Kitabı oku: «Stein mit Hörnern», sayfa 9
Welche Bedeutung Joes Fragen und seine kurzgefassten Urteile über das Gelesene hatten, war nur ihm selbst und Kay bewusst; was er dazu sagte, spielte für die übrigen keine Rolle, es ging für sie im Geplätscher des Geplauders über Leiden, Unfälle, Ärzte, Frauen, Wagen unter. Joes Leidensgenossen respektierten, dass die wenigen Äußerungen des Indianers zu diesen Themen sich stets auf Wagen und Straßen bezogen und von zuverlässiger, ausgebreiteter Kenntnis darüber zeugten. Auf Grund dieser Kenntnisse und seiner entschiedenen Sprechweise begannen sie, ihn für einen Mann von einem gewissen Ansehen zu halten – mochte dieses legal oder illegal sein – und die Annahme schien sie zu beruhigen. Die allgemeine Stimmung im Zimmer neigte sich wieder zu Joes Gunsten.
Eines Tages jedoch wurde die Atmosphäre der Unverbindlichkeit zerstört, der Kreis sozialen Zusammengehörigkeitsgefühls gesprengt. Joe hatte wieder Fragen gesammelt. Schwester Kay stand zwischen seinem und dem Nachbarbett.
»In Ihren Büchern ist zu lesen, Schwester, dass auch die weißen Männer und Frauen einst eine Stammesverfassung hatten. Das haben wir in der Schule nicht gelernt.«
»Wir auch nicht, Mr King. Es ist so lange her, dass es schon nicht mehr wahr ist.«
»Gibt es das?«
»Was meinen Sie?«
»Dass Wahrheit schwindet – dass Wahrheit unwahr wird?«
»Ich habe es dahingeredet. Wenn Sie mich fragen und mich dabei ansehen – nein, das gibt es nicht.«
»Ich denke, dass die ältesten Wahrheiten die besten sind – am längsten erprobt.«
»Wenn sie standgehalten haben, ja. Aber was bleibt schon? Alles um uns stürzt und wandelt sich. Wir schreiten fort und begreifen nicht mehr, wie die Menschen früher dachten. Es war primitiv und unglaubwürdig, was sie gedacht haben.«
»Wirklich?«
»Götter, Geister, Gespenster, Hexen, und nicht einmal Autos konnten sie herstellen. Pyramiden – ja, will ich gelten lassen.«
»Die ägyptischen oder die amerikanischen?«
»Amerikanische …?«
»Indianische Bauten, indianische Skulpturen.«
»Ind … ach so, ja, die Maya.«
»Die Inka, die Olmeken, die Maya, die Tolteken, die Azteken.«
»Sie wissen das alles, Mr King.«
»Aus Ihren Büchern.«
»Ja. Auch die Indianer hatten ihre Zivilisation.«
»Hatten.«
Schwester Kay wurde knallrot bis unter die Haarwurzeln; ihre helle Haut durchblutete sich leicht und sichtbar. Sie hob den Kopf; man konnte in ihre peinlich sauberen, spaßhaft wirkenden Nasenlöcher hinein- und durch die rötlich schimmernden Nasenflügel fast hindurchsehen.
»Verzeihen Sie, Mr King. Es ist schwer, vor Ihren Ohren zu plappern, weil Sie jedes Wort wiegen. Was lesen Sie jetzt?«
»Göttersagen.«
»Das interessiert Sie?«
»Es ist mir nicht so fremd wie Ihnen. Ich bin ja noch ein primitiver und unglaubwürdiger Mensch.«
»Spotten Sie wieder über mich, Mr King?«
»Macht Ihnen das keinen Spaß? Ich spiele.«
»Wie ein schwarzer Kater mit einer Maus.«
»Mit einer weißen Maus. Aber sagen Sie mir bitte, Schwester, was das ist, Kultur, Zivilisation, Bildung. Sie haben das, Sie müssen es wissen.«
»Ich stecke zu tief drin. Es ist wie eine Binde um meine Augen.«
»Ich sehe es mehr von außen her … Nein, ich spotte nicht. Ernst. Was gehört dazu? Früher dachte ich, aufrichtig zu sein und hilfsbereit, aber das ist zu primitiv. Das steht ja schon in Ihrer Bibel, ist zweitausend Jahre alt.«
»Und wurde auch damals gepredigt, weil es das nicht gab«, bemerkte der Patient im Nachbarbett am Fenster.
