Kitabı oku: «Pucki», sayfa 11
2. Kapitel: Pucki will keinen hungern lassen
Die kleine Schulkameradin mit dem merkwürdigen Namen und dem festgeflochtenen Zopf, der wie ein Haken aus dem Hinterkopf herauskam, beschäftigte das Försterkind unaufhörlich. Dass das Kind immer Hunger hatte und nichts zum sattessen bekam, erschien Pucki unfasslich. Sie hatte auch manchmal Hunger, aber dann bekam sie stets etwas zu essen. Auch Milch war stets vorhanden, viel Milch, von der sie trinken durfte. Ob Thusnelda jeden Tag solch einen Topf Milch bekam?
Alle diese Gedanken beschäftigten Pucki schon am nächsten Morgen, als sie sich erhob. Würde die Schulkameradin wenigstens heute satt sein? Ob sie die große Tüte schon leer gegessen hatte? –
»Mutti, wenn die Thusnelda nichts zu essen hat und auch keine Milch bekommt, möchte ich ihr etwas zu essen mitnehmen, wenn ich heute in die Schule gehe. Sie soll sich wieder freuen.«
»Frage das kleine Mädchen ruhig, und wenn es Hunger hat, will ich dir gern an jedem Tage ein Butterbrot mitgeben, das du ihr schenken darfst.«
»Wenn sie aber heute schon Hunger hat?«
»Das kleine Mädchen kann auch einmal nach dem Forsthause kommen, um Milch zu trinken. Das bestelle ihr. Sie soll sich von der größeren Schwester herführen lassen, denn Milch ist immer bei uns vorhanden.«
»Bekommt dann die große Schwester auch Milch? Die größere Schwester hat vielleicht noch viel größeren Hunger.«
»Selbstverständlich bekommt auch die größere Schwester etwas zu essen. Doch nun beeile dich, Pucki, wir müssen zur Schule. Heute dauert es zwei Stunden, bis du wieder heimkommst.«
»Das ist aber lange!« –
Auch am heutigen Tage brachte Frau Sandler ihr Töchterchen bis zum Schulhause. Wieder saß Pucki mit dreiundvierzig anderen Kindern in der Klasse, wieder stand Fräulein Caspari vor ihnen und ließ die Tafeln herausnehmen, damit die Kinder auch heute zeichneten und schrieben.
»Wir haben gestern einen Buchstaben auf die Tafel gemalt. Wer weiß noch, wie dieser Buchstabe hieß?«
»Ein Osterei!«
»Eine Null!«
»Nein, ich meine den Buchstaben mit dem Punkt. – Nun, Pucki, du wirst es sicherlich behalten haben.«
»Ja, – ich habe ihn behalten, ich kenne ihn ganz genau, aber ich habe seinen Namen vergessen.«
»Vielleicht weißt du ihn, Thusnelda?«
Aber Thusnelda senkte verlegen den Kopf und steckte die kleine Hand in den Mund.
»Nun, Thusnelda?«
»Ach, Fräulein«, rief Pucki, »fragen Sie mal das kleine Mädchen nicht; Thusnelda hat Hunger, und darum kann sie nicht antworten. – Hast du Hunger?«
Thusnelda nickte.
»Bei uns bekommst du ein Butterbrot, morgen bringe ich es dir mit, und Milch bekommst du auch. Du musst nur zu uns kommen. Deine große Schwester bekommt dann auch Milch.«
»Pucki«, mahnte die Lehrerin, »im Schulzimmer musst du ruhig sein und warten, bis du gefragt wirst.«
»Wenn ich nun aber was sagen will?«
»Dann hebst du den Finger in die Höhe und meldest dich.«
Sofort ging Puckis Fingerchen in die Höhe, und erneut wandte sie sich an Thusnelda.
»Meine Mutti hat gesagt, du sollst zu uns kommen, du brauchst nicht mehr zu hungern. Weißt du was, du kommst heute zu uns, mit deiner Schwester. Wir gehen dann zur Kuh, und die wird gemelkt, dann trinken wir immerfort.«
»Pucki, hast du nicht gehört, dass ich dir verboten habe, so viel zu plaudern?«
»Ich halt' ja den Finger hoch, dann darf ich es doch!«
»Nein, dann darfst du noch lange nicht plaudern.«
»Fragst du mich nicht?«
Aufs neue versuchte die Lehrerin, den Kindern klarzumachen, dass sie sie nicht duzen dürften. Das war eine ziemlich schwierige Arbeit. Pucki fand es gar seltsam, dass sie zur Lehrerin anders sagen sollte, wie zu allen anderen Menschen.
