Kitabı oku: «Die Jutta saugt nicht mehr & Voll von der Rolle», sayfa 8
Als ich meine Vorbereitungen beendet hatte, ging ich ins Wohnzimmer, um den Servierwagen zu holen. Dengelmann, der in der Zwischenzeit ein weißes Hemd und blank polierte Schuhe angezogen hatte, hockte in einem der Sessel und starrte trübe vor sich hin. Da freute sich jemand aber überhaupt gar nicht auf seinen Besuch. Als ich eintrat, schreckte er hoch.
»Ich räume jetzt das Geschirr vom Esstisch und nehme es mit in die Küche«, erklärte ich ihm. »Das hatte ich nur hingestellt, um Ihnen den Tisch komplett eingedeckt zu demonstrieren.«
Er nickte geistesabwesend, dann sagte er: »Kochen Sie schon? Ich rieche gar nichts.«
Ich lächelte ihn aufmunternd an. »Das werden Sie, sobald Ihr Gast eingetroffen ist. Alles ist vorbereitet. Die einzelnen Gänge werden frisch zubereitet. Das geht schneller, als Sie sich vielleicht vorstellen können. Vertrauen Sie mir, alles wird rechtzeitig, knackheiß und ohne lange Wartezeiten auf den Tisch kommen.«
»Ich vertraue Ihnen«, sagte er feierlich.
Um Punkt sieben Uhr klingelte es. Kartoffeln und Sellerie standen bereits auf dem Herd und köchelten vor sich hin, und nun schob ich die Feigen mit dem Frischkäse in den Backofen.
Als er und sein Gast an der Küchentür vorbeikamen, hörte ich die Frau sagen: »Da bin ich aber mal gespannt, was du mir Schönes auftischen wirst, Gerry.«
Mich traf beinahe der Schlag, denn ich erkannte die Stimme sofort.
Gerhard Dengelmanns Gast an diesem Abend war Frau Berger.
Kapitel 12
Manchmal erweisen sich Entscheidungen im Nachhinein als besonders vorausschauend, auch wenn das nicht die ursprüngliche Absicht war
Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit Frau Berger. Was hatte die denn hier oben zu suchen – bei dem Mann, den sie für den Mörder ihrer verschwundenen Freundin hielt?
Mir wurde spontan übel bei dem Gedanken, dass sie plante, ihn mit ihrem Verdacht zu konfrontieren. Was versprach sie sich davon?
Und Dengelmann?
Wieso lud er sie zum Essen ein, wenn sich laut Frau Berger ihr Kontakt doch darauf beschränkte, dass er sie beschimpft und verkündet hatte, froh zu sein, sie nie wieder sehen zu müssen? Und ihr empfohlen hatte, sich um ihren eigenen Dreck zu kümmern?
Dem Backofen entströmte würziger Duft, der jeden Moment ins Verbrannte umkippen würde.
Herrje … die Feigen! Hektisch riss ich die Klappe auf und den Rost heraus. Das hätte jetzt noch gefehlt, dass ich das Essen versaute.
Während ich die Feigen mit dem in ihnen gratinierten Ziegenkäse auf zwei Teller setzte und mit Honig beträufelte, rasten meine Gedanken.
Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich machen sollte. Einfach den Abend durchziehen? War es klug, wenn die Berger von meiner Anwesenheit wusste – oder vielleicht gerade nicht? Wusste sie vielleicht ohnehin davon? Dass ihre Wohnung dunkel gewesen war, musste kein zwingender Beweis für ihre Abwesenheit sein.
Als die Küchentür sich plötzlich öffnete, wäre ich vor Schreck beinahe unter den Tisch gehechtet.
»Das duftet aber lecker«, sagte Dengelmann, dessen Blick wohlgefällig auf den Tellern mit den hübsch angerichteten Feigen ruhte.
»Die … die sind auch lecker«, erwiderte ich und unterdrückte ein hysterisches Gackern. Innerlich dankte ich welcher höheren Macht auch immer, dass ich mich erfolgreich dagegen gewehrt hatte, das Essen zu servieren. Dann hätte ich jetzt schön blöd dagestanden. Von der Berger ganz zu schweigen. Immerhin hatte sie Erwin und mir gegenüber kein Wort darüber verloren, dass sie sich mit Dengelmann zu treffen gedachte.
»Guten Appetit«, fügte ich lahm hinzu, als er mit dem Servierwagen abdackelte.