»Bei wem nicht gab?«
»Bei wem? Nun, sagen wir, im Römischen Reich unter Kaiser Augustus.«
»Vielleicht waren die weißen Männer damals noch nicht zivilisiert.«
»Doch – in gewisser Weise, ja – sie hatten ein stehendes Heer, Fußbodenheizung, Beamte und Sklaven.«
»Sklaven gehören zur Zivilisation?«
»Allerdings. Wie wollen Sie Kultur entwickeln, wenn Sie die Dreckarbeiten nicht abschieben können? Sklaven oder Maschinen.«
»Sie geben mir Stoff zum Nachdenken, Mr Hunt, das ist nützlich für einen Gelähmten. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft.«
»Bitte, war gar nicht so gut gemeint.«
»Man kann auch unbewusst helfen«, sagte Schwester Kay.
»Ein Glück, denn ich glaube nicht, dass es jemand bewusst oder – sagen wir – uneigennützig tut. Uneigennützig, das gibt es überhaupt nicht, ausgenommen natürlich bei Schwester Kay und bei den Indianern.«
Kay wurde wieder rot.
Joe lächelte. »Warum soll es das bei Indianern geben?«
»Mr King, ich habe in meinen Werkstätten einmal einen Indianer angestellt. Mit Bedenken, das sage ich Ihnen offen, denn das Volk will nicht bei der Arbeit bleiben, handelt noch zu irrational, gefühlsbetont. Aber ich war in dem einen Fall angenehm überrascht, der Mann zeigte sich fleißig und äußerst geschickt. Resultat? Er wollte seiner Sippe helfen und ging dabei selbst zugrunde. Durch hilfsbereite Ausgaben und Überarbeit, Tuberkulose; aus.«
»Das war also unzivilisiert.«
»Genau.«
Kay seufzte.
Joe beobachtete ihr Gesicht. »Schwester Kay, in den Göttersagen hier habe ich von dem Haupt der Medusa gelesen, Schreckbild. Heute würden die weißen Männer sagen: Horrorpsychologie. Manchmal kommt mir Ihre Zivilisation oder Kultur oder Bildung als dergleichen vor.«
»Aber die Medusa hat es nie gegeben, Mr King.«
»Vielleicht gibt es auch die Zivilisation nicht. Sie bilden sich das nur ein.«
»Hallo, Mr King«, rief Hunt, »das ist Generalangriff. Sie werden ja nicht von uns erwarten, dass wir wieder in Zelten leben und mit Pfeil und Bogen Büffel jagen.«
»Nein, das nicht, aber dass Sie uns das Geld geben, um Brunnen zu bauen.«
»Wieso Brunnen?«
»Wir haben zu wenige auf den Reservationen. Die meisten Familien laufen noch meilenweit, um schlechtes Wasser zu holen.«
»Dann gehen Sie doch weg von einer solchen Wüste.«
»Es ist unsere Heimat.«
»Gefühlsbetont, sagte ich ja. Damit kommen Sie nie weiter.«
»Wir werden sehen.«
»Sie – entschuldigen Sie, Mr King –, Sie können sich also zu Hause tatsächlich nicht waschen?«
Kay erschrak. Joe blieb ruhig.
»Als Kind und junger Bursche, Mr Hunt, bin ich meilenweit gelaufen, um mich zu waschen, und habe das Trinkwasser in Eimern und Ledersäcken herangeschleppt. Als Mann habe ich mir einen Brunnen mit Motorpumpe gebaut.«
»Die Verwaltung hat Ihnen das Geld dazu gegeben?«
»Wohin denken Sie denn? Einen Brunnen für eine einzelne indianische Ranch? Wir streiten uns seit einigen Jahren, welches von zwei Dörfern durch den Gesundheitsdienst einen Brunnen erhalten wird. Für beide reicht das amtliche Geld nicht.«
»Unfasslich. In welcher Welt leben Sie denn?«
»In der Ihren, Mr Hunt, oder unter der Ihren, wie Sie wollen.«
»Sie haben sich das Geld also aus privater Initiative beschafft. Warum tun das nicht alle Indianer?«
»Es war ein sogenannter Zufall. Ich bin jemandem auf die Schliche gekommen, das hat sich gelohnt.«
Das Wort »Erpresser« schwebte unhörbar durchs Zimmer. Joe hatte mit Zynismus in diese Richtung gespielt. Wo er Verständnislosigkeit oder Neugier zu spüren meinte, forderte er heraus und tarnte seinen wahren Charakter.
