Kitabı oku: «Sprachenlernen im Tandem», sayfa 3
1.1.2 Tandem: eine besondere Interaktionsform für Zweitspracherwerb
Als Tandem bezeichnet man gewöhnlich ein Fahrrad, das mittels zwei hintereinander liegender Sättel und Tretlager gleichzeitig zwei Personen in Bewegung setzen kann. Überträgt man die Grundidee der gegenseitigen Unterstützung beim gemeinsamen Voranschreiten auf das Fremdsprachenlernen, geht es um die Begegnung zweier Menschen verschiedener Sprachen und Kulturen, die sich wechselseitig ihre Sprache beibringen. Dabei ist die Muttersprache des einen die Zielsprache des anderen. Jeder übt seine Fremdsprache und hilft dem Tandempartner beim Erlernen der Sprache, die für ihn Muttersprache ist. Das Lernen im Tandem stellt eine Sonderform des Sprachenlehrens und -lernens dar.
Nach Brammerts/Hedderich (1998: 253) zeichnet sich diese Lernform durch zwei Merkmale aus, nämlich das „Gegenseitigkeitsprinzip“ und das „Lernerautonomieprinzip“. Unter dem „Gegenseitigkeitsprinzip“ versteht man, dass die Tandempartner im selben Maße zur gemeinsamen Arbeit beitragen und von der Zusammenarbeit profitieren. Das setzt voraus, dass beide Sprachen benutzt werden müssen und für beide Sprachen gleich viel Zeit bleibt. Die Tandempartner setzen sich im gleichen Maße füreinander ein. Mit dem „Lernerautonomieprinzip“ meint man, dass jeder im Tandem für sein Lernen verantwortlich ist. Jeder der Tandempartner bestimmt in seinem Teil der Tandemarbeit Lernziele und Methoden selbst.
1.1.2.1 Geschichte des Begriffs
Die Tandemgeschichte ist auf die deutsch-französischen Jugendbegegnungen in den 1960er Jahren zurückzuführen. Seit 1968 veranstaltete das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) binationale Sprachprogramme für die Jugendlichen aus den beiden Ländern. Anders als zuvor wurde der Unterricht nun sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag zweisprachig durchgeführt. Diese neue Unterrichtsidee war so erfolgreich, dass sie 1970 durch das DFJW immer bekannter wurde. In demselben Jahr beauftragte das DFJW die neu gegründete „Arbeitsgruppe Angewandte Linguistik Französisch“ (AALF), ein eigenes Sprachprogramm mit der Tandemidee zu entwickeln.
In Kenntnis der zahlreichen deutsch-französischen Ansätze übertrugen Klaus Liebe-Harkort und Nükhet Cimilli das Modell auf die Arbeit mit Immigranten im deutsch-türkischen Bereich. 1973 folgten deutsch-türkische Tandemkurse zwischen türkischen Migranten und deutschen Sozialarbeitern unter der Trägerschaft der „Volkshochschule München“ und des „anatolischen Solidaritätsvereins“. Ähnliche Kurse wurden auch im „Türkischen Volkshaus“ in Frankfurt a.M. (Faust/Schneider-Gürkan 1984) organisiert.
Angeregt durch einen Aufsatz von Liebe-Harkort entwickelte Jürgen Wolff 1979 in Madrid Tandempartnereinzelvermittlungen für das Sprachenpaar Spanisch-Deutsch (vgl. Wolff 1982). 1982 entstand in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Madrid ein Tandemkursprogramm, das dann durch „Centro Cultural Hispano-Alemán TANDEM“, Vorläuferin der heutigen „Escuela Internacional TANDEM Madrid“, fortgeführt wurde. Die Einzelvermittlung wurde später zur Grundlage für das TANDEM-Netz.