So gern ich Erwin angerufen hätte – mir fehlte die Zeit, denn ich musste umgehend mit der Zubereitung des Hauptgangs beginnen. Und wie gern ich erst belauscht hätte, was die beiden im Esszimmer zu bequatschen hatten …
Mühsam raffte ich meine fünf Sinne zusammen, um mich auf das zu konzentrieren, was jetzt anlag. Wenn der Hauptgang auf dem Tisch stand, hatte ich ein wenig Verschnaufpause, um die überraschende Entwicklung der Ereignisse zu überdenken.
Ich briet das Fleisch an, bedeckte die Medaillons mit der Nusskruste und verfrachtete sie in den Backofen. Zum Bratensatz in der Pfanne kamen etwas Brühe und Rotwein, die von allein zu einer Soße einreduzieren würden.
Fleisch: erledigt.
Was als Nächstes?
Die Möhren. Putzen, ein wenig Grün stehen lassen, mit etwas Butter in eine weitere Pfanne, fünf Minuten dünsten: erledigt. Immer wieder drifteten meine Gedanken weg, immer wieder musste ich mich zur Ordnung rufen. Das Püree fehlte noch, verdammt. Der abgegossenen, weich gekochten Mischung aus Kartoffeln und Sellerie verabreichte ich einen ordentlichen Klotz Butter und etwas Muskatnuss, dann rückte ich ihr mit einem Stampfer zuleibe. Es tat gut, ordentlich Kraft aufwenden zu müssen – so konnte ich ein wenig von dem Adrenalin abbauen, das mir durch den Körper schoss.
»Perfektes Timing«, sagte ich, als Dengelmann mit dem Servierwagen in die Küche kam. »Sie können den Hauptgang gleich mitnehmen.«
Er sah mir zu, wie ich die Teller anrichtete. »Wollen Sie nicht wissen, wie die Vorspeise angekommen ist?«
Herrje – nichts auf der Welt interessierte mich im Moment weniger.
Ich rang mir ein Lächeln ab und vermied es, ihn anzusehen. »Niemand hat unter Protest und türenschlagend die Wohnung verlassen oder hat die Küche gestürmt, um sich zu beschweren. Ganz gut also, schätze ich.«
Dengelmann lachte leise. »Mir hat es wunderbar geschmeckt. Wirklich gut.«
»Und Ihr Gast? War die Dame auch zufrieden?«, fragte ich in der Hoffnung, dass er irgendetwas Verräterisches antworten würde.
»Ihr Teller ist leer, wie Sie sehen.«
Alles klar – kryptischer ging es nicht. Oder nein, eigentlich war es vielmehr entlarvend, denn der Subtext war folgender: Mir ist schnurzpiepegal, ob es dieser Frau geschmeckt hat. Das Essen ist der einzige Grund, weshalb ich diesen Abend mit ihr überstehe.
Ich stellte die Teller auf den Servierwagen und nickte. »Kann losgehen. Ich hoffe, es schmeckt Ihnen beiden.«
»Mir bestimmt, da bin ich ganz sicher«, erwiderte er und schob ab.
Hastig schloss ich die Tür hinter ihm. Mit dem Hauptgang würden sie erst einmal beschäftigt sein, also konnte ich Erwin endlich anrufen. Mit fliegenden Fingern fummelte ich mein Handy aus der Jacke, die Gott sei Dank nicht an der Garderobe, sondern über der Lehne eines Küchenstuhls hing. Es dauerte einen Moment, aber schließlich ging Erwin ans Telefon. Im Hintergrund hörte ich den Fernseher lärmen.
»Wieso rufst du denn jetzt schon an? Bist du etwa schon fertig?«, fragte er sofort.
»Nein, die sind beim Hauptgang«, flüsterte ich und setzte mich – mit Blick auf die Tür, natürlich – an den Tisch.
»Wie bitte? Warum flüsterst du?«, brüllte er. »Ich kann dich kaum verstehen!«
»Mach die Glotze leiser, verdammt. Ich kann nicht lauter sprechen«, zischte ich.
Ich hörte, wie er mit seinem Täubchen sprach, dann verstummte der Fernseher.
