Kitabı oku: «Pucki», sayfa 12
»Mein schöner Teller. – Minna, was wird Vati sagen?«
»Du Schmierfink, was hast du denn da wieder gemacht? Das ganze Geschenk ist verdorben, so etwas kannst du unmöglich dem guten Vater schenken. – Aber Pucki!«
»Ich wasch' ihn schnell ab.«
Schon hatte das Kind die Bürste genommen und fuhr damit über den Lampenteller hinweg, ehe Minna es verhindern konnte.
»Aber Pucki!«
Das kleine Mädchen rieb aus Leibeskräften. Das Wasser begann die bestickte Pappe zu erweichen, und plötzlich zerfiel der Teller in zwei Stücke.
»Minna – Minna – –«. Fassungslos stand Pucki mit den beiden Hälften vor dem Mädchen und weinte so heftig, dass der kleine Körper zitterte. »Immerfort habe ich daran gestickt, der Finger ist dabei kaputt gegangen, und nun ist alles futsch!«
Der Jammer des Kindes griff Minna ans Herz, doch es gelang ihr nicht, das Kind zu trösten.
»Du musst dem Vati morgen etwas anderes schenken. Dann freut er sich gewiss auch.«
»Ach, der schöne Teller! Minna, sticke mir einen neuen Teller.«
»Das geht nicht, Pucki, ich habe auch keinen Lampenteller. Weine doch nicht so, wir werden alles der Mutti erzählen, vielleicht weiß sie Rat.«
Kummervoll erwartete das Kind die Heimkehr der Mutter. Noch immer weinend, eilte sie ihr entgegen und hielt ihr den zerstörten Lampenteller hin.
»Da hast du wieder durch deine Unvorsichtigkeit etwas Schönes angerichtet, Pucki. Der Vater hätte sich sehr über deine erste Handarbeit gefreut. – Nun kannst du ihm morgen nichts schenken.«
»Ich möchte aber dem Vati was schenken! Ach, Mutti, hilf mir doch!«
»Es ist dir verboten worden, an das Tintenfass zu gehen, Pucki, du bist also wieder einmal unfolgsam gewesen, und das ist nun die Strafe.«
Über alle Massen betrübt, ging Pucki in das Kinderzimmer, sie hielt noch immer die beiden Hälften des Lampentellers in den Händen. Sie dachte daran, dass jeder dem Vati morgen etwas schenken durfte, nur sie würde mit leeren Händen dastehen. Da tropfte Träne auf Träne aus den blauen Augen.
»Wenn ich die ganze Nacht durch sitze und immerzu nähe, kann ich dem Vati vielleicht noch so einen Lampenteller machen.«
Wieder lief sie zur Mutter, um ihr diesen Vorschlag zu machen.
»Ach, Mutti, Pucki ist traurig, wenn sie dem Vati nichts schenken kann.«
»Das ist deine Schuld, mein Kind, ich kann es nicht ändern.«
Beim Abendessen vermochte das Kind nur mit Mühe zu essen, und als der Vater fragte, was ihm fehle, hätte Pucki am liebsten wieder geweint.
»Ich – wollte dir was schenken – nun ist es nicht mehr da.«
»Das ist freilich schlimm. Wo ist es denn hin?«
»Kaputt.«
»Hast du es kaputt gemacht, Pucki? Nun, vielleicht können die Heinzelmännchen es wieder ganz machen.«
»Oh – – die Heinzelmännchen!« Puckis Gesichtchen strahlte vor Freude. Die guten Heinzelmännchen hatten einstmals dem Schneider geholfen, die Heinzelmännchen konnten gewiss auch einen Lampenteller sticken oder den zerbrochenen zusammenleimen und die Tintenflecke fortwischen. – Die Heinzelmännchen waren die einzige Rettung.
Gleich nach dem Abendessen lief das Kind hinaus in den Garten. Fromm faltete es die Hände.
»Lieber Gott, ich bin so furchtbar traurig, weil ich morgen dem Vati nichts schenken kann. Lass alle deine Heinzelmännchen zu mir kommen, die im Walde wohnen. Sieh mal, lieber Gott, hier ist der Lampenteller, den ich dem Vati schenken wollte. Bitte, bitte, schicke mir die Heinzelmännchen, damit der Vati eine Freude hat.«
Pucki wartete ein Weilchen. Es rauschte gar seltsam in den Bäumen. – Ob das Englein waren, die zu den Heinzelmännchen hinflogen?
