersuchung von Sequenzen realer Gesprächsabläufe der Begegnungen ergeben“ sollten. Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine konversationsanalytische Untersuchung zum Fremdsprachenlernen im Tandem. Im folgenden Kapitel werde ich die Forschungsmethode und die Konversationsanalye vorstellen.
2 Untersuchungsmethode
2.1 Konversationsanalytischer Ansatz
Mit der Konversationsanalyse bezeichnet man einen Forschungsansatz, der sich mit der Analyse natürlicher Gesprächsdaten befasst. Nach Bergmann (2001) setzt sich die Konversationsanalyse mit „der Untersuchung von sozialer Interaktion als einem fortwährenden Prozess der Hervorbringung und Absicherung sinnhafter sozialer Ordnung“ (Bergmann 2001: 919) auseinander.
Der Ursprung der Konversationsanalyse ist auf die amerikanische ethnomethodologische Soziologie in den 1960er zurückzuführen. Die von Harold Garfinkel (1967) begründete Ethnomethodologie versteht sich als ein „Forschungsprogramm, das sich mit den Methoden der Konstitution sozialer Wirklichkeit und sozialer Ordnung im Alltagshandeln der Gesellschaftsmitglieder befasst“ (Streeck 1987: 672). Im Hinblick auf die soziale Ordnung sind für die Ethnomethodologie interaktive Hervorbringungen statt vorgegebener Normen entscheidend. Das heißt, die soziale Wirklichkeit wird nicht ex ante festgelegt, sondern durch die Gesellschaftsmitglieder in ihrem Handlungsverlauf hergestellt. Das Hauptinteresse der Ethnomethodologie besteht in der Genese der Wirklichkeitsproduktion und der alltäglichen Sinnerzeugung.
Die Entwicklung des ethnomethodologischen Forschungsprogramms zur Konversationsanalyse ist Harvey Sacks zu verdanken. Während Garfinkel soziale Handlungen mittels vielfältiger Beobachtungsverfahren untersucht, führt Sacks als einer der ersten Wissenschaftler die Tonaufzeichnung für systematische Forschungen der sozialen und sprachlichen Ordnung ein. Zusammen mit Emanuel Schegloff und Gail Jefferson leistet er einen wichtigen Beitrag zur Entstehung und Weiterentwicklung der Konversationsanalyse. Ihr Interesse richtet sich vorwiegend auf allgemeine Mechanismen, die Interaktionen in der Gesellschaft erzeugen. Ausgehend von dem Ausspruch „There is order at all points“ (Sacks 1984: 22), weist Sacks darauf hin, dass jedes Detail der Interaktion ein Untersuchungsobjekt sein kann. Anhand solcher Details lassen sich die formalen Methoden und Verfahren entdecken, die die Beteiligten zur Abwicklung alltäglicher kommunikativer Handlungen verwenden. Die Konstitution der sozialen Ordnung durch die Handlungen der Gesellschaftsmitglieder ist dadurch zu erkennen. Wie kommunizieren die Menschen? Wie werden Gespräche aufgebaut? Gibt es eine Systematik in Gesprächen? Lässt sich dadurch etwas über das soziale Handeln herausfinden? Solche Fragen stehen am Anfang der Konversationsanalyse im Vordergrund. Das Ziel der Konversationsanalyse liegt also darin, am Gegenstand sprachlicher Interaktion die konstitutiven Mechanismen zu bestimmen, die die sinnhafte Strukturierung und Ordnung der Gesellschaft hervorbringen.
2.1.1 Grundprinzipien der Konversationsanalyse
Was das methodische Vorgehen bzw. den theoretischen Hintergrund betrifft, unterliegen Untersuchungen sprachlicher Handlungen mit Konversationsanalyse einer Reihe von Prinzipien, die im Grunde genommen in der Ethnomethodologie verankert sind und in konversationsanalytischen Arbeiten entwickelt werden. Im Folgenden werden die Grundprinzipien im ethnomethodologischen Zusammenhang skizziert.
1. Natürliche Daten als Untersuchungsgegenstand
Die Konversationsanalyse besteht darauf, die „Natürlichkeit“ der Daten im höchstmöglichen Maße aufrechtzuerhalten. Das Ziel ist, dass möglichst viel vom realen Ablauf der Interaktion für die Analyse verfügbar ist. Die im konversationsanalytischen Rahmen erhobenen Daten unterscheiden sich deutlich von anderen Daten, mit denen die Sozialwissenschaftler bzw. Sprachwissenschaftler häufig arbeiten, wie experimentell gewonnene Daten, nachträgliche Beschreibungen sowie auch Erzählungen und Rollenspiele.