Man begann wieder mit dem Stäbchenlegen, dann erzählte die Lehrerin vom lieben Gott, der die Erde geschaffen, der das Licht und die Meere gemacht und Adam und Eva in das Paradies gesetzt hatte.
»Ich kann auch das Licht machen«, rief der vorlaute kleine Heinz. »Ich knips' einfach, dann ist das Licht da.«
»Ich knips' auch«, rief Pucki.
Wilder Tumult entstand. Fast jedes Kind erzählte von dem Licht, das es im Elternhause andrehen konnte. Nur wenige Kinder blieben still; darunter auch Thusnelda.
»Darfst du nicht knipsen?« fragte Pucki.
Sie schüttelte den Kopf. Sie kannte kein elektrisches Licht. Daheim saß man bei der Petroleumlampe.
Die Lehrerin bemühte sich erneut, durch ihre Erzählung vom lieben Gott die Aufmerksamkeit der Kinder zu erregen. Sie sprach von Gottes Güte, von seiner Weisheit und dass er jede Unart sähe und auf jedes Kind aufpasse.
»Wenn ihr in den finsteren Wald geht, braucht ihr euch nicht zu fürchten, weil immer jemand da ist, der auf euch aufpasst. – Nun, wer weiß mir diese Frage zu beantworten: Wer ist auch im finstersten Walde?«
»Mein Vati!« jubelte Pucki, »der geht immer mit der Flinte durch den Wald.«
»Aber der liebe Gott ist auch da.«
»Und der Schutzengel, der läuft immer neben mir her, Fräulein Caspari!«
»Jawohl, Pucki, du hast recht.«
Wieder wollte sie anfangen, von dem Vater zu erzählen, von den Holzfällern, vom Eichkätzchen und den Bäumen, aber sie wurde auch jetzt wieder zur Ordnung gerufen und musste still sein.
»Ich wiederhole noch einmal, Pucki, wenn du etwas fragen willst, hebst du den Finger, dann werde ich dir stets Antwort geben.«
Schon fuhr das Fingerchen wieder in die Höhe.
»Was möchtest du wissen?«
»Ob wir nicht bald nach Hause gehen können?«
»Gefällt es dir nicht in der Schule? Willst du ein dummes Mädchen bleiben und nichts lernen?«
»O nein, Fräulein Caspari, aber vielleicht steht die Mutti heute wieder mit 'ner Tüte draußen.«
»Das gibt es nur am ersten Schultage.«
»Es haben aber so viele Kinder keine Tüte bekommen. Ich habe meine Tüte der Thusnelda geschenkt, und nun soll die Thusnelda zu uns kommen und was Schönes zu essen haben.«
»Ich habe auch keine Tüte bekommen«, rief einer der Knaben.
»Dann komm nur auch zu uns, Mutti schenkt dir was.«
Es meldeten sich noch verschiedene Kinder, die ebenfalls wehmütig davon berichteten, dass sie am ersten Schultage leer ausgegangen waren.
»Hat eure Mutti auch kein Geld für eine Tüte?«
»Nein«, klang es im Chore zurück.
»O je, dann kommt nur heute nachmittag alle in die Försterei. Meine Mutti hat Kuchen und viel Milch, und in einem Napf, in der einen Stube, steht auch Schokolade. Mutti hat gesagt, kein Kindchen darf Hunger haben. Ihr könnt alle zu uns kommen, wir haben soooo viel zu essen!«
»Ich habe immer Hunger«, rief ein kleiner kecker Bursche. »Ich komm' und esse immerfort Schokolade bei dir!«
»Nun ja, dann komm nur«, sagte Pucki treuherzig, »und wenn du nicht allein gehen darfst, dann bring die große Schwester mit. Das hat die Mutti auch gesagt.«
Der Lärm und die Begeisterung in der achten Klasse wurden immer größer. Mehrfach klatschte die Lehrerin in die Hände. Da sagte Pucki strahlend:
»Gelt, nun freust du dich, Fräulein Caspari, dass alle Kinder keinen Hunger mehr zu haben brauchen?«
»Du darfst doch nicht alle Kinder zum Kuchenessen einladen. Was wird denn deine Mutter sagen, wenn heute nachmittag so viele Kinder ankommen?«
Das Försterskind fuchtelte begeistert mit beiden Ärmchen um sich. »Sie sollen alle kommen, das hat die Mutti gesagt.«
Schließlich gelang es der Lehrerin die Ruhe wieder herzustellen. Aufmerksamkeit herrschte jedoch nicht mehr, denn einer tuschelte es dem anderen zu, dass man heute nachmittag im Forsthause Birkenhain Schokolade bekäme und Kuchen essen dürfe.