Mitte der 1980er erlebte die Tandem-Idee durch Jürgen Wolff vom Centro Intercultural Tandem in San Sebastian sowie die Gründung kleiner „Alternativsprachschulen“ eine schnelle Verbereitung. Das Tandem-Netz umfasste Mitglieder in zahlreichen Ländern.
Ende der 1980er Jahre fanden Tandemkongresse (Fribourg/Schweiz 1989, Berlin 1990, Bozen 1991, Donostia/San Sebastian 1992, Freiburg i. Br. 1994, Madrid 1997) statt, die dem Erfahrungsaustausch, der Entwicklung neuer Projekte sowie der Reflexion der Tandamarbeit dienen sollten. 1993 wurde die Stiftung TANDEM-Fundazioa gegründet, mit dem Ziel Forschungen im Bereich Tandem voranzutreiben, Aus- und Fortbildung für die Organisation der Tandemkurse anzubieten und Tandem-Materialien zu erstellen. Seit dem Jahr 2011 veranstaltet diese Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Lüneburg und der pädagogischen Hochschule Freiburg Tandem-Tagungen (Lüneburg 2011, Freiburg 2012, Lüneburg 2013, Freiburg 2014, Lüneburg 2016 ).
Ebenfalls in den 1980er Jahren fand das Konzept seinen Platz an Hochschulen. In Deutschland gründete Helmut Brammerts das erste Sprachtandem (deutsch-spanisch) an der Ruhr Universität Bochum (Brammerts et al. 1986). Im deutsch-französischen Bereich ging die Entwicklung des Konzepts aufgrund einer Reihe didaktisch-methodischer Grundlagenarbeit weiter, z.B. an den Universitäten Mainz-Dijon (DFJW 1992), Berlin-St. Etienne seit 1987/88 (Zamzow 1991) sowie Frankfurt/Oder-Reims (Bahr/Grouet-Duval 1995). Gleichzeitig begannen Hochschulen mit der Tandempartnereinzelvermittlung. In Deutschland war die Universität Bielefeld eine der ersten, die eine Einzeltandemvermittlung einführte und Tandemseminare mit begleitender Forschung veranstaltete (Ehnert 1987). In der Schweiz vermittelte die Universität Fribourg 1982/83 Tandempartner und bot später Tandemkurse an (Müller et al. 1990, Gick/Müller 1992). Heute gibt es nahezu an jeder Universität ein Tandemprogramm.
1.1.2.2 Formen des Sprachenlernens im Tandem
Was das Lernen im Tandem angeht, unterscheidet man in der Regel „Kurstandem“ von „Einzeltandem“. Unter „Kurstandem“ versteht man eine Lernergruppe unterschiedlicher Muttersprache (z.B. spanischlernende Deutsche und deutschlernende Spanier), die gemeinsam einen Kurs für das Fremdsprachenlernen besuchen. Nach Herfurth (1993: 22) wird dieser Lernkontext als „Begegnungssituation“ bezeichnet. Ein solcher Kurs liegt häufig im institutionellen Rahmen (wie Sprachschule, Sprachlehrinstitut, Schüleraustausch, Ferienprogramm) und wird von einem Kursleiter organisiert. Mit didaktischen Planungen werden die Kurse durchgeführt. Tandemkurse können entweder in intensiver (täglich mehrere Stunden an hintereinander liegenden Tagen) oder extensiver Form (ein Mal pro Woche über einen längeren Zeitraum hinweg) ablaufen. Je nach der didaktischen Konzeption können die Kursmodelle sehr unterschiedlich sein.
