Kitabı oku: «Pucki», sayfa 16

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So schön war es noch nie, meinten alle. Man konnte sich gar nicht trennen. Drüben stand der Wagen aus der Oberförsterei und dort der Kastenwagen, der Frau Sandler mit ihren beiden Mädchen ins Forsthaus zurückbringen sollte. Man hatte sich noch sehr viel zu erzählen.

Schließlich musste Frau Niepel ein Machtwort sprechen. Das weiße Pferdchen zog zwei glückliche Kinder der Försterei entgegen. Pucki und Rose hüteten ihre bunten Lampions sorglich.

Der Förster empfing die Seinen vor dem Hause.

»War's schön?«

»Vati, so schön war's, dass ich gar nicht sagen kann, wie. Alle die vielen Worte, die ich sagen möchte, sitzen fest im Halse und können nicht 'raus.«

»Hat es dir auch gut gefallen, Rose?«

Wortlos barg das glückliche Stadtkind sein Gesicht an des Försters Brust. Der herrliche Ausflug am heutigen Tage war für das Kind das Schönste gewesen, was es bisher erlebt hatte.

8. Kapitel: Ach, Scheiden ist ein Wort so schwer

Nur zu schnell vergingen die schönen Ferientage. Der Schulanfang kam in immer bedrohlichere Nähe, und oft konnte Pucki ihre neue Freundin Rose beobachten, wie sie im Garten stand und mit schwermütigen und sehnsüchtigen Blicken Wald und Flur betrachtete. Alles das würde wie ein schöner Traum verschwinden. Jetzt ging es wieder zurück in den engen Hof, in die kleinen Stuben, in denen Mutter und Geschwister lebten. Sie würde bald nicht mehr das Rauschen der hohen Tannen, nicht mehr das Zwitschern der Vögel hören.

Rose öffnete den Mund weit, sie sog mit Behagen die würzige Waldluft ein. Das tat wohl! Ihr war es, als bekäme sie dadurch Stärke und Kraft, sie wurde ordentlich ein anderer Mensch. Rose beneidete Pucki, beneidete alle Kinder, die den Wald so nahe hatten. Was wussten die von den engen Höfen der Großstadt, in die kaum ein Sonnenstrahl fiel. Hier draußen war überall Sonne. Man brauchte nur vor die Haustür zu gehen, ach nein, man brauchte nur das Fenster zu öffnen – es war wundervoll! Wie gut hatte sie es gehabt, was konnte sie alles den Geschwistern daheim erzählen. Wie ein Märchen würde es ihnen erscheinen, und sie, Rose, war die verwunschene Prinzessin, die all das Schöne hatte genießen dürfen.

Frau Sandler strich dem kleinen Stadtkinde liebevoll über das Haar. Sie ahnte, was in dem Herzen des kleinen Mädchens vorging.

»Wenn es uns allen gut geht, wenn wir gesund bleiben, kommst du im nächsten Jahr wieder zu uns in den Wald.«

»Liebe Tante Sandler, du liebe, gute Tante, ich, ich –«. Rose begann zu weinen. Das Herz wollte ihr schier zerspringen. Sie dachte an die bevorstehende Trennung, an den Abschied von diesen guten Menschen, von Wald und Vögeln.

»Ein Jahr vergeht schnell, meine liebe Rose, wir haben dich alle herzlich lieb gewonnen und werden dir öfters Briefe senden, damit du weißt, wie es hier aussieht. Pucki kann dir freilich noch nicht schreiben, aber ich will dir über deine kleine Freundin berichten.«

»Ich möchte gern noch einmal zur Schmanzbäuerin gehen.«

»Gewiß, Rose, das wollen wir tun. Dort hat man dich auch lieb gewonnen, dort sollst du Lebewohl sagen.«

»Tante, wie froh bin ich, dass ich der alten Schmanzbäuerin ein bisschen Freude bringen konnte. Ich habe es hier so gut gehabt, ich konnte dir gar nichts schenken, und wollte dir doch auch etwas Liebes antun.«

»Du hast mir oftmals Blümchen aus dem Walde gebracht, mein gutes Kind, warst immer artig und brav, gar oft habe ich mich über dich gefreut.«

»Das ist alles nicht genug, Tante, das ist nicht genug«, schluchzte Rose, »ich möchte dir zeigen, wie gut ich dir bin.«