»Pass gut auf, lieber Gott, ich lege jetzt den kaputten Teller auf die Bank in die Laube. Wenn's Nacht ist, dann, bitte, bitte, schicke die Heinzelmännchen. Ich will auch zu meinem Schwesterchen lieb sein und bau' ihr immerfort einen Turm. Und morgen werde ich in der Schule gut aufpassen und nicht so viel plappern. – Lieber Gott, du hast doch kleine Mädchen furchtbar gern – schick mir die Heinzelmännchen.«
Sehr behutsam wurden die beiden Tellerhälften auf die Bank gelegt. So inbrünstig wie heute hatte Pucki noch niemals eine Bitte an den lieben Gott gerichtet.
»Du hast doch auch meinen Vati gern, der immer so lieb ist. Nun hat er keine Freude, wenn er den kaputten Teller bekommt. – Lieber Gott, die Mutti sagt, dass du gut bist, ach – sei doch heute recht lieb zu Pucki, sag es schnell den Heinzelmännchen und den lieben Englein und sage ihnen auch noch, dass sie nicht falsch nähen sollen, sonst muss die Mutti alles wieder auftrennen. – Lieber, lieber Gott, bitte, schick die Heinzelmännchen her.«
Ganz leise verließ die Kleine die Laube und stellte sich abwartend hinter einen Baum. Wohl rauschte es in dessen Krone, aber über den Kiesweg huschten keine kleinen Männchen. – Ganz plötzlich glaubte Pucki leise Schritte zu vernehmen.
»Ich glaub', lieber Gott, nu kommen sie! Oh, ich hab' so große Freude! Nicht wahr, du sagst ihnen, dass sie den Teller bis morgen früh fertig haben. Ich komm' aber ganz früh her und hole ihn.«
In der Veranda des Forsthauses stand Frau Sandler, die jedes Wort ihrer kleinen Tochter vernommen hatte. Sie hatte damals zwei ganz gleiche Lampenteller gekauft. Den einen hatte Pucki bestickt und durch ihre Unvorsichtigkeit wieder verdorben. Der andere sollte im Sommer für die Großmutter fertig gemacht werden.
»Pucki, wo bist du, du musst nun schlafen gehen!«
Die Kleine hörte die Mutter rufen. Noch einmal schaute sie zum Himmel empor und bog winkend den Zeigefinger um.
»Komm rasch runter, lieber Gott, und sage es den Heinzelmännchen. Nicht wahr, du hilfst mir heute?«
Seltsam getröstet kehrte das Kind zur Mutter zurück und schaute sie mit schalkhaftem Lächeln an.
»Ob sich der Vater sehr freut, wenn ich ihm morgen doch den Lampenteller schenke?«
»Den hast du doch verdorben, Pucki.«
»Vielleicht wird alles noch gut, Mutti, warte mal ab.«
»So? – –«
»Mutti, ich habe ein schönes Geheimnis vor dir. – Aber morgen sage ich es dir. – Hab nur keine Angst, wenn es heute Nacht immerzu trippelt. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Der liebe Gott passt auf uns alle auf und auch auf – – die kleinen Heinzelmännchen.«
»Was sollen denn die Heinzelmännchen?«
»Mutti – vielleicht kommen sie doch zu Pucki! – Ach, ich habe heute den lieben Gott so schön gebeten. – Mutti, ist der liebe Gott wirklich so gut, wie du immer sagst?«
»Ja, mein Kleines, er ist sehr gut.«
»Na, dann wird er's schon machen. Da will ich mal ruhig schlafengehen. – Morgen ist Vatis Geburtstag – nun bin ich wieder ganz froh. Mutti, nu wollen wir aber mal wirklich sehen, ob der liebe Gott so gut ist, wie du sagst.«
Als Pucki im Bettchen lag, faltete sie erneut die Hände und sagte leise: »Du vergißt es doch nicht, lieber Gott? Auf der Bank in der Fliederlaube – da liegt er.«
Pucki war gerade eingeschlafen, als Frau Sandler leise zur Fliederlaube schlich und den zerbrochenen Lampenteller fand. Und dann brannte im Wohnzimmer noch eine ganze Weile die Lampe. Muttis Hände zogen Faden auf Faden durch die Löcher des Tellers, fertigten genau solche Sterne an, wie Pucki sie gestickt hatte, damit der Lampenteller dem anderen zum Verwechseln ähnlich sei.
Förster Sandler saß daneben und blickte gerührt auf seine liebe Frau, die das Flehen des Kindes gehört hatte und ihm helfen wollte.
Sie erzählte ihrem Mann den Vorfall und wiederholte die gläubigen Worte der Kleinen.