»So«, sagte er dann in normaler Lautstärke. »Was ist los?«
»Rate mal, wer die geheimnisvolle Dame ist, die gerade mit Dengelmann drüben im Esszimmer sitzt.«
»Was? Woher soll ich das denn bitte wissen?«
»Ich lasse dich nicht ohne Grund raten, Erwin. Du musst jetzt nicht auf gut Glück irgendeinen Namen nennen. Du kennst sie.«
»Woher sollte ich denn …«
»Hallo, einer zu Hause, McFly? Du wiederholst dich. Welche Dame kennen wir im Zusammenhang mit Dengelmann? Genau eine einzige! Okay, ich gebe noch einen Hinweis: Sie wohnt im selben Haus wie er.«
Verblüfftes Schweigen, dann: »Mach keine Witze. Du meinst doch nicht etwa …«
»Doch, ebendie meine ich. Ich koche heute Abend für Dengelmann und die Berger. Ist das krass, oder was?«
»Allerdings, das ist es. Hat sie ...«
Ich zuckte erschrocken zusammen, weil plötzlich die Küchentür aufging.
Bämm – neuer Adrenalinschub, na danke.
»Nein, Schatz, keine Ahnung, wann ich zu Hause sein werde. Du, kleinen Moment mal …«, plapperte ich ins Telefon, dann nahm ich es vom Ohr und sagte ziemlich laut: »Irgendwas nicht in Ordnung mit dem Essen, Herr Dengelmann?«
Er schüttelte den Kopf. »Für mich ist alles bestens. Aber mein Gast hat nach Salz gefragt.«
Aha, die Dame schätzte es also würzig. Und er sprach ums Verrecken nicht ihren Namen aus.
Ich rührte mich nicht vom Fleck und blickte mich betont ratlos in der Küche um. »Ich fürchte, Sie wissen besser als ich, wo hier ein Salzstreuer zu finden ist.«
»Oh, natürlich. Natürlich.«
Er stakste los und öffnete einen der Hängeschränke, dem er eine elektrische Gewürzmühle entnahm.
Gerade wollte er die Schranktür wieder schließen, aber ich sagte: »Nehmen Sie doch sicherheitshalber auch gleich Pfeffer mit. Dann müssen Sie nicht noch einmal laufen, falls sie danach fragt.«
… dann stören Sie mich verdammt noch mal nicht ein weiteres Mal bei meinem Telefonat und jagen mir einen Todesschreck ein, meinte ich natürlich damit.
Er holte also auch eine Pfeffermühle aus dem Schrank, schloss die Tür, grinste verlegen und verzischte sich wieder aus der Küche. Er hatte es zwar nicht gerade eilig, zurück zu seinem Gast zu kommen, wie mir schien – aber was blieb ihm übrig? Er konnte schließlich nicht einfach hier bei mir bleiben und die Berger alleine im Esszimmer hocken lassen. Mit meinem Essen, das ihr offenbar zu lasch gewürzt war.
»Okay, er ist wieder weg«, wisperte ich in den Hörer, nachdem Dengelmann die Küchentür hinter sich geschlossen hatte. Trotzdem traute ich mich nicht, in normaler Lautstärke mit Erwin zu sprechen. Vielleicht presste Dengelmann ja gerade sein Ohr an die Tür und …
Herrje – allmählich wurde ich paranoid. Warum sollte der Mann mich belauschen? Ich hatte ihn glauben lassen, dass ich mit meinem Freund telefonierte.
»Die Berger hat dir also nichts davon gesagt, dass sie heute Abend ein Date mit Dengelmann hat?«, fuhr ich fort.
»Natürlich nicht! Denkst du, das hätte ich dir verschwiegen? Vielleicht, um dir den Überraschungseffekt nicht zu verderben?«
»Aber was bedeutet das?«
»Was?«
»Na, beides! Erstens, dass sie uns nichts davon gesagt hat. Und zweitens, dass sie hier überhaupt sitzt. Was soll das?«
»Ich habe keine Ahnung«, murmelte er.
»Was soll ich denn jetzt machen? Wie soll ich mich verhalten?«
»Du machst überhaupt nichts. Hat sie dich gesehen?«
»Nein, sie weiß nicht, dass ich hier bin. Es sei denn, er hätte ihr gegenüber meinen Namen erwähnt. Ich wüsste aber nicht, weshalb er das tun sollte. Ich hatte im Vorfeld nicht den Eindruck, dass es hier um einen lockeren Abend geht, ganz im Gegenteil. Er war eher …«
Boing – Tür auf, Auftritt Dengelmann samt Servierwagen mit abgegrasten Tellern.
»Schatz«, zwitscherte ich in den Hörer, »ich hab zu tun, der Nachtisch ist fällig. Bis später, Schatz!«
Ich legte auf und wusste, ab jetzt würde Erwin darauf warten, dass ich mich noch einmal meldete.
»Sie können das Dessert gleich mitnehmen, wenn Sie wollen«, sagte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich muss kurz ins Bad, dann komme ich wieder.«
Vor mir aus auch das.
Als er zurückkam, hatte ich auf den Tellern bereits kleine Kunstwerke aus Schokocremenocken, Zimtsahne und Himbeersoße angerichtet, die ich im Finish noch mit ein wenig Zimtzucker bestreuselte und mit ein paar Himbeeren ausgarnierte. Wirklich, es sah ausgesprochen hübsch aus – das hätte mir jetzt auch geschmeckt. Ich schielte zu der noch halb vollen Schüssel mit der Schokocreme … Zimtsahne und Himbeersoße gab es ebenfalls noch.
»Reiß dich zusammen«, murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen, »erst wird klar Schiff gemacht.«
Ich packte die Reste auf einen Dessertteller, dann machte ich mich ans Aufräumen. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, nach dem Kochen so schnell wie möglich die Biege zu machen, aber nun ließ ich mir Zeit.
Ich war von Frau Bergers Anwesenheit noch immer zutiefst verunsichert. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich mich verhalten sollte.
Was, wenn Dengelmann tatsächlich ein ruchloser Mörder und sie gerade in höchster Gefahr war, weil sie ihn mit ihrem Verdacht unter Druck setzte? Falls ja – was würde sie damit erreichen wollen? Einfach herausfinden, was mit ihrer Freundin Jutta geschehen war? Oder ging es um mehr? Wollte sie ihn dazu bringen, dass er sich stellte?
Soll ich versuchen, in dieser Wohnung zu bleiben, bis ich sie außer Gefahr weiß?, grübelte ich, während ich die Spülmaschine im Schneckentempo einräumte, um Zeit zu schinden. Auf der anderen Seite konnte es ihr schon allein das Leben retten, dass ich von ihrer Anwesenheit wusste – immerhin war ich dadurch eine Zeugin. Nein, sie war nicht in Gefahr.
Verdammt. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte.
Viel Zeit würden sie für das Dessert nicht brauchen. Ein wenig Creme, ein paar Himbeeren, Sahne – wie lange konnte es schon dauern, diesen Hauch von Dessert zu verspeisen?
Als ich mit der Küche so weit fertig war, setzte ich mich an den Tisch und begann, die Nachspeise zu löffeln. Töpfe und Pfannen hatte ich mit der Hand gespült und bereits weggeräumt. Ich musste nur noch das Geschirr vom Nachtisch in die Spülmaschine stellen, dann war ich hier fertig.
Ich musste nicht lange warten.
Dengelmann brachte die Teller herein und blickte sich um. »Sie haben ja schon aufgeräumt! Den Rest stelle ich selbst in die Spülmaschine. Sie sind bestimmt froh, dass Sie endlich Feierabend haben.«
Ja und nein, dachte ich. Woher sollte ich einen Grund nehmen, weiterhin in seiner Wohnung herumzulungern?
Da mir keiner einfiel, streckte ich die Waffen und nickte. »War denn alles zu Ihrer Zufriedenheit?«, fragte ich.
»Es hat großartig geschmeckt«, antwortete er und lächelte. »Wir sehen uns dann am Montag?«
Wieder nickte ich. Dann schlüpfte ich in meine Jacke, und er ließ mich hinaus. Zack – schon stand ich im Hausflur, und Frau Berger war nach wie vor in seiner Wohnung. Hatte er gerade beim Abschied nicht irgendwie irre gegrinst? So wie ein verrückter Mörder, der endlich mit seinem nächsten Opfer allein war?
Ich konnte hier nicht ewig stehen bleiben, verdammt. Zumindest musste ich jetzt bald mal die Haustür ins Schloss fallen lassen. Widerwillig verließ ich das Haus und ging zu meinem Auto, das einige Meter vom Hauseingang entfernt geparkt war. Dennoch hatte ich einen exzellenten Blick auf beide Wohnungen. Ich sah sein erleuchtetes Esszimmerfenster, in Frau Bergers Wohnung war alles dunkel.
Ich setzte mich ins Auto und rief Erwin an.
»Wo bist du?«, fragte er.