»Du hast dich recht nützlich gemacht, mein liebes Mädchen, hast unsere kleine Waldi liebevoll betreut und geduldig mit ihr gespielt. Waltraut wird dich sehr vermissen. Doch nun trockne deine Tränen, wir alle müssen uns sagen, dass es im Leben nicht nur schöne Tage geben kann. Nach der Freude kommt wieder die Pflicht.«

Rose trocknete sich die Augen; sie wollte tapfer sein, wollte ihr großes Trennungsweh verbergen, aber jedes Mal überkam sie aufs neue der Schmerz, wenn sie an das Scheiden dachte. Pucki tröstete sie, so gut es ging, und wiederholte unzählige Male:

»Rose, du kommst doch bald wieder. Wenn der Wald wieder grün ist, bist du wieder da.«

Zu der Schmanzbäuerin war Rose in der Ferienzeit öfters hingegangen. Die alte Frau hatte inständig darum gebeten, ihr kleiner, guter Engel möge sich recht oft bei ihr sehen lassen; jedes Mal las Rose der alten Frau etwas vor; jedesmal bemerkte Rose, dass sie der fast Blinden dadurch eine große Freude bereitete.

Am heutigen Nachmittage sollte Rose sich von der Schmanzbäuerin verabschieden. Die Försterin gab den Kindern das Geleit.

Zum letzten Male sollte Rose den Wald in seiner ganzen Schönheit sehen, denn gerade um die Schmanz herum standen so herrliche Buchen und Birken wie nirgends sonst.

Und wieder hockte Rose neben der alten Frau. Zum letzten Male für lange Zeit las sie ihr die Geschichte von der Himmelfahrt Christi vor.

»Ich glaube«, murmelte die alte Frau, »dass auch ich nicht mehr lange auf der Erde bin.«

»Großmutter, ich darf im nächsten Jahr wiederkommen, dann lese ich dir noch viel mehr vor. In drei Tagen fahre ich ab.«

»Und kommst nicht mehr zu mir?«

»Ich muss heim, muss wieder in die Schule.«

»Dann wird es wieder dunkel um die alte Großmutter werden, denn dann ist niemand mehr da, der ihr ein wenig Licht in das Herz scheinen lässt.«

»Großmutter«, fragte Pucki, »hat die Rose das getan?«

»Ja, mein Kind, es ist die einzige Freude für mich alte Frau. Die anderen haben keine Zeit, sie müssen um das tägliche Brot arbeiten. Aber die liebe Kleine hier, die hat die alte Großmutter reich und glücklich gemacht.«

»Großmutter, ich kann noch nicht lesen, aber bald kann ich es auch. – Mach' ich dich dann auch reich und glücklich, wenn ich zu dir komme und dir was aus dem dicken Buch vorlese?«

»Das wäre sehr schön, Pucki. Die alte Großmutter hat nichts weiter als das liebe, heilige Buch.«

»Dann lerne ich ganz gewiss sehr schnell lesen, ich möchte dich auch reich und glücklich machen. – Hast du keinen, der dir sonst was vorliest?«

»Nein, mein Kind.«

»Sei mal nicht traurig«, sagte Pucki und strich zärtlich über die welken Hände der Alten, »dann will ich fleißig lernen. Dann komme ich her und lese dir immerfort was vor. – Freust du dich dann auch?«

»Du gutes, gutes Kind! Ja, darauf freut sich die alte Großmutter von ganzem Herzen.«

Wohl eine Stunde lang las Rose vor, dann mahnte Frau Sandler zum Heimgehen.

»Leb wohl, Großmutter«, sagte Rose bewegt, »bleibe gesund und – und Pucki wird kommen und dir vorlesen. Wenn ich im nächsten Jahr wieder hier bin, komme ich auch, dann kann ich viel besser lesen.«

»Gott segne dich, mein Kind! Sollte die alte Großmutter, wenn du im nächsten Jahre wiederkommst, nicht mehr am Leben sein, darfst du dir immer sagen, dass du sie an ihrem Lebensabend sehr glücklich gemacht hast. Das wird dir der liebe Gott in deinem künftigen Dasein reich vergelten.«

Dann kam der Abschied vom Schmanzbauer und dessen Frau. Der sonst mürrische Mann hatte das zarte Stadtkind, das seiner Mutter so viele schöne Stunden bereitete, langsam lieb gewonnen. Er klopfte der Kleinen derb auf die Schulter und sagte:

»Bist uns immer willkommen, Mädel, kehre gesund im nächsten Jahre zurück und vergiss uns nicht.«

»Niemals!«

»Das nimmst du mit, und nun leb wohl.«

Der Schmanzbauer ging davon, nachdem er Rose ein großes Paket in den Arm gelegt hatte. Es waren zwei mächtige Dauerwürste, Würste von der besten Sorte, die im Schornstein hingen. Wenn der Schmanzbauer von diesen etwas hergab, stand es fest, dass er den Beschenkten gar gern hatte, sonst opferte er nichts von seiner Lieblingswurst.