Im Gegensatz zu Kurstandem ist Einzeltandem eine Lehr-Lern-Form, die sich durch eine Vermittlungseinrichtung oder durch Anzeigen (z.B. an schwarzen Bretten, in Tageszeitungen, in Sozialnetzwerken, im Internet) bildet. Zwei Lerner unterschiedlicher Sprachen treffen sich in ihrer Freizeit und helfen sich gegenseitig beim Erlernen der Sprache, die für den einen die Muttersprache ist. Anders als das Kurstandem zeichnet das Einzeltandem sich dadurch aus, dass es nicht im institutionellen Rahmen stattfindet und keiner didaktischen Konzeption von außen unterliegt. Die Tandempartner bestimmen selbst, wo und wann sie sich treffen, was und wie lernen sie. Müller (1988: 28) und Ehnert (1987: 81) nennen diese Lernkontexte „freie Tandems“. Brammerts (1993: 122) und Brammerts/Hedderich (1998: 251) sprechen dabei von „autonomen Tandems“. Die meisten Einrichtungen der Einzeltandemvermittlung sind häufig in Sprachschulen oder Sprachlehrinstituten im universitären Bereich angesiedelt. Zugleich bieten sie Beratungen bzw. Coachings für das Lernen im Tandem an.
Außerdem ist das Internet ein Medium, mit dem die Lerner in Form des Einzeltandems kommunizieren. Dabei kann man den Kontakt via E-Mail, Messenger, Skype oder auch soziale „Netzwerke“ organisieren. Im deutschen Hochschulbereich findet man zuweilen Angebote der eTandem-Vermittlung, welche Lerner weltweit zusammen bringen. Im Zentrum für Fremdsprachenausbildung (ZFA) an der Ruhr-Universität Bochum gibt es z.B. den eTandem-Service für alle Sprachen der Welt. Während die Ruhr-Universität Bochum eher Einzeltandems via Internet organisiert, bietet das Sprachenzentrum der Universität Münster eTandem-Kurse an.
1.1.2.3 Tandemforschung
In der wissenschaftlichen Literatur zum Fremdsprachenlernen im Tandem geht die Forschung häufig von zwei Aspekten aus. Einerseits ist immer wieder die Rede davon, dass die Interagierenden die sprachlichen Probleme im Tandem bearbeiten können und damit den Fremdspracherwerb fördern. Andererseits geht man davon aus, dass auch gerade die Vermittlung kultureller Wissensbestände gut möglich sei. Denn die Interagierenden fungieren als Experten ihrer jeweiligen Alltagskultur und Lebenswelt. Im Folgenden gebe ich einen Überblick über die bisherigen sprachwissenschaftlichen Tandemforschungen.
1.1.2.3.1 Das Sprachenlernen im Tandem
In der Zweitspracherwerbsforschung wird das Sprachenlernen im Tandem wegen seiner besonderen Eigenschaften oft als eine Interaktionsform betrachtet, die zwischen dem gesteuerten und ungesteuerten Zweitspracherwerb durch Interaktion liegt. Zumal es Charakterzüge des ungesteuerten natürlichen Spracherwerbs zeigt, da die Lerner direkte Kontakte mit Muttersprachlern der Zielsprache haben und daher einen authentischen sprachlichen Input bekommen. Gleichwohl weist es Merkmale des gesteuerten Spracherwerbs auf, weil die Tandem-Interaktion in einem Lehr-Lern-Kontext stattfindet und Lehr-Lern-Aktivitäten darin eingebettet sind. Herfurth (1993) beschreibt dies so:
wie aus den bisherigen Ausführungen unschwer ersichtlich, ist eine nach dem Tandemprinzip ausgestaltete Begegnungssituation weder eindeutig eine Form natürlichen Spracherwerbs, noch eindeutig eine Form unterrichtlich organisierten Sprachenlernens, sondern liegt zwischen diesen beiden Polen. (Herfurth 1993: 28)
Schmelter (2004) benutzt in seiner Studie zum Tandem den Begriff „selbstgesteuertes Fremdsprachenlernen“. Dabei wird die Selbstverantwortung der Lerner für den gesamten Lernprozess wie z.B. die Lernziele, die Lernhandlungen und die Evaluation unterstrichen.
Forschungen über das Sprachenlernen im Tandem behandeln das Thema hauptsächlich unter Aspekten der Didaktik und des Spracherwerbs.