»Unsere Pucki hat zwar viele Fehler und ist mitunter sehr eigenwillig, sie hat aber ein gutes und weiches Herz und ist auch ein frommes Kind, das wird ihr im Leben viel nützen und weiterhelfen.«
»Und du, meine liebe Frau, bist nun das erbetene Heinzelmännchen und musst mein Geburtstagsgeschenk arbeiten.«
»Ich tue es ja so gern.«
»Das weiß ich.«
Förster Sandler zog seine Frau an sich und küsste sie herzlich.
Als gegen Mitternacht der Lampenteller fertiggestellt war, schlichen die Eltern an die Betten der schlafenden Kinder. Pucki lag mit geöffnetem Munde da, sie schien zu lächeln. Und es war auch so. Sie sah im Traume viele hundert Heinzelmännchen, die alle an dem Lampenteller nähten, die ihn neu pressten, zusammenflickten und dann mit schöner brauner Farbe anstrichen.
Trotz dieses herrlichen Traumes war Pucki am anderen Morgen sehr zeitig wach. Der erste Gedanke galt dem Geschenk für den Vater. Ganz leise stieg das Kind aus dem Bett, streifte hastig Schuhe und Strümpfe über, schlüpfte ins Kleidchen und lief hinaus in den Garten.
Ein Freudenschrei entfuhr seinem Munde. – Dort lag der Lampenteller schön gestickt und ganz heil auf der Bank.
»Ihr guten Heinzelmännchen! Ich streue euch heute auch viele Kuchenkrümel von Vatis Geburtstagskuchen hierher. – Ach, lieber Gott, das hast du aber gut gemacht!«
Den Teller in den Händen stürmte Pucki in das Forsthaus zurück. Noch lagen die Eltern in den Betten.
»Vati – Vati – ich gratuliere dir zum Geburtstag! Hier, siehst du – da hast du dein Geschenk!«
Und der Vati freute sich über die schöne Stickerei; er meinte, einen so schönen Geburtstagsmorgen hätte er lange nicht mehr gehabt.
»Soll ich dir mal was erzählen?«
»Freilich!«

Der Wahrheit gemäß berichtete die Kleine, was sich alles ereignet hatte.
»Vati, nu gehe ich wirklich nicht mehr an die Tinte, ich bin von heute an eine ganz artige Pucki, weil mir der liebe Gott so geholfen hat. Und nachher schenkst du mir auch ein Stück Kuchen für die Heinzelmännchen.«
Pucki erhielt das Stück Kuchen und trug es gewissenhaft hinaus in die Fliederlaube. Dort legte sie es nieder. Bei ihrer Rückkehr aus der Schule stellte Pucki fest, dass die Heinzelmännchen auch am Tage umgingen, denn das Kuchenstück war aus der Fliederlaube verschwunden. Dass es dem Harras vorzüglich geschmeckt hatte, ahnte Pucki nicht. Der Hund mit seinem feinen Geruch hatte den Kuchen gar bald gefunden und verzehrt. Nun stand er wieder vor der Laube und schnupperte herum.
»Riechst du die Heinzelmännchen?« fragte die Kleine.
Doch Harras wartete auf Kuchen, nicht auf die kleinen, helfenden Waldgeister.
Des Vaters Geburtstag verlief sehr lustig. Es kamen viele Leute, die ihm gratulierten. Es gab Kuchen, Pucki bekam sogar Limonade, und lustig plauderte sie mit allen. Plötzlich mahnte die Mutter daran, dass Pucki noch für die Schule zu arbeiten hätte.
Die Kleine zog die Nase kraus, ging in das Zimmer zu der kleinen Schwester, spielte ein wenig mit Mucki, und nahm dann die Tafel zur Hand. Doch draußen im Garten wurde so lustig gelacht, dass Pucki lieber zuhören wollte. Endlich war es Abend geworden, die Mutter rief zum Essen, und Pucki stellte erschrocken fest, dass die Aufgaben noch immer nicht gemacht waren.
Oh, tröstete sie sich, die Heinzelmännchen haben ein so großes Stück Kuchen bekommen, ich will ihnen sagen, dass sie die Tafel vollschreiben sollen.
Das Kind ergriff die Tafel, trug sie hinaus in die Fliederlaube und sagte:
»Heda, ihr Heinzelmännchen, heute nacht müsst ihr wiederkommen und eine Eins und eine Vier immerfort hier drauf schreiben – die ganze Tafel voll. – Habt ihr es gehört? Morgen früh hole ich die Tafel.«
Beim Abendessen fragte die Mutter, ob Hedi die Schularbeiten gemacht habe.