»Jemandem auf die Schliche kommen – könnte Ihr spezielles Talent sein, Mr King. Sie liegen stets auf der Lauer und beobachten. Das habe ich schon lange bemerkt.«
»Sie beobachten mich also auch.«
»Nicht mit der gleichen Konsequenz. Sie beobachten – hm – gekonnt. Ich zweifle nicht, dass Sie die Qualitäten haben, um Gewinn zu machen.«
»Danke. Habe auch Qualitäten für Verlustgeschäfte. Wie Sie sehen.«
Es ging gegen Abend. Die Luft aus den Gärten wurde kühl und roch würzig. Schwester Kays Zeit war um; die Ausgabe des Abendessens stand bevor. Sie verabschiedete sich verlegen und fürchtete, dass sie ein zu lebhaftes Gespräch veranlasst habe; die Patienten hätten sich angestrengt.
Joe lächelte ihr zu. »Was denken Sie jetzt über mich, Schwester Kay? Ich bin ein bad boy. Frech und undankbar.«
»Sie sind ebenso aggressiv wie scheu, Mr King. Ein Indianer.«
»Ein Wildtier, nicht? Hält sich verborgen, und wenn es herausgelockt wird, zeigt es sich bissig.«
»Das nächste Mal erfreulichere Themen«, rief es aus zwei Betten. Kay trat für einen Augenblick ans Fenster und holte Luft, dann verließ sie mit gesenktem Kopf den Raum.
Hunt knurrte noch während des Essens vor sich hin.
»Es ist nicht übel, dass wir Sie hier bei uns haben, Mr King«, sagte er jedoch beim letzten Salatblatt. »Sie unternehmen es, an den Selbstverständlichkeiten unseres Lebens herumzustochern – als ob unser Establishment nichts als stinkender Käse sei. Endlich mal etwas anderes als unsere Autounfälle. Aber nun sagen Sie mir bitte – wenn Sie wollen –, warum sind Sie denn des Nachts aufgestanden? Sie können doch klingeln. Wozu sind die Schwestern da in einer zivilisierten Klinik?«
»Vielleicht hat es in meinem Verstand geklingelt; Kurzschlusshandlung.«
»Meine Theorie stimmt also. Gefühlsbetont. Ich glaube, das hängt mit der Stammesverfassung zusammen.«
Das Geschirr wurde abgeräumt.
Die Nachtschwester trat ihren Dienst an. Sie galt bei den Patienten als die Freundin des zweiten Assistenzarztes.
In Joe erloschen Heiterkeit und Initiative, als er ihre Miene sah, ihre anordnenden Worte hörte und ihre Kontrollen und Fragen betreffend seinen körperlichen Zustand und seine körperlichen Bedürfnisse über sich ergehen lassen musste. Er hatte erhöhte Temperatur.
Die Fenster wurden geschlossen, die gefilterte Luft hüllte Joe ein wie einen Gefangenen, und mit der Dunkelheit versanken die Bilder und Gedanken, Mr Hunt und Schwester Kay. Er war wieder ein hilfsbedürftiger Körper, sich bewusst, dass er dem Chefarzt Unannehmlichkeiten bereitete, dass er nichts als ein Indianer, ein Krimineller war, von der Polizei verhört, von dem Pflegepersonal und den Assistenzärzten argwöhnisch betrachtet, etwas wert nur durch seine außergewöhnlichen Verletzungen als medizinischer Fall – und als zahlender Patient. Vielleicht blieb er lahm.
Vor ihm standen im Dunkeln Mary, die Büffel, das weite Land – er versuchte zu schlafen, gab es auf, sich zwingen zu wollen, und versank endlich in eine Art von Bewusstlosigkeit, aus der er am Morgen zu einem neuen Tag der Gefangenschaft geweckt wurde. Schwester Kay nahm den Tagesdienst auf. Joe fror, er hatte Untertemperatur. Er wusste, ohne zu fragen, dass Kay ihm noch Bücher bringen, aber dass sie zu keiner Unterhaltung mehr kommen würde. Probleme des Elends und der Indianer gehörten nicht in die Klinik; sie störten die zur Genesung erforderliche Ruhe. Es durfte nicht zu einer Wiederholung des Falles Stott-King kommen. Schwester Kay fürchtete das – vielleicht sogar um Joe Kings willen.
Ihr Lächeln hatte die persönliche Färbung verloren und sich in die Maske des keep smiling zurückgezogen. Der indianische Patient ließ sich wie eine Gummipuppe hantieren; sein Ich schien abwesend. Joe scheute sich in diesen Wochen davor, seine Frau wiederzusehen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie seine Niederlage erkennen würde. So überwand er sich, mit Dr. Miller zu sprechen, und bat ihn, Besuche von Seiten Queenies und Dr. Slighs möglichst aufzuschieben, bis es ihm besser gehe und er wenigstens den vorigen Stand wieder erreicht habe. Miller sagte unwirsch zu, erfüllte aber den Wunsch des Patienten geschickt und energisch, indem er Sligh versicherte, dass es nichts wesentlich Neues gebe, Mrs King aber von weiteren Besuchen zunächst abriet, da dadurch der Patient nur aufgeregt und zu stark an daheim erinnert werde. Beide fügten sich.