Herfurth (1993) beschäftigt sich mit der Form des Kurstandems. Konkret bezeichnet er diesen Lehr-Lern-Kontext als Begegnungssituation. Anhand von Interviews mit Kursleitern und Lernern, Fragebogen und (teilnehmenden) Beobachtungen vergleicht er Kurskonzeptionen von vier unterschiedlichen Tandemintensivkursen in den Universitäten Bochum-Oviedo, CIC Tandem San Sebastian, SIT Tübingen, TU Berlin-Ecole des Mines (Saint-Etienne) und arbeitet die didaktischen Handlungs- und Planungsdimensionen für das Fremdsprachenlernen im Tandem heraus. Herfurth geht anhand seiner Daten einerseits auf die sprachlichen Ebenen wie Sprachenwahl und Sprachenverteilung, Bedeutungsklärung und Korrekturen ein. Andererseits werden soziale und interkulturelle Aspekte wie Aufgabenstellungen, Vorgaben an Materialien, die Ausgestaltung der Kursleiterrolle und die Zuweisung von Lehrer-Lerner-Rollen an die Teilnehmer analysiert. Mit seinen Daten stellt er exemplarisch ein Konzept von didaktischen Leitlinien vor.
In Herfurths Studie wird ersichtlich, dass die beobachteten Kurstandem-Interaktionen in sehr unterschiedlicher Weise ablaufen. Sowohl spezifische als auch nicht spezifische Faktoren sind dabei zu beobachten. Zu Konstanten derartiger Lehr-Lern-Kontexte gehören „die Orientierung an einem Produkt, an einem Thema oder an Aufgabenstellungen, die Vorgabe bzw. freie Wahl der Sprache, Vorgaben an Materialien, für Formen der Bedeutungsklärung und Korrekturen, die Ausgestaltung der Kursleiterrolle und die Zuweisung von Lehrer-Lerner-Rollen an die Teilnehmer“ (Herfurth 1993: 225). Zugleich belegt er aber auch, dass der Sprachlernprozess nicht nur aufgrund dieser Konstanten der Kurstandemkonzeption umgesetzt wird. Es liegt an den Teilnehmern, wie sie mit ihren Gesprächspartnern gemeinsam die Tandeminteraktion verwirklichen. Dabei spielen mehrere Variablen (wie Intensität, Zeitpunkt, Form von Sprachwahl bzw. Sprachwechsel, Bedeutungsklärungen und Korrekturen) eine bedeutende Rolle. Nach Herfurth (1993: 226) kommt es bei der Gestaltung der Kurstandem-Interaktion einerseits auf die Einstellungen der Interaktanten bezüglich des Kommunikationsrahmens, andererseits auf eine gegenseitige Rollenzuschreibung der Gesprächspartner an. Das offene didaktische Konzept lässt einheitliche Didaktisierung nicht zu.
Schließlich macht Herfurth (1993: 228) anhand seiner Untersuchungsergebnisse didaktische Vorschläge auf vier Ebenen,
1 Interaktionsrahmen. Man soll viele unterschiedliche Kontexte für den Spracherwerb schaffen, um den Lernern möglichst vielfältige Interaktionsstrukturen modellhaft zur Verfügung zu stellen.
2 Gesprächsorganisation und didaktische Vereinbarung. Es ist wichtig, den Lernern zu vermitteln, wie sie ihre Gespräche organisieren können. Dabei handelt es sich um eine didaktische Vereinbarung z.B. über Sprachenwechsel, Intensität und Form von Bedeutungsklärungen und Korrekturen.
3 Vermittlung spezifischer kommunikativer Strategien und Verfahren. Um mögliche Verständnisprobleme in der Tandeminteraktion zu lösen und die Kommunikation zu erleichtern, brauchen die Gesprächspartner bestimmte Strategien, wie z.B. Einleitung der Korrekturen bzw. Reparaturen, Gliederungssignale und Auslösung der Missverständnisse.