»Soll ich meine Großmutter auch mitbringen?« fragte eines der kleinen Mädchen.
»Das weiß ich nicht. – Wenn sie kommen will, soll sie ruhig mitkommen.«
Schließlich waren die beiden Stunden des zweiten Schultages vorüber. Doch diesmal trennten die Kinder sich nicht so rasch wie gestern. Wohl waren verschiedene Mütter vor der Schule, aber keine von ihnen trug eine Tüte. Frau Sandler war nicht gekommen, nur Minna stand draußen, um Pucki abzuholen. Da gerade die anderen Klassen Pause hatten, liefen verschiedene der Abc-Schützen zu ihren Geschwistern, um ihnen die freudige Botschaft zu übermitteln, dass man heute nachmittag im Forsthause sein würde, um Schokolade und Kuchen zu essen.
Ein etwa neunjähriger Knabe stellte sich keck vor Pucki hin und sagte: »Ich habe auch keine Tüte bekommen, ich komme mit!«
»Komm nur«, meinte Pucki, »unsere Kuh gibt immer wieder neue Milch, man braucht sie nur zu melken.«
»Was redest du denn da, Pucki?« fragte Minna.
»Komm fix nach Hause, Minna, ich muss der Mutti erzählen, was ich ihr für eine große Freude mache. Die Thusnelda braucht nicht mehr zu hungern und die anderen auch nicht.«
Frau Sandler ahnte nicht, was ihr für heute nachmittag bevorstand. Überglücklich erzählte Pucki von all den Kindern, die heute nachmittag herauskommen würden, weil sie Hunger hätten.
»Mutti, wir geben ihnen gute Milch und ein bisschen Kuchen.«
»Wollen sie bestimmt herauskommen?«
»O ja, sie haben es gesagt. Die Thusnelda bringt auch die große Schwester mit.«
»Nun, auf ein Glas Milch soll es uns nicht ankommen, Pucki.«
Die Einladung der kleinen Försterstochter wurde von vielen Eltern missverstanden. Es gab zahlreiche arme Familien in Rahnsburg, die das Forsthaus Birkenhain und Sandlers kannten. Manche Väter waren in dem Forst beschäftigt, man wusste auch, dass des öfters Krüge mit Milch in den Wald gebracht worden waren, wenn es galt, den erhitzten und müden Männern eine Erfrischung zu reichen. Es erschien daher diesen Eltern gar nicht verwunderlich, dass Pucki einige ihrer Mitschüler für heute eingeladen hatte. Selbstverständlich konnten die Sechsjährigen nicht allein hinausgehen. So schlossen sich größere Geschwister an.
Die ersten Kinder, die kamen, blieben ein wenig scheu am Gartenzaun stehen, bis ein kecker Bube energisch rief:
»Wir sind da, wir wollen Kuchen und Schokolade!«
Förster Sandler und dessen Frau traten aus dem Hause und blickten voller Erstaunen die sieben Kinder an, die wartend draußen standen. Einige von ihnen kannte er, es waren Söhne und Töchter seiner Holzfäller, die nicht gerade in guten Verhältnissen lebten.
»Dann kommt mal herein in den Garten«, sagte er gutmütig.
Noch hatten diese Kinder nicht Platz gefunden, als eine neue Schar herangezogen kam, unter ihnen Thusnelda Reichert mit ihren vier Geschwistern.
»Was bedeutet denn das?« fragte bestürzt die Försterin. Schon stand Pucki vor der Mutter, hüpfte von einem Fuß auf den anderen und lachte herzlich.