Elisha Field
Auf der King-Ranch herrschte Trauer. Eine Stute war mit ihrem Fohlen eingegangen. Es waren nur zwei Tiere, eine Tiermutter und ihr Tierkind. Aber für alle, die hier lebten und arbeiteten, war ein Pferd mehr als eine Menge Fleisch mit Fell überzogen, auch mehr als der Preis, der für eine wertvolle Stute und ein Füllen aus gutem Stamm gezahlt worden wäre. Ein lebendes Wesen hatte Abschied genommen. Robert klagte sich selbst an, weil es ihm nicht gelungen war, Stute und Füllen zu retten. Hanska lief umher, als habe er wieder eine Schwester verloren.
Da kein anderer so schnell dazu bereit war, kam Elisha mit dem Abdeckerwagen, um die Kadaver abzuholen, ebenso wie er zuvor das Büffelfleisch übernommen hatte. Robert und Queenie waren zur Stelle. Die Jungen hatten sich im Haus versteckt. Sie konnten nicht sehen, wie die toten Tiere, denen ihr Herz gehört hatte, von dem Geist mit dem flachen Gesicht und den wässrigen Augen fortgebracht wurden. Sie behielten das Bild der schwarzbraunen Stute im Herzen, und sie mochten nicht daran denken, dass die Mitglieder des Rugby-Clubs Hotdogs aus Pferdefleisch essen würden. Das war nicht das Andenken, wie die toten Tiere es verdient hatten.
Mit dem Verlust der Stute und des Fohlens gab es wieder etwas, was Queenie ihrem Mann nicht berichten mochte. Langsam, Stück für Stück, wurde die Lügenlast aufgehäuft.
Elisha Field hatte die Gelegenheit benutzt, Mrs King einen weiteren Besuch anzukündigen.
Der Tag, an dem er kommen wollte, brach an und gelangte zu seinen Mittagsstunden. Ein starker Ford kam den Feldweg herauf und stoppte vor dem neuen Haus, das hellgelb und weiß gestrichen war und dessen Fenster blinkten.
Queenie King sah den Wagen kommen. Sie trug ein altes, hübsches Kleid, ein Jäckchen darüber, und saß mit einer Stickereiarbeit nach indianischen Mustern am Fenster.
Der Ford hielt.
Es gab eine elektrische Klingel, da es eine elektrische Motorpumpe gab. Die Glocke schlug an, und Mrs King öffnete. Es war Sonntag. Wakiya und Hanska saßen mit im Zimmer. Elisha Field machte nicht viel Umstände. Er nahm unaufgefordert Platz und fragte: »Können wir miteinander sprechen, Mrs King?«
»Sie sind gekommen, Mr Field.«
»Ja. Sie haben ein Bild gemalt, das mich interessiert. Was verlangen Sie dafür?«
»Was für ein Bild meinen Sie?«
»Den Fisch.«
»Dreitausend Dollar.«
»Dreitausend?«
»Ja, dreitausend.«
»Hm.«
Queenie zog naturgefärbte Borsten des Stachelschweines als Fäden um die Lederbänder eines Stirnbandes.
»Ist das zu kaufen, Mrs King? Ich meine, die Stickerei?«
»Diese nicht.«
»Aber Sie machen auch Kunsthandwerk?«
»Ja, die Büffelhaut werde ich bemalen.«
»Die Riesenhaut?«
»Die Riesenhaut.«
»Wer gerbt sie denn?«
»Meine Mutter.«
»Das Museum übernimmt solche Aufträge auch.«
»Mag sein.«
»Es war ein furchtbares Unglück. Das Fleisch ist sehr zäh gewesen. – Sie bemalen die Haut?«
»Ja.«
»Das ist interessant. Kann man die mal sehen, wenn sie fertig ist?«
»Sie können sie nicht kaufen, Mr Field.«
»Warum nicht?«
»Weil sie schon bestellt ist.«
»Ah?! Sie sind tüchtig.«
Queenie arbeitete weiter.
»Könnte ich mal was bei Ihnen bestellen, ich meine, etwas Kunstgewerbliches?«
»Vorläufig bin ich ganz besetzt. Aber ich arbeite solche Sachen.«
»Nun, ich komme wieder einmal. – Dreitausend, sagen Sie?«
»Dreitausend.«
»Viel. Kann man das Bild sehen?«
»Ja.«
Queenie legte die Handarbeit weg und brachte das eigenartige Gemälde.