»Lass nur«, sagte sie, »das machen mir jetzt immer die Heinzelmännchen. Ich habe die Tafel in die Laube getragen.«
Weder der Förster noch seine Frau sagten dazu ein Wort. Beruhigt ging Hedi schlafen. Am nächsten Morgen eilte sie zur Laube, um die Tafel zu holen.
Aber wie erschrak sie! Da war weder eine Eins noch eine Vier. Auf der Tafel stand etwas ganz anderes, das sie jedoch nicht lesen konnte. Sie ging mit der Tafel zu Minna und sagte:
»Kannst du lesen, was hier steht?«
»O ja!«
»Was steht denn da?«
Minna las: »Schäme dich, Pucki! Ein faules Kind mag keiner leiden, ein faules Kind betrübt Vater und Mutter, und die Heinzelmännchen helfen in Zukunft auch nicht mehr.«
Puckis Gesicht färbte sich dunkelrot. – Das konnten nur die Heinzelmännchen geschrieben haben.
»Wisch das schnell weg, Minna!«
»Na, Pucki, was bedeutet denn das?«
Mit gesenktem Haupt schlich das Kind davon. – Jetzt war es zu spät, um die Schularbeiten zu machen. Doch Pucki nahm sich fest vor, von heute an fleißiger und aufmerksamer zu werden. Auch die Eltern hätten sonst keine Freude an ihr und würden traurig sein. Schuldbewusst blickte Pucki zum blauen Himmel empor.
Am Nachmittage gab es ein Gewitter, das erste in diesem Jahre. Da war Pucki recht niedergedrückt und vertraute der Mutter an, dass der liebe Gott heute gar so toll donnere, weil er mit Pucki böse wäre.
»Von heute an werde ich ganz bestimmt artig, Mutti! Ich habe in der Schule gut aufgepasst und will immer schreiben und lesen, damit der liebe Gott wieder gut wird.«
Eine Stunde später schien die Sonne wieder hell und warm. Das nahm Pucki als Zeichen, dass nun alles wieder in Ordnung sei.
4. Kapitel: Pucki hilft überall
Seit jener Mahnung, die die Heinzelmännchen auf die Schiefertafel geschrieben hatten, gab Hedi Sandler sich die größte Mühe, in der Schule aufmerksam zu sein. Sie war sehr stolz, als Fräulein Caspari eines Tages sagte, dass sie mit ihr zufrieden sei. Nur eines tadelte sie nach wie vor: Pucki konnte den kleinen Mund nicht immer rechtzeitig halten. Sie hatte aber auch zu viel zu erzählen. Alles, was sie im Walde erlebte, was sie auf ihrem Wege von und zur Schule sah, musste den Mitschülerinnen und der Lehrerin mitgeteilt werden. Auch von dem Schwesterchen erzählte sie, von den Niepelschen Knaben, mit denen sie an jedem Mittwoch und Sonnabend aus der Schule heimfuhr. An diesen beiden Tagen wurde der Unterricht für die drei untersten Klassen um zwölf Uhr beendet, und dann stand auf dem Markt regelmäßig der Wagen mit dem weißen Pferdchen, der die Niepelschen Knaben und Pucki Sandler heimfahren sollte.
Diese gemeinsame Heimfahrt verlief stets recht anregend; es gab regelmäßig so viel zu erzählen, dass Pucki es stets bedauerte, wenn sie schon nach kurzer Zeit am Forsthause abgesetzt wurde.
Auch heute, um zwölf Uhr, würde der Wagen mit dem weißen Pferdchen wieder auf dem Marktplatze warten. Die Schulkameradinnen beneideten Pucki um dieses Vergnügen, und oftmals wollte eines der kleinen Mädchen mit einsteigen, wurde von dem Kutscher jedoch stets zurückgewiesen.
Seit einigen Tagen ließ man das Försterkind allein nach der Schule gehen. Der Weg war nicht gar zu weit, und die Mutter schärfte Pucki ein, dass sie stets, ohne zu zögern, die Straße entlang wandern sollte. Manchmal wurde Pucki noch ein Stück Weges vom Vater oder der Mutter begleitet, bis die ersten Häuser von Rahnsburg in Sicht kamen.