»Mutti, heute hast du viel mehr Besuch als an deinem Geburtstage. Oh, wirst du dich freuen. Ich glaube ganz hinten kommen noch welche!«
»Hast du dir alle diese Kinder eingeladen?«
»Ja, Mutti, wie du es gewollt hast, damit keiner hungert. Ich habe gesagt, sie sollen alle kommen, du gibst ihnen schon was!«
»Aber Pucki, woher soll ich denn soviel Milch und Kuchen nehmen?«
»Hab keine Angst, Mutti, wir lassen die Minna noch einmal in den Kuhstall gehen, dann ist wieder ein großer Topf mit Milch da.«
Es stellten sich sogar einige Mütter ein, die ihren sechsjährigen Kindern nach dem Forsthause gefolgt waren, um gleich bei der Begrüßung Förster Sandler herzlichen Dank für die Einladung auszusprechen. Weder Sandler noch seine Frau wussten Rat. Die Schar war auf etwa zwanzig Köpfe angewachsen; kaum fanden alle im Garten Platz, um sich niedersetzen zu können. Die meisten warteten artig und bescheiden auf die Genüsse, die kommen sollten; es gab aber auch solche darunter, die nach Kuchen riefen und an einem Stück nicht genug hatten.
Minna stand in der Küche und zankte über Pucki, die in ihrer Gutmütigkeit und Unwissenheit so viele Gäste herbestellt hatte. Ununterbrochen buk sie Waffeln, doch es ging nicht so schnell, wie es eigentlich hätte gehen müssen. Wenn Frau Sandler wieder einen Teller hinaustrug, so streckten sich viele kleine Hände nach dem duftenden Gebäck aus.
Pucki stand an einem Baume und schaute mit leuchtenden Augen auf die schmausende Schar. Sie, die sonst so gern knusprige Waffeln ass, dachte heute nicht an sich. Sie glaubte, dass alle diese Kinder fürchterlichen Hunger hätten und noch niemals so gute Waffeln zu essen bekommen hätten. Das kleine Herz war übervoll von Glück, wenn sie sah, wie gut es allen schmeckte. Dort war ein kleiner, blasser Junge, der sich den Mund so voll stopfte, dass er kaum atmen konnte; dort drüben, das kleine Mädchen mit dem verbundenen Auge, leckte soeben den Zucker von den Fingerchen und sah sehr glücklich aus.
»Mutti – Mutti –« rief Pucki, »sieh nur, wie froh sie alle sind. – Sieh mal, dort der kleine Junge isst noch schneller als unser Harras! – Ach, Mutti, ich könnte immerzu tanzen!«
»Willst du nicht auch eine Waffel essen, Pucki?«
Pucki schüttelte den Kopf. »Die Kinderchen sollen sie alle essen! – Ach, Mutti, ich möchte, sie kämen jeden Tag her und futterten sich satt!«
Frau Sandler ahnte das Glück, das in dem Kinderherzen erwachte bei dem Anblick so vieler erfreuter Kinder. – Pucki stürmte durch den Garten, unbeachtet von all den Schmausenden, klatschte in die Hände und jauchzte immer wieder:
»Wie sie alle futtern – sie werden keinen Hunger mehr haben!«
Für sie selbst schien in dem großen Forsthausgarten kein Platz zu sein. Sogar auf Holzklötzen, die man herbeigetragen hatte, saßen die Kleinen. Doch was schadete das, es schmeckte allen, und man labte sich an der guten Milch, die Frau Sandler herbeibrachte. Und über den Kindern, hoch oben in den Zweigen der Bäume, sangen die Vöglein ihre Frühlingslieder.
Pucki lief nach der Gartenpforte und verfolgte mit den Blicken eine Amsel. »Nachher sind da viele Krümchen für euch da, dann habt auch ihr es gut!« rief sie.
»Wer hat es gut?«
Hedi Sandler fuhr herum, und ihr Gesicht hellte sich auf.
»Onkel Oberförster – guck mal, alle die Kinder da habe ich eingeladen.«
»Ja, was ist denn heute bei euch los, Pucki?«
»Die Kinder habe ich mir eingeladen, Onkel Oberförster.«
»Na, das ist ja eine recht große Gesellschaft. – Kann ich nicht auch eine Waffel bekommen? Sieh mal, das sind meine beiden Jungen, die zu den Ferien heimgekommen sind und noch ein Weilchen hierbleiben müssen, weil in ihrer Schule eine böse Krankheit ausgebrochen ist.«
Mit leuchtenden Blauaugen blickte Pucki unerschrocken zu den beiden Jungen auf. Der eine war hoch aufgeschossen, der andere bedeutend kleiner und ein wenig rundlich.
»Sind das deine Kinder, Onkel Oberförster?«
»Ja, das hier ist der Claus, der in der Prima sitzt, und das hier –«
Pucki lachte. »Ich weiß schon, Onkel Oberförster, das hier ist der große Claus, und das da ist der kleine Claus. Aber der große Claus gefällt mir besser als der kleine Claus.«
Claus Gregor, der Primaner, lachte belustigt auf bei den Worten des reizenden kleinen Mädchens.
