Kitabı oku: «Pucki», sayfa 3

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3. Kapitel: Es geht schlimm aus

Als Hedi gegen Mitternacht erwachte, schien der Mond in vollem Glanz auf ihr Bett. Ein Weilchen blinzelte das Kind zum Himmel hinauf, dann entfuhr ihm ein tiefer Seufzer. Was mochte wohl der arme Paul machen, der mit so großen Schmerzen im Bett lag? Morgen, wenn wieder die Sonne schien, wollte Hedi zu ihm fahren, am Bett des kleinen Freundes sitzen und ihn trösten.

Das Kind warf sich unruhig hin und her. Schließlich kletterte es aus dem Bettchen und trippelte ans Lager der Mutter. Sie schlief, und Hedi betrachtete beim Mondenschein das liebe, freundliche Gesicht.

»Schläfst du sehr schön, Mutti? – Ist die Traumfee bei dir?«

Frau Sandler schlug die Augen auf und blickte erschrocken auf den kleinen Hemdenmatz, der in helle Freude ausbrach, als er die Mutter wach sah. Der Vater wurde gleichfalls munter.

»Aber Hedi, was willst du denn, du sollst schlafen.«

»Ach, Vati, der Mond ist auf mein Bett gefallen und hat mir zugelacht. – Ob der Paul auch den Mond sieht?«

»Unser kleiner unartiger Puck bist du wieder einmal. Marsch ins Bett!«

»Mutti – warum nennst du mich manchmal Hedi und dann wieder Puck? Der Paul heißt doch immer nur Paul?«

»Weil du wie ein kleiner Waldgeist nachts umherläufst. Gerade so, wie es der andere Puck getan hat.«

»Welcher andere Puck, Mutti?«

Hedi machte den Versuch, ins Bett der Mutter zu steigen, doch Frau Sandler wehrte ab.

»Geh zurück in dein Bettchen und schlafe, sonst erkältest du dich, und es könnte schlimm ausgehen.«

»Es geht nicht schlimm aus, Mutti, wenn ich in deinem Bett bin.«

»Morgen früh«, sagte der Vater streng, »darfst du kommen. Jetzt marsch zurück ins Bett!«

»Erzählst du mir morgen früh von dem anderen Puck?«

»Ja – doch nun schlafe.«

Hedi kletterte zurück in ihr Bettchen, blinzelte dann nochmals hinauf zum Mond und sagte:

»Guck mal, Mutti, der Mond macht heute ein liebes Gesicht.«

»Er wird gleich ein böses Gesicht machen, wenn du nicht still bist.«

Zehn Minuten später schlief das Kind wieder, wachte aber auf, als draußen die ersten Vöglein ihr Frühlingslied sangen. Auch jetzt spähte Hedi zu den Betten der Eltern hinüber; sie warf sich hin und her, um Vati und Mutti zu wecken. Gar zu gern hätte sie die Geschichte von dem anderen Puck gehört, jenem Waldgeist, der auch ihren Namen trug.

Kaum hatte die Mutter die Augen aufgeschlagen, da war das Kind da und kletterte in ihr Bett.

»Du bist wirklich ein kleiner Irrwisch«, tadelte die Mutter.

»Ich bin Hedi-Pucki. – Erzähle mir die Geschichte vom Pucki.«

»Nun pass mal gut auf«, sagte der Vater. »Als du noch viel kleiner warst als heute, bist du schon solch unruhiges Mädchen gewesen und hast deine Mutter nachts nicht ruhen lassen. Dann bist du uns am Abend öfters in den Wald gelaufen, und wir haben dich gar oft suchen müssen. Gerade so macht es der kleine Waldgeist Puck, der die Menschen Tag und Nacht nicht in Ruhe lässt und allerlei Streiche ausdenkt, die meistens schlimm ausgehen.«

»Oh – Vati, ich denke mir keine Streiche aus.«

»Na, na, Hedi – du hast schon allerlei Tollheiten angestellt. Und gut ging es auch nicht immer aus.«

»Hast recht, Vati, gestern hab' ich den Paul mächtig verprügelt; da war er so böse, dass er auf einen Baum kletterte, und dann ist er 'runtergefallen, und das Bein ist nun kaputt. – Das ist auch nicht gut ausgegangen.«

»Du musst daher diese tollen Streiche in Zukunft unterlassen, Hedi.«

»Da bin ich dann aber kein Pucki mehr, und ich möchte gern euer Pucki bleiben.«

»Aber unser artiger Pucki, der seine Mutter nicht so ärgert, wie es der Waldpuck getan hat.«

»Was hat er denn gemacht?«

»Er sitzt auf den Bäumen, wirft mit Kienäpfeln und Eicheln, seine Mutter hat es ihm schon oft verboten, doch er hört nicht darauf. Darum hat sie ihn auch nicht wachsen lassen. So ist er immer ein ganz kleiner Junge geblieben.«

»Ich möchte aber ganz groß werden.«

»Groß werden nur artige Kinder.«

»Ach nein, Vati, Onkel Niepel hat gesagt, seine Jungens sind furchtbar unartig, und der Paul ist auch schon groß.«

»Na, der Paul, der passt zum Pucki, er ist wie der Mucki.«

»Wer ist Mucki?«


»Die Waldfrau hatte außer dem Pucki noch ein zweites Kindchen, ein sehr eigensinniges Kindchen. Dem wuchs auf der Stirn ein Muckenhorn. – Du hast auch manchmal Mucken, das weißt du doch?«

»Wächst mir auch ein Horn auf der Stirn?«

»Bis jetzt noch nicht. – Aber dem Mucki von der Waldfrau ist das Horn gewachsen.«

»Kann man den Mucki auch mal sehen?«

»Solch kleine Waldgeister sind für uns Menschen meistens unsichtbar. Wenn aber ein Kind mal sehr unartig ist, kommt der Mucki, tippt es auf die Stirn, und dann wächst ihm auch solch ein Horn.«

»Wie den Ziegenböckchen.«

»Ich denke, unsere kleine Hedi wird ein liebes Mädchen sein, keine tollen Streiche machen wie Pucki und auch nicht so eigensinnig sein wie Mucki.«

»Ich möchte gar zu gern die Kinder von der Waldfrau mal sehen. Vati, nimmst du mich bald mal mit in den allerdunkelsten Wald?«

»In unserem Wald ist kein Pucki und auch kein Mucki.«

»Na«, sagte Hedi erleichtert, »dann kann er ja auch nicht kommen und mit dem Finger auf die Stirn tippen. – Dann ist's ja gut.«

»Na, na, sieh dich nur vor. Der Mucki kommt schnell mal durch die Luft geflogen, und wenn du unartig bist, kann es schlimm ausgehen.«

»Wird schon nicht schlimm ausgehen«, beharrte Hedi. Aber den ganzen Vormittag über dachte sie doch an die Kinder der Waldfrau. Heute nachmittag, wenn sie wieder zum Paul fuhr, wollte sie ihm von den beiden Waldgeistern erzählen.

Der Vater, der mit Harras in den Wald gegangen war, kam heute früher als sonst heim.

»Biste schon da, Vati?«

»Ja, mein Kind, Onkel Oberförster wird sogleich kommen, er will den Vati sprechen.«

»Mit dem Auto?«

»Wahrscheinlich.«

»Oh – dann darf ich wieder drücken, und es tutet!«

»Das sollst du nicht, Hedi.«

»Wenn er's doch so furchtbar gern hat, er lacht dann immer.«

Zehn Minuten später fuhr Oberförster Gregor bei dem Forsthaus vor. Er war ein freundlicher, älterer Herr, der das kleine Mädchen zur Begrüßung hoch emporhob und hin und her schwenkte.

»Darf ich mal drücken?«

»Du meinst an der Hupe? – Na ja – komm!«

Hedi strahlte, als sie die Hupe wohl zwanzigmal nacheinander ertönen lassen durfte. Schließlich kam der Vater hinzu, und der Spaß hatte ein Ende. Während die beiden Herren im Forsthause saßen, schlich das Kind erneut hinaus, kletterte über den verschlossenen Wagenschlag und begann abermals mit dem herrlichen Konzert. Die Mutter kam herbei und untersagte dem Töchterlein diese Spielerei.

»Das Auto gehört dem Onkel Oberförster. Du wirst die Hupe entzweimachen. Komm heraus, man darf nicht an die Sachen anderer Leute gehen.«

Sehr betrübt folgte Hedi der Mutter, die die Kleine nochmals eindringlich ermahnte, die Autos nicht zu berühren.

»Es würde dir auch nicht gefallen, Hedi, wenn ein anderer deine Spielsachen nähme.«

»Ein Auto ist aber kein Spielzeug, Mutti, sondern ein großer Wagen.«

Große Freude gab es am heutigen Vormittag für das kleine Mädchen. Oberförster Gregor erklärte sich bereit, die Kleine nach dem Niepelschen Gutshause zu fahren, dort abzusetzen und nach einer halben Stunde, in der er eine Besichtigung vorzunehmen hatte, wieder ins Forsthaus zurückzubringen.

»Du kannst dich gleich nach deinem kranken Spielkameraden umsehen«, sagte der Vater. »Wer weiß, ob heute eine Gelegenheit wäre, hinaus aufs Gut zu fahren.«

Hedi war überglücklich. Sie durfte direkt neben dem Oberförster ganz vorn sitzen, durfte an der Hupe drücken und sogar einmal das Steuerrad anfassen, an dem der Onkel drehte.

»Fürchtest du dich nicht, wenn wir durch den Wald fahren?«

»O nein, wir fürchten uns nicht, Onkel.«

»Wenn aber ein Hirsch oder ein Reh kommt?«

Hedi lachte. »Das sind gar liebe Tierchen, sie haben mich gerne.«

»Wenn aber der Schornsteinfeger kommt – fürchtest du dich dann?«

»Wir fürchten uns nicht, Onkel Oberförster. Alle die lieben grünen Bäume passen auf, dass Hedi nichts passiert.«

»Bist du aber ein tapferes kleines Mädchen. Das ist brav von dir. Du spielst wohl sehr gern mit den Niepelschen Jungen?«

»O ja, sehr gern!«

»Vielleicht bekommst du auch nächstens ein kleines Brüderchen oder ein Schwesterchen. Dann brauchst du nicht erst auf das Gut zu fahren, dann kannst du daheim mit dem Brüderchen tollen.«

»Aber dann möchte ich ein Brüderchen, so wie der Fritz ist, nicht so einen frechen Jungen wie der Paul.«

»Erst bekommst du ein ganz kleines Brüderchen, noch viel kleiner als die Dora.«

»Nein, Onkel, so klein möchte ich es nicht, dann schreit es immer gleich wie die Dora. Ich möchte ein Kindchen haben, mit dem ich gleich Verstecken spielen kann. Wir gehen dann zusammen in den Wald.«

»Deine Mutti will erst ein ganz kleines Kindchen haben.«

»Ach, die Mutti ist sehr gut, ich werde ihr sagen, wir möchten gleich ein großes Kindchen, dann wird sie es schon machen.«

»Du musst auch mit einem kleinen Schwesterchen zufrieden sein, Hedi.«

»Dann möchte ich schon lieber ein Paar Klotzpantinen und kein Schwesterchen, das immerzu schreit. – Oder ein Schmalzbrot von der Gans mit ohne Wurst.«

»Du hast recht merkwürdige Wünsche, kleines Mädchen. – Nun schau, gleich sind wir da.«

Hedi griff nach der Hupe und ließ sie mehrmals laut ertönen. Lachend hob der Oberförster das Kind aus dem Wagen, begrüßte Frau Niepel herzlich und sagte, dass er die Kleine bei seiner Rückkehr in einer knappen Stunde wieder abholen würde, um sie zurück ins Forsthaus zu bringen.

Paul war sehr erfreut, als er die Spielgefährtin erblickte. Der Arzt hatte tatsächlich einen Knöchelbruch festgestellt und das Bein des Knaben in Gips gelegt. Selbstverständlich schmerzte der Bruch, und Paul begann erneut zu weinen, als er mit Hedi sprach.

»Na, weine mal nicht«, tröstete ihn das Kind, »vielleicht komme ich morgen mit meinem Bruder her; dann spielen wir zusammen.«

»Wo hast du denn einen Bruder?«

»Onkel Oberförster hat es gesagt, dass wir uns einen Bruder anschaffen, aber gleich einen großen, der mit uns spielt. Der wird sich freuen, wenn er in dem schönen grünen Wald ist.«

Hedi erzählte dem Kranken eingehend von der Waldfrau, von Mucki und Pucki. Außerdem dachte sie sich noch andere schöne Geschichten von den beiden Kobolden aus. Das machte sie immer so.

»Wenn du wieder gesund bist, suchen wir Pucki und Mucki, Paul. Oh« – sie horchte auf – »da ist schon der Onkel Oberförster, es tutet.«

Mit betrübtem Gesicht stürmte Hedi davon. Doch es war nicht der Wagen des Oberförsters. Es war ein kleineres Auto von grauer Farbe, aus dem zwei Herren stiegen. Hedi verbarg sich hinter der Haustür; die beiden Männer mit den langen Bärten flößten ihr doch ein wenig Unbehagen ein. Auch Fritz kam neugierig herbeigelaufen; Hedi hielt ihn fest.

»Das sind zwei schlimme Männer«, flüsterte sie.

Die Herren wurden von dem Gutsbesitzer begrüßt und in sein Arbeitszimmer geführt. Es handelte sich um zwei Händler aus der Stadt, die zu Niepel herauskamen, um einen geschäftlichen Abschluss zu machen.

»Du –«, sagte Fritz, »wir wollen mal tuten.«

»Wir dürfen nicht. Mutti hat gesagt, wir sollen kein Auto anfassen, es würde uns auch nicht gefallen, wenn jemand unsere Puppen anfasst und damit spielt.«

»Aber wir können doch ein bisschen gucken?«

Hedi schielte nach den Fenstern des Wohnhauses hinüber. »Sie sehen uns und schimpfen.«

Die beiden Kinder standen in der Haustür und betrachteten das Auto, das so ganz anders war wie das des Oberförsters.

»Was er wohl da hinten in der Klappe haben mag? – Du, ich möchte die Klappe mal aufmachen«, meinte Hedi.

Es handelte sich hier um einen kleinen Wagen, der einen sogenannten Notsitz hinten hatte. Diese Klappe regte die Fantasie der Kinder auf das höchste an. Was mochten die beiden Männer dort hineingesteckt haben?

»Wo sind sie denn, die Männer?« fragte Hedi.

»Ich werde mal ein bisschen drücken. Wenn sie nicht kommen, sind sie weit weg. Manchmal geht der Vater mit den Männern über den Hof und in die Ställe. – Wollen wir mal drücken?«

»Guck doch mal, wo Onkel Niepel ist!«

In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, und wieder huschten die beiden Kinder in ihr Versteck.

»Kommen Sie, wir gehen hinüber nach der Scheune«, sagte der Gutsbesitzer.

Hedi kniff den Spielgefährten vergnügt in den Arm. Um zur Scheune zu gelangen, musste man über den großen Hof, das war sehr weit.

»Ob wir uns nu mal die Klappe ansehen?«

Fritz war mutiger als Hedi; er kletterte auf den Wagen. Vom Vordersitz aus war es möglich, den großen Deckel, wie Hedi sagte, aufzuheben.

»Guck«, rief Fritz voller Begeisterung, »hier geht es ganz tief 'runter. – Kriech mal 'rein, dann mache ich die Klappe zu.«

Zwei neugierige Kinder beugten sich interessiert über den Notsitz.

»Kriech doch mal 'rein«, meinte Fritz. »Wollen mal gucken, was da unten ist.«

Kopfüber kroch das kleine Mädchen über den Sitz in das Loch hinein.

»Au, fein«, rief Hedi, »hier unten ist es ganz schwarz. – Komm, wir spielen Verstecken.«

»Wenn die Räuber kommen und die Indianer, so finden sie uns nicht. Hörst du sie schon? Es sind Wölfe, die brüllen. Wir müssen ganz still sein.«

Auch Fritz verschwand unter der Klappe, die über den Kindern zufiel. Es war einfach herrlich, hier völlig ungesehen im Wagen zu sitzen.

»Jetzt sind die Räuber schon nahe«, flüsterte Fritz. »Du bist meine Frau, dich wollen sie holen. Ich aber beschütze dich.«

Nun begann ein erregtes Flüstern. Die beiden freuten sich, dass die Räuber sie nicht fanden. Schließlich meinte Hedi:

»Nun sind sie weg, nun wollen wir wieder 'rauskriechen.«

Gerade als sie die Klappe öffnen wollten, klirrte zu ihren Füßen etwas. Erschrocken hielt Hedi den Atem an.

»Haben wir was kaputt gemacht?«

Die Kinder beugten sich tiefer; sie fassten in Scherben und in eine Flüssigkeit.

»O weh«, meinte Hedi erschrocken, »was wird nun werden? Wenn die schwarzen Männer kommen – – es wird schlimm werden!«

Am liebsten hätte sie geweint. Die Ermahnungen der Eltern fielen ihr ein. Erst heute früh hatte die Mutti davon gesprochen, dass ein schlimmer Streich mitunter übel ausgehen könne, dass man ein Auto in Ruhe lassen soll.

»Wir wollen schnell wieder 'raussteigen«, meinte Fritz. Er wollte die Klappe öffnen, aber ... »Der Vater!«

Die Kinder hörten, dass der Gutsbesitzer mit den beiden Herren zurückgekommen war und im Vorgarten stand. Das Herz klopfte den beiden stürmisch. Wenn die Männer die Klappe aufmachten – – Es war nicht auszudenken!

Hedi klammerte sich an den Arm des Freundes; regungslos verharrten beide in dem dunklen Versteck.

»Meine Hand ist wie Honig«, sagte Hedi. – »Es klebt alles fest.«

»Sei still!«

Angstvolle Minuten vergingen. Die Männer standen mit dem Vater am Wagen. – Jetzt begann der Wagen zu wackeln, die beiden Männer stiegen ein – Hedi wollte schreien, doch kein Laut kam ihr über die Lippen.

Immer enger drückten sich die beiden Kinder aneinander. Was eben noch im Spiel gesagt worden war, erschien ihnen grausame Wirklichkeit. Vorn saßen zwei Räuber, alte, große Räuber mit langen, schwarzen Bärten. Sie entführten das Pärchen.

»Mach doch die Klappe auf«, sagte Fritz mit tränendurchzitterter Stimme.

»Nein, lass die Klappe zu«, flüsterte Hedi.

»Ich hab' Angst!«

»Ich auch!«

»Sie fahren uns fort – – wir werden sagen, sie sollen anhalten.«

Leise und behutsam wurde die Klappe ein wenig geöffnet. Vier verängstigte Kinderaugen schauten heraus. – Richtig, direkt vor ihnen saßen die beiden Männer. Sollte man sie antippen und bitten: Lasst uns frei, wir wollen auch niemals wieder das Auto anfassen!

»Die kleinen kann ich nicht leiden«, sagte der eine der Männer laut.

Leise schloss sich die Klappe. »Haste gehört«, flüsterte Fritz, »er mag kleine Kinder nicht. – Wie wird es uns ergehen.«

Hedi sank in sich zusammen. »Es wird schlimm ausgehen, hat die Mutti gesagt, wenn man einen tollen Streich macht. Nachher schmeißen sie das Auto um – wir fallen 'raus und sind tot. – Ätsch, an mir klebt alles!«

Schneller und immer schneller fuhr das Auto dahin. Wieder wurde behutsam die Klappe ein wenig aufgestoßen, und wieder lauschte Hedi angstvoll auf die Unterhaltung der beiden Männer.

»Das lassen Sie meine Sorge sein, die Schläge werde ich Ihnen schon geben.«

Bums – fiel die Klappe wieder zu.

Hedi hätte am liebsten geweint, doch fürchtete sie sich, dass es die beiden Männer hören könnten. Allerlei Verzweiflungspläne erstanden in den Kinderköpfen. Vielleicht hielt der Wagen irgendwo an, dann wollten sie herausspringen, in den Wald laufen, dort, wo er am dichtesten wäre. Dann konnte das Auto nicht nachkommen.

»Er will uns schlagen – er wird uns fürchterlich prügeln. – Nun haben wir da unten noch was zerbrochen. – Ach, ich bin ein armer Pucki! Es geht wieder schlimm aus!«

Während Hedi die klebrigen Hände vor das Gesicht legte, um nichts zu sehen und zu hören, öffnete Fritz zum dritten Mal die Klappe. Man hatte den Wald verlassen, fuhr durch Felder und Wiesen. Nach Rahnsburg konnte es gewiss nicht mehr weit sein. Vielleicht hielt der Wagen dort an, dann konnten sie entfliehen.

»Sie müssen sie natürlich erst ein paar Tage einsperren.«

»Haste gehört«, flüsterte Fritz. »Er will uns erst ein paar Tage einsperren. – Ach, warum sind wir in den Wagen gekrochen!«

Nun wurde die Klappe nicht mehr geöffnet. In Angst und Schrecken harrten die beiden Kinder des Augenblickes, dass der Wagen hielt, um den furchtbaren Strafen zu entrinnen. Aber es ging weiter und immer weiter. Die Kinder wurden heftig durchgeschüttelt, es schien, als fahre man über holpriges Pflaster.

Die beiden sagten nichts mehr, sie hielten sich umschlungen und warteten auf etwas Schreckliches. Soviel war sicher, dass man sie einige Tage lang einsperren wollte, dann bekamen sie Schläge, und wer wusste, was weiter mit ihnen geschah.

Wie lange die Kinder in dem Auto gehockt hatten, wussten sie nicht. Plötzlich rückte der Wagen hin und her, hupte mehrmals – dann stand er still. Die beiden Männer schienen auszusteigen, doch standen sie jetzt direkt neben der Klappe, so dass die Kinder nicht wagten, sich aufzurichten. Minute auf Minute verrann, dann war es ihnen, als knarrte eine Tür. Ein Schlüssel wurde im Schloss umgedreht – dann war es still.


Wieder wurde die Klappe geöffnet. Die beiden Männer waren fort. Hedi fasste neuen Mut.

»Komm – jetzt laufen wir rasch weg. – Fritz, komm schnell. – Oh, wie siehst du denn aus!«

Dass die Kleine ebenfalls über und über mit dickflüssigem Himbeersaft beschmutzt war, sah sie nicht. Sie sah nur den klebrigen Fritz, der nicht nur im Gesicht, sondern auch am Anzug mit dem feuchten, dicken Saft beschmutzt war. Sie stiegen heraus; Fritz stellte fest, dass der Wagen in der Garage stand, die nur spärlich durch ein Fenster erhellt war. Mit klopfendem Herzen eilte er auf die große Tür zu, stemmte sich dagegen – und begann zu weinen. Die Tür war verschlossen.

»Wir können nicht 'raus.«

Auch Hedi warf sich gegen die Tür, doch alles Bemühen der Kinder war vergeblich. Die Getreidehändler hatten den Wagen gut verwahrt. – Nun waren sie gefangen.

Fritz begann laut zu weinen. Er schluchzte so jammervoll, dass Hedis Herz in Mitleid erbebte. Sie nahm den Kopf des Buben zwischen ihre schmutzigen Hände, streichelte sein blondes Haar und sagte in mütterlicher Besorgnis:

»Weine mal nicht so sehr, ich bin ja bei dir. Sie dürfen dir nichts tun. – Wollen wir sehen, dass wir durchs Fenster kriechen?«

Doch das kleine Fenster war viel zu hoch, und in der Garage war nichts, an dem die Kinder hätten emporklettern können. Nur mehrere Blechkannen standen im Winkel, die sich trotz ihres Mühens nicht übereinander stellen ließen.

»Nun müssen wir immer hier bleiben«, schluchzte Fritz. »Ich kann nicht mehr heim zu den Eltern. Die Leute halten uns gefangen.«

Auch Hedi dachte mit Entsetzen an die Eltern, die auf ihre Heimkehr warteten. Schon einmal hatte sie der gute Vater eine Stunde lang gesucht. Strenge Strafe war die Folge ihres Fernbleibens gewesen. – Jetzt sperrte man sie hier tagelang ein, nur weil sie ein bisschen ins Auto geklettert waren, um nachzusehen, was in dem schwarzen Kasten wäre.

Trotzdem tröstete sie den weinenden Fritz immer aufs neue.

»Ich werde immerzu an die Tür bumsen, dann kommt der Mann. Ich werde ihm sagen, dass ich zuerst in den Kasten gekrochen bin, dass er dich nicht hauen soll, weil du noch so'n kleiner Junge bist. Dann haut er nur mich, und du kannst gehen.«

»Haut er nur dich?«

»Ja –«, sagte Hedi kleinlaut. Ihr war bei diesem Gedanken gar nicht wohl, doch der Fritz tat ihr sehr leid. Er sah gar zu hässlich aus in dem beschmutzten Anzug.

Vereint hämmerten die Kinder mit den kleinen Fäusten gegen die Tür. Hätten sie gewusst, dass die Garage des Getreidehändlers abseits in einem großen Hofe stand, wäre ihr Mut noch mehr gesunken. Niemand ahnte, dass hier zwei verängstigte Kinder eingesperrt waren.

»Ich hab' Hunger«, jammerte Fritz.

»Warte mal noch ein Weilchen«, tröstete Hedi. »Es wird gleich einer kommen und uns was zu essen bringen.«

Aber es kam keiner. Von Zeit zu Zeit schlugen die Kleinen vereint gegen die Tür der Garage, um sich bemerkbar zu machen. Als aber Stunde auf Stunde verrann, erlahmten ihre Kräfte. Hinzu kam die immer größer werdende Angst.

Fritz kauerte in der Ecke der Garage. Sein Kopf war vornübergesunken; er war vom Weinen und von der Erregung müde geworden. – Hedi blickte sich suchend um, ob sie dem Erschöpften nicht ein besseres Lager bereiten könnte. – Dort stand das Auto mit den weichen Polstern. Doch hatten die Kinder Angst, einzusteigen. Schließlich überwog das Mitleid.

»Komm, Fritzchen, ich setze dich in den Wagen.«

»Ich will nicht in den Wagen!«

»Komm nur, er tut dir nichts, ich passe auf.«

Hedi umfasste den Spielgefährten und führte ihn wie eine sorgsame Mutter zum Auto und drückte ihn auf den Polstersitz.

»Hier kannste schlafen, Fritzchen. Morgen früh bekommen wir dann Frühstück – Milch und Kuchen und Honig und eine Gänseschmalzschnitte. Das bringt uns die Waldfee. Ich will es ihr sagen. Und dann können wir auch wieder nach Hause gehen.«

»Ich habe so große Angst.«

Hedi kroch neben den Freund auf den Sitz, legte dessen Lockenköpfchen an ihre Schulter und flüsterte: »Es darf dir keiner was tun. Der liebe Gott ist in jedem Winkel, er ist auch in der Garage. Und wenn er vielleicht auch böse auf uns ist, er wird schon wieder gut werden. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.«

Fritz war so erschöpft, dass ihm noch während der Worte des kleinen Mädchens die Augen zufielen.

Aber Hedi konnte noch lange nicht schlafen. Jetzt erst überkam sie erneut die Sorge. Sie wusste, dass sie von den Eltern gesucht würde, und sie wusste auch, dass sie heute sehr unfolgsam gewesen war, dass es heute sehr schlimm ausging.

»Lieber Gott – liebe Traumfee und liebe Waldmutter, sieh doch zu, dass wir hier bald heraus können. Ich habe ja solche große Angst!«

Dann schlief Hedi ein. Die Traumfee meinte es auch wirklich gut mit den Kindern. Sie führte die Kleinen im Traum in den schönen grünen Wald, zeigte ihnen Hirsche und Rehe, während sie eng aneinandergeschmiegt in dem Auto saßen und im Schlummer ihr großes Leid und ihren Kummer vergaßen.

Die beiden schliefen noch, als am anderen Morgen gegen neun Uhr der Getreidehändler Henschel die Garage betrat,um eine Fahrt über Land anzutreten. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er die beiden beschmutzten Kinder sah, die gar friedlich aneinandergelehnt im Schlummer lächelten. Wie kamen die Kleinen hierher? Die Garage war fest verschlossen. Beim näheren Betrachten erkannte er den kleinen Sohn des Gutsbesitzers Niepel. Womit hatten sich die Kinder so beschmutzt? Da fiel ihm ein, dass er gestern in der Stadt mehrere Flaschen Himbeer- und Zitronensaft gekauft hatte, die hinten im Auto standen. – Waren die Kleinen in den Notsitz gekrochen und unfreiwillig mitgefahren? Die Ärmsten hatten die Nacht in der Garage verbringen müssen.

Er musste lachen, als er Hedi antippte. Liebevoll hatte die Kleine ihren Arm um den Knaben geschlungen. Nun wachte sie auf, die blauen Kinderaugen weiteten sich in jähem Schreck. Vor ihr stand der Räuber mit dem schwarzen Bart, der sie gefangen hielt und nun verprügeln wollte.

»Der – der kleine Junge – hat nichts getan – ich habe ihn mitgenommen – – ich – ich – –«

Weiter kam die Kleine nicht, die Angst verschlug ihr die Stimme. – Warum lachte der Mann so sehr?

»Wie kommt ihr denn hierher?«

Nun erwachte auch Fritz. Scheu versuchte er sich hinter Hedi zu verstecken.

»Wir sind da hinten im Kasten gewesen – – wir konnten nicht 'raus – – bitte – – lass uns frei – – wenn du willst, kannst du mich auch ein bisschen hauen, aber nicht den kleinen Jungen – der kleine Junge – –«

»Die ganze Nacht habt ihr hier gesessen? – Lieber Gott, was werden eure Eltern sagen.«

»Es wird sehr schlimm sein«, meinte Hedi. »Aber lass uns jetzt los.«

»Erst nehme ich euch mal mit, damit man euch wäscht, ihr Ferkel! Dann fahre ich euch sofort heim.«

Die Kinder wollten es nicht glauben, dass der böse Mann so gut sein konnte. Sie wagten kaum, aus dem Auto zu steigen.

Der Getreidehändler war allerdings ein wenig bestürzt, als er seinen schmutzigen Wagen sah. Doch zunächst mussten die Kinder gesäubert und heimgebracht werden. Er konnte mit Niepel sogar telephonieren und ihm mitteilen, dass sein Sohn Fritz wohlbehalten bei ihm wäre. Welche Angst mussten die Eltern der Kleinen ausgestanden haben.

In seiner Wohnung wurden die verängstigten Kinder gewaschen und dann von Henschel heimgefahren. Erst hielt er am Forsthause an, um Hedi abzuliefern. Minna, die Magd, empfing das Kind mit heftigen Scheltworten.

»Du bist an allem schuld! Wenn deine Mutti jetzt sehr krank wird, hast du es dir zuzuschreiben, du unartige Pucki! Warte nur, der Vater wird dir das Ausreißen anstreichen.«

»Wo ist denn die Mutti?«

»Sie liegt zu Bett, du darfst nicht zu ihr.«

»Mutti – ach Mutti«, schluchzte Hedi herzbrechend auf, »ich will zur Mutti!«

Während der Getreidehändler mit Minna sprach, kam der Vater aus dem Hause. Hedi eilte auf den Vater zu, doch der wehrte die Umarmung der Kleinen streng ab.

»Vati will dich nicht sehen, er ist so traurig über dich. Vati grämt sich, weil er solch unartiges Kind hat. Die Mutti ist krank.«

»Mutti – Mutti – –«

»Sei jetzt still, Pucki, Mutti darf nicht noch mehr aufgeregt werden.«

»Ich will die Mutti bitten – –«

»Du bleibst bei Minna, Vati hat jetzt keine Zeit für dich.«

In der Küche saß Hedi und weinte leise vor sich hin. Freilich, sie konnte sich denken, dass Vater und Mutter die Nacht über in großer Sorge gewesen waren.

»Ich konnte doch nicht 'raus aus dem Stall – er war fest verschlossen!«

Draußen stand Förster Sandler neben Henschel. Erst jetzt konnte er sich das Verschwinden des Kindes erklären. Man war in größter Aufregung gewesen. Nun schwebte der Förster in Sorge um seine Frau, bei der der Arzt weilte. –

Im Niepelschen Hause gab es für Fritz eine gehörige Tracht Prügel. Der Knabe nahm sie zerknirscht hin.

»Ich bin nur froh«, sagte er zu den Brüdern, »dass er uns nicht noch länger eingesperrt hat.«

Gutsbesitzer Niepel konnte sich das Lachen nicht verbeißen, als er erfuhr, dass die Worte des Getreidehändlers die beiden Kinder so sehr geängstigt hatten. Von den Taubenschlägen hatte Henschel gesprochen; er riet dem Freunde, die Tauben, die er züchten wollte, zunächst einige Tage lang einzusperren. Auch eigneten sich große Taubenrassen besser zur Zucht als kleine, die er persönlich nicht leiden könne. Diese Bemerkungen waren von den verängstigten Kindern falsch ausgelegt worden. Fritz versicherte, er werde niemals wieder in ein Auto steigen.

Das gleiche Versprechen gab auch Hedi. Sie war sehr kummervoll. Wenn nur erst die gute Mutti wieder gesund wäre und ihr verzeihen könnte. Noch schrecklicher als die Fahrt in der dunklen Kiste war der Unwille der Eltern.

Hedi schmiegte den Blondkopf an das braune Fell des treuen Hundes, und indem erneut die Tränen aus ihren Augen tropften, sagte sie unglücklich:

»Lieber Harras, mach doch, dass die Eltern bald wieder gut sind.«

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