Kitabı oku: «Sprachenlernen im Tandem», sayfa 5
2.1.2 Konversationsanalyse in der Linguistik
Die linguistische Forschungslage mit konversationsanalytischer Methode gestaltet sich heterogen. Es existieren mittlerweile zahlreiche Arbeiten, die sich mit Interaktionen und Gesprächen beschäftigen. Dazu gehören zuerst die gemeinsamen Veröffentlichungen von Sacks, Schegloff und Jefferson. Ihre bekannten Untersuchungen zur Sprecherwechselsystematik (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974), zu Präferenzstrukturen bei Reparaturen (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977) und zur Organisation der Beendigungssequenzen (Schegloff/Sacks 1973) werden als „Klassiker“ der Konversationsanalyse betrachtet. Während die ersten Vertreter dieser Forschungsrichtung vor allem die Alltagsgespräche als Untersuchungsgegenstände heranziehen, rücken in der Weiterentwicklung des konversationsanalytischen Ansatzes auch Daten aus institutionellen Kontexten (z.B. Arzt-Patient-Gespräche, Unterrichtsinteraktionen, Eltern-Lehrer-Gespräche, Bewerbungsgespräche) in das Forschungsinteresse. Mit dieser Entwicklung beschränken sich die Untersuchungen nicht mehr nur auf allgemein gültige Eigenschaften der Gesprächspraktiken (wie Reparaturen, Korrekturen, Sprecherwechsel), sondern richten sich auf kontextspezifische Interaktionsaufgaben.
Um einen Überblick über die Rezeption der Konversationsanalyse in der Linguistik zu geben, werde ich im Folgenden ihre Anwendung in der sprachwissenschaftlichen Forschung nachzeichnen. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf den deutsch- und englischsprachigen Raum.
Konversationsanalytische Untersuchungen in der Linguistik finden sich nach Deppermann (2008) vorwiegend in folgenden Forschungsbereichen:
(1) Untersuchung der Gesprächspraktiken
Dazu zählen zahlreiche Auseinandersetzungen mit z.B. Sprecherwechsel (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974), Korrekturen (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977), Prosodie (Couper-Kuhlen/Selting 1996), Eröffnungssequenzen (Schegloff 1972) usw.
(2) Erforschung der kommunikativen Gattungen
In Anbindung an das ethnographische Kontextwissen befasst man sich hierbei mit viel größeren Kommunikationseinheiten als Gesprächspraktiken. Dabei wird neben der Struktur eine Menge von relevanten Komponenten (wie lexiko-semantisch, stilistisch, prosodisch) untersucht. Zu diesem Bereich gehören z.B. Forschungen über Klatschgespräche (Bergmann 1987), Vorwurfsaktivitäten (Günthner 2000c), Bewerbungsgespräche (Birkner 2001).
(3) Untersuchung der Bewältigung von Interaktionsproblemen und -aufgaben
Dieser Forschungsbereich zeichnet sich durch seine funktionale Analyse aus. Das heißt, im Gegensatz zu den beiden obengenannten Gebieten geht man hier nicht von den Gesprächssequenzen aus. Vielmehr liegt das Ziel darin, die grundlegenden Interaktionsaufgaben anhand der Daten zu rekonstruieren und anschließend Ressourcen für die Bewältigung der kommunikativen Aufgaben oder Probleme zu finden, z.B. Verhandlung von Glaubwürdigkeit in Streitgesprächen (Deppermann 1997).
(4) Kommunikationsportraits sozialer Gruppen und Milieus
Die Konversationsanalyse kann ein Ausgangspunkt für die Forschung der Handlungstypen bestimmter sozialer Gruppen und Milieus sein. Mit der Rekonstruktion der Kommunikationsstile und -regeln sowie der Gesprächsthemen wird ein Grundstein für eine umfassende und zuweilen langjährige Kulturanalyse eines Handlungsfeldes gelegt. Die Studien von Keim (1995) und Schwitalla (1995) über kommunikative Stilistik jugendlicher Migrantengruppen in Mannheim lassen sich beispielsweise dieser Forschungsrichtung zuordnen.