»Warum gefalle ich dir denn nicht?« fragte Eberhard, der Vierzehnjährige.
»Mir gefällt der große Claus eben besser.«
»Bekomme ich dann auch eine Waffel?«
»Komm mal mit, ich werde die Minna fragen.« Pucki streckte die Hand aus und versuchte den Primaner in den Garten zu ziehen.
»Lass nur«, wehrte der ab, »wir wollen die Waffeln deinen kleinen Gästen nicht fortnehmen.«
»Komm nur ruhig mit in den Garten. Mutti hat gemeint, wir sollen nachher spielen, dann kannst du mitmachen.«
»Siehst du, Claus«, lachte der Oberförster, »nun hast du gleich eine Beschäftigung. Pucki wird dir schon zu tun geben.«
Der Primaner schien wenig Lust zu haben, mit all den kleinen Kindern zu spielen. Aber Pucki ließ seine Hand nicht mehr los.
»Nur ein bisschen, weil – ich dich doch so gern hab'!«
»Du kennst mich doch noch gar nicht.«
»Nein; aber jetzt kenne ich dich, und dich habe ich gern. – Ich habe aber auch den Harras gern. – Du musst dir mal den Harras ansehen.«
Frau Sandler, die noch im Garten umherging, um die vielen kleinen Gäste nach Möglichkeit zu bewirten, bemerkte den Oberförster mit seinen beiden Söhnen. Sie kam rasch näher und erstattete mit verlegenem Lachen Bericht über den unerwarteten Besuch, der sich heute im Forsthause eingefunden hatte.
»Es sollten nur einige bedürftige Kinder herauskommen, Herr Oberförster, aber Pucki hat wahrscheinlich die Einladung so ungenau gemacht, dass noch viele andere Kinder sich mit auf den Weg gemacht haben. Ich konnte sie doch nicht wieder fortschicken.«
»Du – großer Claus«, flüsterte Pucki, »das sind alles kleine Kinder, die furchtbar hungern. Aber heute sind sie satt.«
»Macht dir das Freude, Pucki?«
»Sehr große!«
»Du bist ein braves, kleines Mädchen.«
»Kommst du jetzt mit uns spielen, großer Claus? Ich rufe schnell ein paar Kinder, dann gehen wir in den Wald und spielen.«
Es gelang Claus Gregor nicht, sich fortzuschleichen.
»Bleibe nur hier«, lachte der Oberförster, »die kleine Pucki rechnet auf deine Hilfe. Lange wird es ja nicht dauern.«
Pucki hatte sich verschiedene Kinder zu einem Kreisspiel herangeholt. »Wir spielen nun ›Fuchs, du hast die Gans gestohlen.‹«
Hell und lustig erklangen die Kinderstimmen. Claus Gregor musste mitsingen. Und während man sich dauernd im Kreise drehte, tönte es durch den Wald:
»Fuchs du hast die Gans gestohlen,
Gib sie wieder her,
Sonst wird dich der Jäger holen
Mit dem Schießgewehr.«
Pucki sang das Lied bis zu Ende.
»Nimm, du brauchst nicht Gänsebraten,
Mit der Maus fürlieb!«
Da lachte der große Claus, hob Pucki auf seinen Arm und schwenkte sie einige Male hoch in die Luft.
Endlich kam Förster Sandler aus dem Walde heim und erklärte, es sei nun an der Zeit, dass die Kinder wieder heimgingen. Pucki bedauerte das auf das lebhafteste. Der heutige Tag war für sie eine einzige Freudenstunde gewesen, die sie gar gern noch länger ausgedehnt hätte.
»Wir kommen bald wieder«, klang es von vielen Kinderlippen.
»Ja, kommt mal recht bald!«
Frau Sandler warf ihrem Manne einen verzweifelten Blick zu, doch der winkte beruhigend mit der Hand. Es ging selbstverständlich nicht, dass öfters ein derartiger Massenbesuch das Forsthaus aufsuchte.
»Bist du nun glücklich?« fragte Pucki eine der Frauen, die mitgekommen war.