Hedi fühlte sich sehr stolz. Die anderen Kinder hatten es nicht so weit zur Schule wie sie. Sie wohnten in der Stadt; eines brauchte sogar nur um die Straßenecke zu gehen und war da. Mitunter verspätete Pucki sich auch. Da war ein Käferchen oder eine Schnecke, die über den Weg kroch, da sang ein Vöglein gar so wunderschön, dass die Kleine lauschen musste, oder die Bäume rauschten mit den Wipfeln, und denen musste sie freundlich zunicken. Die Lehrerin kannte Puckis Vorliebe für die Natur und ließ sich oftmals von dem kleinen Mädchen dessen kleine Walderlebnisse erzählen.
Heute war Pucki rechtzeitig in der Klasse erschienen. Fräulein Caspari war noch nicht anwesend. Pucki wurde stets von allen stürmisch begrüßt. Man erinnerte sich des schönen Nachmittags im Forsthause, der prächtigen Waffeln und der guten Milch und hoffte, dass sich diese Einladung bald wiederholen möchte. Pucki hätte es gern getan, aber die Mutti meinte, alle Kinder könnte sie nicht wieder einladen, Pucki dürfe jedoch hin und wieder zwei oder drei kleine Mädchen für den Nachmittag in das Forsthaus bitten.
Herzliche Zuneigung fühlte Pucki für ihre Nachbarin, die kleine, blasse Thusnelda Reichert. Manches Frühstücksbrot war mit ihr geteilt worden, und wenn Pucki einmal eine kleine Leckerei mitbekam, erhielt Thusnelda gewissenhaft die Hälfte davon.
»Du sollst wieder mal zu uns ins Forsthaus kommen«, sagte Pucki am heutigen Tage zu der Schulfreundin. »Du sollst dann wieder Milch und Waffeln haben.«
Die scheue Thusnelda schüttelte den Kopf.
»Doch, du sollst kommen!«
»Nein, ich kann nicht.«
»Warum kannst du denn nicht? Ich zeige dir den Weg.«
Wortlos streckte Thusnelda die Füße vor; Pucki blickte auf zwei recht zerrissene Schuhe.
»O je«, sagte Pucki, »die sind aber kaputt! Wenn's regnet, hast du nasse Füße und wirst krank. Du musst andere Schuhe anziehen, die keine Löcher haben.«
»Ich habe keine anderen.«
»Ich hab' zu Hause noch ein Paar braune Schuhe und ein Paar weiße, und die hier habe ich auch.«
»Ich habe gar keine anderen.«
»Dann hol dir doch meine Schuhe.«
Wieder schüttelte Thusnelda den Kopf. Um ihre Lippen zuckte es, dann kamen Tränen.
Pucki strich ihr liebevoll über die Backen. »Weinst du, weil du keine Schuhe hast?«
»Ja – –«
»Dann weine mal nicht, hier hast du meine Schuhe, dann bekommst du keine nassen Füße. Ich habe zu Hause noch sooo viele. Mutti zieht mir andere an.«
Schon hatte das kleine Mädchen die Schuhe ausgezogen und stellte sie vor Thusnelda auf die Schulbank. Die anderen Kinder waren aufmerksam geworden und flüsterten miteinander. Als aber Thusnelda noch immer nicht nach den Schuhen griff, zerrte Pucki die Kleine aus der Bank heraus, löste ihr das zerrissene Schuhwerk von den Füßen und streifte ihr die braunen Sandalen über die Füße.
»Die kannst du jetzt immer behalten.«
»Aber dann hast du ja keine Schuhe? Wie willst du denn bis ins Forsthaus kommen?« rief Georg Rabe.
»Heute brauche ich keine Schuhe, ich fahre mit dem Wagen, und zu Hause habe ich andere Schuhe.«
In diesem Augenblick betrat Fräulein Caspari die Klasse. Sogleich nach der Begrüßung riefen ihr die Kinder zu, dass Pucki ihre Schuhe der Thusnelda geschenkt hätte. Da wurde das kleine Mädchen sehr erregt und sagte mit lauter, energischer Stimme:
»Olle Klatschliesen seid ihr! Mutti hat gesagt, wenn man was verschenkt, darf man nicht davon reden.«
»Darfst du deine Schuhe verschenken, Pucki?« fragte die Lehrerin.
»Ja – ich habe noch viele andere Schuhe!«
Thusnelda war während der Unterrichtsstunden sehr unaufmerksam. Sie betrachtete beglückt die hübschen Sandalen, die ihr nunmehr gehören sollten. Wie würde die Mutter sich freuen, wenn sie mit neuen Schuhen heimkam. Sie schrak zusammen, als sie die Stimme Fräulein Casparis hörte, die schon zum zweiten Male fragte:
»Nun, Thusnelda, weißt du mir nicht zu antworten?«
Thusnelda hatte die erste Frage überhaupt nicht gehört, sie wusste nicht, um was es sich handelte. Pucki flüsterte ihr zwar etwas ins Ohr, bekam deswegen aber einen Verweis.
