Kitabı oku: «Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG», sayfa 4
5. §§ 1 ff. KSchG und § 626 BGB als für alle geltende Gesetze
Das deutsche Kündigungsschutzrecht bildet eine für das kirchliche Selbstbestimmungsrecht bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen maßgebliche Schranke. Die §§ 2 ff. KSchG sowie § 626 BGB sind Gesetze i.S.d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.144 Die in ihnen enthaltenden unbestimmten Rechtsbegriffe („sozial ungerechtfertigt“ bzw. „wichtiger Grund“) eröffnen den Spielraum für die richterliche Güterabwägung.145
6. Das AGG als ein für alle geltendes Gesetz
Das AGG146 verbietet gem. §§ 1, 7 AGG eine Diskriminierung von Arbeitnehmern oder Bewerbern aus Gründen der Religion oder Weltanschauung.147 Insoweit schränkt das Gesetz kirchliche Arbeitgeber bei der Aufstellung von kündigungsrelevanten Loyalitätsanforderungen ein, die hinsichtlich der Konfession des Betroffenen differenzieren.148 Das Gesetz wirkt in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften als Schrankenregelung i.S.d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.149
7. Verfassungsimmanente Schranken
Die Freiheiten des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV werden durch die Grundrechte und Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt, die eine verfassungsimmanente Schranke bilden.150 Diese Begrenzung tritt neben die „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Sie bedarf eines förmlichen Gesetzes.151 Zur Begrenzung des Selbstbestimmungsrechts ist also nur der Gesetzgeber ermächtigt.152 Der Gesetzesvorbehalt folgt dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG.153 Es handelt sich um die Einschränkung einer Rechtsposition, die in den ausschließlichen Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fällt (sog. „Wesentlichkeitsvorbehalt“).154
8. Schranken aus Konkordaten und Kirchenverträgen
Soweit die Kirchen sich gegenüber dem Staat vertraglich zu Einschränkungen ihres Selbstbestimmungsrechts verpflichtet haben, steht diesen Beschränkungen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV nicht entgegen.155 Durch die vertragliche Übernahme von wechselseitigen Gewährleistungen bewirken Staat und Kirche die Harmonisierung ihres Verhältnisses.156 Die Reichskonkordaten und neueren Kirchenverträgen erkennen die „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ verbindlich an.157
IV. Das Verhältnis von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV zu Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG
Es wird mit vielen Nuancierungen eine Auseinandersetzung darüber geführt, inwieweit Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 GG gegenüber Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG158 einen eigenständigen Sachverhalt regelt. Die umfassende Beleuchtung der Bedeutung des Art. 137 Abs. 3 WRV für die deutsche Verfassung gebietet eine Stellungnahme zu seiner Regelungsfunktion.
1. Der Streitstand im Überblick
a) Die Rechtsprechung des BVerfG
Das BVerfG weist in seiner Rechtsprechung auf eine eigenständige Bedeutung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV hin:
„Die Garantie freier Ordnung und Verwaltung eigener Angelegenheiten ist eine notwendige, rechtlich selbstständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 4 Abs. 2 GG) die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt […].“159
Im Chefarzt-Urteil des BVerfG heißt es:
„Sie [gemeint sind die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der WRV, Anm. d. Verf.] sind – mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG – untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes[…].“160
Zwischen der Religionsfreiheit i.S.v. Art. 4 GG und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV bestehe nach Auffassung des BVerfG ein solch enger „organischer“ Zusammenhang, dass die Schutzgehalte des Art. 137 Abs. 3 WRV durch eine auf Art. 4 GG gestützte Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten.161 Diese betrachtet das Verfassungsgericht umfassend, d.h. auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV.162 Soweit sich der Schutzbereich von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und der korporativen Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG decke, finde Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zwar aufgrund der speziellen Schrankenbestimmung vorrangig Anwendung.163 Den schrankenlosen Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG werde jedoch im Abwägungsprozess dadurch Rechnung getragen, dass dem Selbstbestimmungsrecht in der Abwägung mit konkurrierenden Rechten ein „besonderes Gewicht“ beizumessen sei.164
b) Institutionelle Freiheitsgarantie
Nach einer an die historischen Weimarer Wurzeln des Selbstbestimmungsrecht anknüpfenden Betrachtung wird Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV eine institutionelle Dimension beigemessen, die unabhängig von dem durch Art. 4 GG gewährleisteten Freiheitsgrundrecht zu betrachten sei.165 Diese Ansicht wird teilweise dahingehend modifiziert, dass eine gemeinsame Betrachtung von institutionellem Recht und Freiheitsrecht zu erfolgen habe.166
c) Auffangfunktion
Demgegenüber vertritt ein großer Teil der aktuelleren Literatur die Auffassung, dass sich die Schutzbereiche beider Normen weitgehend decken würden und im Nebeneinander beider Normen der schutzintensivere Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG regelmäßig vorrangig anzuwenden sei, wobei im Falle des Handelns von Religionsgemeinschaften die spezielle Schranke des Art. 137 Abs. 3 WRV greife.167 Das Religionsverfassungsrecht wird insoweit aus der Perspektive des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG betrachtet.168 Lediglich im Rahmen von organisationsrechtlichen Fragen der Struktur und Mitgliedschaft verbleibe Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV eine eigenständige Bedeutung.169
Hieran wird kritisiert, dass nicht alle über Art. 140 GG inkorporierten Rechte lediglich von Art. 4 GG ableitbar seien, auch wenn Art. 4 GG als „zentrale Grundentscheidung“170 oder sogar „religionsrechtliche Grundnorm“171 betrachtet werden könne. Soweit sich die Regelungen von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV nicht direkt aus Art. 4 GG ableiten ließen, handle es sich um „spezifische Ausprägungen der Schutzpflichtendimension der Religionsfreiheit“ für das deutsche Religionsverfassungsrecht.172
d) Kollisionsfunktion
Die eigenständige Bedeutung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV soll auch nach Auffassung eines Teils der Literatur in dessen besonderer Funktion liegen. Die Vorschrift diene der Auflösung der Kollision einer sich gegenseitig ausschließenden staatlichen wie kirchlichen Rechtsetzung in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand.173 Mithilfe von Art. 137 Abs. 3 WRV könne in den seltenen Fällen, in denen sich die gleichzeitige Anwendbarkeit von kirchlichem und staatlichem Recht ausschließe, bestimmt werden, welche Regelung Anwendung finde.174 Der Staat akzeptiere insoweit die Regelungszuständigkeit der Kirche im Rahmen der Schrankenregelung.175
Die Einordnung der Religionsgemeinschaft als eine dem Staat ebenbürtige Inhaberin von Rechtsgewalt begegnet in der Literatur heftigem Widerspruch. Sie lasse sich mit dem heutigen Verständnis der Unterordnung der Kirche unter das Grundgesetz176, dem Prinzip staatlicher Souveränität177 sowie der Übertragung der Gemeinwohlverantwortung auf den Staat178, nicht vereinbaren. Dem halten die Vertreter der Kollisionsfunktion entgegen, der Staat erkenne die Kirche als „societas perfecta“ an, „[…] die nicht nach seinem, sondern nach eigenem Recht lebt […]“.179
Auch geht die Rechtsprechung davon aus, der Verfassungsgeber habe durch die Inkorporation des Selbstbestimmungsrechts zum Ausdruck gebracht, dass die Religionsgemeinschaften „ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten“.180 Ferner sei eine den aktuellen staatlichen Präferenzen ggf. widersprechende, wesentliche Grundentscheidung zu Gunsten der Stellung der Kirche getroffen worden.181 Die gesonderte Verankerung des Selbstbestimmungsrechts diene dazu, die Anerkennung des Verhältnisses von Religionsgemeinschaft und Staat festzuschreiben.182
2. Stellungnahme
Das Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV steht unstreitig in engstem Zusammenhang mit der Religionsfreiheit und ist demnach im Lichte der Religionsfreiheit auszulegen.183 Einzelne Aspekte des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bedingen nach hier vertretener Auffassung die Freiheit der kollektiven Religionsausübung der Gläubigen und ergeben sich demgemäß bereits aus Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG.184 Insofern tritt Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV hinter den schutzintensiveren Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG zurück.185 Mit Blick auf die Subsumtion von Sachverhalten unter die Rechtsvorschrift ist demnach zu differenzieren, inwiefern die Angelegenheit lediglich einen administrativen Charakter hat oder einen Bezug zur Religionsfreiheit aufweist.186
Eine eigenständige Bedeutung bei gleichzeitiger Anerkennung der Verknüpfung beider Artikel liegt nach überzeugender Ansicht ferner in der Kollisionsfunktion des verfassungsrechtlich gesondert verankerten Selbstbestimmungsrechts. Eingewendet wird, der vorstehende Ansatz biete keine Vorgaben für die Auflösung des Kollisionsverhältnisses, da das Vorrangverhältnis nicht festgelegt werde.187 Die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts und damit einhergehend der Anwendungsvorrang können aber auf der Ebene des Schutzbereichs sowie insbesondere der Schrankenbestimmung hinlänglich konkretisiert werden. Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV gibt diesbezüglich einen hinreichend ausdifferenzierten „Ausgleichsmechanismus“188 vor.189
Ein die Bedeutung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV in das Deklaratorische verschiebender Ansatz vermag nicht zu überzeugen. Verfassungsrechtliche Normierungen weisen im Zweifelsfall eine eigenständige Bedeutung auf und sind dementsprechend auszulegen.190 Richtigerweise muss die Durchsetzung jeglichen Rechts in weltlichen Angelegenheiten dem staatlichen Gewaltmonopol obliegen und der Staat selbst hat die kirchlichen Normen mit unmittelbarem Geltungsrang auszustatten, soweit Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV dies gebietet. Dies stellt die Annahme einer Kollisionsfunktion aber nicht infrage. Im Falle einer vorrangigen Anwendung kirchlicher Regelungen in weltlichen Angelegenheiten hat der Staat diesem Anwendungsvorrang gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zur Geltung zu verhelfen und ggf. den erforderlichen Rahmen für die insoweit gelebte Religionsfreiheit zu schaffen191. Dieses Durchsetzungsgebot ermächtigt den Staat indes nicht zu einer inhaltlichen Kontrolle kirchlicher Regelungen und ist nicht auf deren Genehmigung ausgelegt.192 Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben eine der staatlichen Säkularisierungstendenz gegenüber „witterungsbeständige“ Entscheidung zugunsten einer Sonderrolle der Religionsgemeinschaft im verfassungsrechtlichen Gefüge gefällt.193
B. Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen als „eigene Angelegenheiten“ der Kirchen
Nachdem geklärt wurde, unter welchen Voraussetzungen das Grundgesetz das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bei der Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten sichert, soll nunmehr der verfassungsrechtliche Schutz des Selbstbestimmungsrechts kirchlicher Arbeitgeber im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen näher betrachtet werden. Hierfür ist zunächst ein Grundverständnis vom Wesen des kirchlichen Dienstes erforderlich. Ferner müssen die Loyalitätsanforderungen der Kirchen als Ausprägung des kirchlichen Selbstverständnisses untersucht werden. Da vorliegend anhand der katholischen Loyalitätsanforderungen die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts untersucht wird, ist die Darstellung der Besonderheiten des evangelischen Dienstes auf einen Überblick beschränkt. Nachdem die Grundlagen des kirchlichen Dienstverhältnisses erarbeitet sind, kann die Einordnung des Selbstbestimmungsrechts kirchlicher Arbeitgeber bei der Kündigung von Arbeitsverhältnisses in der Rechtsprechung des BVerfG gewürdigt werden.
I. Transzendenzschutz statt Tendenzschutz
In der Literatur wird darüber gestritten, ob die für sog. „Tendenzbetriebe“194 geltenden arbeitsrechtlichen Grundsätze auf Religionsgemeinschaften übertragen werden können oder ob es mit Blick auf ihre spezielle verfassungsrechtliche Stellung besonderer Regeln bedarf.
Ein Teil der Literatur verneint einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Religionsgemeinschaften und Tendenzträgern mit dem Argument, dass ein „gewisser Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ auch in der kirchlichen Dienstgemeinschaft nicht geleugnet werden könne.195 Es sei kein gravierender Unterschied zwischen Grundrechten und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht festzustellen, zumal das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zunehmend in einem Funktionszusammenhang mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit gesehen werde.196 Auch sei die Unterscheidung zwischen Religionsgemeinschaft und Tendenzbetrieb wegen des staatlichen Neutralitätsgebots sowie des Gleichheitssatzes problematisch.197 Dem gegenüber vertritt ein großer Teil der Literatur den Standpunkt, die Religionsgemeinschaft sei bereits dem Grunde nach nicht mit einem Tendenzbetrieb zu vergleichen und unterliege daher gänzlich anderen Regeln.198
Die letztere Auffassung verdient Zustimmung. Zwar kann es zu Interessenkonflikten zwischen kirchlichem Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommen.199 Der Unterschied zu einem Tendenzarbeitsverhältnis liegt aber darin, dass sich der umfassende religiöse Sendungsauftrag auf sämtliche Lebensbereiche und nicht nur auf Teilaspekte hiervon erstreckt.200 Die Unterscheidung berührt daher nicht das Gleichbehandlungsgebot.201 In einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde sich das Gericht bei der Übertragung der Grundsätze für Tendenzbetriebe kirchliche Arbeitsverhältnisse sogar vielmehr in die Gefahr begeben, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln. Das staatliche Neutralitätsgebot ist nicht mit einer Pflicht zur „kritischen Distanz“ verbunden202, sondern erfordert Toleranz und Offenheit für sämtliche religiöse oder weltanschauliche Ansichten203. Insofern verstößt die Berücksichtigung der Besonderheiten der Religionsgemeinschaft nicht gegen das Neutralitätsgebot, sondern sichert dieses erst ab. Dass die verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV im Kündigungsschutzprozess Transzendenz- statt Tendenzschutz voraussetzen, bekräftigte das BVerfG im Übrigen in seinen Leitentscheidungen Stern und Chefarzt.204
II. Die Dienstgemeinschaft als Grundlage kirchlicher Arbeitsverhältnisse
Als „Dienstgemeinschaft“205 wird im kirchlichen Arbeitsrecht die besondere Beziehung zwischen der Kirche und den Personen, die sich zur Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrages arbeitsteilig zusammenschließen, bezeichnet.206 Sie bildet eine „Brücke“ zwischen weltlichem (Arbeits-)Recht und theologischem Glaubensauftrag.207 Der Begriff der „Dienstgemeinschaft“ als solcher ist mit Blick auf seine erstmalige Verwendung im „Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben“ vom 23. März 1934208 von seinem theologischen Fundament zu unterscheiden. Die Begrifflichkeit wurde von der Kirche 1936 unter Bezugnahme auf die NS-Regelung erstmalig aufgegriffen209 und in den 50er Jahren in kirchenrechtlichen Regelungen beider Kirchen normativ verankert210. Der historisch problematische Hintergrund des Wortes „Dienstgemeinschaft“ ist Quelle beständiger Kritik an dessen Verwendung.211 Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern eine alternative Begriffsform wünschenswert wäre. Das hinter dem Begriff der „Dienstgemeinschaft“ liegende Konzept der „Gemeinschaft des Dienstes“ (siehe 2 Kor 8, 4) weist nach kirchlichem Verständnis jedenfalls keinerlei Bezug zum nationalsozialistischen Gefolgschaftssystem auf.212
1. Katholische Kirche
In c. 211 CIC heißt es: „Alle Gläubigen haben die Pflicht und das Recht, dazu beizutragen, dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt.“ Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche gehen von einem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen aus.213 Anders als die evangelische Kirche214 unterscheidet die katholische Kirche allerdings hinsichtlich der Stellung im kirchlichen Dienst zwischen Laien und Klerikern.215 Letztere übernehmen nehmen eine herausragende Rolle im kirchlichen Dienst ein (vgl. cc. 273 ff. CIC)216, wobei der Zweite Vatikanische Konzil die Differenzierung dahingehende relativierte, dass zwar „[…] in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung […]“ bestehe217. Unerheblich ist jedenfalls die Rechtsform des Anstellungsverhältnisses für die Zugehörigkeit zur Dienstgemeinschaft.218 Obgleich die „Dienstgemeinschaft“ inzwischen als maßgebliche Argumentationsbasis für die Eigenart des kirchlichen Dienstes fungiert, verkompliziert die Überblendung des theologischen Fundaments mit der wirtschaftlichen Praxis die Bestimmung einer genauen Definition.219 Vor dem Hintergrund der Beschäftigung konfessionsverschiedener und konfessionsloser Mitarbeiter durch die Kirche kann die Dienstgemeinschaft schwerlich ausschließlich an das Selbstverständnis der Christen als zum Sendungsdient berufene Kinder Gottes i.S.d. cc. 204 ff. CIC anknüpfen.220 Eine Verengung des Begriffs auf einen Dienst, der ungeachtet der internen Motive faktisch der Erfüllung des Sendungsauftrages dient, wird zwar wiederum möglicherweise dem Prinzip des gemeinsamen Priesteramtes der Gläubigen nicht zur Gänze gerecht.221 Da die Dienstgemeinschaft jedoch selbst nicht als Form einer „soziologische[n] Gemeinschaft“ zu verstehen ist oder als Rechtsgrundlage für die erbrachten Leistungen dienen kann222, kann die Dienstgemeinschaft nur dasjenige sein, was die Kirche nach eigenem Selbstverständnis unter kirchlichem Dienst versteht. Die katholische Kirche hat nach ihrem allein maßgeblichen Selbstverständnis in Art. 1 S. 1 der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ von 1993223 eine Legaldefinition für den Rechtsbegriff der „Dienstgemeinschaft“ normiert, wonach diese durch den gemeinsamen Beitrag zur Erfüllung des Sendungsauftrags der Kirche gekennzeichnet sei.
2. Evangelische Kirche
Grundlegend für die evangelische Dienstgemeinschaft ist das Verständnis des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen.224 Das Amt der Kirche wurzelt dabei im Amt der Apostel und stellt ein einzigartiges, auf die Repräsentation Christi gerichtetes Amt dar, das im Wege der Ordination verliehen wird.225 Der Amtsträger steht dabei allerdings „in der Gemeinde“226, da die Dienstgemeinschaft trotz unterschiedlicher Aufträge durch die „[…] gemeinsame […] Verantwortung vor der allen geltenden Aufgabe […]“227 geprägt ist. Diese dienstliche Ordnung hat ihre theologische Grundlage im dreifachen Amt Christi, als Priester, Lehrer und Hirte.228
III. Überblick über Grundlagen und Ausformungen kündigungsrelevanter Loyalitätsobliegenheiten
1. Hintergrund der kirchlichen Loyalitätsobliegenheiten
Die Kirchen unterliegen unter Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Sonderstellung bei der Ausgestaltung von kirchlichen Dienstverhältnissen geringeren Restriktionen als ein weltlicher Arbeitgeber.229 Neben den hier auszuklammernden Besonderheiten des kollektiven Arbeitsrechts230 betrifft dies insbesondere die Möglichkeiten kirchlicher Arbeitgeber, den Bestand von Arbeitsverhältnissen in besonderer Abhängigkeit von der außerdienstlichen Lebensführung des Mitarbeiters zu gestalten.
Für die Kirche stellt die Ausgestaltung eines Ethos-orientierten Anforderungsprofils für Ihre Mitarbeiter mit Blick auf den ersten Brief des heiligen Paulus an seinen Weggefährten Timotheus 4,12 eine ihrer Selbstbestimmung unterliegende, ureigene Angelegenheit dar.231 In Satz 12 heißt es in Bezug auf die Voraussetzungen für das Lehren des Wortes Gottes: „Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit“. Die hiermit gemeinten Verhaltens- und Persönlichkeitsanforderungen gehen erkennbar über die rechtsgeschäftlichen Leistungspflichten im eigentlichen Sinne hinaus. Sie betreffen weder die Form noch die Güte der zu erbringenden Arbeit. Vielmehr wird der Wert der Arbeitsleistung für den kirchlichen Sendungsauftrag an der Einstellung und dem Lebenswandel der Person, die sie erbringt, gemessen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um einklagbare Nebenpflichten i.S.v. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, sondern um Obliegenheiten, deren Nichtbeachtung für den Arbeitnehmer nachteilige Folgen in Form von Sanktionen zeitigen kann.232
Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche haben die sich aus ihrem Selbstbestimmungsrecht ergebenen Freiheiten in Bezug auf die Erstellung eines Anforderungsprofils an ihre Mitarbeiter kodifiziert.233 Während die katholische Kirche bereits 1993 eine „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“234 (im Folgenden: GrOkathK) beschlossen hatte, folgte die evangelische Kirche mit einer einheitlichen „Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihres Diakonischen Werkes“235 (im Folgenden: EKD-RL) erst im Jahr 2005.236
Vor dem Hintergrund der EuGH-Verfahren Egenberger237 und IR238 entschloss sich die deutsche katholische Kirche im Jahr 2015 zu einer grundlegenden Novellierung ihrer GrOkathK.239 Die GrOkathK vom 27. April 2015 ist mit Wirkung vom 1. August 2015 zunächst in 23 von 27 Diözesen umgesetzt worden und gilt seit dem 1. Januar 2016 bundesweit in allen Diözesen.240 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland reformierte knapp ein Jahr später am 9. Dezember 2016 aufgrund der Ermächtigung des Art. 9 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Zustimmung der Kirchenkonferenz vom 8. Dezember 2016 die EKD-RL vom 1. Juli 2005.241 Die Regelung trat mit Wirkung zum 1. Januar 2017 in Kraft.242