Experimentelle Formen der Daten sind nicht geeignet für die Analyse alltäglicher Interaktionen. Die sich daraus ergebenden Handlungen sind spezifisch für das experimentelle Setting, in dem die Beteiligten hauptsächlich ihre Aufgaben erfüllen. Auf die Untersuchung der dargestellten Handlungen in ihrem eigentlichen sozialen Kontext sind solche Daten nicht zu übertragen. Aus ähnlichen Gründen werden Daten in Form von Rollenspielen oder idealisierten Versionen in der Konversationsanalyse nicht in Betracht gezogen.
Nachträgliche Beschreibungen oder Erzählungen von Interaktionen gelten oftmals als eine Untersuchungsmethode in der wissenschaftlichen Forschung. Das Problem dabei liegt aber darin, dass sie sich nicht auf die Interaktion selbst konzentrieren, sondern eine retrospektive Darstellung produzieren. Das heißt, sie verstehen sich als Ressource für die Analyse, aber nicht als Gegenstand der Analyse. Um soziales Handeln in der Ethnomethodologie zu untersuchen stehen die Fragen des „Wie“ und nicht des „Warum“ sozialer Tatbestände im Mittelpunkt. Entsprechend besteht das Interesse der Konversationsanalyse, die sich aus der Ethnomethodologie entwickelt, in den Fragen, wie sich die Handlungen in der Interaktion manifestieren. Mit anderen Worten: Es wird ausschließlich die Interaktion an sich analysiert. In dieser Hinsicht ist es nicht unproblematisch, solche Datentypen für die Konversationsanalyse zu benutzen. Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen nachträgliche Beschreibungen oder Erzählungen (z.B. Interviews) an sich als Untersuchungsgegenstand verwendet werden können, das heißt, der Aufbau der Interviews wird erforscht. In diesem Fall können solche Daten in das Interesse der Konversationsanalyse rücken.
Begünstigt wird die Erhebung natürlicher Daten von den Möglichkeiten der Ton- und Videoaufzeichnung. Durch den Einsatz der Transkriptionstechnik fixiert man anschließend die natürlichen Daten schriftlich.
2. Detail- und Materialtreue
Wie im Vorausgegangenen erwähnt, spielt die Transkription bei der Konversationsanalyse eine zentrale Rolle. In der Transkription wird die ursprüngliche Materialität der Daten schriftlich rekonstruiert. Die Analyse liegt den transkribierten Daten zugrunde. Im Vergleich zu anderen Forschungen zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie nicht nur zur Arbeit an dem eigentlichen Material dient, sondern auch den Lesern die Möglichkeit gibt, die Analyseergebnisse anhand der detailliert dargestellten Daten zu begreifen. Denn in vielen Forschungen werden die Befunde in kodierter Form präsentiert.
Die Konversationsanalyse folgt strikt einer materialgestützten Orientierung. Besonders bezeichnend ist ihr Empirieverständnis. Ethnomethodologen lassen keine vorgängigen theoretischen Aussagen über ihren Objektbereich zu. Entsprechend werden Konversationsanalytiker aufgefordert, ihre Hypothesen, Fragestellungen und Konzepte anhand der Daten zu entwickeln. Das Material darf nicht wie in der Sprach- und Sozialpsychologie vorher für Forschungszwecke arrangiert werden. Erst von den konkreten Details des Materials ausgehend arbeiten die Forscher Analysekategorien heraus. Dadurch vermeidet man die Gefahr, die in der wissenschaftlichen Forschung häufig zu beobachten ist, dass die Forscher vorab Analysekategorien formulieren und dann das Material nur für diese benutzen, um ein theoretisches Konzept zu untermauern. Dabei wird die Besonderheit des Materials in seinem eigentlichen Kontext übersehen. In der Konversationsanalyse bilden sich die theoretischen Analysekonzepte dagegen in der Auseinandersetzung mit den empirischen Daten aus. Diese Offenheit bietet die Möglichkeit, zu rekonstruieren, wie die Beteiligten selbst einander verstehen und an welchen Regeln oder Verfahren sie sich dabei orientieren. Dadurch lassen sich die Struktur der Interaktion und die Prinzipien der Organisation entdecken, was dem Ziel der Konversationsanalyse entspricht.
3. Ordnung der Interaktion
Aus ethnomethodologischer Sicht ist die Ordnung des sozialen Geschehens ein wichtiger Aspekt für die Untersuchung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Diese Ordnung im ethnomethodologischen Sinne wird nicht vorab bestimmt, sondern als Resultat der praktischen Aktivitäten der Gesellschaftsmitglieder aufgefasst. Entsprechend übernimmt die Konversationsanalyse den Gesichtspunkt der sozialen Ordnung als eine Grundlage für ihre Forschung. Ihre Bedeutung zeigt sich bereits bei Sacks’ Arbeit, indem er auf „order at all points“ (Sacks 1984: 22) hinweist. Jede Interaktion ist eine geordnete Aktivität und unterliegt bestimmten Regeln bzw. Verfahren. Jeder Teil eines Gesprächs hat in der Gesprächsabfolge seine Funktion.