»Ich sitze vor dem Haus im Auto. Die Berger ist noch oben bei Dengelmann.«
»Worauf wartest du denn noch? Ist noch irgendwas passiert?«
»Nein, nichts. Ich habe nur das Gefühl, als müsste ich auf sie aufpassen.«
»Vom Auto aus? Wie soll das gehen?«
Ich zuckte mit den Schultern; dann fiel mir ein, dass er das nicht sehen konnte. »Keine Ahnung. Ich warte einfach, bis sie unten in ihrer Wohnung ist.«
Erwin schnaubte leise. »Bei dieser Kälte? Viel Vergnügen. Und wenn sie die Nacht bei ihm verbringt?«
Zuerst verstand ich nicht, was er meinte – dann fing ich an zu lachen. »Wie bitte? Die beiden?«, prustete ich. »Niemals.«
»Wer weiß, vielleicht spenden sie einander Trost.«
»Pfff. Ganz sicher nicht. Wenn sich jemand nicht auf diesen Abend gefreut hat, dann Dengelmann. Jetzt ist mir auch klar, warum er die ganze Zeit so wirkte, als wäre dieses Essen für ihn nur eine lästige Pflicht. Er hatte keinen Bock darauf. Als hätte er eine Wette verloren und müsste jetzt mit dem hässlichsten Mädchen der Schule auf den Abschlussball gehen. Ich frage mich, wie sie ihn dazu gebracht hat, sie in seine Wohnung zu lassen. Und warum sie uns gegenüber den Eindruck erweckt, als wären sie sich spinnefeind. Warum hetzt sie uns ihm auf den Hals? Und was soll dieser gestörte Alleingang heute?«
»Das alles wirst du heute nicht mehr herausfinden, Loretta. Wir besprechen uns in Ruhe, und dann überlegen wir uns, ob wir sie darauf ansprechen. Sie hat ja keine Ahnung, dass wir über diesen Abend Bescheid wissen.«
»Stimmt«, murmelte ich geisteswesend, weil in diesem Moment im Haus das Flurlicht anging. »Erwin, es tut sich was. Ich glaube, sie … Moment.«
In Frau Bergers Wohnung flammte Licht auf, dann erschien sie am Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus. Unwillkürlich duckte ich mich tiefer in den Sitz, obwohl sie nicht einmal in meine Richtung sah. Sie stand bewegungslos da, bis sie schließlich mit heftigen Bewegungen die Vorhänge schloss. Selbst aus der Entfernung konnte ich erkennen, dass sie aufgebracht war.
»Alles klar, sie ist in ihrer Wohnung. Ich fahre jetzt nach Hause«, sagte ich.
»In Ordnung. Wir reden morgen in Ruhe, ja? Schlaf gut, Loretta.«
»Du auch. Grüß dein Täubchen.«
Ich steckte das Handy ein und startete den Motor. Während ich langsam die stille Vorortstraße entlangfuhr, stellte ich mir nur eine einzige Frage: Was hatte Frau Berger aufgeregt?
Kapitel 13
Wieder hört Loretta eine bekannte Stimme, und wieder wäre sie am liebsten unsichtbar – aber diesmal gelingt es ihr nicht
Leise fluchend schrubbte ich die Kacheln im Badezimmer. Mehrmals musste ich pausieren, entweder um mir den Schweiß abzuwischen, oder weil ich einen Krampf in der Hand hatte. Es war mir ein Rätsel, wieso es hier so unglaublich schmutzig war; als hätte seit Monaten niemand mehr geputzt. In den Fugen der Fliesen hinter der Badewanne wuchs Moos, und kleine gelbliche Flechten hatten sich an den Armaturen angesiedelt. Selbst das Fenster war blind vor Dreck und ließ kaum Tageslicht herein, aber ich erinnerte mich genau, dass ich es noch vor wenigen Tagen glänzend und streifenfrei hinterlassen hatte.
Dengelmann wurschtelte irgendwo in der Wohnung herum. Von Zeit zu Zeit polterte es, dann wieder schien er zu sägen.
Die Geräusche verstummten, und ich hörte seine Schritte näher kommen. Ich verdoppelte meine Bemühungen und schrubbte wie besessen, denn er sollte ja mit meiner Arbeit zufrieden sein.
»Frau Luchs«, gurrte seine Stimme hinter mir. »Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.«
Ich drehte mich zu ihm um. Dengelmann stand in der Badezimmertür und lächelte mich an. Er trug eine Gummischürze, die von Blut troff. In einer Hand hielt er eine rostige Fuchsschwanzsäge, an der anderen baumelte der Kopf von Frau Berger. Er hatte ihn an den Haaren gepackt, und der Kopf pendelte leicht hin und her. Frau Bergers Augen waren weit aufgerissen, genau wie ihr Mund. Eindeutig hatte Frau Berger als letzten Laut einen Entsetzensschrei ausgestoßen. Oder hatte sie um Gnade gefleht? Blut tropfte auf den Fliesenboden, von der Schürze, von der Säge und aus dem Hals.
Dengelmann sah nach unten. »Jetzt mache ich hier alles schmutzig«, sagte er nachdenklich. »Aber das kriegen Sie bestimmt wieder hin, Frau Luchs, mit einem Ihrer hübschen bunten Lappen.« Schelmisch zwinkerte er mir zu. »Drüben sieht es auch ziemlich … hm … wüst aus, befürchte ich. Kommen Sie.«
Ich folgte ihm ins Wohnzimmer.
Überall war Blut.
Es rann von den Wänden herunter, es bildete große Lachen auf dem Fußboden, es sickerte in die Möbel ein. Als ich über den Teppich ging, verursachte jeder meiner Schritte ein leises, schmatzendes Geräusch, als würde ich über eine regengetränkte Wiese laufen.
Auf dem gekachelten Couchtisch lag der Rest der kopflosen Frau Berger auf dem Rücken, ihre Arme und Beine hingen herunter.
»Sie ist wirklich widerspenstig«, sagte Herr Dengelmann beinahe liebevoll und stellte den Kopf behutsam auf dem Sideboard ab, »selbst jetzt noch. Ständig rutscht Frau Berger mir weg, wenn ich sie zersägen will. Aber zusammen schaffen wir es. Wir versuchen es mal mit einem Arm: Sie halten ihn, und ich säge ihn ab.«
Als ich mich nicht rührte, packte er mich sanft an der Hüfte und manövrierte mich behutsam zum Kacheltisch hinüber. Dann nahm er Frau Bergers Arm und drückte ihn mir in die Hand. Ihr Fleisch war kalt und fühlte sich wie Gummi an.
Ich drehte mich zu ihrem Kopf um, der mich vorwurfsvoll ansah und keifte: »Glauben Sie mir jetzt endlich, dass Gerhard Dengelmann ein Mörder ist, Frau Luchs?«
»Aaaaaaaaaaaah!«
Schweißgebadet fuhr ich hoch und sah gerade noch, wie Baghira mit angelegten Ohren und aufgeplustertem Schwanz vom Bett hechtete – das kriegte ich sogar ohne Brille mit. Immerhin half mir sein Anblick aus zehntelsekundenlanger, panischer Orientierungslosigkeit in die Realität zurück.
Gott segne den Tageslichtwecker, der sich bereits im Gleich-werde-ich-klingeln-Modus befand und das Schlafzimmer sanft erhellte. Man stelle sich vor, ich wäre im Stockdunklen aufgewacht.
Horror!
Mindestens so fürchterlich wie dieser abartige Traum, dachte ich schaudernd, während ich darauf wartete, dass mein galoppierendes Herz wieder in leichten Trab zurückfiel.
Wieder einmal zeigte sich, dass der Mensch im Traum die Dinge verarbeitet, die ihn tagsüber beschäftigt haben. Natürlich hatten Erwin und ich stundenlang alle möglichen Theorien durchdiskutiert, die sich samt und sonders um Dengelmann und/oder Frau Berger gedreht hatten. Ergebnislos, versteht sich, schließlich hatten wir nichts, um irgendeine davon zu untermauern.
Im Gegenteil: Wir hingen völlig in der Luft. Dazu hatte Frau Bergers Verhalten wesentlich beigetragen. Uns gegenüber tat sie so, als wäre Dengelmann der Antichrist persönlich, und dann ließ sie sich von ihm zu einem intimen Dinner einladen. Na ja, intim war vielleicht etwas übertrieben, aber immerhin ging sie am Samstagabend zu ihm in die Wohnung. Gleich, am heutigen Montagvormittag, hatte Erwin den nächsten Termin mit ihr. Ob sie von dem Dinner erzählen würde?
Ich fragte mich, warum sie nicht zusammen ein Restaurant besucht hatten. Das wäre immerhin neutraler Boden gewesen. Vermutlich hatte sie unbedingt in die Wohnung gewollt, um nach Spuren von Jutta zu suchen.
Aber wie, um Himmels willen, hatte sie ihn dazu gekriegt, sie reinzulassen?
Ich zuckte zusammen, weil der Wecker losfiepte. Es war Zeit, aufzustehen. Dengelmann erwartete, dass ich pünktlich zu meiner Schicht erschien. Als ich in die Küche kam, saß Baghira mitten auf dem Tisch und stierte mich misstrauisch an.
»Runter da, du Honk«, sagte ich.
Er sprang auf den Fußboden, und ich ging in die Hocke und streckte ihm die Hand hin. Eilig kam er angetippelt und stupste mit dem Kopf dagegen. Als ich ihn streichelte, schmiegte er sich schnurrend an mich.
»Hab ich dich erschreckt, hm?«, gurrte ich leise, und er antwortete mit einem zarten Miauen, das sich zum wohlbekannten, hysterischen Geschrei steigerte, als ich nach seinem Futternapf griff.
Ich duschte, trank Kaffee, las Zeitung, zog mich an, putzte mir die Zähne – und der Traum weigerte sich standhaft, aus meinem Kopf zu verschwinden.
Meist ist es ja so, dass ein Traum sich, gerade wenn er besonders schön war, rasend schnell verflüchtigt. Zuerst ist er noch da, und dann löst er sich auf wie Morgennebel unter der Sonne. Je mehr man versucht, ihn festzuhalten, desto schneller verblasst er.
Aber dieser Traum, dieser verfluchte, kranke, grauenhafte Traum, krallte sich in meinem Gedächtnis fest wie ein Schiffbrüchiger auf dem offenen Meer an einer Planke. Ich hätte eine Lobotomie gebraucht, um ihn loszuwerden. Oder die Men in Black mit ihrem Blitzdings.
Jedes Bild war kristallklar und in grellstem Technicolor, High-Definition-was-weiß-ich. Das viele Blut, das Moos in den Fliesenfugen, Dengelmanns irres Grinsen, der sprechende Kopf. Die Geräusche echoten in Hi-Fi-Quadro-Surround-Sound durch meinen Schädel: Dengelmanns sanfte Stimme, das Schmatzen des blutgetränkten Teppichs, das vorwurfsvolle Keifen von Frau Bergers abgetrenntem Kopf.
Kein Wunder, dass mich nichts zu meinem Putzjob zog.
Obwohl sich alles in mir dagegen wehrte, stellte ich mein Auto um kurz vor acht Uhr vor dem schmucken Vierparteienhaus ab. Eine vollkommen irrationale Erleichterung durchflutete mich, als ich Frau Berger damit beschäftigt vorfand, vor der Haustür welke Blätter wegzufegen. Sie war nicht zerstückelt und auf mehrere Plastiksäcke verteilt – sie lebte und war wohlauf. Im Vorbeilaufen grüßte ich sie freundlich, und sie hörte mit dem Fegen auf, stützte sich auf den Besenstiel und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. Schließlich nickte sie und erwiderte meinen Gruß.
»Eine Plage, diese Blätter«, sagte sie dann und zeigte auf einen großen Essigbaum, der vor dem Haus stand. »Am liebsten wäre mir, er würde verschwinden. Aber mein Nachbar ist dagegen.«
Sie nickte wieder, dann wandte sie sich ab und fegte weiter. Ich war entlassen.
Ich klingelte bei Dengelmann, und er musste schon den Finger am Türdrücker gehabt haben, denn das Summen erklang unmittelbar danach.
Er war bester Laune, als wir uns in der Küche an den Tisch setzten, um das Essen abzurechnen. Ohne einen Blick auf die Bons und Quittungen zu werfen, nahm er das restliche Geld und stopfte es nachlässig in die Hosentasche.
»Wollen Sie nicht überprüfen, ob alles korrekt ist?«, fragte ich.
»Ach was, ich vertraue Ihnen.« Er griff zu einem Umschlag mit meinem Namen darauf, der auf dem Tisch bereitlag. »Hier, das ist für Sie.«
Ich nahm das Kuvert entgegen und sah hinein; es enthielt zwei Hunderter und einen Fünfziger. »250 Euro? Das ist viel zu viel, Herr Dengelmann.«
Er schüttelte den Kopf. »Ist es nicht. Sie waren fünf Stunden hier, Sie haben sich Gedanken gemacht, was Sie kochen, Sie haben dafür eingekauft. Sie waren also … sagen wir mal, alles in allem knapp zehn Stunden damit beschäftigt. 25 Euro Stundenlohn sind dafür keineswegs zu viel, denken Sie nicht auch?«
Und warum zahlst du dann fürs Putzen nur 13 Euro in der Stunde?, dachte ich, verkniff mir aber, es laut auszusprechen.
»Hatten Sie noch einen schönen Abend?«, fragte ich stattdessen und hoffte, dass es zwar höflich interessiert, aber nicht unangemessen neugierig klang.
»Am Samstag, meinen Sie?«
Ich nickte.
»Nun, mein Gast ist kurz nach Ihnen gegangen. Doch, es war recht nett. Wobei Ihr wunderbares Essen zweifellos der Glanzpunkt des Abends war.« Er lachte, aber es klang gezwungen. »Sie würden sich nicht zufällig als Köchin einstellen lassen?«
Ich lachte ebenfalls, und es klang bestimmt noch gezwungener. »Sie haben, was die Entlohnung dafür angeht, leider nun einen recht hohen Standard gesetzt.« Ich wedelte mit dem Umschlag. »Runterhandeln lasse ich mich nicht. Sind Sie ganz sicher, dass Sie sich mich leisten können?«
Er glotzte mich entgeistert an, und ich schob hastig hinterher: »Kleiner Scherz. So, dann will ich mal allmählich an die Arbeit gehen. Was liegt heute an?«
»Das Bad, dachte ich. Sind Sie einverstanden?«
Als ob das irgendeine Rolle spielen würde.
»Klar. Sie sind der Boss.«
Dengelmann verschanzte sich in seinem Arbeitszimmer, und ich suchte mir alles zusammen, was ich brauchte. Dann stand ich ratlos im Badezimmer und sah mich um. Es war makellos sauber, jedenfalls für meine Begriffe. Die vier oder fünf Wassertropfen am Wasserhahn des Waschbeckens benötigten einen Wisch mit dem farblich korrekten Lappen, dann war ich eigentlich fertig.
Ich seufzte. So ging das natürlich nicht.
Du musst das Bad einfach so putzen, als wäre alles schmutzig, feuerte ich mich innerlich selbst an, du machst eins nach dem anderen, so wie Doris es dir beigebracht hat.
Mit einem erneuten Seufzer machte ich mich an die Arbeit. Hin und wieder bildete ich mir ein, in einer der Fugen Moos zu sehen, aber nach einem beherzten Blinzeln war es dann wieder verschwunden.
Gerade war ich dabei, die Badewanne zu polieren, als es an der Tür klingelte. Ich hörte Dengelmann aus seinem Arbeitszimmer kommen und den Öffner betätigen, dann kamen zwei Personen die Treppe im Hausflur hinauf.
»Guten Morgen. Sind Sie Gerhard Dengelmann?«, fragte eine Frau.
Nun, es war nicht irgendeine unbekannte Frau, oh nein. Zum zweiten Mal in dieser Wohnung wusste ich, zu wem eine Stimme gehörte. Und diesmal wäre ich am liebsten nicht nur unsichtbar, sondern am besten gleich am anderen Ende der Welt gewesen, denn es war Kommissarin Astrid Küpper, die da Einlass begehrte. Was wollte die denn hier? Hatte Frau Berger sich etwa dazu entschlossen, mit härteren Bandagen zu kämpfen, und ihm die Bullen auf den Hals gehetzt?
Wie auch immer – das konnte nichts Gutes bedeuten. Und darüber, wie die Küpper auf meine Anwesenheit reagieren würde, falls ich aufflog, wollte ich gar nicht erst nachdenken.
»Guten Morgen. Ja, der bin ich«, erwiderte Dengelmann zögernd. »Worum geht es denn?«
»Küpper mein Name. Kriminalpolizei. Das ist mein Kollege Kowalski. Zu Ihrer Frage: Mein Anliegen würde ich ungern hier im Hausflur besprechen. Dürfen wir hereinkommen?«
»Aber ja, natürlich.«
Mit angehaltenem Atem linste ich durch den schmalen Spalt der angelehnten Badezimmertür und sah, wie Kommissarin Küpper und ein uniformierter Kollege dem sichtlich verwirrten Dengelmann ins Wohnzimmer folgten. Die Zimmertür blieb ein Stückchen offen stehen.
»Setzen Sie sich bitte«, hörte ich ihn sagen. »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Tee?«
»Nein, vielen Dank«, erwiderte die Kommissarin. »Ich hätte gern, dass Sie sich zu uns setzen, Herr Dengelmann.«
»Worum geht es denn?«, wiederholte Dengelmann. Er klang verwirrt.
Ich musste unbedingt näher ran. Vorsichtig zog ich meine Schuhe aus, schlüpfte geräuschlos aus dem Bad und schlich zum Wohnzimmer. Neben der Tür blieb ich stehen und spitzte die Ohren.
»Es geht um Ihre Gattin. Jutta Dengelmann ist doch Ihre Gattin, nicht wahr? Wann haben Sie sie zuletzt gesehen, Herr Dengelmann?«, fragte die Kommissarin.
Also doch – die Berger war zur Polizei gerannt.
»Jut… meine Frau hat mich verlassen«, entgegnete Dengelmann beherrscht. »Das war vor einem knappen Monat.«
»Verlassen? Sind Sie sicher?«
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