Field fuhr zurück. »Toll.«
»Warum?«
»Er starrt einen an.«
»Er glotzt.«
»Ja, er glotzt. Wissen Sie, dass ich ein Aquarium habe?«
»Jetzt weiß ich es.«
»Aber das ist … Niemand außer mir hat einen solchen Fisch.«
»In New City.«
»In den Staaten.«
»Sie irren sich.«
»Wer …?!«
»Ich will nicht sagen, ›hat‹ einen solchen Fisch. Aber ›ist‹ ein solcher Fisch. Das gibt es. Nicht nur in New City.«
»Ach, die Indianer glauben noch, dass die Menschen Tiere werden können!«
»Glauben Sie das etwa nicht, Mr Field?«
»Wie man es nimmt.« Elishas Augen wurden kugelrund.
»Also dreitausend, Mr Field.«
»So schnell kann ich mich nicht entschließen. Halten Sie es mir eine Woche zurück?«
»Nein.«
»Oh.«
»Nein.«
»Es ist teuer. Aber Sie haben jetzt auch selbst viel Ausgaben. Ich will nicht drücken. Sie sind eine große Künstlerin. Dreitausend?«
»Ja.«
»Und wenn ich bar zahle?«
»Ja, natürlich, bar.«
»Oh.«
»Natürlich. Bar.«
»Ich meine, Dr. Sligh hat Ihren Mann operiert. Er muss ja ein Interesse daran haben, dass die Operation als geglückt gilt. Versuchen Sie es doch einmal dort.«
»Was?«
»Ich will mich mit meinen Ratschlägen nicht aufdrängen.«
»Ich habe auch nicht um Ihre Ratschläge gebeten. Sie wollten sich das Bild ansehen.«
»Es ist zu teuer. Ich meine, wenn Sie Geld brauchen, Mrs King, so ist ein Kredit möglich. Aber ich kann Ihnen kein Geld schenken.«
»Habe ich darum gebeten?«
»Wie man es nimmt. Dreitausend – die Hälfte wäre geschenkt, die andere der Wert des Bildes.«
»Sind Sie Kunstsachverständiger, Mr Field?«
»Ein einfacher Mann wie ich gibt nicht mehr als tausendfünfhundert Dollar für ein Gemälde aus. Es würde mich nur reizen, weil es gerade mein Fisch ist.«
»Ich bin keine Fischhandlung.«
»Sie sind eine sehr tüchtige Frau. Ich könnte ja mal einen Kunstsachverständigen mitbringen.«
»Das wird zu spät.«
»Ach, Sie haben noch einen anderen Interessenten.«
Queenie arbeitete weiter.
»Ich möchte Sie nicht sitzen lassen, Mrs King. Wenn Sie das Geld jetzt brauchen … hier haben Sie die dreitausend. Ich kann leichter Kredit bekommen als Sie.«
Queenie sah nicht von ihrer Arbeit auf. Aber sie wusste, wer vor ihr saß. Plattgesichtig, kurzbeinig, mit kräftigen Rausschmeißerhänden, breiten Schultern, so hockte er vor ihr, der Spießbürger Elisha Field, und biederte sich an, weil er wusste, dass sie in Not war. Joe hatte Queenie vor ihm gewarnt.
»Es ist mir nicht bekannt, Mr Field, dass ich bei Ihnen um Kredit nachgesucht hätte.«
»Nein, nein, das wollte ich auch nicht gesagt haben. Ich meine – als Reservationsindianerin sind Sie ja immer und überall gehemmt, es ist eine Schande. Sie können nicht einfach Pferde verkaufen, nicht einfach Vieh verkaufen, kein Land beleihen – Sie sind ausgeliefert. Was wollen Sie machen? Sie brauchen für jeden Schritt die Erlaubnis der Herren von der Verwaltung, und die haben kein Verständnis für Ihre Lage. Den Mann wieder rein ins Indian Hospital, den Mann wieder her auf die Reservation, das ist der Kehrreim und das A und O von allen ihren amtlichen Stellungnahmen. Wenn Sie sich selbst helfen wollen, brauchen Sie die Hilfe der freien Bürger. Ich bin ein freier Bürger, Mrs King, ich helfe Ihnen, weil Sie eine ungemein tüchtige Frau zu sein scheinen. Ich kaufe Ihnen den Fisch ab, dreitausend Dollar auf der Stelle. Sie haben mir das Angebot gemacht, ich nehme es an. Okay?«
Queenie schwindelte es. Dreitausend! Das erhielt sie für dieses Bild von keinem andern Käufer, und über einen Monat Klinik samt Arztkosten war für Joe damit bezahlt. Aber womit lauerte Field im Hinterhalt? Woher hatte er soviel Bargeld für unnütze Ausgaben, was wollte er damit erreichen?