»Sehr glücklich, du kleines Mädchen. Du kannst dir nicht denken, wie schlimm es ist, wenn man Kinder hat, die manchmal hungern und frieren müssen.«
»Frieren musst du auch?«
»Sehr oft; wir sind arme Leute und haben kein Holz und keine Kohlen.«
»Oh –« jubelte Pucki, »Holz kannste kriegen! Mein Vati hat so viel Holz! Weißt du was, wenn ihr wiederkommt, dann sage ich es dem Vati und dem Onkel Oberförster. Der hat noch viel mehr Holz! Dem gehört alles Holz, das im Walde steht. Der Onkel Oberförster ist sehr gut.«
Für die gut gemeinten Worte des Kindes hatte die Frau nur ein Lächeln. Sie wusste genau, dass auch der gutmütigste Oberförster das Holz, das im Walde aufgeschichtet war, nicht verschenken durfte. Trotzdem nahm Pucki sich vor, den guten Onkel Oberförster bei der nächsten Gelegenheit darum zu bitten.
3. Kapitel: Heinzelmännchen an der Arbeit
»Au!«
Pucki steckte den Finger in den Mund, aus dem ein großer Blutstropfen hervorquoll. Seit Tagen bestickte sie einen Lampenteller. Es war eine ganz leichte Handarbeit, aber Pucki machte sie große Mühe, und oftmals wurde das Genähte wieder aufgetrennt, weil sie die Nadel nicht in die richtigen Löcher gesteckt hatte. – Nun ging das Geburtstagsgeschenk für den Vater seiner Vollendung entgegen. Es waren nur noch am Rande einige Stiche auszuführen, und am Donnerstag würde der fertige Lampenteller auf dem Geburtstagstisch des Vaters liegen.
Zu Puckis Füßen spielte die zweijährige Waltraut mit Bauklötzen. Auch sie schien schwere Arbeit zu haben, denn der Turm, der errichtet werden sollte, purzelte immer wieder zusammen. Schließlich fing Waldi an zu weinen und schleuderte einige der Bauklötzchen zornig gegen die Tür.
»Bist du artig!« herrschte Pucki die kleine Schwester an, »sonst steche ich dich mit der Nadel!«
»Waldi will einen Turm!«
»Waldi ist ein kleines, dummes Mädchen.«
»Waldi will einen Turm!«
»Dann baue ihn dir.«
»Kann nicht!« Die Kleine schlug zornig mit einem Klotz auf den Fußboden.
»So ein unartiges Kind«, sagte Pucki seufzend.
»Waldi will einen Turm!«
»Husch – ruhig bist du!« Pucki schlug mit dem gestickten Lampenteller nach der kleinen Schwester, die erschrocken zurückwich und zu schreien begann.
»Waldi will doch einen Turm!«
Da sprang Pucki auf, aber Waldi ahnte, dass ihr etwas Unangenehmes blühte; sie lief davon, stolperte über den Teppich und fiel der Länge nach auf den Fussboden.
»Siehst du«, sagte Pucki, »das kommt davon, wenn man unartig ist.«
Waltraut schrie nun so laut, dass die Mutter herbeigeeilt kam. Sie musste ihre Jüngste trösten.
»O weh, das gibt eine ordentliche Beule am Kopfe«, sagte die Mutter bedauernd. »Unser Kleinchen wird ein Horn bekommen. – Weine nicht, Waltraut, Mutti reibt es gut ein, dann tut es nicht mehr weh.«
»Ein Horn kriegt sie?« rief Pucki neugierig. »Genau so ein Horn, wie unsere Kuh hat?«
»Nein, aber was habt ihr denn wieder gemacht?«
»Sie wollte einen Turm, und ich wollte nicht. Dann habe ich sie auszanken wollen, da ist sie hingepurzelt, weil sie so unartig ist.«
»Du musst nett zu deinem kleinen Schwesterchen sein, Pucki, wie sich das für ein artiges Mädchen gehört. Aber auch Waltraut darf keine Mucken haben.«
»O Mutti, Mutti!« jubelte Pucki, »jetzt weiß ich es, der Waldi wächst ein Muckenhorn! Vati hat mir erzählt, dass Mucki auch ein Muckenhorn auf der Stirn hat. – Mutti, jetzt hast du nicht nur eine Pucki, nu hast du auch noch 'ne Mucki mit 'nem Horn!«
Frau Sandler musste lachen. Sie erinnerte sich noch ganz genau daran, dass ihr Mann vor längerer Zeit einmal seiner Ältesten die Geschichte von der Waldfrau und deren Tochter Mucki mit dem Horn erzählt hatte. Das war der Kleinen anscheinend nicht wieder aus dem Gedächtnis gekommen.
Pucki freute sich unbändig. Sie erzählte es sofort Minna, dass Waldi nun nicht mehr Waldi, sondern Mucki hieße.
»Und ein Horn wächst ihr, soooo lang!« Das Kind breitete beide Arme weit aus.
»Geh lieber zurück an deine Arbeit, sonst kommt Vaters Geburtstag heran, und der Lampenteller ist noch nicht fertig.«
»Immerfort soll ich arbeiten – früh in der Schule und nachmittags an dem Teller. – Aber nun ist er bald fertig.«
Waltraut beruhigte sich rasch wieder. Trotzdem hielt die Mutter es für angebracht, sich zu den Kindern zu setzen, um sie ein wenig zu beaufsichtigen. Pucki hatte außerdem Fehler in ihrer Stickerei gemacht. Die letzten Stiche mussten aufgetrennt werden.
»Nun gib aber acht«, tadelte Frau Sandler. »Du hast noch viel zu tun, und die Heinzelmännchen werden nicht kommen, um den Lampenteller fertig zu machen.«
»Warum kommen die Heinzelmännchen nicht zu mir, Mutti?«
»Weil du nicht immer artig bist. Sie haben gesehen, wie du vorhin dein kleines Schwesterchen geärgert hast. Da bleiben sie fern.«
»Mutti, wären sie gekommen, wenn ich Mucki nicht geärgert hätte?«
»Vielleicht.«
»Ach, Mutti, dann will ich die Heinzelmännchen bitten, dass sie kommen. Ich werde auch die Mucki nicht mehr ärgern. Vatis Geburtstag ist ja bald. Bis dahin werde ich artig sein.«
»Wo Heinzelmännchen?« forschte Waldtraut.
Die Kleine versuchte auf den Schoß der Mutter zu klettern. Pucki beobachtete das Schwesterchen mit missgünstigen Blicken. Und als Waltraut von der Mutter emporgehoben wurde, legte auch sie die Handarbeit zur Seite, zog den kleinen Stuhl dicht an die Mutter und bat:
»Mutti, ich möchte so furchtbar gern noch mal die Geschichte von dem Schneider und den Heinzelmännchen hören.«
»Und dabei wird gearbeitet, Pucki.«
»Ja – –«
Die Kleine holte den Lampenteller wieder herbei und begann zu sticheln, während Frau Sandler den lauschenden Kindern die Geschichte von dem fleißigen Schneider erzählte, der soviel Arbeit hatte, dass er immer bis Mitternacht in seiner Schneiderstube saß.
»Eines Nachts«, so fuhr die Mutter fort, »hörte er ein feines Stimmchen und sah an der Tür ein winziges Männchen stehen, das bittend sagte:
›Lieber Schneider, hilf uns! Die bösen Leute haben einen dicken Baumstamm gerade vor den Eingang meiner Wohnung gelegt, ich kann diesen Baumstamm aber allein nicht fortschieben. Komm mit mir hinaus in den Wald und hilf mir.‹
›Du kleines, liebes Kerlchen‹, sagte der Schneider, ›ich habe allerdings sehr viel Arbeit, die bis morgen früh fertig sein muss, aber ich will dir trotzdem gern helfen. – Führe mich.‹
Das Männchen führte den Schneider tief in den Wald hinein. Endlich machte es halt und wies auf einen am Boden liegenden Baumstamm.