4 Sensibilisierung für Prozesse exolingualer Kommunikation. Dafür wird vorgeschlagen, authentische Dokumente exolingualer Kommunikation zu analysieren und bewusst metalinguistische Reflexion zu initiieren.
Rost-Roth (1995) untersucht anhand von Aufnahmen von Tandem-Gesprächen und Tagebuchaufzeichnungen deutsch-italienische Einzeltandems. Das Ziel ihrer Untersuchung liegt darin herauszufinden, wie das Lernpotenzial im Tandem aussieht. Ausgehend von Kommunikationsstörungen (Ausdruck- und Verständnisschwierigkeiten), die wegen unterschiedlicher sprachlicher Kompetenzen der Interagierenden im Tandem entstehen, untersucht sie, wie die Spracherwerbspotenziale sich in Tandem-Interaktionen manifestieren und von den Beteiligten benutzt werden.
Aus dem Korpus von Rost-Roth ist zu erkennen, dass die Tandempartner unterschiedliche Verfahren bei Behandlungen der kommunikativen Störungen benutzen, wie Erklärungen der Wortbedeutungen, Aushilfen bei Wortsuchen und Korrekturen. Nach Rost-Roth zeigen die Muttersprachler im Tandem eine in jeder Hinsicht große Kooperationsbereitschaft. Nichtmuttersprachler lassen die Muttersprachler entweder explizit oder durch Signale wie Pausen, Zögern, Dehnungen wissen, dass ihnen der muttersprachliche Tandempartner beim Formulieren helfen soll. Für Rost-Roth ist es eine Besonderheit der Tandem-Interaktionen, dass die Korrekturverfahren, die in der Regel als gesichtsbedrohend empfunden werden, im Tandem aber als ein für den Spracherwerb positiver Prozess benutzt werden. Die Lehr-Lern-Situation im Tandem gestattet dem Nichtmuttersprachler, angstfrei fehlerhafte Formulierungen zu produzieren und dem Muttersprachler das Korrigieren, ohne dass er befürchten müsste, unhöflich zu sein.
Dabei werden die Behandlungsverfahren für die Kommunikationsstörungen besonders aufgrund des sprachlichen Systems (Lexik, Morphologie, Syntax, Phonetik) analysiert. Die Nebensequenzen, in denen die Tandempartner die sprachlichen Probleme mit verschiedenen Verfahren behandeln, sind jedoch nur lokal. Globale Aktivitäten, wie Hilfen der Muttersprachler beim Aufbau der Diskursstruktur durch z.B. Elizitierungen, Nachfragen, werden nicht einbezogen, schon gar nicht eine Kombination von lokalen und globalen Aktivitätstypen.
Während Herfurth (1993) und Rost-Roth (1995) Interaktionen im Kurstandem thematisieren, setzt sich Apfelbaum (1993) anhand von transkribierten Aufnahmen mit drei deutsch-französischen freien Einzeltandems, die an der Universität Aix-en-Provence vermittelt wurden, auseinander. In ihrer empirischen Studie geht es um drei Aspekte, nämlich Typen von Erzählungen im Tandem, Rollen der Muttersprachler beim Zustandbringen des Diskusmusters und Sprachlernaktivitäten innerhalb der Erzählungen der Nichtmuttersprachler.
Apfelbaum beschreibt in ihrer Studie hauptsächlich produktionsorientierte Verfahren. Sie unterscheidet „Selbsthilfe“ von „Fremdhilfe“. Unter „Selbsthilfe“ sind produktionsunterstützende Verfahren, mit denen die Lerner ihre eigenen Formulierungsschwierigkeiten in der Fremdsprache bearbeiten, zu verstehen. Mit „Fremdhilfe“ meint man produktionsunterstützende Verfahren, mit denen ein Element der Äußerung der Lerner von muttersprachlichen Tandempartnern bearbeitet wird.
Eine Besonderheit ihrer Studie liegt darin, dass sie nicht nur lokale Aktivitäten der Verständigungssicherung im Tandem, sondern auch globalstrukturelle Durchführung von Diskurseinheiten untersucht. Dabei thematisiert sie besonders die Rollen der muttersprachlichen Tandempartner. In Anlehnung an Quasthoffs Studie zur Erzählstruktur (1987) untersucht Apfelbaum vor allem drei Ebenen der Erzählstruktur:
Verfahren der muttersprachlichen Elizitierung einzelner Strukturteile
Bearbeitung von Problemmanifestationen bei der Durchführung der Erzählstruktur
Beteiligung der Muttersprachler an der Evaluation.
Aus der Untersuchung ergibt sich, dass erstens die muttersprachlichen Tandempartner in ihrem Korpus an der Erledigung aller für die Produktion narrativer Texte konstitutiven konversationellen Strukturteile beteiligt sind. Zweitens gibt es Abweichungen zwischen den Nichtmuttersprachlern und Muttersprachlern. Während die Nichtmuttersprachler bei der Bearbeitung von Problemmanifestationen häufig von sprachlichen Problemen ausgehen, sehen die Muttersprachler sie eher als semisprachliche oder enzyklopädische Probleme. Solche Problemmanifestationen können zwar von dem Muttersprachler in der Sprache des Tandempartners beseitigt werden, aber der Lerneffekt in diesen Nebensequenzen ist fraglich. Drittens wird das Erzählen nach Apfelbaum nicht von den Nebensequenzen über sprachliche Probleme beeinträchtigt, selbst wenn sie lang sind. Viertens ist die Zuhörerbeteiligung bei der Evaluation vom Sprachniveau des nichtmuttersprachlichen Erzählers abhängig. Je höher das Niveau des Erzählers in der Zielsprache, desto später setzen die ausgeprägten Formen von Partizipation des Muttersprachlers an der Evaluation ein.
Bei globalen Aktivitäten im Erzählen beschreibt Apfelbaum jedoch nur die produktionsunterstützenden Verfahren, mit denen die Muttersprachler den nichtmuttersprachlichen Erzählern bei Formulierungsschwierigkeiten in Bezug auf den Aufbau der Erzählstruktur helfen. Die muttersprachlichen Zuhörer fungieren allerdings beim Erzählen ihrer Partner als Laienlehrpersonen. Aktivitäten, die die Erzähler nicht unterstützen oder das Lernpotenzial im Tandem nicht fördern können, bleiben jedoch unerforscht. Es lohnt sich aber, die unprofessionellen Aktivitäten der Zuhörer als Laienlehrpersonen im Tandem zu untersuchen, wenn man das Lernpotenzial in Tandem-Interaktion fördern möchte. Denn das Verhalten der Zuhörer spielt beim Sprachenlernen des Erzählers eine wichtige Rolle.
1.1.2.3.2 Das interkulturelle Lernen im Tandem
Neben der Forschung von Tandem-Interaktionen aus linguistischer Perspektive wird die Dimension des interkulturellen Handelns und Lernens auch häufig debattiert.
Die bisher systematischste Untersuchung des interkulturellen Lernens im Tandem liegt von Bechtel (2003) vor. Bechtels Untersuchung basiert auf umfangreichen empirischen Interaktionsdaten von Studierenden in Tandemkursen. In seinem Korpus geht es um einen „extensiven, universitären, deutsch-französischen Tandemkurs“, an dem deutsche Studierende der Romanistik (Französisch) und französische Studierende der Germanistik teilnahmen (Bechtel 2003: 13). Mit diskursanalytischer Methode untersucht er die Möglichkeiten und Grenzen des interkulturellen Lernens im Tandem. Anhand von sieben Fallbeispielen werden Prozesse interkulturellen Lernens beim Sprachenlernen im Tandem beschrieben und analysiert. Dabei stützt er sich auf einen möglichst umfassenden Kulturbegriff, den er von Bredella und Christ (1995) übernimmt und der die Gleichwertigkeit der Kulturen unterstreicht (Bechtel 2003: 51). Mit seinem Perspektivenmodell, das er aufgrund des Modells von Kramsch (Bechtel 1993: 208) für die Beschreibung des interkulturellen Lernens im Tandem entwickelt hat, führt Bechtel seine empirische Untersuchung anhand transkribierter Daten aus.
Aufgrund seiner empirischen Untersuchung weist Bechtel darauf hin, dass das Lernen der interkulturellen Dimension im Tandem sowohl positive als auch negative Seiten hat. Einerseits ist mit dem interkulturellen Lernen im Tandem damit zu rechnen, dass es erstens vielfältige Möglichkeiten beinhaltet, unterschiedliche Perspektiven in die Lehr-Lern-Situation Tandem einzubringen (Bechtel 2003: 365). Zweitens werden bei Kulturvergleichen nicht nur kulturelle Unterschiede, sondern auch Gemeinsamkeiten in der Interaktion von Angesicht zu Angesicht wahrgenommen (Bechtel 2003: 366). Drittens bietet die Tandemarbeit ein Anwendungs- und Erprobungsfeld für interkulturelles Lernen (Bechtel 2003: 367).
Allerdings gibt es nach Bechtel auch Grenzen der Tandemarbeit in Bezug auf das interkulturelle Lernen. Erstens ist die Tandem-Interaktion ein individueller Prozess, der auf einer persönlichen Sympathie fußt. Die Grenze wird erreicht, wenn die Tandempartner nicht bereit sind, etwas von sich preiszugeben (Bechtel 2003: 368). Zweitens stellt sich die Frage, inwieweit die von den Tandempartnern gegebenen Antworten in Bezug auf kulturelle, insbesondere landskundliche Informationen richtig, repräsentativ und vollständig sind (Bechtel 2003: 367). In direkter Interaktion mit dem muttersprachlichen Tandempartner bekommt der Lerner zwar „authentische, aktuelle, lebensnahe Auskünfte über die fremde Kultur“ (Bechtel 2003: 369). Aber diese Informationen über die Zielkultur wird von der Subjektivität des Muttersprachlers geprägt und kann die „Komplexität und Heterogenität der fremden Kultur“ (Bechtel 2003: 369) nicht gut reflektieren. Drittens geht es beim interkulturellen Lernen auch darum, die interkulturelle Handlungskompetenz der Lerner zu fördern. Sie sollten befähigt werden, sich der geistigen Prozesse, die beim interkulturellen Lernen eine Rolle spielen (Wahrnehmung, Kulturvergleich, Perspektivenübernahmen), bewusst zu werden und sie in Zukunft angemessen anzuwenden. Die Tandempartner als Laienlehrpersonen sind aber überfordert, solche Prozesse bewusst zu machen.
Anhand von Gesprächsausschnitten analysiert Qian (2013) Kulturreflexion im Sprachlerntandem zwischen deutschen und chinesischen Lernern. Sie zeigt dabei auf, wie die Erwartungen an die Erklärung kultureller Phänomene seitens der deutschen Muttersprachler und der chinesischen Lerner auseinandergehen. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung verdeutlichen, wie die muttersprachlichen Tandempartner die kulturellen Vorstellungen der chinesischen Lerner bagatellisieren und eigene Praktiken entgegenhalten, ohne diese näher zu thematisieren. Mögliche Gründe dafür könnten sein:
Die Gründe liegen einerseits vermutlich darin, dass die fremde Kultur für die Ausländer interessant ist (wie z.B. die folkloristischen Elemente), für die Einheimischen hingegen normal. Andererseits verlangt es fachliches Wissen, um spezifische kulturelle Fragen beantworten zu können. Das können nicht alle deutschen Studierenden leisten. (Qian 2013: 71)