»Wenn du flüstern kannst, Pucki, kannst du uns auch laut und deutlich erzählen, was du von den Tieren des Waldes weißt.«
»O ja – von denen weiß ich viel! Da ist zuerst das kleine weiße Pferdchen, mit dem ich heute wieder nach Hause fahre.«
»Das Pferd ist aber kein Tier des Waldes.«
»Ja, das Pferdchen ist immer im Walde, das Pferdchen hat ein weißes Fell, aber es gibt auch Pferde mit einem braunen und einem schwarzen Fell.«
Fräulein Caspari lächelte nachsichtig. »Nun gut, Pucki, so erzähle uns einmal eine Geschichte von dem weißen Pferdchen. Ihr anderen passt gut auf, damit ihr mir morgen auch davon erzählen könnt.«
»Das weiße Pferdchen heißt Liese; es hat vier Beine und hinten einen Schwanz, mit dem es wackelt, wenn es sich freut oder wenn es von den Fliegen geärgert wird. Manchmal sind auch ganz große Fliegen da, die das Pferdchen stechen. Wenn Onkel Niepel der Liese ins Maul guckt, weiß er, wie alt sie ist. Das hat er mir gesagt. An den Hufen hat das Pferd Eisen. Ein weißes Pferd steht auch auf dem Karussell, auf dem ich geritten habe.«
»Fräulein, das ist aber nur von Holz!«
»Sei still, Hans, erst soll Pucki fertig erzählen.«
»Die Liese ist ein schönes Pferdchen, denn es bekommt viel Hafer. Die Liese ist viel älter als ich, denn sie war schon da, als ich noch ganz klein war. So, nun bin ich fertig.«
»Das hast du recht nett gemacht, Pucki. Morgen werdet ihr mir auch noch einiges über die Pferde erzählen.«
»Ich weiß noch viel mehr«, rief einer der Knaben. Nun erzählte er von einem Pferd, das vor einen schweren Lastwagen gespannt war, und wie der grobe Kutscher das arme Tier mit einer Peitsche geschlagen hätte.
Pucki hob den Finger in die Höhe, und als sie zum Sprechen aufgefordert wurde, sagte sie:
»Fräulein Caspari, man darf das Pferd nicht mit der Peitsche hauen. Ein Pferd weiß alleine, ob es schnell oder langsam gehen soll.«
Die Stunde verlief recht angeregt, denn über das Pferd wusste jedes Kind etwas zu sagen. So schnell wie heute war Pucki die Zeit des Unterrichts noch nie vergangen, und als es läutete, war sie erstaunt, dass sie schon wieder heimgehen durfte.
»Halt, Pucki«, rief die Lehrerin, »willst du nun ohne Schuhe bis zum Marktplatz laufen?«
»O ja, ich laufe manchmal sogar ohne Strümpfe.«
»Dann ziehe wenigstens die Strümpfe aus. Es ist heute warm, und du bist das Barfußgehen gewöhnt.«
Pucki tat es und eilte überglücklich zum Marktplatze. Die drei Knaben waren noch nicht da, doch der Kutscher wartete bereits mit dem Wagen. Die Kleine ging von Schaufenster zu Schaufenster und betrachtete die Auslagen.
»Du – was steht denn hier geschrieben?«
Der gutmütige Kutscher gab bereitwillig Auskunft. Da wurden in der Apotheke die verschiedensten Mittel angepriesen; beim Bäcker wurde Reklame für ein neues Schrotbrot gemacht. Weiter ging es zur Tischlerei. Da hing ein großer weißer Zettel.
»Was hat denn der Mann geschrieben?«
»Hier wird das Wachsen von Möbeln übernommen.«
»Was – – das Wachsen von Möbeln?«
»Ach, du Dummerlack! Der Tischler meint, die Möbel werden schön aufpoliert und mit Wachs bestrichen.«
Lautes Lärmen auf dem Markte verkündete, dass auch die beiden anderen Schulklassen geschlossen worden waren. Die Kinder tobten die Straßen entlang. Paul und Fritz waren am Wagen und stiegen bereits ein.
»Wo bleibt denn der Walter«, forschte Pucki.
»Der kommt auch gleich nach, der kann nicht so schnell laufen, er ist krank.«
»Krank?« rief Pucki erschrocken, »was hat er denn? Ich werde ihn holen.«
Doch da kam schon Walter. Er ging sehr langsam und hatte die eine Hand in die Seite gestützt.
»Was fehlt dir denn?« fragte der Kutscher.
»Mir tut es hier so weh«, sagte der Knabe und zeigte auf die linke Seite.
»Bist wohl wieder toll herumgelaufen und hast Seitenstechen. Das wird gleich wieder vergehen.«
Dann fuhr man ab. Pucki betrachtete Walter oftmals, der heute einen gar müden Eindruck machte.
Pucki streichelte die Wange des Freundes. »Hab mal keine Angst, Junge, deine Mutti kann dir schon helfen. Die kocht dir Kamillentee, und dann ist alles gut. Oh, warte noch ein bisschen. Du steigst am Forsthause ab, dann gibt dir meine Mutti eine Medizin. Die hilft, ich weiß schon, was dir gut tut.«
»Kannst du ihm helfen?« fragte Fritz.
Pucki nickte mit dem Kopf. »Ja, ich helfe ihm.«
»Er hat es gut«, seufzte Fritz, »ihm kannst du helfen, aber kannst du mir nicht auch helfen?«
»Was soll ich denn?«
»In der Schule war's heute sehr schlimm. Wir sollten etwas über ein Schiff erzählen, das hatte uns der Lehrer gezeigt. Und da war gerade ein Maikäfer, den hatte der Erich mitgebracht und auf der Bank herumkriechen lassen. Da haben wir nicht hingehört, was der Lehrer sagte. Und nun sollen wir was über das Schiff schreiben, und ich weiß doch nicht, was.«
»Über das Schiff, das beim Schmanzbauer in der Stube hängt?«
»Ich weiß nicht. Er hat uns auf einem Bilde ein Schiff gezeigt und davon erzählt.«
»Weißt du gar nichts mehr davon, Fritz?«
»Nein, gar nichts.«
»Na, dann schreibe über das Schiff vom Schmanzbauer.«
»Was soll ich denn schreiben?«
»Da musst du mal hingehen. Dem Schmanzbauer sein Kind fährt immer auf einem Schiff. Der Schmanzbauer hat mir schon viel erzählt. – Du, ich weiß viel von dem Schiff.«
Paul horchte auf. Auch er hatte heute in der Stunde nicht aufgepasst und wusste ebenso wenig über das Schiff zu sagen wie sein Bruder Fritz.
»Wenn du so viel weißt, Pucki«, meinte er, »dann erzähle uns was von dem Schiff.«
»O ja! – Das Schiff hängt beim Schmanzbauer an der Zimmerdecke. Auf einem Schiff können furchtbar viele Leute fahren. Es hat viele Plätze. Jedes Schiff hat einen Namen. Aber wie das Schiff vom Schmanzbauer heißt, weiß ich nicht, und sein Kind, das auf dem Schiff fährt, ist jetzt nicht da. – Wollen wir heute mal zum Schmanzbauer gehen?«
»Ich habe heute keine Zeit. Aber erzähle noch mehr von dem Schiff.«
»Die Leute, die kein Geld bezahlen und das Schiff bedienen, sind die Matrosen. Kleine Matrosen heißen Schiffsjungen. Die müssen viel klettern und das Schiff scheuern. Der Steuermann dreht an einem Rad das Schiff hin und her, damit es richtig fährt. Der Führer auf einem Schiff ist der Kapitän.«
»Was du alles weißt!« staunte Fritz. »Wer hat dir denn das erzählt?«
»Der Schmanzbauer. Ich gehe gern zum Schmanzbauer. Nächstens gehe ich wieder hin, dann frage ich nach dem Schiff.«
»Was du jetzt gesagt hast, schreibe ich auf«, rief Paul. »Aber der Fritz darf es nicht aufschreiben.«
»Nein, das schreibe ich auf!«
»Pucki«, sagte Fritz, »ich will auch was schreiben.«
Das Försterkind starrte einige Augenblicke nachdenklich zum Himmel empor, dann rief es freudig. »Oh, ich weiß noch mehr, das sage ich dir ins Ohr, dann hört es der Paul nicht.«
»Der hat schon genug.«
»Die Matrosen und der Kapitän müssen sehr gute Augen haben. Manchmal ist ganz dicker Nebel auf dem Wasser, dass sie nichts sehen können. Bei Nebel tuten die großen Schiffe mit einem Horn. Die Stricke oben am Schiff haben einen komischen Namen, den habe ich vergessen. Aber das frage ich den Schmanzbauer noch. Meistens haben die Matrosen eine Pfeife im Munde und rauchen daraus. Wenn das Schiff in den Hafen kommt, dann geht der Matrose nach Hause und freut sich. – Hast du nu genug?«
»Ach, Pucki, ich hab' dich schrecklich lieb, weil du immer einen guten Rat weißt. Du bist doch die Klügste von uns.«
»Wenn mir noch was einfällt vom Schiff, sage ich es dir morgen früh, wenn ihr mit dem Wagen vorbeifahrt.«
Walter hatte sich an der Unterhaltung wenig beteiligt. Er saß müde in der Wagenecke und fühlte sich gar nicht wohl.