(5) Institutionelle Kommunikation
Im Laufe der Jahre hat sich das konversationsanalytische Interesse an Interaktionen im institutionellen Kontext verstärkt. Während in Alltagsgesprächen hauptsächlich generelle Prinzipien der Interaktion (wie Sprecherwechsel, Themenorganisationen, Reparaturen) als Untersuchungsgegenstände im Vordergrund stehen, werden in institutioneller Kommunikation typische Gesprächspraktiken, die für die kontextspezifischen Aufgaben konstitutiv sind, erforscht. In dem von Drew und Heritage (1992) herausgegebenen Sammelwerk zum Thema „Talk at work“ handelt es sich z.B. speziell um die institutionelle Dimension und ihren Zusammenhang mit den Details der Interaktionsorganisation. Weitere Studien von z.B. Drew/Sorjonen (1997), Heritage (1997) zählen gleichwohl zu diesem Forschungsgebiet.
2.1.3 Konversationsanalyse und Kommunikation mit nicht kompetenten Sprechern
Die Kommunikation zwischen kompetenten und nicht kompetenten Sprechern zeichnet sich durch eine asymmetrische Verteilung sprachlichen Wissens aus. Anders als Kommunikation unter rein kompetenten Teilnehmern werden Gespräche mit nicht kompetenten Partnern oft von sprachlichen Defiziten beeinträchtigt. Mit der Entwicklung der Konversationsanalyse richtet sich die sprachwissenschaftliche Forschung seit den 1980er Jahren zunehmend auf dieses Gebiet. Erforscht werden hierbei vor allem die Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern, die Kommunikation zwischen Muttersprachlern (MS) und Nichtmuttersprachlern (NMS) sowie die fremdsprachenunterrichtliche Kommunikation. Anhand transkribierter authentischer Daten werden spezifische Merkmale der Konversation mit nicht kompetenten Sprechern in diesen verschiedenen Kontexten verdeutlicht. Dabei ist das sprachlernfördernde Potenzial in solchen Situationen ein häufig erörtertes Thema. Im Folgenden werde ich wesentliche Forschungsergebnisse in diesem Bereich skizzieren.
2.1.3.1 Besonderheiten der Erwachsenen-Kind-Kommunikation
Konversationsanalytische sprachwissenschaftliche Untersuchungen über Erwachsenen-Kind-Kommunikation sind in der Regel an die Forschung der Sprachentwicklung der Kinder gebunden. Erwachsene spielen eine wesentliche Rolle bei der kindlichen Sprachentwicklung, indem sie beispielsweise die Kinder zum Sprechen motivieren, gesprächsstrukturelle Unterstützungen bieten oder auch mit ihnen in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Themen besprechen. Was geschieht, wenn Erwachsene mit Kindern sprechen? Wie wird das Sprachenlernen der Kinder durch ihre Interaktion mit den Erwachsenen gefördert? Welche Unterstützungen bieten die sprachlich kompetenten Erwachsenen ihren kindlichen Gesprächspartnern? Wie werden potenzielle sprachlernfördernde Sequenzen in der Erwachsenen-Kind-Kommunikation organisiert? Dies sind die Themen, die man in der Forschung häufig behandelt.
Morek (2012) analysiert z.B. die Eltern-Kind-Interaktion in familiären Tischgesprächen und Hausaufgabensituationen. Ihr Korpus umfasst 41 Aufnahmen aus den Familien von sechs Erstklässlern in fünf Familien mit einer Gesamtlänge von 16 Stunden. In ihrer empirischen Untersuchung analysiert sie das kindseitige Erklären. Aufgrund ihrer Ergebnisse fasst sie bei Tischgesprächen drei Interaktionsmuster (Fordern und Unterstützen, Übernehmen und Reparieren, Dulden und Tilgen) zusammen. Das Interaktionsmuster Fordern und Unterstützen zeichnet sich dadurch aus, dass die Eltern den Kindern immer neue Gesprächsräume zu deren entfaltender Darstellung geben, indem sie gesprächsstrukturelle Unterstützungen bieten. Daraus ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten für kindliches Erklären. Im Gegensatz dazu erhalten die Kinder im Muster Übernehmen und Reparieren keinen Raum zur weiteren Produktion narrativer und explanativer Beiträge, weil die Eltern immer das Rederecht selbst ergreifen und die Erklärung anstelle der Kinder hervorbringen. Auch das Muster Dulden und Tilgen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder keine Gelegenheiten für ihre Erklärungsaktivitäten bekommen. Ihre erklärhaft strukturierten Sequenzen werden zwar von den Eltern als stille Zuhörer geduldet, aber anschließende Rückmeldungen bzw. Würdigungen oder Korrekturen bleiben aus.
Bei Hausaufgabeninteraktionen lassen sich in Moreks (2012) Studie ebenfalls drei Interaktionsmuster (Überlassen und Helfen, Reparieren und Übernehmen, Fordern und Unterstützen) beobachten. Im Muster Überlassen und Helfen wird zuerst den Kindern überlassen, auf die elternseitigen Fragen wie „was musst du hier machen?“ mit einer Erklärung zu reagieren oder auf alternative Weise zu zeigen, dass sie verstanden haben. In diesem Fall bekommen die Kinder mehr Autonomie als in den anderen zwei Fällen zugeteilt. Das Muster Reparieren und Übernehmen ist ähnlich dem der Tischgespräche. Im Muster Fordern und Unterstützen finden sich deutliche Erklärungsaufforderungen seitens der Eltern. Im Verlauf der kindlichen Erkläraktivitäten beteiligt sich ein Elternteil unterstützend mit Strukturierungs- und Formulierungshilfen.
Morek (2012) stellt in ihrer Untersuchung fest, dass die Schaffung der Erklärungsmöglichkeiten und die elternseitige Unterstützung dafür in unterschiedlichen Familien ganz verschieden ausfallen. In Anbetracht der Familieninteraktion für die Entwicklung der kindlichen Diskurskompetenz zieht die Forscherin daraus die Schlußfolgerung, dass diese Kinder unter Umständen unterschiedliche Erklärungsfähigkeiten erwerben.
Die familiäre Prägung für die sprachliche Entwicklung der Kinder heben Ely et al. (2001) besonders hervor. Anhand empirischer Daten von Tischgesprächen in 22 Mittelschichtfamilien, die jeweils ein Kind zwischen zwei bis fünfeinhalb Jahren haben, stellen die Forscher fest, dass in Eltern-Kind-Konversationen aus der Mittelschicht häufig metasprachliche Diskurseinheiten vorkommen. Im Gesprächsverlauf produzieren die Eltern oft Sequenzen über sprachliche Phänomene. Sie erklären den Kindern, wann und wie man sprechen soll. Sie kommentieren Sprechaktivitäten und thematisieren die Fähigkeiten zum Lesen und Schreiben. Das zentrale Ergebnis dieser Studie lautet, dass amerikanische Mittelschichteltern sich in ihren Gesprächen mit den Kindern oft mit sprachorientierten Themen beschäftigen.
Neben familiären Kontexten nehmen schulische Situationen auch einen wichtigen Platz in der konversationsanalytischen Forschung der Erwachsenen-Kind-Kommunikation ein. Mit Daten der Unterrichtsstunden von sechs Erstklässlern, die aus dem Sach- und Sprachunterricht zweier Grundschulen stammen, setzt sich Morek (2012) mit der schülerseitigen Erklärungsinteraktion auseinander. Dabei unterscheidet sie orchestriertes Erklärungsmuster vom solistischen Interaktionsmuster der Erklärungsaktivitäten. Unter orchestriertem Erklären versteht er das gemeinsame Erklären, wobei die lehrerseitige Frage mit einer Erklärungsaufforderung nicht von einem einzigen Schüler beantwortet, sondern ausgedehnt auf verschiedene Schüler verteilt wird. Im Gegensatz dazu zeichnet sich das solistische Erklären dadurch aus, dass ein einzelnes Kind eine Erklärung strukturiert und formuliert. Unter Umständen kann das Kind als zuständig für die Erklärung eines bestimmten Sachverhalts präsentiert werden. Nach Morek (2012) bietet die Unterrichtsinteraktion eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit denen die Kinder sprachlich-kommunikative Erklärungserfahrungen sammeln können. Auch für die Kinder, die in ihren familiären Kontexten unzureichende Gelegenheiten zu interaktiven Erklärungsaktivitäten bekommen können, stellt der Unterricht einen neuen Gesprächsraum dar.
Kommunikation mit Migrationskindern steht im Vordergrund dieses Forschungsbereichs. Kern/Lingnau/Paul (2015) befassen sich mit der Lehrer-Kind-Interaktion beim schulischen Morgenkreis, bei dem Kinder und Lehrer zusammensitzen und bestimmte Aufgaben (Fragen und Antworten, Erzählen, Berichten) erledigen. Dabei wird die Performanz eines Kindes von den anderen bewertet. Auch die Lehrer nehmen an solchen routinisierten Aktivitäten teil. Der Korpus umfasst Videodaten von drei Morgenkreisen. Die Kinder sind Migrationskinder mit verschiedenen Muttersprachen (wie Kurdisch, Polnisch und Arabisch) und weisen defizitäre deutsche Sprachfähigkeiten auf. Mit transkribierten Daten untersuchen die Forscher, ob und wie die sogennante Bildungssprache in der Lehrer-Kind-Interaktion interaktiv thematisiert wird. Der Befund verdeutlicht, dass im Morgenkreis häufig sprachliche Behandlungen vorkommen, auch wenn sie den Interaktionsverlauf beeinträchtigen. Die Lehrer greifen die von der Bildungssprache abweichenden sprachlichen Defizite auf und helfen den Kindern, ihre problematischen Formulierungen zu bewältigen. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung lautet, dass die Lehrer nicht nur Unterstützungen bezüglich sprachlicher Form, sondern auch Pragmatik berücksichtigen. Sie signalisieren den Kindern, wie man die Sprache in welchen situativen Kontexten verwenden soll. Dafür bietet der aufgabenorietierte Morgenkreis einen guten Kontext.
2.1.3.2 Besonderheiten der MS-NMS-Kommunikation
Was die Kennzeichen der Kommunikation zwischen Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern angeht, beziehen sie sich in der sprachwissenschaftlichen Forschung mit konversationsanalytischer Methode vor allem auf die muttersprachliche angepasste Sprechweise gegenüber nicht kompetenten Ausländern und die spezifischen Sequenzen, die in der MS-NMS-Kommunikation oft zur Beseitigung sprachlicher Probleme oder Missverständnisse eingesetzt werden.
Die angepasste Sprechweise zeichnet sich durch simplifizierte Syntax, langsame Aussprache, Wiederholungen und reduzierte Modalität aus. Hinnenkamp (1982) untersucht z.B. dieses besondere Register anhand von 54 Aufnahmen von Konversationen zwischen 51 unterschiedlichen deutschen und elf türkischen Gesprächspartnern. Unter Gesichtspunkten von Lexikon, Morphologie, Syntax, Paralinguistik arbeitet er im interaktionalen Kontext zahlreiche Merkmale von dem sogenannten „foreigner talk“ (Ferguson 1975) heraus.
In Fortführung an Hinnenkamp nimmt Roche (1989) mit seinem Datenkorpus eine weitgehende Studie zur muttersprachlichen Sprechweise in Interaktion mit nichtmuttersprachlichen Gesprächspartnern vor. Sein Korpus umfasst insgesamt ca. 720 Minuten Tonbandaufnahmen von 86 Interaktionen zwischen insgesamt 66 deutschen und dreizehn ausländischen Gesprächspartnern aus vier verschiedenen Aufnahmesituationen. Konkrekt analysiert er Äußerungsstruktur, personale Referenz, Ausdruck der Temporalität, lokale Referenz, Skopusstrukturierungen und lexikalisch-semantische Simplifizierungen des Gegenstandes. Nach Roche (1989) verfolgen die Muttersprachler in diesem Kontext eine „themenbezogene und adressatengerichtete Veränderungsstrategie“ (Roche 1989: 178). Das heißt, sie modifizieren ihre Sprechweise nach der inhaltlichen Relevanz des Mitteilungsgehalts und dem Sprachniveau der Nichtmuttersprachler. Je höher die inhaltliche Relevanz, desto stärker ist die Modifikation.
Bezogen auf den Lerneffekt vom „foreigner talk“ für den Zweitspracherwerb sind sich Hinnenkamp (1982) und Roche (1989) jedoch nicht einig. Während Hinnenkamp (1982) das Schwanken zwischen verschiedenen Grammatiken und mitunter Sprachtypen als „eine nicht zu unterschätzende zusätzliche Erschwernis“ (Hinnenkamp 1982: 188) für das Sprachenlernen betrachtet, liefert Roche (1989) in seiner Studie dagegen Ansatzpunkte, dass durch den „foreigner talk“ der Lerner einer Zweitsprache größere Fortschritte erzielen kann.
Kotthoff (1991) analysiert die spezifische Sprechweise der Muttersprachler aus gesprächsstilistischer Perspektive. Ihre Daten basieren auf jeweils acht deutschen und acht anglo-amerikanischen Dialogen und auf 16 interkulturellen deutsch-englischen Gesprächen zwischen Studierenden und Lehrenden an einer deutschen Universität. In den aufgezeichneten Daten geht es darum, dass die Studierenden zu den Dozenten in die Sprechstunde gehen und sie um ihre Unterschrift unter eine fiktive, hochschulpolitische Petition bitten. Konkret beschäftigt sich die Forscherin in ihrer Konversationsanalyse mit Zugeständnissen und Dissens. Mit ihren Daten ist es möglich, die beiden Untersuchungsschwerpunkte jeweils in deutschen, anglo-amerikanischen und MS-NMS-Gesprächen zu erforschen und miteinander zu vergleichen.
In ihrer Untersuchung zeigt sich, dass die muttersprachlichen Sprecher gesprächsstilistische Anpassungen an die Lernerpragmatik einsetzen. Diese lassen sich hauptsächlich unter drei Aspekten darstellen. Erstens verwenden sie Paraphrasen, um die Bedeutung des Gesagten den nichtmuttersprachlichen Studierenden zu erklären. Die muttersprachlichen Dozenten verbringen viel Zeit, ihre Positionen gegenüber der Petition darzulegen. In den transkribierten Daten sind häufig mehrere Paraphrasensequenzen zu sehen. Zweitens geht es um die Gesprächsbeendigung. Im Vergleich zu den rein muttersprachlichen Konversationen in dem Korpus, wo in der Gesprächsbeendigungsphase oft Unterstützungen oder Erfolgswünsche produziert werden, sind in der Kommunikation mit nicht kompetenten Sprechern wenige solcher Beziehungsaktivitäten zu beobachten. Das Gespräch wird häufig abrupt abgeschlossen. Besonders auffallend ist, dass die amerikanischen Sprachlerner gegenüber den muttersprachlichen Dozenten kaum ausgedehnte Beziehungsaktivitäten (z.B. mehrmals Danksagungen) produzieren, wie sie in rein amerikanischen Gesprächen häufig vorkommen. Nach Kotthoff (1991) handelt es sich hier um die Anpassung seitens der nichtmuttersprachlichen Lerner. Sie weist darauf hin, dass die Lerner und die Muttersprachler gemeinsam eine „reduzierte Pragmatik“ (Kotthoff 1991: 391) produzieren. Während die Muttersprachler ihre Sprechweise nach dem Stil der Lernenden modifizieren, passen sich die Lernenden wiederum an die Muttersprachler an. Drittens weist Kotthoff (1991) darauf hin, dass sich die muttersprachliche Anpassung stärker im Bereich der Unschärfeindikation als der Schärfeindikation zeigt. Mit Unschärfeindikation sind Redemittel wie z.B. Modalpartikel, die die Vagheit mindern können, gemeint. Unter Schärfeindikation versteht man verstärkende Redemittel wie „überhaupt“, „wirklich“ und „durchaus“. Kotthoff (1991) zufolge geht die muttersprachliche Anpassung eher in Richtung der Unschärfeindikation, während die verstärkenden Redemittel vermutlich wegen ihrer klarheitsfördernden Funktion gegenüber den ausländischen Studierenden kaum reduziert werden.
Das von Elisabeth Gülich und Ulrich Dausendschön-Gay geleitete Projekt „Kontaktsituationen“ der Universität Bielefeld in den 1980er Jahren behandelt die spezifischen Sequenzen zur Beseitigung sprachlicher Probleme oder Missverständnisse. Ihre Daten bestehen aus Aufnahmen von natürlichen, authentischen Kommunikationssituationen. Ausgehend davon, dass „Gesprächspartner verschiedener Muttersprachen in natürlichen Interaktionssituationen über bestimmte Verfahren oder Strategien verfügen, mit deren Hilfe sie eine Verständigung auch bei reduzierter Kompetenz eines Partners in der Kommunikationssprache erreichen“, (Dausendschön-Gay 1987: 61) entstehen in diesem Forschungsprojekt mehrere ethnomethodologische konversationsanalytische Untersuchungen über z.B. Reparaturhandlungen, Erklärungsprozesse, Missverständnisse, metadiskursive Handlungen und Redebewertungen. Mit der Konversationsanalyse verdeutlicht man, wie und in welchem Ausmaß solche besonderen Strategien in erschwerten Situationen in MS-NMS-Kommunikation eingesetzt werden. Obwohl Aussagen über den Lerneffekt durch diese Strategien wegen der Struktur des Datenmaterials nicht erwartbar sind, weist Dausendschön-Gay (1987) doch darauf hin, dass der Einsatz solcher Aktivitäten der Gesprächsteilnehmer (wie Wortsuchprozesse) als „wichtige Teile eines systematisch ablaufenden Erwerbsprozesses“ (Dausendschön-Gay 1987: 77) zu interpretieren ist.
2.1.3.3 Fremdsprachenunterrichtliche Kommunikation
Ein weiteres Gebiet der Kommunikation mit nicht kompetenten Sprechern ist die Interaktion mit Sprachlernern im Unterricht, wo der Zweitspracherwerb als das Hauptziel gesetzt wird. Angeregt von Firth und Wagner (1997), die behaupten, dass sich die Zweitspracherwerbsforschung statt mentalistischer und kognitivistischer Ansätze vermehrt sozial und kontextuell orientieren soll, lenkt man für diese Forschungsrichtung seit Ende der 1990er Jahre zunehmend Aufmerksamkeit auf die Konversationsanalyse. Die detaillierte Erforschung mit konversationsanalytischer Methode zielt darauf ab, einen Blick auf den Lernprozess zu ermöglichen und damit die soziokulturelle Grundlage für den Zweitspracherwerb herauszufinden.
Mit dem starken Zulauf der Konversationsanalyse in der Zweitspracherwerbsforschung entstehen in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen von Unterrichtsdiskursen. Dabei werden fremdsprachenunterrichtliche Interaktionen auf einer Mikroebene erforscht. Konkret lassen sich diese Studien auf drei Ebenen (Lehrerverhalten, Lerneraktivitäten, Organisation der Gespräche) zusammenfassen. Im Folgenden werde ich anhand ausgewählter Arbeiten auf diese wichtigen Themenbereiche eingehen, die in der Konversationsanalyse für den Zweitspracherwerb behandelt werden.
Konversationsanalytische Studien zur Kommunikation im Fremdsprachenunterricht verdeutlichen das Verhalten der Lehrperson aus einer interaktionalen Perspektive. Schwab (2009) analysiert die Funktion der Lehrperson bei Gesprächsinitiativen im lehrerzentrierten Fremdsprachenunterricht einer deutschen Hauptschule. Seine Daten bestehen aus 13 digitalen Video- und Audioaufnahmen des Englischunterrichts im Abstand von ca. vier Wochen. Aus sequenzieller Perspektive fasst er seine Untersuchungsergebnisse in zwei Kategorien von Sprachhandlungen, die die Lehrperson initiiert, zusammen. Dabei geht es zum einen um den pädagogischen Austausch. Damit meint er das sogennante IRF-Modell (Initiation-Response-Feedback). Das heißt, die Lehrperson stellt zuerst eine Frage, auf die sie meinstens schon die Antwort weiß. Die Lerner reagieren darauf mit einer kurzen Antwort und schließlich bewertet die Lehrperson die Antwort der Lerner. Zum anderen handelt es sich um das sogennante Nachbarschaftspaar (adjacency pair), das als eine der häufigsten Formen von Konversationssequenzen im Alltag erachtet wird (Sacks et al. 1974). Konkret bezeichnet man mit Nachbarschaftspaar die minimale Einheit einer Konversation. Es besteht aus einem initiativen und einem reaktiven Sprechakt. Dazu gehören beispielsweise Begrüßung-Begrüßung, Kompliment-Annahme/Rückweisung Frage-Antwort. Bei den meisten Beispielen in seinem Korpus geht es um Nachbarschaftspaare mit offenen Fragesequenzen. Schwab (2009) ist der Auffassung, dass Nachbarschaftspaare in der Regel offen für die Weiterführung eines Gesprächs sind, während es im pädagogischen Austausch eher um ein in sich geschlossenes Schema handelt.
Während Schwab (2009) sich mit dem Lehrerverhalten bei Gesprächsinitiativen im allgemeinen Fremdsprachenunterricht befasst, beschäftigt sich Koshik (2002) mit den spezifischen Sequenzen der Fehlerkorrektur im fremdsprachenunterrichtlichen Kontext. Konkret setzt sie sich mit den sogenannten DIUs (Designedly Incomplete Utterances) auseinander. Unter DIUs versteht man einen besonderen Typ von Äußerungen der Lehrperson, mit denen die Lerner elizitiert werden können. DIUs sind weder syntaktische Fragen noch vollständige Formulierungseinheiten. Sie treten in unvollständiger Form auf. Die Lehrperson formuliert eine unvollständige Äußerung mit den Worten des Lerners und motiviert ihn damit, diese Äußerung zu vervollständigen. Koshiks (2002) Korpus besteht aus Videoaufnahmen von acht Sitzungen für das fremdsprachliche Schreiben (Englisch), in denen die Lehrperson die Lerner zur Selbstkorrektur elizitiert. Mit konversationsanalytischer Methode verdeutlich sie mehrere Typen von DIUs in spezifisch situativen Kontexten. Ferner vergleicht sie diese mit ähnlichen sprachlichen Handlungen in alltäglichen Konversationen und zeigt damit, wie die alltäglichen DIUs modifiziert im institutionellen fremdsprachlichen Unterricht verwendet werden.
Mit der soziokontextuellen Wende in der Zweitspracherwerbsforschung wird das Sprachenlernen nicht nur als ein individuell kognitiver Lernprozess, sondern auch als eine situative Praxis betrachtet. Die Bedeutung der lernerseitigen Partizipation am Lernprozess wird besonders hervorgehoben. Dazu schreiben Mondada/Pekarek Doehler (2004) folgendermaßen:
language leaning is rooted in learners’ participation in organizing talk-in-interaction, structuring participation frameworks, configuring discourse tasks, interactionally defining identities, and becoming competent members of the community (or communities) in which they participate, whether as students, immigrants, professionals, or indeed any other locally relevant identities. (Mondada /Pekarek Doehler 2004: 504)
In dieser Hinsicht geht das Sprachenlernen über den kognitiven Erwerb der sprachlichen Form hinaus und bezieht den situativen Lernprozess als einen relevanten Bestandteil beim Zweitspracherwerb mit ein. Young/Miller (2004) untersuchen beispielsweise die Entwicklung der interaktionalen Kompetenz im fremdsprachlichen Lehr-Lern-Kontext. Als Untersuchungsgegenstand nehmen sie „revision talk“ zwischen einer Lehrperson und einem vietnamesischen Studierenden, der Englisch lernt. Mit „revision talk“ bezeichnet man eine institutionelle Lehr-Lern-Situation, in der die Lehrperson und der Lerner gemeinsam den vom Lerner verfassten englischen Text überarbeiten. Für den Korpus zeichnen sie vier wöchentlich stattfindende „revision talks“ mittels Videotechnik auf. Die transkribierten Daten untersuchen sie aus konversationsanalytischer Perspektive. Ihr Befund zeigt eine deutliche Entwicklung der lernerseitigen Partizipation an dem Lernprozess. In der ersten Aufnahme spielt vor allem die Lehrperson eine aktive Rolle, indem sie die Probleme im Text identifiziert, erklärt und Hinweise gibt, wie der Lerner seinen Text korrigieren bzw. verbessern kann. Dagegen beteiligt sich der Studierende nur beschränkt an der Interaktion. Er fasst hautpsächlich seinen Text nach den Vorschlägen der Lehrperson neu. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Studierende in den späteren Aufnahmen eine deutlich aktivere Rolle übernimmt, ohne auf die Hinweise der Lehrperson zu warten. Nach Young/Miller (2004) ist diese Entwicklung der interaktionellen Kompetenz des Lerners zum Teil auf das Lehrerverhalten zurückzuführen. Die veränderten Strategien der Lehrperson leisten einen Beitrag zur Förderung der lernerseitigen Beteiligung und somit für seinen Lernprozess. Zur Bedeutung der Lehrperson für die Entwicklung der interaktionalen Kompetenz schreiben Young/Miller (2004):
in fact, the effectiveness of the instructor is precisely in how she manages a division of participation that allows for growth on the part of the student. (Young/Miller 2004: 533)
Neben der Analyse des Lehrerverhaltens zählt in der konversationsanalytischen Fremdsprachenunterrichtsforschung das Thema der Lerneraktivitäten zu den häufig untersuchten Forschungsfeldern. Eine Übersicht über die Rolle der Lerner im Fremdsprachenunterricht aus der sozio-interaktionalen Perspektive liefern Mondada/Pekarek Doehler (2004). Für ihre konversationsanalytische Untersuchung benutzen sie Daten von Diskursen im Fremdsprachenunterricht (Französisch als Fremdsprache) in zwei schweizerischen Schulen. Die Durchführung der „tasks“ (wie z.B. Grammatikübung) in Lehr-Lern-Situationen wird detailliert analysiert. Ihnen zufolge unterliegen solche Situationen weder deduktiven Definitionen, noch lösen sie individuell vorbestimmte Leistungsfähigkeiten aus. Vielmehr bearbeiten die Lerner variable Ressourcen und verwenden sie dann angepasst an verschiedenen Stellen im Lernprozess. So wird die Durchführung der Zielsetzung eher als ein dynamischer sozialer Interaktionsprozess betrachtet, in dem neue Lernobjekte und potenzielle Lernsequenzen durch die Aktivitäten der Lerner entstehen können.
Ebenfalls davon ausgehend, dass sich die Beteiligung der Lerner an der fremdsprachenunterrichtlichen Kommunikation nicht auf ihre Reaktion auf die lehrerseitigen Fragen beschränken, untersucht Schwab (2009) die Lerneraktivitäten bei den Gesprächsinitiativen. Aufgrund seiner empirischen Untersuchung weist der Autor darauf hin, dass die lernerseitigen Beitragsinitiativen spontansprachlich und im Kontext von lehrerinitiierten Rahmenhandlungen als Einschubseqeunzen eingebettet sind. Konkret analysiert er die Lernerinitiativen unter vier Aspekten, nämlich in ihrer sequenziellen Positionierung, in ihrer semantischen bzw. inhaltlichen Positionierung, in ihrer relationalen Positionierung (im Verhältnis zu den sprachlichen Aktivitäten der Lehrkraft und der Mitschüler) und in ihrer räumlich-interaktionalen Positionierung. Damit ermöglicht Schwab (2009) ein Gesamtbild, mit dem man die lernerinitiierten Gesprächssequenzen als eigenständige Sprachhandlungen innerhalb des lehrerzentrierten Unterrichts betrachten kann.
Bezogen auf die Organisation der Gespräche im Fremdsprachenunterricht werden in der Konversationsanalyse vor allem Sprecherwechsel (turn taking) und Reparatur erforscht. Das System des Sprecherwechsels gilt als ein grundsätzliches Element der Konversation. Die Organisation des Sprecherwechsels gehört zu den frühesten Forschungsgebieten der Konversationsanalyse (Sacks et al. 1974). Diese Methode zeigt, dass sich der Fremdsprachenunterricht durch seine spezifischen Systeme des Sprecherwechsels auszeichnet. Eine der bisher umfassendsten Studien dazu stellt Seedhouses (2004) empirische Forschung dar. Er arbeitet heraus, dass es unmöglich ist, von einem einzigen System des Sprecherwechsels in der fremdsprachenunterrichtlichen Kommunikation auszugehen. Die Organisation des Sprecherwechsels im Fremdsprachenunterricht hängt vom pädagogischen Fokus ab. In Kontexten mit unterschiedlichen pädagogischen Zielen sind verschiedene Systeme des Sprecherwechsels zu beobachten. In seiner Studie findet Seedhouse (2004) vier fremdsprachenunterrichtliche Kontexte, die verschiedene pädagogische Fokusse verfolgen: