Kitabı oku: «Heimkehr zu den Dakota», sayfa 6

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Als Douglas sich wieder aus dem Schlaf aufraffte, hörte er in der nächtlichen Stille Hufgetrappel. Sein Vater saß nicht mehr an seinem Platz. Da keine Gefahr mehr zu bestehen schien, hatte er sich zu der Truppe der bewaffneten Verteidiger des Zuges begeben. Die freudigen Rufe, die von dieser Gruppe her ertönten, ließen auch Douglas und seine Mutter Ann wissen, dass die ankommenden Reiter Verbündete waren. Douglas spähte hinaus. Einen der Reiter erkannte er. »Herr Brown! Herr Brown!«

Der Ingenieur wandte den Kopf und winkte dem Jungen zu. »Schon ausgeschlafen? Ist doch noch dunkel!«

Douglas lauschte auf Gesprächsfetzen, die er auffangen konnte. Die Station war also überfallen worden!

Ein dumpfes, mächtiges Dröhnen ließ alle aufhorchen.

»Die Büffel!«, schrie Joe sofort. »Die Büffel kommen in Bewegung!«

Die Männer spähten mit Ferngläsern. Top, der sich bei ihnen eingefunden hatte, verschmähte das Hilfsmittel. Seine Augen genügten ihm auf solche Entfernung.

»Die Dakota jagen!«, sagte Mattotaupa zu Joe. »Wenn sie die Station nicht bedroht hätten, würden unsere Männer diese Büffel gejagt haben.«

»Allerdings. – Ist Harry übrigens hierhergekommen? Wir vermissen ihn.«

Die Wirkung dieser Mitteilung auf den Vater konnte Joe nicht beobachten. Der Zugleiter nahm den Ingenieur jetzt in Anspruch.

»Können wir weiterfahren?«

»Können wir – aber nicht sofort. Wenn der letzte Büffel entflohen ist, müssen wir noch die Gleise kontrollieren, denn was so eine Büffelherde anrichten kann, das ist unabsehbar.«

»Bald kommt Buffalo Bill mit seiner Repetierbüchse, und die Büffel verschwinden von der Prärie.«

»Die Büffel kurzerhand ausrotten, das ist auch nicht das Richtige. Dann können wir für den nächsten großen Indianeraufstand das Datum schon ansetzen.«

»Die Büffel wegschießen, damit die Wilden auch verschwinden müssen. Das ist das Richtige! In welchem Jahrhundert leben wir denn?!«

»Die Indianer in einem anderen als wir. Das ist es eben.«

»Lassen wir das. Steht ihr uns zur Verfügung, bis wir wieder flott sind?«

»So lange bleibe ich samt dem ganzen Trupp.«

»Gut.«

Der Zugleiter suchte aus dem Zugpersonal die Leute aus, die sich auf Gleiskontrolle und Gleisbau verstanden. Bei den Verhältnissen, mit denen man bei der Fahrt durch die Wildnis rechnen musste, war sowohl in Bezug auf Werkzeuge als auch auf Menschen Vorsorge für alle Fälle getroffen. Bewaffnet machten sich die Leute auf. Joe schloss sich als Ingenieur dieser Gruppe an und bat Mattotaupa, ebenfalls mitzukommen. Beim Zug mochten die Flintenmänner jetzt genügen. Die Gruppe, die auf der Büffeljagdstrecke die Gleise prüfen wollte, hatte noch eher mit Gefahren und möglichen letzten Angriffen der Dakota zu rechnen.

In der frühen Jahreszeit waren die Nächte lang; doch zeigten sich schon die Anzeichen der Morgendämmerung, als Joe und Mattotaupa sich mit der Gruppe zur Gleiskontrolle aufmachten. Beritten waren nur der Ingenieur und der Indianer. Sie schwärmten umher, während die anderen zu Fuß am Gleis entlanggingen. Die Strecke bis zu dem »Büffelweg« konnte schnell zurückgelegt werden, da hier keine Schäden zu vermuten waren. Erst als der Abschnitt erreicht wurde, in dem die Herde weithin alles zertrampelt hatte, begann die systematische Überprüfung, und bald stellte sich heraus, dass Reparaturen notwendig waren.

Mattotaupa ritt mit Joe zu einer Bodenwelle, die Überblick gewährte, und spähte mit dem Ingenieur zusammen rings über das Land. Der Wind wehte immer noch kräftig.

Es war nichts zu entdecken, was Verdacht erregen konnte. Vom Gleis her waren das Hämmern und die Rufe der Männer zu vernehmen, mit denen sie sich verständigten.

»Trennen wir uns und reiten die Runde je im Halbkreis«, sagte der Indianer zu Joe. »Ich traue den Dakota nicht. Es ist mir zu ruhig.«

»Einverstanden, obgleich ich deine Bedenken nicht teile. Sie haben große Verluste gehabt.«

»Ihr konntet sie fassen?«

»Harry hat im Finstern ihren Kriegshäuptling gespielt und sie uns in die Hände geliefert. Es war trotzdem nicht einfach, aber ich glaube, selbst Tashunka-witko hat von uns genug. Harry hat übrigens großartig gekämpft.«

»Tashunka-witko?« Das war der Name, der Top getroffen hatte.

»Ja, dein alter Feind. Jetzt möchtest du dich wohl am liebsten sofort an seine Fersen hängen?«

»Hau.«

»Geht aber nicht, Top, geht nicht. Heute jedenfalls nicht. Du siehst, wie es steht. Wir haben für einen solchen Fall doch nicht genug erfahrene Männer hier. Du bist unser Kundschafter und darfst nicht auf Privatjagd gehen.«

Mattotaupa tat einen hörbaren Atemzug, erwiderte aber nichts. Joe wusste nicht, wie empfindlich sich der Indianer von den Worten des Ingenieurs getroffen fühlte.

»Reiten wir also je im Halbkreis?«

»Hau.«

Die beiden trennten sich, um ringsum zu spähen. Als sie sich wiedertrafen, hatte keiner etwas gefunden oder bemerkt.

Die notwendigen Reparaturen schienen schnell voranzuschreiten. Es waren erst zwei Stunden vergangen, als Joe und Mattotaupa wieder gerufen wurden. Die Gruppe gab dem Zug die verabredeten Zeichen, dass die Fahrt fortgesetzt werden konnte.

Vorsichtig, nur mit halber Kraft, dampfte die Lokomotive heran und zog die Wagen hinter sich her. Es war ein sonniger Tag. Braungrüne Prärie, von Goldstrahlen erfüllter Himmel, fernes, noch verschneites Gebirge erfreuten das licht- und farbenhungrige Auge.

Der Lokomotivführer hielt den Zug an, so dass das Gleispersonal einsteigen konnte.

»Fahren Sie weiter mit?«, fragte der übernächtigte Zugleiter Joe Brown.

»Danke. Ich bleibe hier.«

Türen klappten zu, Fenster wurden geschlossen. Douglas winkte dem Ingenieur noch einmal. Dann wurde das Abfahrtssignal gegeben. Die Kolben arbeiteten, die Räder drehten sich, erst langsam, dann schneller. Der Zug fuhr.

Das rhythmische Geräusch seiner Fahrt klang in der Stille rings laut, dann wurde es in der Entfernung leiser. Der Zug erschien den Zurückbleibenden kleiner und kleiner, schließlich verschwand er am schimmernden Horizont.

»Nun aber hoffentlich auf Nimmerwiedersehen!«, sagte Joe. »Ich hätte gestern Abend nicht gedacht, dass ich dieser Maschine und Herrn Finley in der Nacht schon wieder begegne!«

»Reiten wir gleich zurück zur Station?«

Joe schaute sich bei den anderen Angehörigen des Trupps, den er von der Station mitgebracht hatte, fragend um.

Auf einigen Gesichtern stand ein Schmunzeln. »Erst ein kleines Frühstück. Der Zugleiter hat uns eine Belohnung zurückgelassen!«

Der Ingenieur sah das Fass Bier, den Branntwein und den Kasten mit Schinken und Brot.

»Also erst die Siegermahlzeit! Meinetwegen.«

Die Männer ließen sich gut gelaunt in der Runde nieder. Auch Joe und Top nahmen Platz. Einige hatten Becher bei sich, so dass es an Trinkgefäßen nicht ganz fehlte. Das Fass wurde angezapft.

»Auf das gemeinsame Wohl!« Joe hob den Becher, trank und gab ihn dann an seine Nachbarn rechts und links, die aus demselben Trinkgefäß mithalten mussten. Schinken und Brot wurden ebenfalls verteilt. Einige aßen, aber Bier und Brandy fanden den größeren Zuspruch. »Schade, dass Harry nicht dabei ist«, sagte Joe.

»Der? Der macht doch nie mit!«, bemerkte der Mann, der links neben Joe saß. Es war der Kellner, der den streitlustigen Freund des Hahnenkampf-Bill noch zur rechten Zeit beiseite gestellt hatte. Joe ging auf die Bemerkung nicht ein. Er trank nochmals. Das Bier war kalt und schmeckte gut. Die Mägen waren leer. Der Alkohol wirkte. Die Zungen lösten sich.

Mattotaupa sprach Joe an. »Du willst mich nicht gehen lassen, mein weißer Bruder?«

»Aber du willst auf Biegen und Brechen Tashunka-witko jagen?«

»Ist das nicht auch eine Aufgabe für einen Kundschafter, euren größten Feind ins Gras zu legen?«

»Du kannst es so auffassen. Was wird aber Taylor II dazu sagen?«

»Du wirst ihm erklären, dass ich das Richtige tue! Ich bleibe nicht wochenlang weg, nur einige Tage.«

»Vielleicht findet sich Harry noch ein, so dass wenigstens einer von euch beiden am Platz ist. – Wo treibt sich denn Jim umher? Ich denke, er ist der Manager der Kundschaftergruppe. Besteht die eigentlich nur noch aus euch beiden?«

»Ja. Die weißen Männer fühlen sich sicher, und Jim hat den Mann mit dem Lockenkopf beredet, dass dieser ihn für einige Wochen gehen ließ.«

»Komischer Kauz. Den Jim, meine ich. Taylor II ist ein Idiot.«

»Du willst uns verlassen, Top?«, rief der kampfgewandte Kellner. »Schade, schade! Du, unser gutes Stück! Einen Drink auf Top!«

Die Männer hoben die Becher und reichten sie rundum. Der Indianer wurde dadurch das Ziel der Aufmerksamkeit.

»Top, wenn du so lange von uns weggehen willst, musst du vorher einen ausgeben! Dann machen wir Taylor II fertig, und er wird einverstanden sein.«

Mattotaupa betrachtete sich die Runde. Es waren nicht die schlechtesten Männer der Station, die sich für den Ritt zum Zug bereitgefunden hatten. Sie alle schauten Top jetzt erwartend und freundlich an, und eine dunkle, unbewusste Erinnerung stieg wieder einmal in ihm auf, Erinnerung an jene vergangenen Tage, als er, Kriegshäuptling der Dakota, fast täglich Gäste in seinem Zelt gehabt und aus seiner großen Jagdbeute bewirtet hatte. Er war zur Freigebigkeit erzogen worden; sie hatte seinem Range und seinem Können angestanden; er fühlte sich wohl, wenn er andere bewirten konnte. Die Männer aber, bei denen er jetzt lebte, wollten nicht Bärentatzen oder Büffellende an seinem Zeltfeuer essen, sie wollten Bier, Branntwein und Geld. Das hatte Top seit dem Abschiedsfest von Joe begriffen. Er wusste, Geld, Branntwein und Bier waren bei solchen Männern der Weg, bewundert und beliebt zu werden – ein Weg, der noch sicherer zum Ansehen führte als selbst die kühnsten Leistungen im Spähdienst, von deren vollem Risiko viele auf der Station nichts mehr wussten. Es ekelte den Indianer im Grunde selbst vor dem Weg, den er beschritten hatte, aber er konnte das Wohlgefühl der persönlichen Geltung, in das er als kühner Knabe, als Anführer der Burschen, als Kriegshäuptling der Männer hineingewachsen war, nicht entbehren, und der einfachste Weg dazu war der verführerischste. Es gab nur einen, der ihn mit einem Blick aus dieser Zuflucht seines Selbstbewusstseins aufzustören vermochte, das war sein Sohn, und immer häufiger hasste er ihn dafür, obgleich er ihn verzweifelt liebte. Aber jetzt war Harka nicht in der Nähe.

»Hier können wir nichts ausgeben, weil es nichts zu kaufen gibt«, sagte Joe.

»Aber wenn wir auf die Station zurückkommen! Dann wird noch mal gefeiert! Ja, topp, Top?«

»Topp!«, versicherte der Indianer, der dieses Wortspiel schon gewöhnt war, lächelnd.

Das Fass wurde weiter angezapft und auch dem Branntwein zugesprochen. Manche begannen die Getränke zu mischen.

»Topp!«, wiederholte Mattotaupa, »aber erst, wenn Tashunka-witkos Skalp an meinem Gürtel hängt.«

Joe blickte den Indianer von der Seite an, prüfend, unzufrieden. »Die Prärie ist groß. Hat sie nicht Platz für euch beide?«

»Sie hat nicht Platz.« Top, dem bedrängende Erinnerungen aufstiegen, trank schneller.

»Was hat er dir angetan, Top?«, forschte der Kellner und soff das Doppelte.

»Er ...« Top schaute vor sich hin und schien seine Umgebung zu vergessen. »Er hat mich einen Verräter gescholten. Meinen Sohn wollte er mir rauben ... und als ich einmal in mein Zelt schlich, in mein eigenes Zelt, nach vielen Sommern und Wintern ... und als ich mit meiner Mutter sprach, da kam er und schlug mich nieder und fesselte mich ... und meine kleine Tochter musste mich befreien ...« Der Indianer war in seine eigene Sprache verfallen, und die Zuhörer verstanden seine Worte nicht mehr. »Aber Harka, mein Sohn, weiß davon nichts ...«, sprach der verbannte Häuptling noch zu sich selbst, als ob er eine geheime Furcht beruhigen wolle. »Nie wird Harka von der Schande erfahren.«

Top verstummte.

Joe zuckte die Achseln; er hörte aus dem Ton des Indianers das Gefühl heraus, aber er liebte keine Sentimentalitäten und wurde ganz trocken. »Wenn das hier so weitergeht, kommen wir erst morgen zu der Station zurück. Länger warte ich aber auf keinen Fall. Dann binden wir die Bierleichen einfach auf die Pferde.«

»Topp!«, stimmte der Indianer zu. Durch den Alkoholgenuss wurde er schon gleichgültig gegen das, was ihm eben noch wichtig erschienen war.

Während der Trupp in der Prärie am hellen Tage zechte, machte man sich im Stationslager an die Aufräumungsarbeiten. Morris und Langspeer beteiligten sich daran nicht mehr. Der Barackenraum, den der Wirt ihnen zur Verfügung gestellt hatte, war unversehrt geblieben, während der Nachbarraum, den Joe und Henry hatten beziehen wollen, aufgebrochen und zerstört war. Der Maler ließ Henry in seinen Raum bringen, und Langspeer betreute den Ohnmächtigen, der eine schwere Gehirnerschütterung erlitten zu haben schien, auf der eigenen Lagerstatt. Morris lag auf der seinen, immer noch sehr blass. Er wollte nichts zu sich nehmen als ein wenig Tee.

Draußen ging es lärmend zu. Ein Teil der Männer suchte die Umgebung nochmals nach Feinden und Fährten ab, konnte aber nur feststellen, dass alle Dakota aus dem Gesichtskreis verschwunden waren, und verkündete dieses Ergebnis mit derben Kommentaren. Für die Toten der Station wurden Gräber ausgeschaufelt. Die Verwundeten hatte man in das eine der großen Zelte gebracht, das noch stand, und hatte sie dort zwischen Ballen und Fässern gebettet. An einer neuen Baracke für den Stationsleiter Taylor II wurde gehämmert. Der Wirt hatte seine Kasse unter der Lagerstatt von Morris verstaut, da sie ihm dort jetzt am sichersten untergebracht schien.

Der Branntwein- und Bierausschank erfolgte provisorisch im Freien, hinter einer Barriere von Wasserfässern an einem schnell zusammengenagelten Brettertisch. Vicky half dem Wirt als erste. Allmählich fanden sich noch zwei weitere Hilfskräfte ein. Das Geschäft ging sehr gut. Hahnenkampf-Bill ersäufte seinen Kummer, sobald die einfache Bestattung der Toten beendet war, und der lockenhaarige Stationsleiter ließ sich eine abgefüllte Flasche bringen.

»Heute kann ich nicht trinken«, wehrte der Maler ab, als Langspeer ihn fragte.

Als es Abend geworden war, klopfte es schüchtern an die Tür des Zimmers, das der Maler bewohnte. Morris bat zunächst nur leise herein, und das Klopfen wiederholte sich.

»Bitte!«, rief Langspeer jetzt laut und deutlich.

Die Tür wurde behutsam geöffnet. Morris fuhr zusammen. Was er sah, war schwarz, darüber ein Gesicht ohne Nase, ein Kopf ohne Ohren. Morris dachte an die Erscheinung, die er des Nachts bei den verwundeten und toten Dakota erblickt hatte. Er nahm sich zusammen. »Komm nur herein.«

Eine Frauengestalt schob sich durch die Tür, die fremden Augen sahen sich um, wer alles im Zimmer sei. Dann blieb die Frau mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt stehen. Über dem Arm hatte sie eine Lederdecke, in der Hand ein Bündel mit Sachen. Sie selbst war in Leder gekleidet wie eine freie Prärieindianerin, aber das Leder war schwarz gefärbt. Schwarz war bei den Indianern die Farbe der Trauer, der Buße, des Opfers. Aber sie pflegten nicht, Leder im Ganzen schwarz zu färben, hierin hatte die merkwürdige Frau die Sitten der Weißen nachgeahmt. Das Schwarz war stumpf, und auf den Maler wirkte es wie der Anblick des Todes, und doch war dieses Lederkleid das einzige, was die Verstümmelte zur Person machte, denn sie hatte es selbst gewählt.