»Na, na«, meinte der Kutscher, »ich glaube, du hast dich erkältet und musst ins Bett, Walter.«
»Ja, fahr recht schnell«, rief Fritz.
Bald hielt der Wagen am Forsthause. Dort wurde Pucki abgesetzt. Diesmal winkte sie Walter besonders herzlich zu, denn sie hatte inniges Mitleid mit dem kranken Knaben. Dann eilte sie aufgeregt in die Küche, in der die Mutter beschäftigt war, und rief stürmisch:
»Mutti, da bin ich!«
Frau Sandler sah sofort Puckis bloße Füße.
»Was ist denn das wieder? Wo sind deine Schuhe und Strümpfe?«
»Die Schuhe hat die Thusnelda bekommen, die Strümpfe habe ich in die Mappe gesteckt.«
Eifrig erzählte Pucki von der armen Thusnelda, die in zerrissenen Schuhen umherlief.
»Ach, Mutti, sie hat sich sehr gefreut, nun kann sie heute nachmittag zu mir kommen, weil sie meine Schuhe hat.«
»Du hättest mich erst fragen müssen. – Du darfst die Sachen, die du trägst, nicht verschenken, ohne dass wir davon wissen. Wenn Thusnelda heute kommt, will ich ihr noch ein Kleidchen von dir heraussuchen.«
»Au fein, Mutti! Gestern hat uns Fräulein Caspari erzählt, dass es viele arme Kinder gibt, die gar nichts haben. In der großen Stadt mit den hohen Häusern sind noch viel mehr arme Kinder als in Rahnsburg. Und diese Kinder haben keinen grünen Wald, wie wir, – Mutti, das muss schlimm sein!«
»Gewiss, Pucki, es gibt viele Kinder, die noch niemals aus der Stadt herausgekommen sind, die niemals frische Waldluft geatmet haben. Sie sehen blass und elend aus und sind oft krank.«
»Kann man sie nicht in den Wald schicken, damit sie nicht krank sind?«
»Es haben sich gutherzige Leute gefunden, die sich dieser Kinder annehmen. Dann wird Geld gegeben, damit die kränklichen Geschöpfe aufs Land oder in den Wald geschickt werden können. Alle Jahre fahren ganze Eisenbahnzüge mit Kindern aus den großen Städten hinaus.«
»Alle in den Wald?«
»Nein, auch aufs Land oder an die See.«
»Warum kommen denn in unseren Wald keine kranken Kinder?«
»Man hat gerade vor einigen Tagen an deine Mutti geschrieben, ob sie nicht auch ein Kind aufnehmen will. Auch bei den anderen Förstern und den Gutsbesitzern traf eine derartige Anfrage ein.«
»Au, Mutti, dann lassen wir viele Kinder herkommen, ich gehe mit ihnen in den Wald, und du bäckst Waffeln.«
»Vielleicht nimmt Mutti ein solches armes Kind in den großen Ferien auf. Doch das muss sie erst mit dem Vati besprechen.«
Schon am nächsten Tage erzählte Pucki in der Schule von den armen Kindern, die gerne in den Wald und in die Försterei kommen möchten.
»Meine Mutti will auch so ein Kind haben.«
»Das ist sehr nett von deinen Eltern, Pucki. Es wird dir viel Freude machen, einem kleinen Stadtmädchen den Wald zeigen zu können.«
Von nun an fragte Pucki tagtäglich die Eltern, ob nicht bald ein Kind aus der großen Stadt in den Wald käme.
»Ich möchte gern mit dem Kindchen spazierengehen.«
»Wenn du gern spazierengehen willst, Pucki, warum gehst du dann so selten mit Waltraut spazieren? Es wäre mir sehr lieb, wenn du dich mehr mit deinem Schwesterchen beschäftigen wolltest.«
»Ihr könnt mich beide heute nachmittag in den Wald begleiten«, sagte Förster Sandler. »Wir haben direkt an der Straße zu tun, und es ist ein schöner Tag. Da werdet ihr viel Freude haben.«