»Sie signieren, Mrs King, ich zahle und nehme das Bild gleich in meinem Wagen mit. Rahmen lasse ich selbst in New City.«
Queenie hätte am liebsten »Nein« geschrien. In ihr schrie es »Nein«. Sie zählte aber das Geld nach und legte es in drei kleinen Bündeln auf den Tisch.
»Okay, Mrs King?«
»Sie haben das Bild gekauft, Mr Field.«
Queenie signierte mit halbgeschlossenen Augen, während der Fisch sie anglotzte. Sie rollte die Leinwand vorsichtig zusammen und übergab sie dem Käufer.
»Was ich noch sagen wollte, Mrs King – mit Büffeln ist kaum etwas zu machen. Sind zu schwer zu hüten. Aber es gibt Liebhaber von bucking horses – ich meine, es könnte sich irgendein Weg finden, auf dem Sie über den Kaufpreis frei verfügen. Wenn Sie – ich meine, Sie können sich immer an mich wenden. Ich helfe Ihnen gern … bye!«
Als Elisha Field das Haus verlassen hatte und das Geräusch seines Motors verklungen war, stand Queenie noch immer vor dem Geld auf dem Tisch. Sie fürchtete sich, es anzufassen.
»Wakiya, leg du es in den Schrank.«
Drei Tage später war Mrs King auf die Superintendentur bestellt.
Die Stelle des Superintendenten war noch immer nicht mit einem Nachfolger besetzt. Mr Shaw nahm nach wie vor die Geschäfte wahr. Punkt zehn Uhr, wie es in dem Brief angegeben war, betrat Queenie das Zimmer.
Mr Shaw bot den letzten freien Stuhl, einen Stuhl mit Armlehnen, an. Die Herren, die mit Mrs King zu verhandeln gedachten, waren schon anwesend. Queenie hatte sie im Halbrund vor sich. Sie hatten sich bereits besprochen, sie waren sich in jeder Weise einig geworden und würden Mrs King ihre Beschlüsse nun vortragen. Mrs King war eine sehr junge Frau, sie stand zurzeit allein, es war gut und richtig, sie zu beraten. Es war notwendig und menschenfreundlich, sie zu beraten. Die Herren brauchten solche Gedanken nicht auszusprechen. Queenie Tashina atmete sie mit der gefilterten Büroluft zusammen ein. Sie dachte ihre Vorstellungen in der Form von Materialien. Der Verholzungsprozess im Mark von Mr Nick Shaw hatte Fortschritte gemacht. Sidney Bighorn, ihm zur Seite, war eine der Gummiseelen. Dave de Corby, Mitglied des Stammesrats, Ökonom, und John Whirlwind – Sandstein.
Nicht Granit wie der Bildhauer Edward Monture. Sandstein. Mr Brown? Zement aus Bürostaub. Mr Sligh, M. D. – Mr Sligh, M. D.?
Queenie wurde in ihren Gedanken unterbrochen.
Mr Shaw begann zu sprechen.
»Der Tod von Miss Booth und das lange Krankenlager Ihres Mannes, Mrs King, erfordern einige ernste Überlegungen und Entscheidungen.«
Mr Bighorn unterstrich und unterstützte, Mr Brown bestätigte, Mr Sligh hüllte sich in Schweigen wie ein Gespenst in Dunst. Mrs King saß auf ihrem Stuhl. Sie ließ die Augen zu dem jeweiligen Sprecher wandern, und niemand konnte den Eindruck haben, dass sie nicht aufmerksam zuhörte. Sie hörte sehr aufmerksam auf die Worte der weißen Männer, die über eine Reservationsindianerin regierten. Sie horchte auch auf den Ton von Mr Whirlwind, der ein großer indianischer Rancher war.
Als alle gesprochen hatten, blieb Queenie Tashina King still. Sie legte die Hände auf die Armlehnen wie ein Mensch, der eine Stütze sucht, oder auch wie ein Mensch, der sich entspannt, der es sich leichter macht. Sie ließ die Herren im ungewissen darüber, wie ihre Haltung auszulegen sei. Sie war der Mittelpunkt geworden. Die regierenden Männer im Halbrund schauten auf sie mit dem Blick der Autorität, die eine Antwort erwartete.
»Rauchen Sie?« fragte Sligh.
»Ich rauche nicht. Danke.«
»Haben Sie verstanden, Mrs King?«
»Darf ich wiederholen, Mr Shaw? Dann werden Sie sehen, ob ich verstanden habe.« Queenie sagte es, ohne den Rücken von der Stuhllehne abzulösen.
»Bitte, wiederholen Sie!«
»Nach dem Tode von Miss Mary Booth muss die Schulranch aufgelöst werden. Mr Whirlwind will unsere Büffel übernehmen. Auf Abzahlung. Er ist berechtigt, einen Teil zu verkaufen und mit dem Erlös die Abzahlungen für die übrigen zu beginnen. Auf dem uns benachbarten Gelände der Schulranch wird ein Pächter eingesetzt. Wir werden weiterhin die kleinen Abgeltungen für Wasser und Elektrizität erhalten, wie wir sie für die Schulranch genommen hatten. Die Booth-Ranch wird ebenfalls verpachtet. Wir haben keinen Anteil mehr an diesem Pachtgelände. Was meinen Mann betrifft, so bin ich nicht berechtigt, Inventar der Reservation – dazu gehören auch Groß- und Kleinvieh und die Pferde – zu verkaufen oder zu beleihen, um den Aufenthalt meines Mannes in der Klinik außerhalb der Reservation zu finanzieren. Wenn mein Mann dem Gutachten des Gesundheitsdienstes entgegen außerhalb der Reservation verbleibt, wird zu erwägen sein, ob ihm die Reservationsrechte weiterhin zustehen. Er wird sich entscheiden müssen. Es schwebt eine Untersuchung meines Mannes auf seinen Geisteszustand, der im Zusammenhang mit seiner partiellen Gedächtnisstörung geschädigt erscheint. Es ist möglich, dass eine Vormundschaft über ihn verhängt wird.«
»Ja. – Und nun äußern Sie sich bitte, Mrs King.«
»Ich habe nichts zu sagen.«
Das war doppeldeutig. Sligh blinzelte aus den Augenwinkeln.
Shaw war unzufrieden. »Sie haben nichts zu sagen?«
»Sie werden zu gegebener Zeit hören, was mein Mann zu sagen hat. Wir geben nicht alle Büffel her. Wir züchten weiter. Ich habe gesprochen, hau.«
Queenie stand auf. Schlicht und aufrecht, ohne ein äußeres Zeichen ihrer Erregung stand sie vor ihren Vormunden. Die Zeit der Tränen war vorüber, denn die Not war groß.
Am nächsten Tag fuhr Queenie mit dem Wagen nach New City und überwies von der dortigen Post aus 3 000 Dollar an die Klinik Dr. Miller. Damit waren alle Schulden getilgt, und es blieben 1 700 Dollar für die erste Hälfte des kommenden Monats als Vorauszahlung. Innerhalb von vier Wochen musste sie aber wieder Geld beschafft haben. Queenie hatte von New City aus überwiesen, weil sie in ihrem Tun und Lassen nicht von den Angestellten der Agentur beobachtet werden wollte.
Sie besuchte in New City Joes Schwester Margret, freute sich, dass der Schwager Arbeit gefunden hatte, wenn auch nur vorübergehend, und die sich jährlich mehrenden Kinder besser zu essen bekamen, verabschiedete sich aber rasch wieder, um noch vor Einbruch der Dunkelheit William Krause und den kleinen Freddy aufzusuchen. Sie fand den Handwerker in seiner Werkstatt, setzte sich auf den Werkstatttisch, wie auch Joe es immer getan hatte, und aß einen Apfel, den Krause aus allen Früchten als rundesten, knallrotbackigsten für sie ausgesucht hatte. Freddy hockte schon neben Queenie.
»Wie geht’s?«
Krause arbeitete weiter, ohne Queenie weiter anzusehen. Er fragte aber: »Wann kommt Joe wieder heim?«
»In einem halben Jahr – in einem Jahr – wer weiß es.«
»Diesmal hat’s ihn gepackt.«
»Ja.«
Queenie wählte Krauses schütteres Haar hinter der Halbglatze als Blickfang.
Die Jungen daheim, Wakiya und Hanska, nannten es ein Stoppelfeld oder eine Heuschreckenwiese.
Krause machte keine Umschweife.
»Wieviel Geld brauchst du, Queenie? Ich geb dir viertausend. Wenn Joe wieder da ist, sprechen wir darüber. Gut?«
»Gut.«
Krause ging in sein Wohnhaus hinüber, um das Geld zu holen. So lange war Queenie mit dem kleinen Jungen allein. Freddy verzehrte den dritten Apfel mit Genuss. Queenie legte das Kerngehäuse des ersten in den Aschenbecher, den der sorgliche Krause ihr hingestellt hatte.
»Kennst du Elisha Field, Freddy?«
»Ja. Das ist ein böser Mann.«
»Warum?«
»Er ist es.«
»Kommt er hierher?«
»Wenn ein Gewehr geprüft werden muss.«
»Sonst nicht?«
»Nein, sonst nicht.«
»Warum ist er ein böser Mann?«
»Ich weiß es. Hau.«
Krause kam zurück und brachte die versprochene Summe. Queenie steckte die Schecks in die Brusttasche und atmete tief.
»Kredit«, sagte sie. »Wenn Joe wieder da ist, bespricht er es mit dir.«
»Hat Zeit. – Du hast ja den Fisch an Elisha verkauft.«
»Ja.«
»Hab mich gewundert. Kennst du Elisha?«
»Nein.«
»Sei vorsichtig, Queenie.«
»Ich habe weiter nichts mit ihm zu tun.«
Queenie glitt vom Tisch und wollte sich verabschieden.
»Bleib da, Queenie, es wird schon dunkel.«
»Daheim schreien zwei Kinder.«
»Hast du keinen Babysitter?«
»Meine Mutter ist gekommen. Aber ich stille.«
»Lass die Babys schreien. Die Mutter wird sich schon irgendwie zu helfen wissen. Fahr nicht in der Nacht!«
Queenie horchte auf den Unterton in Krauses Stimme.
»Joe wäre auch besser nicht in der Nacht gefahren«, sagte sie.
Krause hob den Kopf, während seine Hände am Werkzeug blieben.
»Du hast schon recht, Queenie. Bleib also da.«
Queenie gab nach und legte sich angekleidet neben den Jungen in dessen großes Bett.
Das eine der Wohnhausfenster war um einen Spalt geöffnet. Die junge Frau hielt die Augen offen und schaute hinaus über den nachtschwarzen Busch, hinauf zu den kiefernbestandenen Höhen. Der Mond ging auf; die Schatten fielen lang. Das andere Bett krachte, Krause hatte sich herumgewälzt. Die Kuckucksuhr tickte. Alle Stunde kam der künstliche Vogel heraus und rief. Draußen flog eine Eule ohne Laut wie ein Schatten über den Busch. Aber zwei Käuzchen schrien unaufhörlich; sie hatten nicht die Spannweite der Flügel und nicht die Würde der Eulen. Krause wurde wach und schloss das Fenster. »Verdammte Totenvögel!«
Um vier Uhr früh schlich sich Queenie aus dem Bett. Leise schloss sie die Tür auf und ging hinaus. Es war noch dunkel. Die Luft schwebte würzig und kalt um sie. Sie begab sich zu ihrem Wagen. Krause kam zu ihr heraus; der Junge schlief noch.
»So früh?«
»Wie Joe.«
»Ja. Er ist damals auch um vier Uhr weggefahren. Und es war auch noch dunkel.«
Queenie und Krause sahen sich einen Augenblick an, dann wandte sich der Mann um und ging ins Haus zurück.
Queenie schaute noch einmal umher, auf das Haus, auf die Werkstatt, auf den Garten, auf den Zwerg und den Zaun – über den Busch, hinauf zu den Kiefern, in denen der Wind der ausgehenden Nacht zu rauschen begann. Die Käuzchen waren verstummt. Die gespannte Brust tat Queenie weh.
Queenie ging ans Steuer, startete, fuhr und gewann die betonierte Straße. Sie hatte die Lichter vorschriftsmäßig angeschaltet. In der Ebene leuchteten die Neonlichter von New City und seinem kleinen Flugplatz. Am Stadtrand erkannte sie schon von fern einen Jeep; es war ein Polizeiwagen.
Kurz vor der Einfahrt in die Stadt wurde sie von dem Jeep angehalten. Sie war nicht unruhig, denn sie hatte ein gutes Gewissen und glaubte an eine Routinekontrolle.
»Woher kommen Sie?«
»Von Will Krauses Haus.«
»Steigen Sie aus.«
Die Polizisten durchsuchten den Wagen, als ob sie eine Stecknadel finden wollten. Sie schnitten die Polster auf und wühlten. Es dauerte lange. Der Himmel wurde hell.
»Leeren Sie Ihre Kleidertaschen aus!«
Queenie gehorchte. Ein Polizist öffnete ihre Brieftasche.
»Viertausend Dollar? Was haben Sie an Krause verkauft?«
»Nichts. Es ist Kredit.«
Queenie, traurig über die zerschnittenen Polster, blieb doch im Grunde noch immer ruhig.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.