›Nimm ihn fort‹, bat das Männlein, ›damit ich wieder in meine unterirdische Wohnung kann.‹
Der Schneider packte wacker zu, doch der Baum war so schwer, dass ihm die Schweißtropfen über das Gesicht liefen. Der Baum rührte sich nicht.«
»Oh, Mutti«, sagte Pucki, »so einen dicken Baum, wie er im Walde liegt, bekommt ein dünner Schneider überhaupt nicht weg. Das hätte er gar nicht erst zu versuchen brauchen. Das kann nicht mal der Vati.«
»Hast recht, Pucki, doch das Heinzelmännchen bat den Schneider mit Tränen in den Augen. So quälte er sich eine Stunde nach der anderen –«

»Er kriegt ihn doch nicht weg, Mutti. – Ich habe mal zugesehen, wie sich zwei Leute mit so was abquälten.«
»Der liebe Gott hat dem Schneider, weil er so tapfer helfen wollte, ganz plötzlich viel Kraft gegeben; und als der Morgen graute, gelang es ihm, den Baumstamm von der Stelle zu rücken.«
»Dann muss der liebe Gott wohl ein bisschen mitgerückt haben. Der Schneider allein hätte das wohl nicht fertig gebracht. Ich will mal den Vati fragen, der wird auch wohl sagen, dass ein Schneider allein so was nicht schaffen kann.«
»Es ist dem Schneider aber doch gelungen. Das Männchen bedankte sich herzlich und sagte: ›Nun warte noch zehn Minuten und ruhe dich aus, denn du bist sehr müde.‹ Dann zog es eine winzig kleine Pfeife hervor. Da huschten aus dem Loch etwa fünfzig kleine Heinzelmännchen heraus, die tuschelten mit dem Kerlchen, das den Schneider in den Wald geführt hatte und liefen eiligst davon. Der Schneider wollte durchaus heimgehen, weil noch sehr viel bis morgen fertig werden sollte, doch das Männchen sagte wieder: ›Warte noch ein Weilchen.‹
Endlich war der Schneider ein wenig ausgeruht und ging eilig zurück in seine Schneiderstube. – Aber, o Wunder – alles war genäht, die Anzüge fix und fertig, denn die guten Heinzelmännchen, denen der brave Schneider geholfen hatte, waren nach der Werkstatt gelaufen und hatten die Arbeit beendet.«
»Können die Heinzelmännchen denn so nähen wie ein Schneider?«
»Die Heinzelmännchen können alles.«
Puckis Augen wurden groß. »Können sie auch einen Lampenteller sticken?«
»Ja, Pucki, aber dem Vati würde es keine Freude machen, wenn seine Tochter ihm nicht selbst das Geschenk gearbeitet hätte. Du brauchst die Heinzelmännchen nicht.«
»Kommen die Heinzelmännchen immer, wenn man sie ruft, Mutti?«
»O nein – nur wenn Menschen in großer Not sind, und wenn sie immer gut waren.«
»Na, dann will ich den Teller nur allein fertig sticken. – Ist es jetzt so richtig, Mutti?«
»Ja, Pucki. – Sieh, nun hast du nur noch vier Sternchen zu arbeiten, dann ist er fertig, und das wirst du bis zum Donnerstag schaffen.«
Die Heinzelmännchen gingen Pucki nicht aus dem Sinn. Gar zu gern hätte sie auch einmal solch ein kleines Kerlchen gesehen. So bat sie den Vater, er möge sie wieder einmal mit in den Wald nehmen, dorthin, wo die großen Baumstämme liegen. Der Vati hatte gleichfalls gemeint, wenn der liebe Gott dem Schneider nicht besondere Kräfte verliehen hätte, würde der es wohl kaum fertig gebracht haben, den Baumstamm fortzuschieben.
Nun schaute das Kind aufmerksam an den Stämmen entlang, ob nicht irgendwo ein Loch zu sehen wäre. Doch der Vater lachte es aus, und unverrichteter Sache kehrte Pucki wieder heim.
Mittwoch nachmittag war der Lampenteller fertig. Pucki strahlte vor Freude. Die Pappe war allerdings ein wenig verbogen, aber Minna meinte, sie würde sie schon wieder gerade bekommen, sie wolle den Teller ein wenig pressen.
»Jetzt lege ich dem Vati auf den Teller noch einen Zettel, darauf schreibe ich meinen Namen.«
»Du kannst ja noch nicht schreiben, Pucki.«
»Doch – meinen Namen schreibe ich. – Pass mal auf.«
Pucki ging hinüber in des Vaters Arbeitszimmer. Die Eltern waren nicht daheim, Minna war mit den Kindern allein im Hause. Pucki nahm den Federhalter und ein Stück Papier und machte darauf die verschiedensten Striche, an die sie zum Schluss das gelernte »i« hing. Zum Schluss kam noch ein dicker Punkt über das i. Dazu tauchte sie die Feder tief in die Tinte. Da fiel ein dicker, schwarzer Tropfen auf den schön gestickten Lampenteller.
Das Kind erschrak. Im ersten Augenblick dachte die Kleine, die Schiefertafel vor sich zu haben. Sie legte drei Finger an die Zunge und fuhr mit ihnen hastig über den Tintenfleck hinweg.
»Oh – oh –!« Die Tinte verwischte sich über den Teller, über die mühevolle Stickerei und machte das Geschenk unbrauchbar. »Minna! – Minna!«
Pucki stürmte in die Küche, hielt der treuen Hausgenossin den Lampenteller hin, und während ihr Tränen aus den blauen Augen tropften, rief sie schluchzend: