Kitabı oku: «Pucki», sayfa 17
»Ach, Vati, du bist aber gut!«
»Na, dann gib mal her. Wir wollen gleich mal sehen, was wir machen können.«
Einige Minuten später, als Vater und Tochter emsig bei der Arbeit waren, kam Frau Sandler ins Zimmer.
»Nanu, was wird denn hier gemacht?«
Pucki sprang auf und hing der Mutter am Halse.
»Ich helfe ihr ein wenig«, sagte der Vater.
»Mutti, der Vati weiß nicht, was wir machen. Er denkt, das ist was anderes. Wir sagen ihm nicht, was das wird. – Nicht wahr, Vati, du weißt nicht, was das ist.«
»Gewiss etwas für deine Puppenstube.«
»Ach, Mutti!« jubelte die Kleine, »der Vati weiß es wirklich nicht.«
Später erfuhr Frau Sandler von dem Unglück, dass Pucki den Aschenbecher völlig zerbrochen hatte, in ihrem Eifer, das Geschenk zu verbergen. Sie ließ es daher ruhig geschehen, dass der Vati seinem Töchterchen bei der Arbeit half.
Es war für Sandler gar nicht einfach, die zierlichen Stäbchen in die vorgebohrten Löcher zu stecken, und Pucki lachte hell auf, wenn dem Vati ein Stäbchen wieder heraussprang.
»Meinste nicht, Vati, dass das sehr schwer ist und dass wir uns große Mühe geben müssen?«
»Ja, ich würde mir so viel Arbeit für meine Puppenkinder nicht machen!«
»Vati, es ist doch gar nicht für die Puppenstube.«
»So, wer bekommt es denn dann? Wohl ein Weihnachtsgeschenk?«
»Ich sag' dir nichts! Ich sag' dir nichts!«
»Ich denke, nun kannst du den Rest allein fertigmachen.«
»Ach, Vati, noch ein ganz kleines bisschen kannst du mir helfen.«
Schließlich wurde der Aschenbecher gemeinsam fertiggestellt.
»Nimm ihn aber gut in acht«, mahnte der Vater, »setze dich nicht wieder darauf, es ist kein Stuhl, sondern ein Aschenbecher.«
»Oh, woher weißt du das?«
»Ach so – na, vielleicht ist es auch etwas anderes.«
»Findest du ihn sehr schön?«
»Herrlich, Pucki.«
»Na, dann ist es gut, dann wirst du dich ja freuen!« – –
So kam das Weihnachtsfest immer näher heran. Endlich schrieb man den vierundzwanzigsten Dezember. Pucki steckte mit ihrer Unruhe die kleine Schwester an. Die beiden Kinder konnten sich vor Ungeduld kaum noch lassen. Da war es ein Glück, dass an diesem Tage ganz plötzlich Claus Gregor im Forsthause erschien. Pucki begrüßte ihn mit hellem Jubel.
»Weißt du auch, dass heute Weihnachten ist? – Großer Claus, ich habe immerfort den Daumen gedrückt und an dich gedacht. – Ich schenke dir auch was, komm mal mit, großer Claus!«
Im Garten stand ein Schneemann; er war etwas unförmlich und auch nicht gerade schön zu nennen, aber Pucki hatte ihn ganz allein gebaut.
»Den habe ich für dich zu Weihnachten gebaut und dabei an dich gedacht, damit du zu Ostern dein Ding machen kannst und froh bist.«
»Wie lieb von dir, Pucki! Ich habe dir auch etwas zum Weihnachtsfest mitgebracht. Das liegt heute abend unter dem Weihnachtsbaum.«
»Ach, bis dahin ist es noch so furchtbar lange! Ich weiß gar nicht, was ich anfangen soll; ich halt's nicht mehr aus.« –
»Aber mein Geschenk bekommst du doch erst heute abend. Ich komme aber mit einem anderen Vorschlage. Wollen wir zusammen zur Schmanzbäuerin gehen? Wir wollen sogleich die Eltern fragen.«
»Kommen wir aber wieder zurück, wenn es klingelt und der Weihnachtsbaum brennt und die vielen Geschenke da sind?«
»Selbstverständlich, wir sind bis Mittag wieder zurück.«
»Ach ja, dann gehen wir schnell zur Schmanzgroßmutter. Ich kann ihr auch die Weihnachtsgeschichte vorlesen. Die Minna hat sie mir oft vorgelesen, nun kann ich sie auch lesen. Komm schnell, wir wollen die alte Großmutter besuchen.«
Frau Sandler war von Herzen froh, dass sie für die beiden nächsten Stunden ihre unruhige Tochter los war. Pucki stand überall im Wege, und es gab heute noch viel zu tun.
So wanderten die beiden zur Schmanz und brachten die Weihnachtswünsche aus Oberförsterei und Forsthaus. Pucki setzte sich zu Füßen der Großmutter auf ein Bänkchen und sagte strahlend:
»Heute schenke ich dir, dass ich gut lesen kann.«
Sie holte die Heilige Schrift, klappte sie irgendwo auf und begann dann die Weihnachtsgeschichte auswendig aufzusagen.
»Kann ich nicht fein lesen, Großmutter? Freut es dich?«
Wieder lauschte die Alte andächtig den Worten des kleinen Mädchens, bis Pucki plötzlich aufsprang und sagte:
»Nu müssen wir aber ganz schnell nach Hause laufen. Wenn Weihnachten vorüber ist, lese ich dir wieder was vor, Großmutter, aber jetzt habe ich keine Zeit mehr.«
»Warte mal, Kind«, rief der Schmanzbauer, als Pucki sich anschickte heimzugehen, »wir haben noch was für dich, zu Weihnachten.«
Schon brachte die Bäuerin ein großes Pfefferkuchenherz.
»Kannst du lesen, was darauf steht?«
»Oh – oh –« jubelte das Kind, »da steht Pucki drauf, und das bin ich!«
Sie drückte das Herz begeistert an sich, doch dann drängte sie den großen Claus zum Gehen. »Sonst komme ich nicht nach Hause, wenn es klingelt.«
»Es klingelt erst heute abend, Pucki, wenn der Weihnachtsbaum brennt!«
»Ach, komm nur, vielleicht klingelt es doch ein bisschen früher.«
Es waren für Pucki noch schlimme Stunden, ehe es wirklich zur Bescherung kam. Dann aber stand sie mit verklärtem Gesicht vor dem Lichterbaum, vor dem reichen Gabentisch und bestaunte die Geschenke. Da fand man mancherlei Schönes: Eine neue Puppe, Äpfel, Nüsse, Pfefferkuchen, und einer der Kästen barg ein Buchstabenspiel vom großen Claus. Aus bunten Buchstaben ließen sich Wörter zusammensetzen. Das erste was Pucki zusammenstellte, war der Name des großen Freundes: Claus.
Das Freuen wollte kein Ende finden. Pucki tanzte im Zimmer umher, umarmte den Vater, die Mutter und rief immer wieder:
»Ach, es müsste immer Weihnachten sein.«
Schließlich wurde sie aufgefordert, den Eltern ihre Geschenke zu bringen. Mit strahlendem Gesicht überreichte sie dem Vater den Aschenbecher.
»Na, da bist du wohl erstaunt, Vati? Das hast du dir nicht gedacht. Oh, das ist ulkig! Du hast gedacht, es ist für meine Puppenstube – hahaha, und nun ist es doch für dich!«
»Das ist freilich eine große Überraschung.«
»Hier, Mutti, das habe ich für dich gestrickt, es war sehr schwer. Aber du sollst dich auch freuen.«
Die Eltern freuten sich über das Glück ihrer Kinder. Als Pucki sich ein wenig beruhigt hatte, bestaunte sie auch die Geschenke von Vati und Mutti.
»Sieh her, Pucki, diesen Streichholzbehälter hat Rose für uns geklebt. Sie denkt mit viel Liebe und Anhänglichkeit an uns alle, und für dich ist hier ein Brief mit bunten Bildchen. Ich nehme an, dass Rose heute eben so froh ist wie du, da sie unsere Pakete erhalten hat.«
»Ach Mutti, ach Vati, Weihnachten ist das allerschönste Fest. Könnte man nicht immerzu Weihnachten feiern?«
Auch Waltraut war dieser Meinung. Sie wünschte, dass morgen noch einmal Weihnachten sei, weil sie noch am Tage der Bescherung der neuen Puppe den Kopf zerbrochen hatte. Trotzdem wurde die Weihnachtsfreude dadurch nicht beeinträchtigt. Und als die Eltern endlich die Kinder in die Betten bringen wollten, baten beide, man möge sie heute doch ein wenig länger aufbleiben lassen.
Trotzdem wurden die Kinder bald müde. Pucki wollte alle Spielsachen mit ins Bett nehmen, und Waltraut wählte den Teddybären aus, weil er haltbarer sei als die Puppe.
»So, Mutti«, meinte Pucki, als sie im Bett lag, »nun habe ich noch sehr viel zu tun. Ich muss dem lieben Gott danken, dass er mich so beglückt hat und muss ihn bitten, dass ihr mir noch recht viele Jahre viel schenken könnt, dann muss ich den Daumen tüchtig drücken für den großen Claus und von vielen schönen Sachen träumen. Wenn's doch erst wieder morgen wäre, damit ich weiter spielen kann.«
Während Waltraut längst schlief, lag Pucki noch mit glänzenden, weitgeöffneten Augen in ihrem Bettchen. Sie überdachte den herrlichen Tag, der ihr so viele neue Spielsachen gebracht hatte.
10. Kapitel: Puckis goldenes Herz
Der Winter mit seinen vielen Freuden war vergangen. Wieder zog der Frühling ins Land und schmückte Bäume, Wiesen und Felder mit frischem Grün. Puckis Fleiß war nicht erlahmt. Sie freute sich an den Fortschritten, die sie im Lesen machte, und jedes Mal, wenn sie zur Schmanzgroßmutter wanderte, stellte Pucki selbst fest, dass sie Fortschritte gemacht hatte. Die Schmanzgroßmutter war über den heutigen Besuch des Kindes überglücklich und nannte Pucki ihren kleinen Engel, der im Alter zu ihr geflogen wäre, um sie zu erfreuen.
Aber auch verschiedene der Waldarbeiter gaben dem Försterkinde den Namen: unser gutes Waldgeistchen. Als Pucki zum ersten Male diesen Namen hörte, schaute sie erstaunt die Männer an und sagte:
»Ich heiße doch Pucki, und ein Pucki macht oft was Schlimmes.«
»Du bist aber kein schlimmer Puck, ganz im Gegenteil! Wo du hinkommst, verbreitest du Freude. Wir alle haben dich lieb, du bist eben der gute Waldpuck.«
Glücklich lief das Kind zu den Eltern und erzählte ihnen von dem Lobe, das ihr geworden war.
»Wenn ich der gute Waldpuck bin, Mutti, dann sollen mich alle Menschen nur immer Pucki nennen. Dann denke ich daran, dass der eine Mann im Walde gesagt hat, ich brächte den Leuten Freude und man hätte mich lieb. Oh, Mutti, ich möchte nur Pucki heißen, auch wenn ich so alt werde wie die Schmanzgroßmutter.«
»Du bist ja unsere liebe Pucki.«
»Aber alle Menschen sollen mich Pucki nennen, und ich will immer sehen, dass ich ein guter Waldpuck bin. Die Schmanzgroßmutter meint auch, ich mache ihr Freude.«
Von jetzt an lebte in Pucki mehr denn je das Verlangen, alle Menschen zu erfreuen. Wenn sie mit dem Vater in den Wald ging, so brachte sie den Holzfällern stets ein paar Blümchen. Mitunter steckte sie diesem oder jenem einen Bonbon zu, den sie sich daheim abgespart hatte. Traf sie Leute, die Holz suchten, so war sie sogleich bereit, zu helfen, und lud oftmals Äste auf die kleinen Wagen.
Die Tiere des Waldes waren ihre besonderen Lieblinge. Jedes Vöglein, jedes Käferchen wurde entzückt betrachtet. Hatte ein Käfer Mühe, über einen im Wege liegenden Ast zu kommen, so beugte sie sich nieder, um den Ast behutsam aus dem Wege zu räumen.
»Du sollst auch deine Freude haben, du liebes Käferlein, sollst dich nicht quälen.«
Vor den Ameisenhaufen konnte sie lange stehen und die fleißigen Tierchen beobachten. Nicht selten brachte sie Krümchen mit und hatte Freude daran, wenn die emsigen kleinen Tiere den wertvollen Schatz in ihren Bau trugen. Niemals hätte sie einen Ameisenhaufen zerstört. Als Paul einmal den Versuch machte, fuhr die Kleine ihm zornig in die Haare und riß ihn zurück.
»Ein großer Junge wird solch kleinen Tierchen, die immerfort arbeiten, ein Leid zufügen! Oh, pfui, ich mag dich gar nicht mehr leiden!«
An einem Nachmittage erschien der große Claus im Forsthause und schloss Pucki lachend in seine Arme.
»Ich bin nun fertig mit der Schule, Pucki, ich habe das Abiturium bestanden und bin darüber sehr froh.«
»Ich habe auch tüchtig den Daumen gedrückt. – Brauchst du nun gar nicht mehr in die Schule gehen?«
»Ach, nun geht das Lernen erst richtig los. Jetzt wird es noch ernsthafter als früher.«
»Fängst du noch mal von vorne an, großer Claus?«
»Jetzt geht es auf die Universität, dort wird studiert, bis aus dem großen Claus ein Onkel Doktor geworden ist, der die kranken Menschen gesund macht.«
»Ach, und wenn ich krank werde, kommst du dann auch zu mir und machst mich gesund?«
»Freilich, ich hoffe aber, dass du gar nicht erst krank wirst, Pucki. Für dich gibt es nun auch bald Ferien, dann wollen wir wieder zusammen durch den Wald wandern.«
»Wieviel Tage sind es noch, bis ich Ferien habe?«
»So viele, wie du Finger an einer Hand hast.«
»Und was ist dann?«
»Gründonnerstag – Karfreitag – dann kommt das Osterfest.«
»Ja, mit dem Osterhasen und den Ostereiern.«
»Mit der Versetzung, Pucki! Du wirst doch ein gutes Zeugnis erhalten und in die siebente Klasse hinüber kommen?«
»Ich glaube schon – Fräulein Caspari hat ein bisschen davon erzählt.«
»Das ist schön – ich hätte sonst meine kleine Pucki auch gar nicht mehr so lieb haben können wie bisher, wenn sie faul wäre.«
»Hast du den Paul Niepel nicht lieb? Er ist faul und wird nicht versetzt. Aber der Fritz wird versetzt, er ist lieb und fleißig.« – –
So vergingen auch die letzten Schultage, und beglückt brachte Pucki ein sehr gutes Zeugnis heim. Dafür wurde sie von den Eltern gelobt.
»Weißt du noch, Pucki«, sagte der Vater, »dass du dich vor der Schule sehr gefürchtet hast? Du wolltest gar nicht hingehen. Anfangs warst du auch nicht gerade fleißig, doch jetzt, da du sieben Jahre zählst, bist du schon klüger geworden. Du siehst bereits ein, wie schön es ist, wenn man etwas versteht, und wieviele Freude man damit anderen machen kann.«
»Wenn ich zur Schmanzgroßmutter gehe, zeige ich ihr das Zeugnis und lese ihr was vor.«
»Zur Schmanzgroßmutter wirst du in den nächsten Tagen nicht gehen können. Die alte Frau ist nicht wohl.«
»Vati, tut ihr was weh?«
»Ja, sie muss zu Bett liegen.«
»Oh, dann gehe ich mit dem großen Claus hin. Er wird bald alle Leute gesund machen können. Er kann auch die Schmanzgroßmutter wieder gesund machen. – Ach, Vati, lass mich doch zur Schmanzgroßmutter gehen.«
»Erst wollen wir abwarten, wie es ihr morgen geht. Dann kannst du vielleicht am Ostersonnabend hingehen.«
Am Gründonnerstag saßen die beiden Kinder im Garten zusammen. Pucki erzählte Waltraut von dem Osterhasen mit dem goldenen Schwänzchen, der in wenigen Tagen wieder in das Forsthaus kommen würde, um schöne bunte Eier zu legen.
»Wir müssen aber noch warten und noch ein paarmal schlafen gehen, Waldi, ehe er kommt. Heute ist erst der grüne Donnerstag, an dem alles schön grün wird. Und morgen ist immer noch nicht Ostern, aber dann bald.«
Der nächste Morgen brachte Pucki eine große Freude. Aus der Oberförsterei wurde angerufen, dass Oberförster Gregor am heutigen Tage beruflich nach Rotenburg müsse. Er wolle in seinem Auto Pucki und die drei Niepelschen Knaben mitnehmen. Pucki möge sich für ein Uhr bereithalten, dann würde das Auto kommen.
Die Kleine jubelte laut auf. Eine Fahrt im Auto des Onkel Oberförster hatte für sie keine Schrecken. Wohl dachte sie mit Entsetzen an eine Fahrt in dem dunklen Kasten des Viehhändlers Henschel, die sie einmal gemacht hatte, aber in dem großen Wagen von Onkel Oberförster saß es sich herrlich.
»Mutti, ich freue mich furchtbar! Mach nur, dass ich bald fertig werde, damit der Onkel nicht zu warten braucht. – Mutti, ist der große Claus auch dabei?«
»Das weiß ich nicht. Außerdem kennt Claus Rotenburg genau, denn er geht dort mit seinem Bruder aufs Gymnasium.«
»Ja, dort hat er gewohnt, bei seiner Tante.«
»Wahrscheinlich wird der gute Onkel Oberförster euch zu der lieben Tante bringen. Sei also nicht unartig, mein Kind. Wenn du mit den Niepelschen Knaben zusammen bist, bist du genau so wild wie sie.«
»Ach, fein wird es sein! Mutti, ich freue mich furchtbar!«
Oberförster Gregor, der große Kinderfreund, wollte besonders der fleißigen kleinen Pucki und dem braven Fritz Niepel eine Freude machen. Die beiden Kinder hatten so gute Zeugnisse mit heimgebracht, dass sie eine Belohnung verdienten. Seine beruflichen Pflichten würden ihn wohl eine gute Stunde, in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit sollte Claus, der die Fahrt mitmachte, mit den vier Kindern zu Tante Grete gehen.
Frau Perler war die verwitwete Schwester des Oberförsters, die in Rotenburg wohnte und Pensionäre bei sich aufnahm. Zu ihr hatte Oberförster Gregor seine beiden Söhne gegeben, denn er wusste sie bei seiner Schwester in den allerbesten Händen. Rotenburg war eine ansehnliche Stadt, die außer einem Gymnasium auch eine landwirtschaftliche Schule, ein Technikum und mehrere Fabriken aufzuweisen hatte.
Pünktlich um ein Uhr fuhr der Oberförster am Forsthause vor. Er saß selbst am Steuer, und Claus holte Pucki aus dem Forsthause. Sie kam sich sehr wichtig vor, als sie auf dem weich gepolsterten Sitz neben dem großen Claus saß. Sie wippte auf dem Polster auf und nieder und sagte glücklich:
»Wie eine große Frau bin ich jetzt. Ob Schneewittchen auch einen so schönen Wagen gehabt hat, als es zur Hochzeit fuhr?«
Schnell ging es weiter hin zum Niepelschen Gutshause. Walter und Fritz waren dem Wagen ein gutes Stück entgegengelaufen und hielten ihn mit lautem Lärmen an.
»Nun, wo ist denn der Dritte?«
»Der darf nicht mit!«
»Warum denn nicht?«
»Weil er viele Tadel hat und nicht versetzt ist. Der Vater sagte, ein fauler Junge brauche auch nicht Auto zu fahren«, antwortete Walter.
»Oh, das wäre aber schrecklich«, rief Pucki erregt, »er hat sich gewiss mächtig darauf gefreut. Wir wollen ihm schnell sagen, dass er doch mitkommen kann.«
Schon stieg Pucki aus dem Wagen. Im Vorgarten trafen die Kinder Herrn Niepel und dessen Frau.
»Onkel Niepel, gelt, du lässt den Paul nach Rotenburg mitfahren. Das ist eine so schöne Stadt mit einer Kirche. Die hat einen runden Turm. – Sieh mal, sooo – –. Der Paul hat sich so furchtbar darauf gefreut! Lass ihn doch einsteigen.«
»Nein, Pucki, der Paul bleibt hier. Die Fahrt ist eine Belohnung für fleißige Kinder.«
»Was macht er denn dann, wenn wir weg sind?«
»Er weint«, rief Walter laut.
Puckis Gesichtchen wurde sehr traurig. »Ach, lass ihn doch mitfahren, Onkel Niepel. Wenn der Paul weint, ist es sehr schlimm.«
Sie erblickte Paul. Er kam mit verweinten Augen soeben aus dem Hause und drückte sich scheu hinter einen Baum, als er der anderen ansichtig wurde. Pucki eilte sogleich zu ihm.
»Weine doch nicht, lieber Paul, du musst deinem Vati versprechen, dass du von morgen an viel lernen willst.«
Pauls Tränen flossen erneut. Da lief Pucki wieder zu Onkel Niepel, legte bittend die Händchen ineinander und bat nochmals:
»Sieh mal, lieber Onkel, wie er weint.«
Doch Onkel Niepel blieb unerbittlich. Eindringlich schilderte er dem kleinen Mädchen, dass Faulheit Strafe verdiene, und dass Paul sich das Vergnügen selbst verdorben hätte, weil er gar zu träge gewesen sei.
»Es wird ihm eine Lehre sein, Pucki.«
Der Oberförster drängte zum Weiterfahren. Nochmals streichelte das Kind den weinenden Knaben, dann kehrte es betrübt zu dem Wagen zurück.
»Es wäre noch viel schöner, wenn der Paul dabei wäre. – Ach, der arme Paul.«
Bald war die Traurigkeit Puckis wieder verflogen, als man Rotenburg erreichte, und Claus die drei ein wenig durch die Stadt führte, um schließlich Tante Grete aufzusuchen.
Das war eine sehr liebe ältere Dame, die die Kinder mit Kaffee und Kuchen bewirtete und ihnen viel Schönes erzählte. Nur zu rasch vergingen die Stunden. Der Oberförster kam, blieb noch ein Weilchen bei seiner Schwester, dann wurde die Heimfahrt angetreten.
»War es schön?« fragte er Pucki, als er sie aus dem Auto hob.
»Ach ja, sehr schön, Onkel Oberförster. Aber – es wäre noch viel schöner gewesen, wenn der Paul nicht hätte weinen brauchen, wenn er mitgekommen wäre.«
»Gutes, weichherziges Mädchen«, lobte der Oberförster.
»Es ist eben meine kleine Pucki mit dem goldenen Herzen«, sagte der große Claus und strich dem Kinde zärtlich über die Wange.
Pucki wies stolz auf das goldene Herzchen am Halse.
»Hier hängt es, großer Claus, und immer denke ich an dich.«
»Unser guter, kleiner Waldpuck! Mögest du immer so bleiben, kleines Mädchen!« – – –
Am Ostersonnabend drängte Pucki, es wollte nun endlich zur alten Schmanzbäuerin gehen, um ihr von Ostern vorzulesen.
»In meinem Buch steht eine sehr schöne Geschichte vom Herrn Jesus, die muss die Schmanzgroßmutter hören, gerade weil Ostern ist. Ich kann sie schon ganz fix lesen.«
»Pucki, die Großmutter liegt noch zu Bett.«
»Dann hat sie gar keine Freude mehr, nur noch wenn ich ihr was vorlese. – Ach, Mutti, lass mich doch hingehen. Der große Claus hat gesagt, wir sind dazu da, die Menschen zu erfreuen, und auch zu Ostern muss man Freude machen. – Mutti, bitte, lass mich zur Schmanzgroßmutter gehen.«
»Meinetwegen, so begleite den Vater, der heute nachmittag über die Schmanz gehen muss. Aber sei nicht laut, mein Kind, denke immer daran, dass die Schmanzgroßmutter krank ist.«
»Ich will ihr dann ganz leise vorlesen. Aber sie freut sich doch immer so sehr.«
So wurde am Ostersonnabend von Förster Sandler und seiner Tochter die Schmanz besucht. Die Bäuerin empfing die beiden und sagte betrübt:
»Es will mit der Mutter gar nicht mehr gehen. Ich glaube, sie macht es nicht mehr lange.«
»So will ich Pucki nicht mehr zu ihr hineingehen lassen.«
»O doch, Herr Förster, die Mutter freut sich immer sehr über das Kind. Ich will gleich mal zu ihr gehen und sehen, was sie macht.«
Pucki, die unterwegs für die Schmanzgroßmutter einen Strauß Waldanemonen und Leberblümchen gepflückt hatte, sagte bittend, indem sie der Bäuerin das Buch hinhielt:
»Lass mich doch zu ihr, ich habe eine sehr schöne Geschichte. Sie freut sich, wenn ich ihr vorlese, und die Blümchen will ich ihr auch geben.«
Die Bäuerin kam sehr bald wieder zurück und sagte, dass die Mutter zwar sehr schwach sei, aber trotzdem Pucki sehen möchte.
Auf den Zehenspitzen ging die Kleine ins Zimmer. Da lag die Schmanzgroßmutter im Bett, hatte eine weiße Haube auf und sehr kleine, müde Augen. Auch schien es Pucki, als sei das faltenreiche Gesicht heute viel kleiner geworden.
»Schmanzgroßmutter«, sagte sie leise, »ich bin da und habe dir Blümchen mitgebracht. Dann lese ich dir wieder was vor, um dich glücklich zu machen. Ein Osterei kann ich dir nicht bringen, ich habe noch keines. Aber von Ostern kann ich dir vorlesen.«
»Du liebes, gutes Kind, du meine ganze Freude in meinen letzten Tagen.«
»Hier hast du Blümchen.«
Die zitternde Rechte der Alten tastete sich zu Puckis Fingerchen hin, dann nahm sie den Strauß in die Hände, die sie gefaltet auf die Bettdecke legte.
»Wenn du mir nun noch etwas vorlesen wolltest – ach, das wäre schön. Dabei lässt es sich gut einschlafen.«
»Bist du müde, Schmanzgroßmutter?«
»Ja, mein gutes Kind, müde von der langen Wanderung, die hinter mir liegt, müde von aller Arbeit, die ich verrichtet habe. Die alte Großmutter möchte nun endlich ausruhen und bittet den lieben Gott, dass er ihr die Augen schließen möge.«
»Willst du in den Himmel zu ihm, Schmanzgroßmutter?«
»Wenn mir der liebe Gott die Himmelstür gnädig aufschließt, wird die Großmutter die ewige Herrlichkeit bald sehen und sehr glücklich sein. – Aber nun, du gute Pucki, mach mir noch die letzte Freude und lies mir die Leidensgeschichte vom Herrn Jesus vor, der sterben musste, um wieder aufzuerstehen. Dann wird der Großmutter sehr wohl sein.«
»Soll ich dir nicht die Geschichte lesen, wo der liebe Gott in den Himmel fliegt?«
Die Lippen der alten Frau bewegten sich, und Pucki hörte die geflüsterten Worte:
»Ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.«
Pucki kannte diese Worte, sie standen auch in dem Buche, das ihr gehörte. Wenn die Schmanzgroßmutter diese Geschichte hören wollte, würde sie sie lesen. Freilich, das ging nicht so glatt wie die andere, die sie sich daheim sehr oft vorgelesen hatte.
Die Schmanzgroßmutter lag still, in den gefalteten Händen die blauen und weißen Blümchen. Sie hatte die Augen geschlossen und sah aus, als ob sie schliefe.
Leise, wie es die Mutter wünschte, begann Pucki zu lesen:
»Und es war um die sechste Stunde, und es ward eine Finsternis über das ganze Land bis in die neunte Stunde. Und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Jesus rief laut und sprach: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.«
Die Kleine wollte weiterlesen, aber zunächst blieb ihr Blick wie gebannt an dem Gesicht der Schmanzgroßmutter hängen. Es schien heute noch heller zu leuchten als damals, als Rose der Alten zum ersten Male eine Geschichte vorgelesen hatte.
»Großmutter«, sagte sie leise flüsternd, »ist's sehr schön, was ich dir vorlese? – Großmutter, bist du eingeschlafen? – Großmutter – Schmanzgroßmutter – –«
Eine Tür wurde geöffnet. Die Bäuerin schaute in das Zimmer, trat leise an das Bett heran, betrachtete die Schlafende und begann zu weinen.
»Nun ist sie gestorben, die gute Mutter.«
Leises Erschauern überlief den Körper des Kindes. Aber vor der guten Schmanzgroßmutter konnte sie keine Angst empfinden. Sie lag mit so freundlichem Gesicht in den Kissen, als ob sie einen wunderschönen Traum hätte.
Die Bäuerin weinte noch immer leise.
»Wir wollen ganz still sein«, sagte Pucki, »wenn sie schläft, darf man sie nicht stören.«
»Dein Leben ist Mühe und Arbeit gewesen, Mutter, du hast dir die ewige Ruhe verdient. Der liebe Gott wird dich mit Freuden in seinen Himmel aufnehmen.«
Da horchte Pucki auf. – Was hatte die Großmutter vorhin gesagt, ehe sie eingeschlafen war? Der liebe Gott solle der Schmanzgroßmutter die Himmelstür gnädig aufschließen. – Ob er es wohl tat? – Freilich, der liebe Gott war ja so gut.
Vorhin, als sie mit dem Vater aus dem Walde gekommen und über die Wiesen geschritten war, hatte das Kind viele Himmelschlüssel gesehen, die gerade jetzt zum Osterfest erblüht waren.
»Ich weiß«, flüsterte der Kindermund, »jetzt bringe ich der guten Großmutter einen Himmelschlüssel. Dann schließt sie sich die Tür zum lieben Gott selbst auf, damit sie dort oben froh und glücklich sein kann.«
Lautlos huschte Pucki aus dem Zimmer, wählte draußen auf der Wiese das schönste Himmelschlüsselchen aus, das sie finden konnte, und trug es bewegten Herzens hinein zur Schmanzgroßmutter. Vorsichtig steckte sie es zu den anderen Blumen in die gefalteten Hände der Toten.
»Jetzt wirst du schon in den Himmel hineinkommen, Schmanzgroßmutter. – Soll ich dir nun noch was vorlesen? Wie der liebe Gott in den Himmel fuhr?«
Die Schmanzbäuerin weinte noch immer, sie kümmerte sich nicht um das kleine Mädchen. Da nahm Pucki erneut das Buch vor und flüsterte leise:
»Und der Herr, nachdem er mit den Jüngern geredet hatte, ward aufgehoben in den Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes.«
Erst als der Vater zurück zur Schmanz kam, trippelte Pucki ihm entgegen und sagte leise, dass die Schmanzgroßmutter nun für immer schliefe.
»Denke dir, Vati, sie ist eingeschlafen, als ich ihr eine Geschichte vorgelesen habe. Sie macht auch beim Schlafen ein frohes Gesicht. – Nun ist sie glücklich, denn sie kann gleich in den Himmel hinein.«
Förster Sandler nahm seine Tochter in die Arme und küsste sie innig. Er freute sich darüber, dass seine Pucki der alten Schmanzgroßmutter noch kurz vor dem Sterben eine große Freude hatte bereiten dürfen.