Frau Sandler sorgte dafür, dass der Abschied von der alten Bäuerin nicht zu lange und zu schmerzlich wurde. Sie stimmte ein Wanderlied an, und im Marschschritt gingen die drei dem Forsthause wieder zu.

Dort wartete bereits Besuch.

»Ach, großer Claus!«

Mit ausgebreiteten Armen flog Pucki dem Primaner entgegen.

»Ich komme, um mich zu verabschieden. Die Ferien gehen zu Ende, die Schule beginnt.«

»Du willst fort?« Es war Pucki auf einmal, als stecke ihr ein Kloß im Halse.

»Ja, Pucki, wir alle müssen wieder an die Arbeit, wir alle. Bedenke doch, dass ich viel zu lernen habe, da ich Ostern das Abiturium mache.«

»Darum musst du weg?«

»Ja, Pucki, wir alle müssen wieder lernen. Drücke den Daumen, dass ich es schaffe und dass ich das Examen gut bestehe.«

»Nutzt es dann? Willst du das Examen bestehen?«

»Selbstverständlich, ich würde sehr traurig sein, wenn es missglückte.«

»Na, dann will ich immerfort meinen Daumen drücken. Großer Claus, welchen soll ich denn drücken?«

»Das ist einerlei, wenn du nur drückst!«

»Ist es so richtig?« Pucki presste den kleinen Daumen mit den Fingern der anderen Hand.

»Freilich, jedes Mal, wenn du an mich denkst, musst du drücken«, lachte er.

»Ich denk' immerzu an dich, großer Claus! – Ich weiß, wenn ich schlafen gehe, lege ich mich immer auf den Daumen, dann wird er gedrückt, und der Mucki sage ich, sie kann ruhig den Daumen in den Mund stecken. Das soll sie sonst nicht, aber das macht sie. Wenn sie tüchtig auf dem Daumen herumbeißt, wirst du das Examen in der Stadt schon machen können.«

»Nein, Daumenlutschen nützt nichts, nur Daumendrücken. Und nun, kleine, liebe Pucki, habe ich dir zum Abschied auch etwas mitgebracht. Hier, das hänge dir um den Hals, dabei denkst du an den großen Claus.«

Er reichte ihr ein Kettchen, an der ein goldenes Herzchen hing.

»Ist das schön! Mach mir das doch gleich um. Hast du das gekauft?«

»Ja, Pucki, beim Kaufen habe ich daran gedacht, dass meine kleine liebe Pucki genau ein solches goldenes Herzchen hat wie das hier.«

Sie tippte auf das Herz. »Dann hängt mir also mein Herz jetzt um den Hals.«

»Ja, dabei sollst du denken, dass es sehr schön ist, wenn ein Mensch ein goldenes Herz hat. Tut er etwas Schlechtes, so wird das goldene Herz schwarz.«

»Dann putzt es die Minna.«

»Nein, ein Herzchen geht nicht blank zu putzen. Man muss sich Mühe geben, dass es immer so golden bleibt.«

Pucki war sehr stolz auf das kleine Schmuckstück, das sie heute zum Abschied vom großen Claus erhalten hatte. Es war nur traurig, dass es ein Abschiedsgeschenk war, und dass sie den großen Claus nun viele Wochen nicht mehr sehen würde. Ein schwacher Trost war der, dass er zu den Herbstferien wiederkommen und dann mit Pucki durch das raschelnde Laub wandern wollte.

Rose bekam von Claus eine niedliche Perlenkette. Pucki betrachtete sie lange, zog dann den Freund zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr:

»Hast du die Rose lieber als mich?«

»Ich habe euch beide recht lieb.«

»Ach – ich möchte aber, dass du mich ein ganz kleines bisschen mehr lieb hast.«

Und Claus Gregor beugte sich nieder und tuschelte der Kleinen ins Ohr: »Pucki, dich habe ich am allerliebsten von allen den Mädchen, die in den Wald gekommen sind.«

Die Augen des Kindes strahlten.