»Was ist?«, fragte Morris von seinem Lager her benommen. Er hatte die Hände unter dem Genick gekreuzt und den Kopf etwas vorgebeugt. Seine Augen waren aufgerissen.

»Wissen, was lynchen ist?«

Morris erschrak noch tiefer. »Bedroht dich jemand?«

»Das ist nicht wichtig. Aber sie wollen den Sioux lynchen.« Die Indianerin flüsterte.

»Welchen Sioux?« Auch Morris sprach leise. »Doch nicht etwa meinen roten Bruder Langspeer hier?«

Die Indianerin schüttelte mit dem Kopf. »Nicht Langspeer.«

»Wen denn?«

»Harka.«

»Harry?« Der Maler erinnerte sich mit hellem Erschrecken seines Gesprächs mit Hahnenkampf-Bill. »Wo ist Joe Brown?«

»Zum Zug geritten. Er ist noch nicht zurück.«

»Das ist übel. Wer hat denn diese Lynchparole ausgegeben?«

»Bloody Bill. Aber schon denken alle so. Massa Taylor II sagt, lynchen richtig, und Vicky sagt, lynchen gut. Alle trinken und sagen, Harry lynchen! Sie kochen eine Tonne Teer, wollen ihn mit heißem Teer beschmieren, dass ihm Haut und Fleisch verbrennen, und ihn mit Federn bekleben und jagen, bis er zusammenbricht und stirbt.«

»Was für ein grauenhafter Wahnsinn. Man muss Harka warnen! Bis jetzt hat ihn noch niemand wieder gesehen?«

»Nein. Aber Pferd ist da. Dakota kommt immer zu seinem Pferd.«

»Falls er noch am Leben ist. Langspeer, was machen wir? Du weißt, was Tashunka-witko gerufen hat! Das allein genügt, um zu beweisen, dass Harka uns nicht verraten hat!«

Die Seminolin schüttelte den Kopf. »Das wird kein Gericht sein, weißer Mann. Das ist Lynchen! Niemand fragt, niemand antwortet. Alle schreien, alle wollen morden. Kein gutes Wort wird angehört.«

»Langspeer, was machen wir?! Wir müssen Harry warnen, wenn er noch am Leben und wenn er nicht der Gefangene der Dakota ist. Wo ist Mattotaupa?«

»Vom Zug noch nicht zurückgekehrt.«

»Können wir nicht die Männer mobilisieren, die Harry sich zum Kampf zusammengeholt hatte? Sie kennen doch die Zusammenhänge und müssen mit Harry freund sein.«

»Sie sind beim Zug.«

»Alle brauchbaren Menschen sind beim Zug! Wir müssen handeln, ehe Harry den Mördern in die Hände gerät. Was können wir tun?«

Der Cheyenne starrte vor sich hin. Schließlich meinte er: »Ich schreibe einen Brief auf Leder, und mit diesem jage ich den Grauschimmel in die Prärie. Wenn Harka überhaupt zurückkommt, findet er das Pferd und den Brief.«

»Das wäre ein Weg.«

»Bill passt aber auf den Mustang auf«, sagte die Seminolin, »und der Mustang lahmt stark. Harka hat ihn zu scharf geritten, um die weißen Männer auf der Station noch zur rechten Zeit zu warnen.«

Morris spürte die Erbitterung und den Hass der Indianerin.

»Nun, ihr wisst alles«, sagte sie rauh. »Ich lasse euch diese büffellederne Decke hier; es ist Harkas Decke. Ich lasse euch diesen Bogen. Es ist Harkas Bogen. Ich lasse euch diese Adlerfedern. Es sind Harkas Adlerfedern. Ich lasse euch diesen Wampumgürtel für Harka; es ist ein Gürtel aus der Hütte des Häuptlings Osceola, den die weißen Männer verraten haben und sterben ließen. Harka kann die Botschaft verstehen. Ich lasse euch das alles hier.«

Die Frau bückte sich und schob die Sachen unter Henrys Bett. Als sie das geordnet hatte, richtete sie sich auf und stand den beiden Männern frei gegenüber. Morris vermied den Blick, der ihn aus dem entstellten Gesicht traf. Er sah die Hände der Seminolin, einfache, edle Hände.