Die Ordnung der Interaktion ist an der sprachlichen Oberfläche erkennbar, sowohl für die Analytiker, als auch für die Teilnehmer. Für die zuhörenden Teilnehmer ist es wichtig, dass die Redebeiträge des Sprechers verständlich gemacht werden. Sie interpretieren dann die Äußerungen des Gesprächspartners und reagieren darauf mit verbalen oder nonverbalen Handlungen. Die Analytiker rekonstruieren diese sinnhafte Konstitution anhand ihrer eigenen Materialien. Dabei sind die Organisation des Gesprächsablaufs und spezifische Äußerungen mit sequentieller Implikation von zentraler Bedeutung (Günthner 2000c: 25). In der Konversationsanalyse muss man sich so tief wie möglich auf den Interaktionsprozess einlassen, um die geordnete Konstruktion herauszuarbeiten.
4. Kontext
Während das Erfassen der Ordnung im Gespräch im Vordergrund der Konversationsanalyse steht, stellt sich im Hinblick auf die methodischen Praktiken die Frage, ob es dabei einfach nur um das Ablesen und das Hören geht. Vielmehr braucht man Interpretation, um die Organisationsprinzipien der Interaktion zu verstehen. Aus ethnomethodologischer Sicht ergeben sich soziale Handlungen mit jeweiliger aktiver Kontextbezogenheit. Das soziale Geschehen wird nicht isoliert, sondern in seiner kontextuellen Einbettung interpretiert. Entsprechend führt man in der Konversationsanalyse die Diskussion über die Interpretation unter dem Aspekt von Kontexten bzw. Kontextwissen. Für das Verständnis der sprachlichen Interaktion, die ein symbolisches Handeln darstellt, ist das Kontextwissen von zentraler Bedeutung. Ohne relevante Wissensbestände ist es für die Rezipienten – sowohl die Gesprächsteilnehmer als auch die externen Analytiker – schwer, die sprachlichen Handlungen überhaupt adäquat zu interpretieren.
In konversationsanalytischen Erörterungen wird der Kontextaspekt vor allem auf zwei Ebenen thematisiert. Zum einen wirkt die Interaktion bereits selbst kontexterneuernd. Gemäß Goodwin/Heritage (1990) steht der Kontext im Interpretationsverfahren im engen Zusammenhang zwischen Analyse und Sequenzialität, nämlich der zeitlichen Gesprächsabfolge. Das heißt, der Kontext entsteht im Verlauf eines Gesprächs selbst und wird von den Beteiligten konstituiert. Ein solcher Kontext prägt die Handlungen der Beteiligten und ist gleichzeitig selbst ein Resultat dieses interaktiven Handelns. Beispielsweise finden sich in Eltern-Kind-Interaktionen häufig Anpassungsstrategien des sprachlich kompetenteren Erwachsenen, indem er lexikalisch, syntaktisch oder prosodisch seine Redebeiträge modifiziert, um mit den Kindern zu kommunizieren. Die Beteiligten schaffen den Kontext und manifestieren ihn in der Gesprächssequenz. So beschreibt Schegloff (1972: 115) die erste Ebene treffend: „To say that interaction is context-sensitive is to say that interactants are context-sensitive“.
Zum anderen ist die Interaktion durch den Kontext geprägt, in den sie eingebettet ist. Dabei wird in der Konversationsanalyse häufig von der Ethnographie gesprochen. Die Integration der Ethnographie in die sprachwissenschaftliche Konversationsanalyse lässt sich aus zwei Perspektiven begründen. Aus methodologischer Sicht versteht sich die Analyse grundsätzlich als „interpretative Arbeit“ (Deppermann 2000: 118), die stets auf den empirischen Materialien beruht. Bei der Interpretation der Datenmaterialien geht es aber prinzipiell um eine Arbeit des Subjektes. Dies soll in der Untersuchung berücksichtigt werden, indem man ethnographische Konzeptionen zur Verbesserung der Interpretationsarbeit entwickelt. Aus methodenpraktischer Sicht ist das „ethnographische Wissen“ (Deppermann 2000: 118) von besonderer Bedeutung. Kontextwissen lässt sich nicht immer aus den Daten erschließen, und deshalb ist es stets notwendig, zu untersuchen, in welcher Weise ethnographisches Wissen für die Gesprächsauswertung unabdingbar ist.
Mit der Anwendung der ethnographischen Methoden entsteht die Konzeption „ethnographische Konversationsanalyse“. Damit ist aber nicht einfach eine Kombination der beiden Methoden gemeint. Vielmehr dient der ethnographische Ansatz als ein Hilfsmittel für die Konversationsanalyse. Das heißt, die Analyse mit dieser Konzeption wird nicht nach den Grundprinzipien der Ethnologie durchgeführt, sondern immer noch entsprechend der konversationsanalytischen Methode. Die Integration der Ethnographie deutet lediglich auf die Anwendung ethnographisches Arbeiten in der Analyse hin.