»Das brauchst du aber keinem zu sagen, das ist unser Geheimnis.«

»Au fein! Nun haben wir wieder mal ein Geheimnis. – Großer Claus, ich habe Geheimnisse furchtbar gern.«

Es war ein schmerzlicher Augenblick, als Claus dem kleinen Mädchen zum Abschied die Hand reichte.

»Leb wohl, Pucki, und wenn ich wiederkomme, frage ich dich, ob du in der Schule fleißig gelernt hast. Wir wollen nun um die Wette lernen. Willst du?«

»Wenn du willst, dass ich lernen soll, dann lerne ich. – Ich muss jetzt schnell lesen lernen, damit die alte Großmutter reich und glücklich wird.«

»Das ist recht, Pucki, dann freut sich der große Claus über dich. Und nun leb wohl.«

Sie wollte noch ein Stück Weges mit ihm gehen, doch Claus wehrte ab. »Du bleibst im Garten bei Rose und winkst mir nur nach.«

»Ach, großer Claus – –.« Pucki hatte Tränen in den Augen.

»Leb wohl, Pucki.«

Rasch schritt er aus. Beim Umwenden bemerkte er, dass Pucki mit beiden Ärmchen winkte. Da bog er schnell in den ersten Seitenpfad ein, um dem Kinde den Abschiedsschmerz zu verkürzen. Pucki stand jedoch noch lange am Gartenzaun. Endlich ging sie traurig ins Haus, lief in die Küche und sagte zu Minna: »Ach, ich bin so furchtbar traurig. Der große Claus ist weg – die Rose geht weg – oh, es ist schlimm!«


»Ja«, sagte Minna, »Scheiden ist ein schweres Wort. Aber ich habe ein Mittel gegen deine Schmerzen.«

»Was haste denn?« fragte Pucki sehr interessiert.

»Wir haben soeben Krapfen gebacken. Willst du einen?«

»Zwei, Minna, denn der Claus geht weg, und die Rose geht weg.«

Sie bekam die zwei Krapfen, und das schwere Kinderherz wurde dadurch wesentlich erleichtert. – –

In den letzten beiden Tagen, während welcher Rose noch im Forsthause weilte, bemühte Pucki sich nach Kräften, der kleinen Freundin recht viel Liebes zu erweisen.

»Mutti, darf ich ihr etwas schenken? Der große Claus hat mir doch auch das Herzchen geschenkt.«

»Gewiss, mein Kind, ein Andenken soll Rose mitnehmen. Wir geben ihr für ihre Mutter Lebensmittel mit, und du magst Rose eine Freude machen. Frage sie mal, was sie gern haben möchte.«

Sofort lief Pucki zu Rose. »Ich will dir was schenken, was du gerne haben möchtest. Du sollst dich auch in deinem Hofe noch darüber freuen, wenn du keinen Wald mehr hast. – Was möchtest du denn haben?«

»Ein bisschen Wald, ich möchte ein paar schöne, grüne Zweige mitnehmen dürfen.«

»Ach, das kannst du!«

»Und auch ein paar Blümchen.«

»Ich möchte dir aber ganz was Schönes schenken. – Willst du eine Puppe von mir? Ich gebe sie dir gern, denn ich hab' dich lieb.«

»Den Harras möchte ich auch mitnehmen.«

»O – – nein, den Harras können wir dir nicht geben, der muss doch aufpassen, dass der Wald nicht brennt, er muss auch mit Vati in den Wald gehen, damit der Vati den Weg findet. Der Harras riecht das.«

»Nein, Pucki, den Harras lasse ich dir hier, er würde krank werden, hätte er den großen Wald nicht mehr.«

»Soll ich dir mein Kleidchen schenken?«

»Das passt mir doch nicht, Pucki.«

»Ich möchte dir doch so gern was schenken«, sagte Pucki weinerlich, »was ganz Schönes.«

Rose umarmte mit beinahe leidenschaftlicher Heftigkeit das kleine Försterkind. »Du sollst mich lieb behalten und deiner Mutti sagen, dass ich mal wieder zu euch in den Wald kommen darf. Das ist das Allerschönste, und dann möchte ich – – ja, das möchte ich gern – dass du zur alten Schmanzgroßmutter gehst und ihr bald was vorlesen kannst.«

»Ja, Rose, ich gehe zur Schmanzgroßmutter, ich lerne an jedem Tag lesen.«

»Mehr brauche ich nicht. Ich bin so froh hier gewesen, wie noch nie, das vergesse ich im ganzen Leben nicht mehr.«

»Der Thusnelda habe ich meine Schuhe geschenkt, und dir darf ich nichts schenken. Der große Claus hat dir doch auch was geschenkt.«

