Kitabı oku: «Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG», sayfa 3

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II. Der sachliche Schutzbereich von Art. 140 GG i.V.m Art. 137 Abs. 3 WRV
1. Das „Ordnen“
a) Verfassungsrechtliche Ausgangssituation

Die Selbstbestimmung bei der Ordnung eigener Angelegenheiten i.S.v. Art. 140 i.V.m. Art 137 Abs. 3 S. 1 WRV entzieht dem Staat nach allgemeiner Überzeugung die Möglichkeit, auf die Rechtssetzung der Religionsgemeinschaft Einfluss zu nehmen.47 In der Norm selbst liegt keine Ermächtigung zur kirchlichen Rechtssetzung, da die Regelungsmacht nur für solche Bereiche übertragen werden kann, die der Kompetenz des Staates unterliegen.48 Eine solche Kompetenz ist allein schon aufgrund des staatlichen Neutralitätsgebots in Bezug auf die Beurteilung religiöser Fragestellungen zu verneinen.49 Vielmehr erkennt die Vorschrift eine bereits bestehende Rechtssetzungskompetenz in eigenen Angelegenheiten an. Das Inkrafttreten kirchlicher Regelungen ist nicht von Vorlagen und staatlichen Genehmigungen abhängig.50

Unproblematisch gestaltet sich diese Rechtssetzungsmacht der Religionsgemeinschaften im ausschließlich innerorganisatorischen Bereich. Da allerdings kirchliche Regelungen in eigenen Angelegenheiten auf staatlich reglementierte Lebensbereiche einwirken können, wird teilweise eine Einschränkung der vorbenannten Rechtssetzungsfreiheit der Kirche erwogen: Sofern eine kirchliche Regelungen im weltlichen Bereich Geltung beansprucht, wird diskutiert, ob es hierfür einer „staatlichen Beleihung“ bedürfe.51 Hinsichtlich der Wirksamkeit der eigenständigen Rechtssetzung der Religionsgesellschaft im weltlichen Bereich differenziert die Literatur mitunter zwischen verfassungsrechtlich gebotenen Regelungen und solchen Regelungen, die es nicht sind.52 Wenn die Rechtssetzung von Verfassung wegen geboten sei, müsse die Rechtswirksamkeit bejaht werden, da andernfalls der Staat diese Felder reglementieren könne. Unter diesem Gesichtspunkt sei der Staat verpflichtet, solchen Rechtsakten zur Wirksamkeit zu verhelfen.53

b) Stellungnahme

Der zuletzt genannten Auffassung ist zu folgen. Die Bejahung der Normqualität kirchlicher Regelungen sichert die Verwirklichung des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts.54 Es war zum Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes erkennbar, dass das religiöse Leben gerade auch auf weltliche Zusammenhänge einwirkt. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich gleichwohl für die Anerkennung der Ordnungsmacht der Religionsgemeinschaften entschieden. Diese „zentrale Grundentscheidung“55 des Verfassungsgebers darf nicht dadurch entwertet werden, dass der Staat den Regelungen unabhängig von der Schrankenregelung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV ihre Rechtswirksamkeit abspricht.56 Die Frage der Wirksamkeit religionsgemeinschaftlicher Regelungen muss dabei insoweit konsequent beantwortet werden, als dass die Rechtsnormqualität auch der Rechtssetzung neuer, ggf. noch unbekannter Religionsgemeinschaften zuzubilligen wäre.57 Eine mit der staatlichen Verfassungsordnung konkurrierende Rechtsordnung ist gleichwohl nach hier vertretener Auffassung nicht zu befürchten. Die Bejahung des Anwendungsvorrangs setzt eine umfassende Prüfung von Schutzbereich und Schranke des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV voraus.58 Diese ist mit einer intensiven Abwägung von kollidierenden Grundrechten sowie Rechten und Rechtsgütern von Verfassungsrang verbunden.59 Dieser Mechanismus schließt aus, dass sich eine der Verfassungsordnung widersprechende oder auch nur willkürliche Regelung gegen die staatliche Rechtsordnung behaupten kann.60

2. Das „Verwalten“

Das Verwalten umfasst die „[…] freie Betätigung der Organe zur Verwirklichung der jeweiligen Aufgaben einschließlich des Verfahrensrechts, die einer Religionsgemeinschaft gesetzt sind […]“.61 Wie der Begriff des „Ordnens“ ist auch der Begriff des „Verwaltens“ weit auszulegen und erfasst insbesondere die Leitungstätigkeit der Kirche sowie die freie Bestimmung der Organisation der Religionsgesellschaft.62 Das „Verwalten“ beinhaltet die Umsetzung eigenen Rechts einschließlich der auf dieser Basis ergangenen Beschlüsse.63 Hiermit verbunden ist auch die Befugnis, eine eigenständige Gerichtsbarkeit einzusetzen, die in eigenen Angelegenheiten nach dem Ethos der Religionsgemeinschaft Recht spricht.64 Schließlich ist auch die Ämterbesetzung gem. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV miterfasst.65 Die zusätzliche Aufnahme des zweiten Satzes im Art. 137 Abs. 3 WRV erfolgte aufgrund des historischen Kampfes der Kirche um diese Freiheit.66

3. Die „eigenen Angelegenheiten“
a) Begriff und Umfang

Seinem geschichtlichen Entstehungskontext geschuldet, diente die Definition der „eigenen Angelegenheiten“ der Entkopplung von Staat und Kirche und war daher in Abgrenzung zu staatlichen Angelegenheiten auszulegen.67 Dieser Ansatz wird heute in der sog. „Bereichsscheidungslehre“ sowie in der älteren Rechtsprechung des BVerfG68 und wohl noch vom BVerwG69 vertreten, wobei davon ausgegangen wird, dass der Staat generell nicht in die inneren Verhältnisse der Religionsgemeinschaften eingreifen dürfe.70

Die „Bereichsscheidungslehre“ gilt in der neueren Literatur71 als weitgehend überholt und auch die Rechtsprechung des BVerfG72 und des BGH73 tendiert zu einer umfassenderen Betrachtung, die dem Umstand Rechnung trägt, dass sich die zu regelnden Lebensbereiche häufig nicht schematisch dem Staat oder der Religionsgemeinschaft zuordnen lassen.74 Die eigenen Angelegenheiten werden als derjenige Bereich betrachtet, den die Religionsgemeinschaften nach ihren Vorstellungen behandeln dürfen.75 Die Reichweite des Schutzbereichs unterliegt damit zunächst der Definitionsmacht der Religionsgemeinschaft nach ihrem Selbstverständnis.76

Zu den eigenen Angelegenheiten im engeren Sinne gehört die Festlegung von Lehre und Kultus in Bezug auf Bekenntnisgrundlagen, Ausbildung von Geistlichen, Verkündigung der Lehre sowie die Ausgestaltung der einzelnen Gottesdiente.77 Ferner zählt hierzu die Bestimmung der Verfassung und der Organisationsstruktur, da insbesondere staatliche Prinzipien wie die Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip für die Religionsgemeinschaft keine zwingende Wirkung entfalten.78 Die besonders gewichtigen Angelegenheiten gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV beinhalten ebenfalls karitative sowie diakonische Tätigkeiten der Kirche einschließlich der damit verbundene Kranken-, Jugend-, Familien-, Alten- und Behindertenhilfe.79 Nach einhelliger Ansicht zählt die Ausgestaltung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse durch privatrechtliche Arbeitsverträge zu den „eigene Angelegenheiten“ gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.80

b) Prozessuale Darlegungs- und Beweislast

Die Religionsgemeinschaften sind hinsichtlich des Vorliegens der von ihnen beanspruchten „eigenen Angelegenheiten“ vor staatlichen Fachgerichten darlegungs- und beweisbelastet.81 Nach Auffassung des BVerfG dürfen die Gerichte kirchliche Vorgaben und Entscheidungen gleichwohl nicht nach „weltlich“-objektiven Maßstäben bewerten.82 Vielmehr entfalte die ggf. durch die Einschätzung eines theologischen Sachverständigen belegte Einschätzung der Religionsgemeinschaft eine bindende Wirkung, auf deren Grundlage das Fachgericht ohne inhaltliche Prüfung zu urteilen habe.83 Diese Definitionshoheit finde ihre Grenze allein in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), den „guten Sitten“ i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB sowie dem „ordre-public“-Vorbehalt (Art. 6 EGBGB).84 Insoweit unterliege der kirchliche Vortrag einer fachgerichtlichen Plausibilitätskontrolle.85

III. Auslegung der „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“

Aufgrund der Definitionsmacht der Religionsgemeinschaften bei der Bestimmung des Schutzbereichs eigener Angelegenheiten sind die verfassungsgesetzlich normierten Schranken des Selbstbestimmungsrechts von besonderer Bedeutung.86 Obgleich Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV nur von der Sicherung des Selbstbestimmungsrechtes „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ spricht, erstreckt sich sein Anwendungsbereich nach allgemeiner Ansicht auch auf die Freiheit der Ämterverleihung gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV.87 Es ist im Übrigen nach wie vor umstritten, wie die Schrankenregelung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV zu verstehen ist.88

1. Heckel‘sche Formel

Zur Zeit der Entstehung der Weimarer Reichverfassung wurde die Schrankenregelung streng wörtlich als das Gesetz, das für „jedermann“ gilt, ausgelegt.89 Das Wort „alle“ wurde von der herrschenden Weimarer Staatsrechtslehre also nicht „adjektivisch“ in Bezug auf die Religionsgesellschaften verstanden, sondern „substantivisch“.90

Mit der sog. „Heckel’schen Formel“91 wurde demgegenüber der Schrankenregelung ein materieller Sinngehalt zugewiesen.92 Johannes Heckel kritisierte eine die Freiheit der Religionsgesellschaften durch die für alle Vereine geltenden Gesetze einschränkende Auslegung, da die kirchliche Autonomie einen „Unterfall“ bürgerlicher Freiheiten bilde.93 Er vertrat eine prinzipielle Gleichordnung von Staat und Kirche.94 Er war der Auffassung, ein „für alle geltendes Gesetz“ sei ausschließlich ein solches, das bei gleichzeitiger Anerkennung der Autonomie der Kirche „[…] im Sinn der Verfassung für den Bestand der Gesamtnation als einer politischen, kulturellen und Rechtsgemeinschaft unentbehrlich […]“ sei.95

Auch wenn die „Heckel‘sche Formel“ als solche nicht mehr vertreten wird, ist sie auch in der jüngeren Literatur noch Gegenstand der Diskussion.96 Nach Auffassung ihrer Kritiker würden immer wieder Gesetze des Bau- oder Polizeirechts die Kirchen binden, ohne dass hierbei eine Unentbehrlichkeit für die Gesamtnation feststellbar sei.97 Umgekehrt sei – wie ein Blick in die Vergangenheit zeige – nicht jedes für die Gesamtnation „unentbehrliche“ Gesetz für die Religionsgemeinschaft zumutbar.98 Ferner sei die Formel aufgrund ihrer pauschalen Formulierung wenig praktikabel und verhindere einen strukturierten und rational geführten Prozess der praktischen Konkordanz kollidierender Rechtsgüter.99 Ein gleichstufiges Verhältnis von Staat und Kirche sei schließlich nicht mit dem modernen Verständnis einer dem Grundgesetz und dem souveränen Staat untergeordneten Kirche vereinbar.100

2. „Bereichslehre“ und „Jedermann-Formel“
a) Konzept

Im Anschluss an die Formel Heckels setzte sich die sog. „Bereichslehre“ durch, nach der zwischen dem Innenbereich und dem Außenbereich kirchlicher Angelegenheiten zu unterscheiden sei.101 Die Schrankenregelung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV solle nicht bei inneren Angelegenheiten wie der Entscheidung über Kult und Ämter, sondern lediglich bei Entscheidungen, die Rechte Dritter berühren, Anwendung finden.102

Das BVerfG entwickelte für den Anwendungsbereich der Schrankenklausel im Außenbereich die sog. „Jedermann-Formel“, wonach ein „für alle geltendes Gesetz“ nur ein solches sei, das die Religionsgemeinschaft in gleicher Weise treffe wie andere Personen und Verbände.103 Die Religionsgemeinschaft sei aber nicht gleich betroffen, wenn das Gesetz die Religionsgemeinschaft in ihrer Besonderheit „härter“ treffe, indem es ihr Selbstverständnis und damit ihren „geistig-religiösen Auftrag“ beschränke.104 Diese sich an der Auslegung der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG orientierende Formel dient insbesondere der Verhinderung von Sondergesetzen, wie sie im Rahmen des Bismarck’schen Kulturkampfes erlassen wurden.105

b) Rechtswissenschaftliche Rezeption

Obgleich die „Bereichslehre“ auch von der Rechtsprechung106 lange angewendet wurde, war sie stets der Kritik ausgesetzt.107 Ihr Vorteil könne zwar darin gesehen werden, dass sie zu vorhersehbareren Entscheidungen führe, da die gerichtliche Entscheidungsfindung keine Abwägung im Einzelfall voraussetze.108 Allerdings liege der „Bereichslehre“ selbst bereits eine Abwägungsentscheidung zugrunde.109 Der Bereich der inneren Angelegenheiten werde von vornherein ohne transparente Argumentationslinie in einer Weise gewichtet, die eine staatliche Einwirkung gänzlich ausschließe.110 Aber auch umgekehrt verhindere die „Bereichslehre“ die Möglichkeit, durch den Ausgleich der kollidierenden Rechtsgüter eine Einzelfallgerechtigkeit sicherzustellen.111 Ferner finde die Aufspaltung der eigenen Angelegenheiten in innere und äußere Bereiche keine Stütze im Wortlaut der Norm.112

Die „Jedermann-Formel“ ist aus Sicht einiger Literaturstimmen ebenfalls nicht frei von Widersprüchen: So könne sie bspw. nicht konsequent im Bereich der staatlichen Regelung von Zivilehen und Kirchenaustritten angewendet werden, da diese das kirchliche Selbstverständnis in besonderem Maße strapazieren würden.113

3. Güterabwägung und Wechselwirkungslehre
a) Konzept

In der neueren Literatur wird eine an die Bewertung des Begriffs des „allgemeinen Gesetzes“ i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG anknüpfende Definition gewählt, wonach sich das „für alle geltende Gesetz“ nicht speziell gegen die Religionsgemeinschaft bzw. die Religion wenden dürfe.114 Vielmehr müsse das Gesetz einem unabhängig vom Selbstbestimmungsrecht schützenswerten Recht oder Rechtsgut dienen.115 Das BVerfG folgt diesem Ansatz und wendet in seiner neueren Rechtsprechung, ohne ausdrücklich von früheren Ansätzen abzurücken, einen „differenzierten Verhältnismäßigkeitsmaßstab“ an.116 So wie die Dogmatik zu Art. 5 Abs. 2 GG nicht bei dem Verbot von Sondergesetzen verharrte, sondern einen verfeinerten Schutzstandard mit der Möglichkeit einzelfallgerechter Entscheidungen anstrebte117, trägt das BVerfG mit Zustimmung großer Teile der Literatur118 dem Gedanken der Wechselwirkung kollidierender Verfassungsrechte durch eine besondere Güterabwägung Rechnung.119 Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche müsse danach in allen inneren wie äußeren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft mit denjenigen Rechtsgütern abgewogen werden, die durch das einschränkende Gesetz geschützt werden, wobei sich beide Positionen weitestgehend verwirklichen sollen.120

Beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen sei die vorbehaltlose Sicherung der korporativen Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG zu beachten, da dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften in besonderem Maße Bedeutung zukomme.121 Wo die Rechtsordnung das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis des Grundrechtsträgers voraussetze, verletze der Staat die Eigenständigkeit der Religionsgemeinschaft und ihre verfassungsrechtlich verankerte Selbstständigkeit, „[…] wenn er bei der Auslegung der sich aus dem Bekenntnis ergebenden Religionsausübung das Selbstverständnis nicht berücksichtigen würde […]“.122 Das kirchliche Proprium sei nach Auffassung des BVerfG „[…] als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geschützt.“123 Das einschränkende Gesetz müsse demnach stets „im Lichte der Bedeutung“ des Selbstbestimmungsrechts gewertet werden, wobei dessen Auslegung auch Rang und Gewicht des kollidierenden Rechtsguts zu beachten habe.124

b) Rechtswissenschaftliche Rezeption

Die Eröffnung von Abwägungsspielräumen für die Rechtsprechung begegnet mitunter grundsätzlicher Kritik. So wird vertreten, die Güterabwägung entbehre mangels „normativer Anhaltspunkte“ in der Verfassung eines dem Rechtsstaatsprinzip genügenden inhaltlichen Maßstabs.125 Das Verfassungsprimat könne nur durch eine Rechtspraxis bewahrt werden, die sich „[…] in den Fesseln rechtspositivistischer Auslegungsregeln […]“ bewege.126 Unter dem Gesichtspunkt der durch die Gewaltenteilung bestimmten Kompetenzen plädiert ein Teil der Literatur für eine Interpretationsbegrenzung im Rahmen der Einzelfalljudikatur.127 Die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips erfordere eine „Verallgemeinerungsfähigkeit“ der Einzelfallentscheidung.128

Weiter kritisieren einzelne Literaturstimmen, die Rechtsprechung messe dem Selbstbestimmungsrecht ein solches Gewicht im Rahmen der Abwägung zu, das die effektive Durchsetzung kollidierender Rechtspositionen im Wege der Schrankenregelung verhindere.129 Vorgeschlagen wird eine an abstrakten Fallgruppen orientierte Abwägung, die einen „[…] typisierenden Maßstab für die Lösung konkreter Einzelfälle […]“ ermögliche.130

Demgegenüber gibt ein Teil der Literatur die Anerkennung der Definitionsmacht der Religionsgemeinschaften hinsichtlich der in die Abwägung einzubeziehenden „eigenen Angelegenheiten“ seitens des BVerfG131 zu bedenken.132 Solange die Religionsgemeinschaften die Zuordnungsentscheidung nach ihrem Selbstverständnis treffen würden, werde der Richter nicht zum „[…] Herrn über das Grundverhältnis von Staat und Kirche […]“.133 Ein das Selbstbestimmungsrecht einschränkendes Recht finde aber dort seine Grenze, wo es den Staat zu einer Ordnung verpflichte, die der religiösen Eigenart keinen Raum belässt.134 Der Staat müsse der Religionsgemeinschaft einen Weg ermöglichen, ihre Angelegenheiten unter Berücksichtigung der Charakteristika ihres Ethos zu gestalten, und zwar unabhängig davon, ob das staatliche Recht im Einzelfall Anwendung finde oder nicht.135

4. Stellungnahme

Gegen die überkommene „Heckel’sche“ Formel spricht bereits ihre fehlende Praktikabilität136 sowie ihre Widersprüchlichkeit hinsichtlich der für die Kirche zumutbaren „unerlässlichen“ Regelungen137. Die „Bereichslehre“ vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Einwände der Literatur gegen eine Aufspaltung des Begriffs der eigenen Angelegenheiten in einen inneren und äußeren Teil greifen durch: Eine Aussparung des – wenn auch nur verhältnismäßig kleinen – inneren Bereichs von der Schrankenklausel würde auch mit Blick auf den subjektiven Anwendungsbereich der Norm zu bedenklichen Ergebnissen führen. Die Zubilligung einer umfassenden Rechtssetzungsmacht für eine Religionsgemeinschaft kann nur unter der Prämisse der Anwendbarkeit der Schrankenklausel erfolgen. Verfassungsrechtlich geschützte, kollidierende Rechtsgüter wären zwar durch eine fehlende Anwendbarkeit der Schrankenklausel in inneren Angelegenheiten nicht gänzlich schutzlos gestellt, da die Möglichkeit der Beschränkung unter dem Gesichtspunkt der verfassungsimmanenten Schranken verbliebe.138 Gleichwohl birgt die „Bereichslehre“ das Risiko unvorhersehbarer Unbilligkeiten für die Anhänger einer Religionsgemeinschaft sowie für Dritte.

Der „Jedermann-Formel“ ist neben ihrer Widersprüchlichkeit im Bereich der Eheschließung und des Kirchenaustritts auch aus einem weiteren Grunde nicht zu folgen: Die Beantwortung der Frage, ob eine Regelung die Kirche „härter“ trifft oder nicht, und damit im Ergebnis die Schranke greift oder nicht, würde durch die Anwendung der Formel in das Ermessen der Gerichte gestellt werden. Diese müssten unter Auswertung der Standpunkte der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft entscheiden, ob eine religiöse Besonderheit vorliegt, die durch den streitgegenständlichen Eingriff besonders empfindlich berührt wird. Dies mag aufgrund der historisch gewachsenen Beziehung von Staat und Kirche in Deutschland in der Vergangenheit nicht zu problematischen Rechtssprechungsergebnissen geführt haben.139 Aber die Beantwortung der Frage nach der richtigen Dogmatik muss auch für eine zukünftige, dynamische Entwicklung des Religionsverfassungsrechts mit Blick auf den subjektiven Anwendungsbereichs Konsistenz und Praktikabilität aufweisen.140 Unabhängig vom Sonderfall der Kirche ist fraglich, inwieweit ein Richter die besondere Empfindlichkeit einer religiösen Eigenart ohne Überschreitung des staatlichen Neutralitätsprinzips und des Selbstbestimmungsrechts zu bewerten vermag. Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts müsste die Einschätzung des Betroffenheitsgrades der Religionsgemeinschaft nach dem eigenen Selbstverständnis überlassen sein. Eine einzelfallgerechte Entscheidung mit Blick auf die betroffenen Rechte und Interessen der Gegenseite wäre demnach nicht sichergestellt.

Das Ziel der „Jedermann-Formel“, die Verhinderung von Sondergesetzen, kann durch die Übertragung des Gedankens der „allgemeinen Gesetze“ gem. Art. 5 GG ebenfalls erreicht werden. Durch das Erfordernis eines ohne Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht zu schützenden Rechtsgutes wird der Prüfungsmaßstab objektiviert. Allerdings ermöglicht dieser Ansatz allein noch nicht eine einzelfallgerechte Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter. Vorzugswürdig erscheint somit eine die Wechselwirkungen konfligierender Rechtsgüter berücksichtigende Güterabwägungslehre.

Soweit die gerichtliche Güterabwägung unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung als problematisch eingestuft wird, ist dem entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber nicht in der Lage sein dürfte, jeden Einzelfall zu regeln. Für die Sicherstellung der Gerechtigkeit im Einzelfall erscheint demnach eine „Situationsjurisprudenz“141 unerlässlich.142 Die Rechtsprechung und die wohl herrschende Literatur räumen diesem schonenden Ausgleich widerstreitender Interessen mit guten Gründen eine hohe Stellung ein und nehmen in Kauf, dass sich die gerichtlichen Wertungen zu Lasten der Rechtssicherheit nicht stets verallgemeinern lassen.143 Ferner verfügt die Rechtsprechung auf dem Gebiet der Abwägungslehre über ein hohes Maß an Erfahrung, da sie diese Lehre seit vielen Jahren bei Entscheidungen im Rahmen von Art 5 Abs. 1, Abs. 2 GG anwendet. Eine Judikatur, die das Selbstbestimmungsrecht einer anderweitigen, weniger ausgereiften Kontrolle unterwirft, erweist der Rechtssicherheit vermutlich einen „Bärendienst“.