Die Indianerin ging zur Tür, und schon hatte sie den Raum auch so leise wieder verlassen, wie sie gekommen war.

Langspeer erhob sich wenig später. »Ich sehe mich draußen um.«

In der Stunde, die er fortblieb, hörte der Maler draußen wüsten Lärm aufwallen und wieder abebben.

Als der Cheyenne zurückkam, setzte er sich an den Rand von Henrys Lager, legte die Hände auf die Knie und hielt den Kopf gesenkt.

»Was ist, Langspeer?«

»Es steht schlecht, mein weißer Bruder Weitfliegender Vogel Geschickte Hand Geheimnisstab! Harkas Pferd lahmt und ist auch so umstellt, dass niemand es wegtreiben kann, ohne dass geschossen wird. Alle laufen mit Waffen umher und wollen Harry lynchen. Im Lager hier wäre er verloren. Sein Zelt ist zerstört. Sie wollten die Seminolin lynchen, aber sie hatte Gift genommen. Einer der Männer goss den heißen Teer über die Tote. Ich gehe jetzt hinaus vor die Station, als ob ich Wache halten wollte. Vielleicht findet mich Harry, oder ich sehe ihn, falls er zurückkehrt, und kann ihn noch warnen.«

»Versuche das und überlege, wie wir Joe, Mattotaupa und den anderen Männern beim Zug Nachricht zukommen lassen können. Sie allein vermögen noch ein weiteres Unglück zu verhüten und diese betrunkenen Bestien hier umzustimmen oder wenigstens im Zaum zu halten.«

Langspeer nickte und ging, nicht leichten Herzens.

Morris hörte draußen das Grölen und die Rufe der Männer, die die Fortsetzung einer grausamen Lynchjustiz verlangten.

Es war Nacht.

Der Wirt erschien noch einmal und schloss eine größere Summe Geldes in die Kasse unter dem Bett ein. Er schwitzte nicht mehr vor Angst, sondern vor Geschäftseifer.

Vicky sah hin und wieder nach Morris und brachte ihm alles, was dieser für sich und Henry wünschen konnte. Sie hing ein Tuch vor das Fenster, so dass niemand hereinschauen konnte, und brachte eine kleine Öllampe zum Brennen. Das Licht war mild und wirkte als Gegensatz zu dem lauten und rüden Treiben draußen um den Schanktisch. Morris fühlte alle seine Nerven zittern, wenn er die viehischen Drohungen hörte, die die Männer gegen den jungen Indianer ausstießen, und wenn er an den Tod der verstümmelten Frau dachte.

Etwa um die elfte Stunde verabschiedete sich Vicky, und Morris dankte ihr und versicherte, dass er keinerlei Wünsche mehr habe. Henry war einmal zu Bewusstsein gekommen, hatte sich erstaunt umgesehen und war dann eingeschlafen.

Morris brütete vor sich hin und nahm hin und wieder einen Schluck Wasser.

Um Mitternacht klopfte es wieder an die Tür, und der Maler rief leise: »Bitte!«

Ein Türspalt tat sich auf. Ein Schlapphut, der Haar und Gesicht verdeckte, schob sich herein, dann die ganze Gestalt eines Cowboys im Lederanzug. Der Mann hatte eine Büchse bei sich.

Der Eintretende zog die Tür lautlos hinter sich zu und setzte sich wie selbstverständlich an den Rand des Lagers, auf das Henry gebettet war, genau wie vorher Langspeer. Die Büchse stellte er zu Boden. Er hielt den Kopf gesenkt. Aber nun hob er ihn rasch und sah Morris im Schein der Öllampe an.

»Ha ...« Morris sprach den Namen nicht ganz aus. »Du!«

»Ja. Wo ist mein Vater?«

»Noch beim Gleis draußen.«

»Joe?«

»Noch beim Gleis draußen, mit den zwanzig zusammen, die im Kampf dein Spezialtrupp gewesen sind.«

»Die weißen Männer hier haben die Leiche einer Frau geschändet und wollen mich lynchen.«

»Kannst du dich verbergen, bis dein Vater, Joe und die anderen zurückkehren?«

»Das könnte ich, aber ich will es nicht. Ich gehe. Hast du verstanden? Wenn du meinem Vater irgendwo und irgendwann etwas mitteilen kannst, so sage ihm, dass ich fortgegangen bin, um die Proben zu bestehen, die mich zum Krieger machen. Ich werde nicht zu den Dakota gehen, sondern zu ihren Feinden, den Siksikau, in deren Zelten mein Vater und ich schon zu Gast gewesen sind. Ich werde dann noch einmal zurückkehren und meinen Vater suchen. Ich will ihn als Krieger fragen, ob er bereit ist, sich von Red Jim zu trennen.«

»Wo ist Jim? Was macht er? Ich habe ihn hier noch nicht gesehen.«

»Den Winter über war er noch da, als Kundschafter wie wir, aber vor einigen Wochen ist er wieder einmal verschwunden. Wenn er sich nicht sehen lässt, pflegt er sich in den Black Hills umherzutreiben und nach Gold zu suchen.«

»Er hat aber noch nichts entdeckt?«

»Nein, noch immer nicht.« Der Indianer erhob sich.

»Harry, willst du nicht selbst deinen Vater unterrichten?«

»Ich werde es noch versuchen.«

»Und ... halt, Harka, einen Augenblick. Die Frau mit dem verstümmelten Gesicht hat eine büffellederne Decke, einen Bogen und sonst noch einiges für dich hierhergebracht. Wenn du selbst nachsehen willst – unter der Bettstatt, auf der du sitzt, liegt alles.«

Der Indianer bückte sich und hatte seine alte bemalte Decke, den Bogen, zwei Adlerfedern und den Wampumgürtel gleich gefunden. Den Letzten behielt er einen Augenblick in der Hand und betrachtete ihn sehr aufmerksam.

»Aus dem Zelt des Osceola«, erklärte Morris. »So sagte die Frau. Sie war eine Seminolin?«

»Ja. Das war sie, und sie hat es nie vergessen. Der Gürtel enthält eine Botschaft. Wo ist Langspeer?«

»Draußen, wo er dich zu treffen hoffte. Du bist ihm nicht begegnet? Ich dachte, er hat dir die Kleider verschafft.«

»Nein, die habe ich dem Mann ausgezogen, der eine tote Frau misshandelt hat. Er wagte sich ein wenig zu weit vor das Lager und zu nahe an mein Messer.«

Als der Indianer das sehr gleichgültig aussprach, blickte Morris ihn kummervoll an. »Harka, das Töten ist auch für dich ein Handwerk geworden.«

»Hau, es gehört zu meiner Arbeit. Die roten Männer und die weißen Männer haben es mich gelehrt. Ich töte rote Männer, und ich töte weiße Männer, so sicher wie ich Büffel abschieße. Wer wollte mich noch achten, wenn ich dieses Handwerk nicht gut verstehen würde?«

»Wer bist du?«, fragte der Maler entsetzt. Es war dieselbe Frage, die Mattotaupa seinem Sohn Jahre zuvor gestellt hatte.

Über die Züge des jungen Indianers flog jener aufbegehrende Zynismus, der die letzte Waffe eines jungen Menschen gegen die Selbstvernichtung ist. »Mein Name ist Harry. Kundschafter bin ich und Bandenchef und gefährlich für alle, die ich zu hassen oder zu verachten gelernt habe.«

Das blasse Gesicht des Malers erfüllte so viel Traurigkeit, dass der Indianer ihn forschend ansah. »Bist du traurig, Weitfliegender Vogel Gelbbart Geheimnisstab?«

»Du siehst, ich bin kein Gelbbart mehr, wie du mich als Knabe noch nanntest. Ich bin ein Graubart geworden. Und ich bin traurig.«

»Warum? Hast du jetzt Angst vor mir? Oder ist es noch immer nicht gleichgültig für dich, was aus einer Rothaut wird?«

»Nein, Harka Nachtauge Steinhart Wolfstöter Bärenjäger, ich habe keine Angst vor dir. Es ist mir aber nicht gleichgültig, wofür du deine großen Gaben verschwenden musst.«

Die Züge des Indianers verschlossen sich wieder ganz, und der Weiße auf seinem Lager erschrak von neuem, wie viel Bitterkeit und verzehrender Hochmut in dem Ausdruck dieses Neunzehnjährigen lag.

»Erschrick nicht, wenn du bald einen Schuss hörst«, sagte der junge Indianer zu dem Weißen. »Ich töte mein Pferd, das zu müde für mich geworden ist und das ich jetzt nicht aus den Händen der weißen Männer befreien kann. Ich treffe gut, und der Grauschimmel wird nicht wissen, dass er stirbt.«

Harka schlug den Hutrand noch etwas tiefer herunter und verließ das Zimmer ruhig und unauffällig, wie er gekommen war.

Nicht lange danach krachte ein Schuss.

Ein paar halb Betrunkene schrien und schienen den Schützen zu suchen, dann war es wieder still.

Als es nach dieser Nacht dem Morgen zuging, dem zweiten nach der Kampfnacht, wachten die zwanzig in der Prärie draußen neben dem Gleis aus ihrem Rausch auf. Sie hatten Durst, aber kein Wasser, und waren abgespannt.

Joe, der sein Maß zu kennen pflegte, war bei Sinnen geblieben und hatte Wache gehalten. Er hatte Top nicht gehindert zu trinken, aber er hatte ihn gehindert, sich sinnlos zu betrinken, und so standen diese beiden jetzt sicher auf den Füßen und hielten auch mit klaren Augen Ausschau. Als Dritter gesellte sich der Kellner zu ihnen, der von keiner Quantität Alkohol ganz umzuwerfen war. Alle aber rochen noch nach Branntwein und Bier, und Top war sein eigener Atem zuwider.

»Da kommt endlich einer, um uns zu berichten und uns zu holen!«, sagte der Kellner und wies nach Osten. »Die auf der Station haben sich wohl auch toll und voll gesoffen, dass sie sich so lange überhaupt nicht um uns kümmern. Was nun, wenn die Dakota uns heute Nacht kaltgemacht hätten?«

»Dann wäre ihnen ein großer Coup geglückt. Aber sie haben die Gelegenheit versäumt.«

»So was passiert auch dem besten Mann! Ich könnte euch erzählen ...«

»Still! Nachher!«, mahnte Joe. »Wer ist das, der da kommt? Ist das nicht Harry?«

»Es ist mein Sohn«, sagte Mattotaupa.

Der junge Indianer ritt einen Schecken. Die Lederdecke hatte er dem Tier umgeschnallt. Er galoppierte zu der Gruppe der drei heran. Knapp davor hielt er an und sprang ab. Er war wieder als Indianer gekleidet. Den Wampumgürtel hatte er angelegt.

Seine Züge hatten einen Ausdruck, der noch hochfahrender und feindseliger wirkte, als die Männer es sonst an ihm gewohnt waren, und wenn er auch keinen Atemzug mehr tat als gewöhnlich, so wusste Mattotaupa doch, dass der Angekommene den Alkohol roch.

»Tashunka-witko hat den Angriff auf die Station geführt?«, fragte Mattotaupa den Sohn, noch ehe dieser ein Wort gesagt hatte.

»Hau.«

»Und dann?«

»Hat er die Büffel gejagt.«

»Du hast ihn verfolgt?«

»Nein.«

»Du hast Tashunka-witko nicht verfolgt? Warum nicht?«

Auf dieses »Warum« hin ging der junge Indianer innerlich in Abwehrstellung gegen den Vater. Er hatte sein Pferd, das er liebte, zuschanden geritten, um die weißen Männer zu warnen; er hatte die Dakota überlistet; sie würden von ihm sagen, er habe sie heimtückisch in eine Falle gelockt. Er hatte gekämpft, er hatte Dakotakrieger getötet, und neue Blutrache stand zwischen ihm und seinem Stamm. Aber er hatte sich Tashunka-witko nicht zum Kampf gestellt, als dieser ihn dazu herausforderte, nicht weil er in der Wut des Kampfes und dem gefährlichen Rausch des Kampferfolges noch den Tod gefürchtet hätte, sondern weil er den großen Häuptling nicht für die weißen Männer töten wollte. Er wollte es nicht, obgleich Tashunka-witko Mattotaupa beleidigt hatte. Harka hatte Tashunka-witko nicht verfolgt, er hatte aber einigen schwer verletzten Dakota noch zur Flucht verholfen. Er hatte auch Tote weggeschafft. Er wollte nicht Sieger sein, damit die Weißen mit den Leichen der Dakota ihren Mutwillen treiben konnten.

Es gab Männer, die einen unzähmbaren Mustang dadurch zähmen wollten, dass sie ihm am Nacken eine eiternde Wunde zufügten und sie nicht zum Heilen kommen ließen; wenn daran gerührt wurde, durchzuckte der Schmerz den ganzen Körper; doch gab es Outlaws, die sich auch dem nicht fügten. Das »Warum« hatte an Harkas eiternde Wunde gerührt, an den ungelösten Zwiespalt und die Hoffnungslosigkeit seines Lebens. Er fürchtete, dass der Vater ihn jetzt als Schwächling und Verräter bloßstellen wollte, und das vor anderen Männern. Harka war nicht mehr vierzehn Jahre alt, er war neunzehn. Auch vom Vater, der nach Brandy roch, würde er sich nicht mehr schmähen lassen.

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