»Deine Mutti soll mich wiederkommen lassen, das ist das allerschönste Geschenk.«

»Na gut«, meinte Pucki energisch. »Du kommst bald wieder, ich hole dich dann vom Bahnhofe ab. – Weißt du, du könntest auch im Winter kommen. Dann bauen wir einen großen Schneemann.«

»Nein, Pucki, lieber im Sommer, wenn der Wald grün ist und die Vögel so schön singen, ich höre sie so gern.«

»Oh, jetzt weiß ich, was ich dir schenke.« Pucki stürmte davon, und wenige Augenblicke später kehrte sie mit einer kleinen Trillerpfeife wieder. »Hier hast du sie, das ist genau so, als wenn ein Vogel singt. Der Vati wird sie mir schon geben. Damit ruft er nämlich den Harras. Aber ich schenke sie dir. Wenn du im finstern Hof darauf bläst, denken alle, die Vöglein singen. – So, die nimmst du mit.«

Förster Sandler tauschte die Trillerpfeife tags darauf gegen eine kleine Vogelpfeife um, die er aus der Stadt mit heimbrachte. Das klang freilich, als zwitschere ein Vöglein sein lustiges Lied. Beglückt nahm Rose das Geschenk entgegen.

»Ich werde immer an die lieben Vöglein hier im Walde denken.«


An einem Sonnabend schlug die Trennungsstunde. An Sandlers, Niepels und überall, wo Ferienkinder untergebracht waren, war ein Schreiben gekommen, dass die Kinder am Sonnabend, vormittags elf Uhr, auf dem Bahnhofe zu Rahnsburg sein sollten, wo sie von der Transportleiterin in Empfang genommen werden würden. Niepels wollten mit dem Wagen beim Forsthause vorfahren, um Rose abzuholen und zur Stadt zu bringen. Frau Sandler und Pucki begleiteten selbstverständlich die kleine Freundin. In Roses kleinem Koffer steckten allerlei Geschenke und verschiedene Lebensmittel, denn man hatte erfahren, dass bei der Scheeleschen Familie große Not herrschte. Rose hatte sich über die Gaben nicht recht freuen können, denn zu groß war der Abschiedsschmerz. Und als nun der Wagen mit den Knaben und den vier Ferienkindern vorgefahren kam, als es hieß: einsteigen, waren Roses Augen so voller Tränen, dass sie nichts mehr erkennen konnte. Sie schluchzte am Halse des guten Onkels, sie umarmte Minna, ja sogar den treuen Harras, der zu wissen schien, dass die kleine Freundin nicht so bald wiederkäme. Traurig sah er sie an und bellte leise.

Nun saß sie im Wagen. Roses Tränen tropften auf den großen Strauß Blumen, den sie in den Händen hielt. Am liebsten wäre sie wieder vom Wagen gesprungen.

Von allen Seiten kamen die Ferienkinder herbei. Wer hätte in diesen rotwangigen Mädchen die blassen Kinder wiedererkannt, die vor fünf Wochen auf demselben Bahnsteige gestanden hatten und bangen Herzens in ihre Quartiere gegangen waren. Diese Ferienzeit war allen zu einem herrlichen Erlebnis geworden, war eine schöne Erinnerung, die sich nicht mehr auslöschen ließ.

Das junge Mädchen, das die Kinder in Empfang nahm, staunte über deren gesundes Aussehen. Herzliche Dankesworte wurden gewechselt. Alle Pflegemütter hatten sich auf dem Bahnhofe eingestellt, noch einmal wurden Umarmungen und Abschiedsküsse getauscht, dann stiegen die Kinder in den Zug und drängten sich an die Fenster.

Rose lag noch in den Armen Frau Sandlers; sie war vielleicht die einzige, die in den letzten Minuten nichts sagen konnte. Pucki plauderte munter daraus los, sprach vom Wiederkommen, vom Schneemann, den man gemeinsam bauen wollte, und vielleicht käme auch sie mal und besuchte Rose. Aber das Stadtkind hörte kaum, was die kleine Freundin sagte.

»Du musst nun einsteigen, mein Kind.«

Frau Sandler brachte Rose selbst in den Wagen. Es schien, als wollte sich das Kind an ihr festklammern. Dann saß es auf der Bank, ganz still für sich.

Mit schwerem Herzen stieg die Försterin aus dem Zuge. Am Fenster sah sie Rose nicht mehr. Aus dem fahrenden Zuge aber winkten gar viele Kinderhände ein letztes Lebewohl, und auch Pucki schwenkte ihr Taschentuch aus Leibeskräften.

»Mutti, kommt die bald wieder?«

»Hoffentlich im nächsten Jahre.«

»So, Mutti, nu müssen wir heim, jetzt muss ich lesen lernen, damit die alte Schmanzgroßmutter reich und glücklich wird.«

Obwohl Rose im Forsthause niemals Lärm gemacht hatte, erschien es allen darin in den nächsten Tagen still und einsam. Auch Pucki vermisste die Freundin überall, aber sie tröstete sich mit dem Schwesterchen, dem sie sich von nun an mehr widmete als bisher.

»Und jetzt, Mutti, muss ich in der Schule ganz genau aufpassen. Weißt du, die Schmanzgroßmutter will nur, dass ich lesen lerne, da werde ich in Zukunft nicht mehr so viel schreiben. Das brauche ich nicht, das kann die Schmanzgroßmutter doch nicht sehen.«

»Aber Rose wartet doch auf einen Brief von dir. Rose wird uns bald Nachricht von sich geben. Ich dachte, es würde dich freuen, wenn du deiner kleinen Freundin antworten könntest.«

Einige Augenblicke überlegte Pucki, dann nickte sie ernsthaft mit dem Köpfchen.

»Ja, dann wird wohl nichts anderes übrig bleiben, dann muss ich auch schreiben lernen.«

9. Kapitel: Ein schöner Spruch

Mit Pucki war seit den großen Ferien in der Schule eine staunenswerte Veränderung vor sich gegangen. Die Lehrerin, Fräulein Caspari, konnte sich nicht genug über den Eifer des Mädchens wundern, das, besonders im Lesen, überraschend schnell alle Mitschüler und Schülerinnen überflügelte. Wenn sie Pucki fragte, weshalb sie diesen Eifer zeige, so sagte sie stolz:

»Die Schmanzgroßmutter möchte gern reich und glücklich sein. Sie wartet auf mich.«

Der Leseeifer der kleinen Försterstochter trug ihr mitunter allerlei kleine Verletzungen ein. Auf dem Schulwege hatte Pucki stets das Buch vor der Nase, und nicht selten geschah es, dass sie plötzlich gegen einen Baum lief oder über eine Wurzel stolperte und hinfiel. Auch daheim griff sie nach allem Gedruckten, einerlei, ob es die Zeitung, der Mutter Kochbuch oder sonst ein Buch war, das irgendwo herumlag.

Bei diesem Eifer verging die Zeit recht schnell. Sie staunte, als die Herbstferien herankamen, freute sich, als der große Claus ihre Lesekünste bewunderte, und lief zur Schmanzgroßmutter, der sie allerdings mit ihren geringen Lesekünsten noch nicht viel bieten konnte.

»Warte noch, Schmanzgroßmutter, bis zu Weihnachten, dann kann ich noch besser lesen.«

Der Herbst verging, der erste Schnee lag auf den Zweigen der Tannen.

»Mutti, kann die Rose nicht zu Weihnachten herkommen?«

»Nein, Pucki, das geht nicht, doch im Sommer kommt sie wieder.«

Rose Scheele schrieb regelmäßig alle vierzehn Tage einen ausführlichen Brief. Aus jeder Zeile sprach die Sehnsucht nach dem Walde, nach den guten Förstersleuten, nach Pucki und Waltraut. Staunend lauschte die kleine Försterstochter den Berichten, die Rose gab. Alle die Pflichten, die Rose an ihren kleineren Geschwistern erfüllte, waren für Pucki neu und ungewohnt. Rose konnte schon eine Stube auskehren, sogar aufwischen, sie pflegte die Mutter, als sie krank war, hatte nebenbei Schule, machte ihre Schularbeiten und versuchte, kleine Näharbeiten zu machen.

»Mutti, was sie alles kann, das kann ich nicht.«

»Du bist auch zwei Jahre jünger, mein Kind, außerdem hast du es auch leichter im Leben als Rose, die keinen Vater hat, der für sie sorgt.«

»Ach, wie traurig!«

»Zu Weihnachten wollen wir Rose und ihre Geschwister beschenken, damit auch im Scheeleschen Hause eine richtige Weihnachtsstimmung herrscht.«

Weihnachten! Das war ein Wort, das Pucki in Begeisterung versetzte. Das Weihnachtsfest blieb doch das schönste aller Feste, und ungeduldig zählte sie nun die Tage bis zum vierundzwanzigsten Dezember. Aber vorher gab es viel zu bedenken. Vater und Mutter sollten ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Die Kinderhände strickten unter schweren Seufzern der Mutter einen Topflappen für die Küche. Minna musste oft helfen, wenn eine Masche von der Nadel fiel oder wenn in der Baumwolle ein Knoten war. Pucki stöhnte oft laut bei ihrer Arbeit, doch der Gedanke, dass sich die Mutti über ihr Geschenk freuen würde, ließ sie nicht ungeduldig werden.

Vati bekam etwas ganz Feines! Einen Aschenbecher aus dünnen Stäbchen. Innen war eine schöne gelbe Schale. Pucki hatte schon manches Stäbchen zerbrochen, und es erschien ihr sehr schwierig, all die kleinen, dünnen Hölzchen in die rechte Lage zu bringen. Doch nun war auch diese Arbeit beinahe beendet.

Draußen fiel der Schnee in großen Flocken und bedeckte den Waldboden. Sehr oft wurde Pucki im Niepelschen Schlitten nach der Schule gefahren. Das war eine Freude, wenn das weiße Pferdchen herangeklingelt kam.

»Es hat den Schnee gern, Mutti, weil der Schnee auch weiß ist. Kommt der Weihnachtsmann mit dem Weihnachtsbaum auch mit einem weißen Pferdchen?«

»Nein, der Weihnachtsmann bringt den Baum auf dem Rücken.«

»Wirft er ihn dann wieder auf das Dach vom Holzstall wie damals, als es Weihnachten war?«

»Das wird er wohl tun.«

»Au, Mutti, wenn aber der Onkel Oberförster den Weihnachtsmann trifft? Na, dann schimpft er aber, wenn der Weihnachtsmann gerade den Weihnachtsbaum umhackt. Den Vater von Grete hat er auch ausgeschimpft, als er sich einen Baum holte.«

»Der Weihnachtsmann darf so viele Bäume holen, wie er braucht. Doch der Vater deiner Schulfreundin Grete hätte erst um Erlaubnis fragen müssen.«

An jedem Abend, ehe die Kleine zu Bett ging, stand sie ein Weilchen am Fenster und wartete, ob sie vielleicht den Weihnachtsmann zu sehen bekäme.

»Ein komischer Mann, Mutti, er braucht doch nicht in der Nacht herumzulaufen, er kann doch kommen, wenn es hell ist.«

An einem Morgen lag der Weihnachtsbaum wirklich wieder auf dem Dach des Holzstalles. Pucki schrie vor Freude laut auf.

»Oh, nu wird es endlich Weihnachten! Ich kann's auch gar nicht mehr aushalten.«

Eine große Freude hatte Pucki stets, wenn die Mutter nach Rahnsburg ging, um einzukaufen. Oftmals durfte Pucki sie begleiten. Man kaufte vielerlei ein: Für Rose und deren Geschwister, für Minna, für den Vati, für die Waschfrau. Pucki sah sich interessiert die Auslagen an. Während die Mutter mit dem Geschäftsinhaber sprach, stand Pucki vor einem Wandbrett, auf dem der schöne Spruch eingebrannt war:

»Beglücke du, so wirst du glücklich sein.«

Pucki buchstabierte mühsam daran herum, denn die Buchstaben waren mitunter mit kleinen Schwänzchen versehen. So dauerte es eine ganze Zeit, ehe sie den Spruch ernsthaft vor sich hinsagte:

»Be – glücke du, so wirst du glücklich sein.«

Als sie mit der Mutter den Laden verließ, zeigte sie auf den Spruch und fragte: »Mutti, was ist das für ein schöner Spruch?«

»Der Spruch mahnt jeden daran, er möge andere Menschen froh und glücklich machen, denn nur dann kann man selber froh und glücklich sein.«

»Wie heißt er?«

Die Försterin wiederholte den Spruch, und Pucki sprach ihn mehrmals nachdenklich vor sich hin.

»Mutti, wird man glücklich, wenn man den anderen beglückt?«

»Ja, mein Kind; du freust dich ja auch, dass wir Rose ein schönes Weihnachtspaket schicken. Schenken zu dürfen macht Freude. Wir beglücken durch dieses Paket deine Freundin und sind selbst glücklich darüber, dass wir dazu imstande sind. Hast du nun begriffen, was der Spruch bedeutet?«

»Ja, Mutti.«

Bei den Besorgungen in der Stadt trafen sie Frau Niepel, die ebenfalls Einkäufe machte.

»Sie werden am Weihnachtsabend wieder viel Trubel im Hause haben, liebe Frau Niepel, Ihre drei Buben werden dafür sorgen.«

»Mein Ältester macht mir viel Kummer; er lernt auch nicht gut, ich bin darüber recht unglücklich.«

Man ging weiter zum Kaufmann.

Puckis Augen wunderten durch den großen Raum. Die vielen Kästen und Gläser erregten stets ihr Interesse. Dort drüben stand ein hohes Glas mit Schokolade. Schon manches Mal hatte ihr der freundliche Kaufmann ein Stückchen Schokolade daraus geschenkt. So ging sie zu dem Glase und sah es verlangend an.

»Du möchtest wohl ein Stück«, sagte der Kaufmann, »hier hast du eines.«

»Danke.«

Mit großem Appetit verzehrte Pucki das Stückchen Schokolade. Sie fand, dass der Spruch auf dem Holzbrett etwas sehr Schönes sei.

»Mutti«, sagte sie auf dem Heimwege, »wie glücklich wird der Weihnachtsmann sein, wenn er mich zu Weihnachtenbeglücken kann. Ich meine, der Weihnachtsmann sollte mir recht viel schenken.«

Der eingelernte Spruch ließ Pucki keine Ruhe mehr.

Das Packen der Pakete an Bekannte und Verwandte kurz vor Weihnachten war für sie ein Fest. Alles das, was die Mutter zusammentrug, erschien ihr nicht genug.

»Könnten wir nicht noch ein bisschen mehr einpacken?«

Sie brachte bald dieses, bald jenes heran, mitunter musste Frau Sandler entsetzt abwehren. Die Tochter hätte am liebsten die ganze Speisekammer ausgeräumt. Jedes Mal, wenn wieder ein Paket fertiggestellt war, umhalste sie die Mutter stürmisch und jauchzte:

»Gelt, nun sind wir beide glücklich!«

An Rose Scheele gingen sogar zwei Pakete ab. Pucki hatte mancherlei von ihrem Spielzeug geopfert, und auch von dem Schmanzbauer war eine Wurst und ein großes Stück Butter gespendet worden.

»Wäre der große Claus schon hier, er schickte ihr ganz gewiss auch was Schönes. Wie wird sie sich freuen!«

Für Frau Scheele wurde auch noch ein Geldgeschenk beigelegt mit der Bitte, ihren Kindern einen Weihnachtsbaum zu kaufen, damit auch dort rechte Weihnachtsstimmung herrsche.

»Du sitzest immer neben mir, Pucki, und scheinst ganz zu vergessen, dass der Aschenbecher für Vati noch nicht fertig ist. Willst du ihm etwas Unfertiges auf den Weihnachtstisch legen?«

»Mutti, wo denkst du hin! Ich hab' nur noch ein paar kleine Stäbchen durchzuziehen.«

»So geh und mache alles fertig.«

Pucki saß im Zimmer und quälte sich mit der Handarbeit. Sie überhörte es, dass der Vater heimkam, sie sah auch nicht auf, als er die Tür öffnete, da sie glaubte es wäre die Mutti.

»So fleißig, Pucki?«

Das Kind stieß einen entsetzten Ruf aus, nahm den Aschenbecher, hielt ihn auf den Rücken, sah vor sich die Stäbchen und griff nach ihnen, nachdem sie den Aschenbecher auf den Stuhl gelegt hatte.

»So, Vati, du hast doch nichts gesehen?«

Mit vergnügtem Lachen ließ Pucki sich wieder auf dem Stuhl nieder, auf dem ihre Arbeit lag. Aber sofort sprang sie auf, denn sie hatte ein leises Knacken gehört.

»Vati – nu ist alles kaputt! – Oh – –« Puckis Stimme zitterte bedenklich. »Da wollte ich dich beglücken – – sieh mal, wie er jetzt aussieht, und er war doch so schön!«

Der Aschenbecher war vollkommen zerdrückt, der größte Teil der Stäbchen zerbrochen.

»Nun ist bald Weihnachten, und alles ist kaputt – ach, Vati, ich bin so traurig!«

»Das ist freilich schlimm, Pucki. Warum bist du immer so stürmisch.«

»Du solltest es doch nicht sehen und solltest nichts wissen. Ach, Vati, es ist sehr schlimm!«

»Wollen mal sehen, ob wir den Aschenbecher nicht wieder heil bekommen.«

»Hilfst du mir?«

»Ein bisschen.«

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